Ich habe heute „Kaffee oder Tee“ geguckt

In den frühen 1980er-Jahren gab es im ersten Programm der ARD eine Talkshow für junge Leute: „Kaffee oder Tee?“ Sie lief am Sonntagvormittag um 11.15 Uhr mit zum Teil brisanten Themen. Sie wurde 1985 abgesetzt.
Im Jahr 2000 suchte der Südwestrundfunk nach einem Namen für eine neue Sendung. Und weil die Möglichkeiten beschränkt sind, kam man wieder auf „Kaffee oder Tee“. Diesmal allerdings ohne das Fragezeichen. Sie kommt Montag bis Freitag um 16.05 und dauert zwei Stunden lang. Heute ist, scheint’s, der Internationale Tag des Hörens, und wir erfahren, was die In-Ear-Kopfhörer von Sennheiser bis Xiaomi so drauf haben und warum wir unbedingt frühzeitig ein Hörgerät anschaffen sollen. Das Publikum von damals ist älter geworden.

Und „Kaffee oder Tee“ ist zum Verbrauchermagazin geworden. Es präsentiert nicht nur Technik, die man sich ins Ohr stopft, sondern auch „lustige Faschingsideen für klein und groß“ und Rezepte (für „zwei leckere Rührkuchen“). Zudem einen Bericht über die Neuigkeiten aus den europäischen Königshäusern.

Was Verbraucher halt so brauchen. Und dazwischen eine schnelle Umfrage. Der Moderator:

„Uns interessiert Ihre Meinung, und dafür müssen Sie nur ein Mal klicken. Denn es gibt etwas ganz Neues hier, bei „Kaffee oder Tee“, Sie finden es im Internet unter Mein SWR Punkt de eh. Und so funktioniert es.

Ein kurzes Video  erklärt:

Machen Sie mit! Ihre Meinung zählt! Nehmen Sie jetzt Ihr Tablet oder Handy. Geben Sie meinswr.de ein. Wählen Sie aus und stimmen Sie ab! Live dabei sein! Los gehts!

Man sieht ein Cartoon von zwei typischen SWR-Zuschauern. Sie haben auch schon ihre Meinung. Die Figur links ist für Daumen hoch, die rechts für Herzchen:

Bist du für Herzchen oder für Daumen hoch? – Es wird sich gleich zeigen. Die Verbrauchersendung hat die folgende Frage:

Ja, unsere Frage heute beschäftigt sich mit den Sanktionen gegen Russland im Bereich Sport und Kultur. Die Mannschaft bei den Paralympics in China sind nun doch von den Spielen ausgeschlossen, auch die Fußballnationalmannschaft von Russland darf bei der Fußballweltmeisterschaft nicht mitmachen, und auch die Kultur ist von Sanktionen betroffen, Sie haben es schon mitbekommen, der Dirigent der Münchener Philharmoniker, Valerij Gergiev, der ein Putin-Vertrauter ist, dem wurde gekündigt, weil er sich bislang nicht klar von Putin distanziert hat.

Das also möchte „Kaffee oder Tee“ wissen:

Sind solche Sanktionen im Bereich Kultur und Sport Ihrer Meinung nach richtig? Also: Finden Sie das richtig? Das ist unsere Frage an Sie, und wir freuen uns auf Ihre Meinung,

Dann, um 17.07 Uhr, wird der Startschuss zur Umfrage gegeben: „Sie können jetzt direkt anfangen abzustimmen.“ Und dann erfahren wir auch gleich mehr:

Wir haben Sie zu diesem Thema auch vorhin schon aufgerufen, dass Sie uns schreiben, dass Sie uns anrufen und Ihre Meinung äußern, und wir haben auch bestimmt schon die erste Anruferin in der Leitung, das kann ich oben im Monitor sehen, […] Das ist die Frau Opel. Hallo, Frau Opel…

Frau O. ist 86 Jahre alt, war früher eine aktive Sportlerin und sie ist entsetzt, „dass man die Sportler immer als Geisel der Politik nimmt“.  – Die zweite ist Frau Noack. Auch sie findet es „völlig falsch, die Sportler auszuschließen“. – Der Moderator wirkt nicht gerade glücklich. Er schiebt eine kleine Belehrung dazwischen:

Wobei der Hintergedanke, einmal kurz zur Erläuterung, auch für unsere anderen Zuschauerinnen und Zuschauer, is’ ja, dass der Verband ausgeschlossen wird und nicht Einzelsportler, die bei Einzelsportwettkämpfen antreten, aber weil es eben die russische Nationalmannschaft ist, deswegen wird diese Mannschaft, das komplette Team dann ausgeschlossen. (Verband und National hat er zur Verdeutlichung besonders betont.)

