Schriftliche Prüfung in praktischer Rhetorik – wie geht das?

Das Thema des mehrteiligen Seminars hieß: Dein Auftritt. Vertreter*innen verschiedenster Berufe haben sich in lauter praktischen Aufgaben bewährt:

  • Atem, Stimmbildung, Artikulation
  • Freies Formulieren
  • Argumentation
  • Storytelling
  • Nonverbale Kommunikation vor Publikum
  • Nonverbale Kommunikation vor Mikrofon und Kamera
  • Moderation von Gesprächen
  • Interviews führen
  • Längere und kürzere Reden konzipieren
  • Sprachliche Gestaltung von Reden

Jetzt ist der Kurs vorbei, und sie brauchen ein schönes Zeugnis, das ihnen die erfolgreiche Teilnahme bestätigt.

Wie kann man das prüfen?

Nun – die Antwort ist zunächst ganz einfach: mit einer praktischen Aufgabe. Die Prüflinge pflanzen sich vor einem kleinen Publikum auf und halten eine Rede. Im Idealfall sind es mehrere Aufgaben, z.B.:

  • ein kurzes, improvisiertes Statement (1 Minute zu einem aktuellen Thema, 5 Minuten Vorbereitung)
  • eine längere, vorbereitete Rede (3-5 Minuten zu einem Thema aus der eigenen Berufspraxis, z.B. Vorstellung eines neuen Produkts vor Kunden)
  • Befragung eines Interviewpartners (2 Minuten nach kurzem Vorgespräch)

Was wird damit geprüft?

  • Aufbau, Argumentation, Formulierung
  • Sprecherische Fertigkeiten (Umgang mit Intonation usw.)
  • Fragetechnik, Zuhören

Reicht das?

Nun – einige Aspekte bleiben außen vor, weil sie für eine mündliche Prüfung zu viel Zeit kosten würden. Zum Beispiel kann die wichtige Frage nach der Dramaturgie eines längeren Vortrags so nicht überprüft werden. Eine Hilfskonstruktion wäre (mündlich oder schriftlich zu lösen):

  • Erstellen eines Konzepts für eine praktische Rede-Aufgabe (Ausrichtung auf das Zielpublikum, Aufbau, Kernsätze inkl. Begründungen)

Aber auch die in solchen Kursen immer gewünschte Fähigkeit des Feedbacks fehlt: Wie kann ich einer Kollegin oder einem Mitarbeiter eine konstruktive Rückmeldung geben bzw. sie vor einem Auftritt briefen?

Das kann in der Prüfung auf zwei Arten getestet werden:

  • mündlich: Prüfungsgespräch mit Dozentin oder externer Expertin: Ein praktisches Beispiel wird vorgelegt (Video oder Text) und besprochen.
  • schriftlich: Analyse eines praktischen Beispiels

Die mündliche Version benötigt wieder viel Zeit, hat aber den Vorteil, dass sie näher bei der bisherigen Unterrichtspraxis liegt: Die schriftliche Analyse wurde (in den Fällen, die ich kenne) kaum geübt. Damit tritt eine Fähigkeit (Konzeption und Verfertigung einer rhetorischen Expertise) in den Vordergrund, die stark davon abhängt, was die betreffende Person schon mitbrachte. – Auf der anderen Seite hat die Schriftform den Vorteil, dass Prüfungszeit gespart wird, während den Geprüften mehr Zeit zur Reflexion bleibt, und auch, dass allen Teilnehmenden dieselbe Aufgabe gestellt werden kann.

Fazit:

Wer ein Rhetorik-Programm anbietet, das auch längere Auftritte einschließt, kommt bei der Prüfung nicht um eine analytische Komponente herum. Wird diese mündlich abgefragt, braucht es Zeit und für sämtliche Teilnehmenden unterschiedliche, aber vergleichbare Aufgaben. Wird dieser Aspekt schriftlich geprüft, darf fairerweise die verwendete Metasprache nicht gewertet werden, weil sie nicht Thema des Kurses war.

Viele Probleme kann eine hybride Form lösen: Die Aufgabe besteht in der Erstellung eines Konzepts für eine Ansprache. Dieses enthält einzelne ausformulierte Teile und Begründungen für die Wahl des Aufbaus, der Argumente und Kernsätze.

