Faktenverleugnung als Interviewtaktik

In Umfragen zeigen in Ostdeutschland mehr Menschen Sympathie für Putin und seine Gewaltherrschaft als im Westen. Das ist der Ausgangspunkt für eine Frage an Bundespräsident Steinmeier. Sie wird gestellt durch Berthold Kohler, Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bei deren Kongress „Zwischen den Zeilen“ vom 26. April 2024 (ab Min. 31:40)

Steinmeier hat selbst betont, dass die Freiheitsrechte des Grundgesetzes die Ost- und Westdeutschen gleichermaßen ansprechen. Deshalb ist es nur verständlich, dass er nach einer Erklärung für dieses Ungleichgewicht gefragt wird.

Die Frage

„Man kann da natürlich davon ausgehen“, sagt Kohler, „dass gerade jene, die die Freiheit so lange entbehren mussten, sie besonders zu schätzen wissen.“ Und dann stellt er die einfache Frage:

Warum neigen dann aber offenbar, jedenfalls allen Umfragen zufolge, die Ostdeutschen eher zu einem milderen Urteil oder auch zu eher etwas größerem Verständnis für den Aggressor Putin und seine Despotie und auch zu den Parteien, die sich, die sich zu diesem System hingezogen fühlen als jedenfalls die Menschen im Westen Deutschlands?“

[Genauer Wortlaut am Schluss dieses Textes.]

Es ist eine unangenehme Frage. Aber eine, die sich vielen stellt. Und man vermutet, dass der Bundespräsident sich dazu schon einige Gedanken gemacht hat. Hier seine Antwort:

Ob das nach Köpfen wirklich mehr sind, das lass’ ich mal hintanstehen. In Prozenten mag das so sein, aber ich bin nun wirklich viel, viel, viel im Osten und grade auch in Thüringen und in Sachsen unterwegs gewesen in den letzten Jahren, habe viele schwierige Debatten geführt, grade auch über die Fragen von Krieg und Frieden und wer verantwortlich ist für die – für eine Zuspitzung, politische Zuspitzung, die am Ende zu Angriffskrieg Russlands gegen, gegen die Ukraine geführt hat. Ähm. Ich stelle selten fest, dass ich auf Menschen treffe, die völlig unerreichbar sind für Argumente.

Und schon ist er bei der Erkenntnis, dass viele Menschen mit Argumenten erreichbar seien, dass die Unterstützung der Ukraine „nicht in Frage stehe“ und dass er schon auf der Leipziger Buchmesse zum Thema Grundgesetz gesprochen habe. Damit ist er der Frage wortreich ausgewichen, und hat die Thematik mit waghalsigen syntaktischen Konstruktionen umdefiniert.

Steinmeier-Statistik

Begonnen hat er aber – wie das auch Populisten tun – mit einer Kritik an der Sachinformation.Ich finde: Das hätte man ihm nicht durchgehen lassen sollen: dass er, konfrontiert mit Umfrageresultaten, sagt, in Prozenten möge es so sein, aber

Ob das nach Köpfen wirklich mehr sind, lass’ ich mal hintanstehen.

Was wurde denn in den Umfragen gezählt, wenn nicht Köpfe? – Nasen? Arme und Beine? – Man wäre damit wohl zum selben Resultat gelangt. Ich kann mir nur eines denken: dass die Umfrageinstitute statt der Köpfe die Haare auf den Köpfen gezählt haben. Natürlich  hat sich dadurch eine Schieflage ergeben, weil Glatzköpfe bekanntlich intelligenter sind. Klar, dass dadurch die haarigen Putin-Versteher mehr Gewicht bekommen.

Wie sicher muss sich einer fühlen, dass er sich in einem Interview so aus der Affäre zieht? Und wie wenig Interesse muss er an den Bürgerinnen und Bürgern haben, die auch von ihren demokratischen Repräsentanten ernst genommen werden wollen?

