Das Publikum aufwecken – Teil 1

Ein Vortrag dauert 45 Minuten oder länger. Du bist bei Minute 42 und denkst: Warum fällt es mir hier so schwer, bei der Stange zu bleiben?

Oft ist das Auffallendste die Gleichförmigkeit der Intonation: Jeder Satz sagt mit seiner ansteigenden Melodie, dass gleich ein weiterer folgen wird. Und dann noch einer und noch einer.

Wenn schon Variation in der Melodie (und im Rhythmus) erzielt werden könnte, wäre viel gewonnen.

Variation in der Melodie: Wie geht das?

Am leichtesten fällt es dir, die Intonation zu variieren, wenn du dir Folgendes klarmachst:

Dein Vortrag ist eine Kette unterschiedlicher Handlungen:

  • Du stellst eine These auf.
  • Du begründest diese These.
  • Du illustrierst sie mit einer kleinen Geschichte.
  • Du stellst eine Frage.
  • Du gibst eine Antwort.
  • Du kündigst ein neues Kapitel an.
  • Du kommentierst, was eine Zuhörerin gesagt hat.

Und so weiter. Es ist eine Abfolge von immer wieder anderen Dingen, die du tust. Und deine Muttersprache hat für jede dieser Handlungsformen eigene Satzmelodien: Eine Frage klingt anders als eine Antwort. Eine These klingt anders als eine Ankündigung. Eine zögerliche Zustimmung klingt anders als eine heftige Verneinung. Das hört man an der Melodie, aber auch am Rhythmus.

Sei dir deiner (Sprech-)Handlungen bewusst!

Diese akustische Vielfalt stellst du automatisch her, wenn dir bewusst ist, was du tust. Wenn dir klar ist: Eben habe ich eine Behauptung aufgestellt; jetzt frage ich nach den Gründen. Im Alltagsgespräch tust du das immer. Darum klingen Alltagsgespräche auch abwechslungsreicher als Predigten.

Aber auch eine Predigt wäre aus vielen solchen Handlungsformen aufgebaut, wenn nur der Prediger das wüsste. Und natürlich auch die Produktpräsentation am Messestand und die Vorlesung an der Uni. Einfach alles, was du zu andern Menschen sagst (solange es aus mehr als einem einzigen Satz besteht).

Tipp: Höre darauf, wie das gute Sprecherinnen und Sprecher machen. Wenn sie packend, abwechslungsreich klingen, dann liegt es genau daran.

Hör dir den Helden der Steine an (falls du es aushältst – er spielt halt mit seiner Rolle, und das mögen nicht alle): Hör, wie er ankündigt, urteilt, kommentiert, sich selbst unterbricht, fragt, antwortet usw. usw. Und jede dieser einzelnen Handlungen klingt anders. Weil er sich dafür Zeit lässt und weil er nah an seinem Publikum ist.

Wer so spricht, braucht sein Publikum nicht mittendrin aufzuwecken. Es bleibt auch so bei der Stange.

Wenn du es aber aufwecken musst, dann unterbrich dich. Mach eine Pause und lass etwas folgen, das anders klingen muss: eine Frage, eine Geschichte, eine Ankündigung usw. – Und vollzieh diese Handlung (und alle, die ihr folgen) bewusst. Die Leute werden zu dir zurückkommen und dir wieder zuhören.

Auch die Planung kann Abwechslung sichern

Weitere Tipps zum Thema Das Publikum aufwecken werden folgen. Sie zeigen, wie du andere Fallen Einförmigkeit verhindern kannst:

  • Inhaltlich: lange Passagen mit allgemeinen oder abstrakten Aussagen ohne Unterbrechung durch konkrete, illustrierende oder praktische Aussagen
  • Strukturell: Abfolge von immer gleich langen Abschnitten
  • Melodisch: Aufzählton – eine endlose Folge von Sätzen, die mit ansteigender Satzmelodie aufhören
  • Sprachlich: Relativierungen durch Partikeln und Phrasen, die die Aussage ohne Not abschwächen, vernebeln oder teilweise zurücknehmen.