Das medizinische Kreuzworträtsel Nummer 15

Hier war das Ziel nur, wenigstens vier lange Wörter den Rändern entlang zu platzieren. Alles andere ist wie gewohnt: Grundwortschatz, erratbare Abkürzungen, aber kaum nervige Spezialtermini.

Das medizinische Kreuzworträtsel Nummer 15 zum Ausdrucken: Hier.

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Das medizinische Kreuzworträtsel Nummer 12

Das medizinische Kreuzworträtsel Nummer 12 hat einige Schwächen, z.B. die mehrfache Ballung schwarzer Felder. So etwas wie 1 waagerecht sollte es eigentlich nicht geben (weil nur zwei Buchstaben durch ein senkrechtes Wort abgesichert sind). Und das schwarze Ungetüm, das sich über die fünfte und sechste Zeile ausbreitet, ist ist auch nicht schön und einfach das Resultat unprofessionellen Die-Flinte-ins-Korn-Werfens.

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Die Sehnsucht nach autoritären Rednern

Corona hat uns eine neue Art der politischen Rede gebracht. Die, deren Botschaften von Unsicherheit und Nichtwissen geprägt sind. Jörg Häntzschel, Feuilleton-Redakteur der Süddeutschen Zeitung, findet das bedauerlich.  Er wünscht sich eine Bundeskanzlerin, die die Bundesrepublik mit klaren, autoritativen Botschaften durch „die schwerste Krise ihrer Geschichte“ führt.

„Wir haben Führungspersönlichkeiten gewählt, keine Sozialpädagogen, die ihre Worte bedachtsam wählen, damit sie nicht böse klingen.“

Sein Vorbild sind Jeff Smith und Helmut Schmidt.
Jeff Smith? – Der junge, unerfahrene Politiker aus dem tollen alten Film von Frank Capra, der im Kapitol fast 24 Stunden lang redet – allerdings gerade ohne mit seinen Inhalten überzeugen zu können.
Helmut Schmidt? – Der Bundeskanzler, der nach der Ermordung Hanns-Martin Schleyers einen dramatischen Appell an den „Willen des Volkes“ richtete. Jeder habe die “unabweisbare moralische Pflicht”, die Behörden mit Hinweisen zu unterstützen.

Ich wünsche mir zu Zeiten von Corona keinen Schmidt und keinen Smith (und auch keinen Macron und keinen US-Präsidenten wie offenbar Häntzschel). Denn wir sind weder unter korrupten Senatoren (wie bei Capra) noch im deutschen Herbst mit seinem klaren Feindbild.

Corona hat uns eine Krise beschert, in der wir uns anhand aktueller Erkenntnisse der Wissenschaften orientieren müssen. Und wir erleben genau das, was wissenschaftliche Erkenntnis ausmacht: Unsicherheit, Suche, Dispute.

Wir erleben, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Meinung erst langsam fassen, dann sogar ändern und dass sich das Bild von der Krise erst im Lauf der Zeit ergibt.
Das ist unbefriedigend, wenn man auf einfache politische Lösungen hofft. Aber es ist auch eine einmalige Chance. Die Wissenschaft ist von ihrem Sockel heruntergekommen und lässt uns an ihrem Suchprozess teilhaben. Eine verantwortungsvolle Politikerin muss zwar trotzdem Entscheidungen fällen, sie wird aber dieser Dynamik Rechnung tragen.

Ausländischen Beobachterinnen fällt dagegen die gigantische Angst der Deutschen vor Kontrollverlust auf, der man nur begegnet, indem eine Regeln über Regeln aufgehäuft werden.
Eine finnische Radiojournalistin hat in diesem Herbst ein nettes Bild geprägt. Die Deutschen wünschten sich als politische Führerin die Mama eines Teenagers, die, ohne lange zu überlegen, sagt: „Jetzt kriegst du Hausarrest. Du machst keinen Schritt mehr vor die Tür.“ Ihre Alternative: die Mutter, die fragt: „Wie geht’s dir?“ und: „Ist alles in Ordnung?“

Eine politische Rede, in der sich PolitikerInnen zur Ungewissheit bekennen, mag manchmal frustrieren. Aber sie enthält immerhin etwas mehr Wahrheit als eine, die lospoltert, als ob alles längst klar wäre.