Der Wortlaut:

Frage: Herr Bundespräsident, Sie sagten auch, dass die Freiheitsrechte des Grundgesetzes, das sich nun wahrlich bewährt hat und das wir zu Recht äh feiern, dass diese Freiheitsrechte die Ost- und Westdeutschen gleichermaßen ansprechen würden, und man kann da natürlich davon ausgehen, dass gerade jene, die die Freiheit so lange entbehren mussten, ähm sie besonders zu äh schätzen wissen. Warum neigen dann aber offenbar, jedenfalls allen Umfragen zu dann – zufolge, die Ostdeutschen eher, sage ich: eher zu einem milderen Urteil oder auch zu eher etwas größerem Verständnis für den Aggressor Putin und seine Despotie äh und auch zu den Parteien, die sich, die sich zu diesem äh System hingezogen fühlen als jedenfalls die Menschen im Westen Deutschlands?

Antwort: Ob das nach Köpfen wirklich mehr sind, das lass’ ich mal hintanstehen, ich bin nach Prozenten jedenfalls, in, in, in Prozenten mag das so sein, aber ich bin nun wirklich viel, viel, viel im Osten und grade auch in Thüringen und in Sachsen unterwegs gewesen in den letzten Jahren, habe viele schwierige Debatten geführt, grade auch über die Fragen von Krieg und Frieden und wer verantwortlich ist für die – für eine Zuspitzung, politische Zuspitzung, die am Ende zu Angriffskrieg Russlands gegen, gegen die Ukraine geführt hat. Ähm. Ich stelle selten fest, dass ich auf Menschen treffe, die völlig unerreichbar sind für Argumente. Nicht jeder geht aus dem, aus der Debatte heraus und sagt: Ach so war das, und ja,­– dann können wir wohl nicht anders als äh die Ukraine zu unterstützen. Aber wenn man die Geschichte etwas länger und etwas ausführlicher und nicht im Agenturstil argu, durchargumentiert, sind viele schlicht und einfach äh nach meiner Erfahrung jedenfalls erreichbar und äh. Die Kritik prinzipiell an der von der Bundesregierung und den größten Teilen des Parlaments ja gedeckten und gestützten Unterstützung der Ukraine steht eigentlich auch da nicht in Frage. Wenn Sie auf das Grundgesetz kommen, – ähm, so hab’ ich ja in, in meiner Rede auf der Leipziger Buchmesse das Thema…

 

Musik hören, Teil 4

Hören (im Zusammenhang mit Musik) ist – wie erwähnt – im Gegensatz zu Anhören oder Zuhören eine vorwiegend unfreiwillige Tätigkeit, zumindest bis zum Ende des 19. Jahrhunderts.

Im Jahre 1875 erschien der Teil des Grimmschen Wörterbuchs (Holzmarkt bis Hurre), der das Wort hören in all seinen Verwendungsweisen dokumentierte. Hier hat hören noch vor allem die Bedeutung: „durchs Gehör wahrnehmen (können).“

Zwar gibt es hier das transitive „mit Aufmerksamkeit hören“ – etwa wenn der Psalmist sagt: “Gott, höre mein Gebet!“ Oder das studentische Konsumieren von Vorlesungen: „Er hört eine Vorlesung bei Professor N.“ Aber von der selbständigen Handlung „Musik hören“ unserer Tage  („ich wähle mein persönliches Programm“) ist das weit entfernt. Das Wort „Musik“ kommt im ganzen langen Artikel zum Thema „Hören“ nur einmal vor, im Zusammenhang mit den Posaunen von Jericho.

Unfreiwilliges Hören von Musik

Und für die Bewohnerinnen und Bewohner von Jericho war es ein ziemlich unfreiwilliges Hören:

„Und lass sieben Priester sieben Posaunen tragen vor der Lade her, und am siebenten Tage zieht siebenmal um die Stadt und lass die Priester die Posaunen blasen. Und wenn man das Horn bläst und ihr den Schall der Posaune hört, so soll das ganze Volk ein großes Kriegsgeschrei erheben. Dann wird die Stadtmauer einfallen, und das Volk soll hinaufsteigen, ein jeder, wo er gerade steht. (Josua 6, 4-5.)