Frau N. lässt sich nicht beschwichtigen. Sie führt auch die Schach-WM an, die abgesagt wurde: „Das geht einfach nicht.“

Also Sie sind eindeutig dagegen. Danke Ihnen für Ihre klare Meinung!

„Ja, es tut mir weh, es tut mir einfach weh.“

Mhm. Okay. Dankeschön, alles Gute für Sie. Tschüss, danke für den Anruf.

Frau N. hat tapfer weitergesprochen. Aber es muss ja weitergehen. Die Facebook-Beiträge sind dran. Auch die sind anscheinend eher contra als pro:

Wir haben äh viele Posts von Ihnen bekommen auf unserer Facebook-Seite, und auch da zeichnet sich ein Bild ab, was ein bisschen Rich – in die Tendenz geht, dass Sie es nicht gut finden, wenn Sportler von den Wettbewerben ausgeschlossen werden. Wir haben ein geteiltes, geteilte Meinung bei Facebook, aber ’n bisschen mehr die Tendenz Richtung Unverständnis.

Dann zitiert er sieben Posts. Drei von ihnen sind dafür, vier dagegen. („Tendenz Richtung Unverständnis“ ist seine Art, das zusammenzufassen.)

Also wie gesagt: Da eine zweigeteilte Meinung.

Um 17.11 Uhr, also nach vier Minuten, ist auch die Online-Abstimmung vorbei:

Und unsere Umfrage an Sie unter meinswr.de hat auch ein Ergebnis. Da sagen 84 Prozent der Menschen, die sich beteiligt haben: Ja, sie finden es richtig, dass es diese Sanktionen gibt, und 16 Prozent der Menschen sagen: Nein, sie finden das nicht richtig, dass es Sanktionen auch im Bereich Kultur und Sport gibt. Vielen Dank, dass Sie sich an dieser Abstimmung beteiligt haben.

In vier Minuten haben 84 Prozent der Teilnehmenden auf meinswr.de auf „Richtig“, 16 Prozent auf „Falsch“ geklickt. Nur – wie viele ergraute Kaffee- oder Tee-Trinker haben zum Handy oder Tablet gegriffen? Welche Zahl hat umgerechnet das Verhältnis 84:16 ergeben? Zehntausend? Tausend? – Es wird uns nicht gesagt. Vielleicht waren es 775. Das ergäbe ein Verhältnis von 651 (pro) zu 124 (contra). Vielleicht waren es auch nur 25. Das wäre dann 21 (pro) zu 4 (contra).

Ich habe heute „Kaffee oder Tee“ geguckt und viel gelernt. Im Frauenzimmer Koblenz „wird viel geredet, da wird Kaffee getrunken, da wird auch Selbstgebackenes mitgebracht“. Der kleine Willi „hat ein ganz, ganz kuschelweiches Fell, wie so’n Teddybär, er ist vier Monate alt und er hat sich auch schon seine Söckchen angezogen.“ Die Kamelie ist „im Winter immer grün und im Frühling eine der ersten, die blüht“. Und ins Bananenbrot muss nicht unbedingt Erdnussbutter rein, „kann man einfach durch ‚nichts’ ersetzen“. Das alles habe ich gelernt. Und dass, wenn man Sportlerinnen und Sportler von den Paralympics ausschließt, nicht Menschen gemeint sind, sondern nur ein Verband.

Und wie man Telefongespräche effizient beendet. Man sagt: „Danke für Ihre klare Meinung!“ Und wenn das nicht reicht, schiebt man weitere aufbauende Floskeln nach:

Mhm! Okay! Dankeschön! Alles Gute für Sie! Tschüss! Danke für den Anruf!

Sechs Nettigkeiten. Keiner wird es verstehen als Umschreibung für: Sorry, wir kippen dich jetzt aus der Leitung.