Das Publikum aufwecken – Teil 2

Um das Publikum aufzuwecken, musst du selbst aufgeweckt sein. Das heißt: Du musst „dabei“ sein, wenn du sprichst. Das heißt: Du bist dir bewusst, was du tust, und dass du es zusammen mit deinem Publikum tust.

Es kann vorkommen, dass du dich während einer längeren Online-Präsentation schrittweise von deinem Publikum entfernst. Eines von vielen Anzeichen dafür: Deine Stimme wird monotoner und etwas kraftloser.

Das kann jedem passieren

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Das Publikum aufwecken – Teil 1

Ein Vortrag dauert 45 Minuten oder länger. Du bist bei Minute 42 und denkst: Warum fällt es mir hier so schwer, bei der Stange zu bleiben?

Oft ist das Auffallendste die Gleichförmigkeit der Intonation: Jeder Satz sagt mit seiner ansteigenden Melodie, dass gleich ein weiterer folgen wird. Und dann noch einer und noch einer.

Wenn schon Variation in der Melodie (und im Rhythmus) erzielt werden könnte, wäre viel gewonnen.

Variation in der Melodie: Wie geht das?

Am leichtesten fällt es dir, die Intonation zu variieren, wenn du dir Folgendes klarmachst:

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Das Medizinische Kreuzworträtsel Nummer 10

In englischsprachigen Zeitungen wird oft unterschieden zwischen “quick” und “cryptic” Crosswords. Im deutschen Sprachraum sind “kryptische” Fragen am ehesten in der Süddeutschen Zeitung oder im Zeit-Magazin zu finden. Das Medizinische Kreuzworträtsel präsentiert eine Mischung:

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Tipps für den Online-Vortrag (Teil 5)

Warum fasziniert der Held der Steine auch dann, wenn man sich nicht für Noppen-, Klemm-, Lego-, BlueBrixx, BanBao und andere Steine interessiert? – Weil er vor der Kamera Dinge tut und dazu sagt, was er tut.

Der Held vermeidet die Text-Bild-Schere

Das ist die einfachste Formel für einen guten Video-Vortrag:

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Das medizinische Kreuzworträtsel Nummer 8

Das leichteste Kreuzworträtsel EVER!
Zur Abwechslung lauter Suchbegriffe, die direkt auf das Zielwort weisen. Fast keine Umwege! Keine Abkürzungen, die du nicht erkennen kannst oder sowieso kennst. Viele Alltagsbegriffe.
Also los!

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Tipps für den Online-Vortrag (Teil 4)

Kontakt gelingt online, wenn eine Verbindung zwischen deinem eigenen Raum und dem Raum der Zuhörerin/des Zuhörers entsteht. Zum einen ist das eine Sache der Optik: Du gestaltest deinen Raum so, dass man ihn als Raum wahrnimmt und sich darin zurechtfindet.

Nähe durch den Klang der Stimme

Zum anderen ist es eine Sache der Akustik: Weiterlesen

Tipps für den Online-Vortrag (Teil 3)

Blickkontakt ist das A und O des Vortrags. Aber mit den Mitteln, die wir Amateure zur Verfügung haben, ist es nicht leicht, Blickkontakt mit dem Publikum aufzunehmen. Denn das Publikum ist durch eine ziemlich leblose Kamera ersetzt.

Übe den Kontakt mit der Kamera.

Sie ist meistens ein nicht viel mehr als ein grüner Punkt oberhalb deines Bildschirms. Versuche, genau diesem Punkt etwas zu erzählen und dabei den Blickkontakt zu wahren.
Beim Vortrag wirst du dich zwischendurch auf andere Dinge konzentrieren. Aber du solltest immer wieder zur Kamera zurückkehren. Weiterlesen

Tipps für den Online-Vortrag (Teil 2)

Vor Publikum zu reden, bedeutet: Kontakt aufzunehmen und zu halten, obwohl die Distanz größer ist als im Alltag. Dies gilt für Präsenzvortrag und Online-Vortrag.
Im Präsenzvortrag bedeutet dies, den gemeinsamen Raum zu füllen – mit der Stimme und mit der Körpersprache. Du sprichst so laut, dass du auch die Menschen in der hintersten Reihe erreichst. Durch deine Haltung und deine Gestik zeigst du, dass du den gesamten Raum wahrnimmst.
Im Online-Vortrag bedeutet es, den eigenen Raum und den Raum der Zuhörenden zu verbinden.