Die Leute in der belagerten Stadt ertrugen diesen Lärm sieben Tage lang. Dann fiel die Mauer, und alle Männer, Frauen und Kinder wurden umgebracht (außer der Hure Rahab und „dem Haus ihres Vaters und allem, was sie hatte“).

Beschallung als Folter

Das 21. Jahrhundert hat den Ordnungshütern und Armeen dieser Welt Geräte beschert, die es überflüssig machen, sich dem Gegner mit Posaunen zu nähern: long range acoustic devices (Jürg Häusermann (2017): Auditory Media, in: Cotter & Perrin (eds.): The Routledge Handbook of Language and Media, S. 221). Sie transportieren Töne über weite Distanzen und in großer Lautstärke (bis 160 dB – was das Gehör irreparabel schädigen kann). Die übertragenen Frequenzen müssen nicht, aber können musikalischer Natur sein.

Die Royal Navy hat angeblich die schlimmsten Songs von Britney Spears eingesetzt, um Piraten vor der somalischen Küste zu vertreiben.

In Guantanamo und anderswo wurden Häftlinge allein oder in Gruppen mit Rockmusik beschallt, um sie zu verwirren oder zu Geständnissen zu bewegen (die sich allerdings nachträglich auch als falsch erwiesen).

Selbstbeschallung

Und dann sitzen die Soldaten in ihren Camps und beschallen sich selbst. Sie nutzen die gleiche Musik, mit der Häftlinge gefoltert werden, um sich für den Kampf zu motivieren.

Ein Veteran des Irak-Kriegs:

„Sometimes your motivation is down and you’re like, “I don’t want to play soldier today, I don’t want to do this.” But then you hear “The Good, the Bad, and the Ugly” theme song and you’re like, “Fuck yeah, hell yeah, I’ll go out on a mission today.” (Pieslak, Jonathan (2009): Sound Targets. American Soldiers and Music in the Iraq War. Bloomington: Indiana University Press, S. 51.)

Es gibt eine lange Liste von Songs, die verwendet wurden, um Kriegsgefangene zu foltern. Und eine viel längere von Songs, die halfen, sich zum Töten zu motivieren:

I’m going to have to shoot at someone today, so might as well get pumped up for it. So that Eminem song, “Go To Sleep,” when we got to Fallujah was kind of our anthem and before every mission we’d blare that and we’d all scream the lyrics out.” (S. 51)

Musik hören, Teil 3

„Musik hören“ zu einer Zeit, als die privaten Grammophone, Pianolas oder Radioempfänger noch nicht zur Verfügung standen: Menschen haben Teil an der Aufführung eines Liedes, eines Marsches, eines Orgelvorspiels… Musikgenuss ein gemeinsames Erlebnis von Vortragenden und Zuhörenden. Und auch wenn es nur eine einzige Person ist, die einer auserwählten anderen etwas vorspielt, so hat es doch mehr von einem Dialog als von einer einseitigen Anhörung.

Nicht nur in der Darbietung, auch in der Diskussion des musikalischen Erlebnisses spiegelt sich die Selbstverständlichkeit, dass Musikgenuss keine einsame Angelegenheit sein kann. Zwar ist Musik manchmal eine Überraschung, für eine Gruppe von Menschen oder einen allein, doch auch da ist sie eher ein unerwartetes Geschenk als eine Berieselung, und vor allem wird sie für so ungewöhnlich empfunden, dass sie ausführlich verarbeitet werden muss. (Man lese die ausführliche Schilderung des Umgangs Wilhelm Meisters mit dem unerwarteten Lied des Harfners, das durch dessen Tür dringt [2. Buch, 13. Kapitel].)

Musik im Wald um 1910

Zwei Waisenkinder, Gundel und Dieter, lernen eine geheimnisvolle Welt kennen: die Welt um Schloss Rabenburg. Ihr Großonkel hat sie dort aufgenommen. Am Silvesternachmittag begleitet er sie zusammen mit Großtante Susanne auf einen Spaziergang durch die verschneite Umgebung. Sie hören die Raben krächzen und einen Specht, der die Tanne „abklopft“. Ansonsten ist das Tal ganz still. Dann aber – ein Ton:

Ein Ton durchdrang dessen Stille, es raschelte und knisterte und auf einmal kam ein Singen durch den Wald, fern und doch deutlich vernehmbar:
»O Täler weit, o Höhen,
O schöner, weißer Wald
Du meiner Lust und Wehen,
Andächtiger Aufenthalt.«
Eine schöne klare Männerstimme war es, die sang; wie ein Gebet so feierlich und andächtig tönte das Lied. Die vier Wanderer waren stehengeblieben, um keinen Ton zu verlieren, von dem Sänger selbst war nichts zu sehen, man hörte auch kein Rascheln und Schreiten mehr. Selbst die Raben waren verstummt, es war, als lausche der ganze Wald dem Liede. (Josephine Siebe: Die Schlosskinder auf Rabenburg, 12. Kapitel.)

Ein Lied ist das Zeichen, dass noch ein Mensch im einsamen Tal wandert. Es ist das wehmütig-besinnliche Lied von Eichendorff, das den Sänger ganz offenbar so sehr ergreift, dass er mitten drin abbricht. Die Wanderer werweißen, wer der Sänger wohl sei. „Ein verlaufener Wandervogel wohl“, meint der Großonkel. Aber seine Frau weiß es besser. Sie erkennt: „Das war kein lustiger Wandervogel, das war einer, der in Trauer durch den Wald ging.“

Die Autorin Josephine Siebe lässt diese Geschichte am Jahresende 1913 spielen. Ihren Spaziergängern geht es ähnlich wie vielen deutschen Romanfiguren vor ihnen: Immer wieder, besonders wenn sie durch die Wälder streiften, sind sie auf einsame Wanderer gestoßen, die für sich ein Lied singen und dem Lauschenden unwillentlich etwas von sich verraten. Es ist oft der erste Kontakt mit einem Menschen, dem sie später wieder begegnen, meist auch einer Botschaft, die für sie eine tiefe Bedeutung gewinnt.

Das Lied als ein Anzeichen dafür, dass ein Mensch in der Nähe ist, eine Botschaft über dessen Gemütszustand, ein Leitmotiv für die weiteren Erlebnisse der Zuhörerin oder des Zuhörers…

Musik im Wald um 1980

Einige Jahrzehnte später ist das mit dem Singen nicht mehr so sexy. Die Wanderer stoßen nicht mehr auf einsame Sänger im Walde. Sie hören Musik, voll orchestriert und alles andere als live:

Es war einfach ein herrlicher Frühlingsspaziergang, bis man plötzlich plärrende Tanzmusik vernahm…

So beschreibt Konrad Lorenz ein Erlebnis im Wald am Ende des 20. Jahrhunderts. Es ist nicht mehr Gesang, mit dem sich ein Wanderer bemerkbar macht, sondern Musik, und zwar reproduzierte Musik ganzer Orchester, und sie wird als Lärm empfunden:

Über den Waldweg, den Hügelkamm entlang, kaum ein Junge auf einem Fahrrad, in dessen Gepäckträger ein lärmendes Kofferradio klemmte. Meine Frau meinte: „Der hat Angst, er könnte die Vögel singen hören.“ (Konrad Lorenz/Kurt L. Mündl (1984): Noah würde Segel setzen. Vor uns die Sintflut. Seewald Verlag, Stuttgart und Herford, S. 23)

Vielleicht hätten die Lorenzens anders reagiert, wenn der Junge singend vorbeigefahren wäre. Aber der Junge ist ein Kind der 1980er und singt nicht selbst. Er lässt singen. Präziser gesagt: Die Organisation, mit der er über sein Transistorgerät in Verbindung getreten ist, die öffentlich-rechtliche Rundfunkgesellschaft, hat ein Programm zusammengestellt, das aus von Unternehmen der Plattenindustrie produzierten Aufnahmen singender und spielender Menschen besteht. Es war also ein Produzent in einem Studio, der im Auftrag einer komplexen Organisation hatte singen lassen.