Willkommen in meiner Welt!

Natürlich weißt du nicht, wo sich die einzelnen Personen befinden, zu denen du sprichst. Aber du kennst deinen eigenen Raum und kannst ihn so einrichten, dass sie sich darin eingeladen fühlen. So wie du im Präsenzvortrag den Vortragssaal als gemeinsame Werkstatt nutzt, musst du im Online-Vortrag alles dafür tun, dass die Leute dir in deinem Raum begegnen. Weiterlesen

Musikredaktion und eine falsche Perspektive

11. März 2011: Kernschmelze in Fukushima. Zu den Folgen gehören Explosionen im Reaktorblock 1, im Reaktorblock 2, im Reaktorblock 3, im Reaktorblock 4.

11. März 2021: SWR 4 bringt kurz vor 12.30 Uhr einen Bericht zum Jahrestag der Katastrophe. Darauf das Lied von Jay Khan: „Du bist hochexplosiv.“

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Der Professor lacht

Das Magazin Focus schreibt über meinen Wohnort und darüber, wie hier mit Corona umgegangen wird. Tübingen ist ein Krähwinkel, sagte mein belesener Freund Piero schon vor dreißig Jahren, und deshalb gehört dazu auch diese heitere Szene:

Aus einem alten Fachwerkgebäude, nicht weit vom pittoresken Tübinger Marktplatz, kommt ein Mann mit Hund. Jürg Häusermann ist ehemaliger Professor, die Universität ist in der Stadt omnipräsent. Der 69-Jährige wirkt entspannt, Maske trägt er nur in der unmittelbaren Nähe von anderen Menschen. Er besitzt etwas, um das ihn manche beneiden: Antikörper gegen Covid-19. […] Am Zelt für den Schnelltest läuft er vorbei, er braucht ihn nicht. “Tübinger Modell”? Der Professor lacht. (Focus 52/2020, S. 41.)

Der Professor lacht. Er tut das scheinbar als Kommentar zu den Tübinger Anstrengungen in der Pandemie-Bekämpfung. Das wirkt naiv und egoistisch, und wenn ich dieser Professor wäre, würde ich mich schämen. Dummerweise bin ich aber dieser Professor.

Nur ist die Szene nie passiert. Weiterlesen

Aber bedeutet denn Journalismus nicht, Geschichten zu erzählen?

Die Journalistin Rukmini Callimachi von der New York Times interviewt einen jungen Kanadier, der behauptet, als Kämpfer beim IS gedient und Menschen umgebracht zu haben. In ihrem vielgefeierten Podcast Caliphate erzählt gekonnt über die Abenteuer und Verbrechen – bis über die Authentizität ihrer Quelle Zweifel aufkommen und sich die New York Times mit einem peinlichen Fälscher-Problem im eigenen Haus konfrontiert sieht.

Der Journalist, der mich um ein Interview anfragt, hat die Idee, dass das Ganze mit dem seit längerem grassierenden Storytelling-Hype zu tun hat. Die Redaktionen sind so sehr auf gute Geschichten aus, dass sie gegenüber der Nachrecherche nachlässig werden.

Da rennt er bei mir offene Türen ein. Ja, sage ich. Es ist ein Riesenproblem, dass die Medienhäuser ihren Redaktionen Storytelling verordnen und es über die gründliche Recherche stellen.

Aber dann sagt eine Kollegin: Journalismus bedeutet doch, Geschichten zu erzählen.

Ja. Erzählen zu können, macht den Journalismus lebendiger. Aber wer Storytelling sagt, hebt das Erzählen über alle anderen journalistischen Fähigkeiten hinaus. Weiterlesen