Aber das Gerät, das dieses Programm einzufangen vermag, ist tragbar und robust und geht nicht einmal kaputt, wenn ein Metallbügel es mittels starker Federn auf ein Fahrradgestellt presst. Der Begriff „Kofferradio“ wird zur Zeit dieser Begegnung längst nicht mehr verwendet. Es ist Anfang der 1980er-Jahre, das Lied ist vielleicht ein Produkt der Neuen Deutschen Welle wie Major Tom von Peter Schilling, auf dem WEA-Label der Warner Music Group.

Herr und Frau Lorenz haben nicht die geringste Lust, den radiohörenden Radfahrer kennenzulernen und sich ihm „in tiefem, warmem Mitleid“ zuzuwenden. Er ist für sie vielmehr Anlass zu einer kunstkritischen Betrachtung:

Es gibt allzu viele Menschen, die infolge einer falschen ästhetischen Erziehung Popmusik, grelle Farben und manche fragwürdigen Kunstformen für die höchsten Dinge der Schöpfung halten.

Eigentlich sorgen sie sich um den bedrohten Wald. Das Wort „Waldsterben“ ist in aller Munde, und im selben Text wird erklärt, was sich alles verändert, wenn zu viele Bäume gefällt werden.

Liebe zum Wald und ein plärrendes Kofferradio passen aber nicht zusammen. Düster sind die Ahnungen des Naturforschers, der den Verdacht hegt, dass für die Kofferradio-Jugend „die Harmonie der Natur nicht anziehend“ ist.

Doch habe ich manchmal das dunkle Gefühl, dass sie sich eigentlich irgendwie doch der Minderwertigkeit ihrer eigenen Ideale bewusst sind…

Der Junge aber tritt in die Pedale und saust am Verhaltensforscher und seiner Gattin vorbei. Er ist in Bewegung, genießt den Fahrtwind und das Gefühl, das der Song zu verstärken scheint: „Völlig losgelöst…“

Mitbekommen, wie ein anderer Musik hört: das kann heutzutage als Belästigung aufgefasst werden. Die Voraussetzung dazu ist, dass die modernen Geräte privates Musikhören ermöglichen.

Das medizinische Kreuzworträtsel Nummer 23

Zum Herunterladen und Ausdrucken:

https://rhet.de/wp-content/uploads/2022/11/Das-medizinische-Kreuzworträtsel-Nummer-23.pdf

Waagerecht

1          Wenn ein Nerv sich geteilt hat.
6          Die Herzfrequenz im Takt halten.
11        Die letzte im Alphabet der Big Three (universities).
12        In the 19th century (according to historian C. J. Bittel), “an important symbol for women physicians who wanted to prove that they maintained their femininity while surrounded by men”.

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Das medizinische Kreuzworträtsel Nummer 21

Als PDF auf drei Seiten zum Download: Das medizinische Kreuzworträtsel Nummer 21

Waagerecht

1          Wenn Messwerte abweichen. Wenn Strahlungen ihre Richtung ändern. Wenn Entzündungen sich weiterverbreiten.
2          Säufer, salopp.
14        Gift von Pflanzen, Tieren, Pilzen.
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Musik hören, Teil 2

Um die Jahrhundertwende war Peter Altenberg „während 23 Saisonen“ zur Sommerfrische in Gmunden. Der Uhrmacher hatte in seinem Laden ein Grammophon, und einer der schönsten Texte, die Altenberg geschrieben hat, dreht sich darum, dass man beim Uhrmacher für ein paar Groschen ein Musikstück hören konnte. Nein, er dreht sich natürlich nicht darum, die Geschichte setzt es stillschweigend voraus. Er brauchte keine Erklärung, dass das in Gmunden die beste Möglichkeit war, ein Musikstück eigener Wahl zu hören.

Es ist eine wehmütige Geschichte, in der sich ein Kunde und eine Kundin um ein paar Fußbreit näherkommen, weil sie das Stück gemeinsam hören. Dann aber fanden sich je länger je häufiger auch Wirtschaften und Vereinslokale mit Grammophonen und Plattensammlungen – und in begüterten Heimen, so dass sich  der Wunsch entwickeln konnte, ein Konzert privat zu hören, in den eigenen vier Wänden, so wie die Adeligen in früheren Zeiten. Liebespaare drehten sich in ihrer Wohnung nach Grammophonmusik im Tanz. Und das Angebot des Gmundener Uhrmachers war überholt. „Der Herbst kam, und die Esplanade wurde licht von gelben spärlichen Blättern,“ schreibt Altenberg 1908. „Da wurde denn auch das Grammophon im Uhrmacherladen eingestellt, weil es sich nicht mehr rentierte.“

Sechzig Jahre später

Zwei junge Leute treffen sich vor der Jukebox. Jeder hat eine Münze in der Hand und will der erste sein. Das ist die rasantere und plattere Version der Geschichte aus dem Jahr 1965. Die bereits arrivierte Schlagersängerin Sheila gibt sie mit dem Nachwuchstalent Akim in einem Duett wieder. Es kommt zu einem Disput, in dem in dem jeder sagt: „Ich bin dran“ – bis es sich so wunderbar fügt, dass sich beide denselben Titel gewünscht haben. Es ist der Beginn einer langen Freundschaft.

Gemeinsames Musikhören ist 1908 wie 1965 an die Rillen einer harten, schwarzen Scheibe gebunden. Wer sie selber zu Hause hat, muss sie anfassen, aus der Hülle ziehen und auf den Teller legen. Der Uhrmacher überlässt das aber nicht seinen Kunden, und der Apparat in der Bar verhindert ebenfalls, dass die Kundschaft die Platten zerkratzen könnte.

Wer ein bestimmtes Lied hören will, ohne dafür Geld auszugeben, hat über Jahrzehnte nur die Wahl, dem Radio zu schreiben und zu hoffen, dass sein Wunsch in der Wunschkonzert-Sendung berücksichtigt wird. Wenn er Glück hat, hört er es am Montagabend über den Äther. Ein elektronisches Medium ist dazwischengeschaltet mit einer Redaktion, die die Macht hat, Wünsche zu erfüllen oder auszusortieren.

Das lästige Grammophon

Dass das das Musikhören privatisiert wird, zeigt sich an den Beschwerden über das Grammophon. Es wird zunächst für öffentliche Veranstaltungen genutzt und bewundert. Aber je mehr Leute sich eines leisten können, desto stärker wird es als Belästigung empfunden, wenn seine Laute nach außen dringen.

George Robert Sims (1906):

»Mabel!« rief Kaudel entsetzt. »Du wirst doch nicht auf die Idee gekommen sein, ein Grammophon zu kaufen?«
»Doch, und zwar ein herrliches. Und fünfzig Walzen habe ich gekauft. Warte nur einen Augenblick — jetzt sollst du etwas Lustiges hören!«
Kaudel setzte sich auf einen Vorplatzstuhl und starrte entsetzt aufs Barometer. Ein Grammophon! Das Haus, worin er arbeiten und sein Brot verdienen mußte, überflutet von Musik! (Die junge Frau Kaudel, Kap. 15)

Otto Julius Bierbaum (1908):

„Der Kinematographenunfug in Florenz ist wirklich abscheulich, denn er geht mit einem greulichen Mißbrauch von Grammophonen einher, die ganze Stadtviertel mit ihrem blechheiseren Gegröle erfüllen.“ (Blätter aus Fiesole, Kap. 3)

Franz Kafka (1914/15):

„Eben begann ein in besseren Stadtvierteln ausgedientes Grammophon mörderisch zu spielen.“ („Der Prozess“)

Otto Ernst (1918):

„… ein allerflüchtigster Blick durch die Türspalten mag genügen, um vor allen Dingen festzustellen, daß im Wohnzimmer ein Grammophon steht, mit einem Schalltrichter so groß wie die Posaune des jüngsten Gerichtes. Die Auswürfe dieses Apparats, die vorwiegend bei offenen Fenstern produziert werden, sind denn auch seit Jahren im ganzen Regierungsbezirk belieb.“ (August Gutbier oder Die sieben Weisen im Franziskanerbräu, Kap. 2)

Felix Salten (1928):

„Hie und da kreischte ein heiseres Grammophon und wirkte wie eine Insulte.“ (Martin Overbeck, Kap. 1)

Franz Werfel (1939):

„Das Grammophon, das ein paar Minuten lang Atem geschöpft hatte, heulte von neuem los.“ (Der veruntreute Himmel, Kap. 3)

 

Musik hören, Teil 1

Paula ruft ihre Freundin Emma an und fragt: „Was machst du gerade?“ Emma: „Ich höre Musik.“ Sie lebt, sagen wir, in den 1970er-Jahren und hat sich einen Plattenspieler gekauft und eine LP aufgelegt. Sie hört Musik. Das ist nicht erstaunlich, und Paula wechselt bald das Thema.

Aber stell dir vor, es ist hundert Jahre früher, Mitte des 19. Jahrhunderts, und ein junges Mädchen schreibt – in Ermangelung eines Telefons – ihrer Brieffreundin: „Ich sitze zu Hause und höre Musik.“

Dass sie sich ein Gerät beschafft hat, das sie in ihrem Stübchen aufstellen kann, um Musik erklingen zu lassen, ist höchst unwahrscheinlich. Am ehesten lässt sich denken, dass sich in der Nähe ein Blasorchester aufgestellt hat und sie dessen Klänge durch das geöffnete Fenster wahrnimmt.

Den Ausdruck „Musik hören“ im heutigen, aktiven Sinn gibt es zu der Zeit nicht. „Ich höre dies oder das“ bedeutet noch bis ins 19. Jahrhundert in erster Linie: Es dringt an mein Ohr, ohne dass ich es veranlasst hätte. „Ich höre Musik“ ist auf der gleichen Ebene wie: „Ich höre Grillengezirpe.“

Psychisch krank oder modern?

„Ich höre Musik“, sagte auch der Engländer, der in den frühen 1920er-Jahren in die Irrenanstalt eingeliefert wurde. Denn er hörte nicht nur Musik, sondern auch Stimmen, die es nur in seinem Kopf zu geben schien:

„Der Fall schien anfangs ein sehr durchschnittlicher zu sein, bis eines Tages der Anstaltsarzt durch einen Zufall hinter einen merkwürdigen Zusammenhang kam. Er saß im Hospitalgarten, hatte die Radiohörer umgeschnallt (man kannte damals noch keine Lautsprecher) und hörte eine musikalische Übertragung an. Dabei fiel ihm auf, dass dieser Patient jedesmal, wenn er vorbeispazierte, die Melodie summte, die er gerade hörte. Das machte ihn stutzig. Er prüfte den Fall eingehender und stellte tatsächlich fest, dass der Patient alle Übertragungen eines Londoner Senders auffing. Sein Gehirn reagierte also auf eine bestimmte Wellenlänge als Empfangsstation, versagte aber bei allen andern Sendern.“ (H[ildegard].J[ohanna]. Kaeser (1939): Der Zauberspiegel. Ein Buch für wissbegierige Knaben und Mädchen. Zürich und Leipzig: Orell Füssli S. 97)

Privat statt öffentlich

Der Patient hört unfreiwillig Musik, der Arzt ist schon ein aktiver Musikhörer. Zu der Zeit gab es nicht nur das Radio, sondern auch mechanische Musikinstrumente und das Grammophon. Sie wurden in den ersten Jahrzehnen des 20. Jahrhunderts allmählich privatisiert, und seither heißt „Musik hören“ vor allem: für sich allein eine Darbietung organisieren und bei irgendeiner Tätigkeit konsumieren. Und seit es Streaming-Dienste gibt, ist das „eigene“ Programm nicht einmal mehr vom Kauf teurer Tonträger abhängig. Ich höre meine persönliche Musik – in der Häufigkeit und Reihenfolge, die mir behagt, oder die mir ein Algorithmus meinen Bedürfnissen entsprechend serviert.

Das medizinische Kreuzworträtsel Nummer 20

Als PDF auf drei Seiten zum Download: Das medizinische Kreuzworträtsel Nummer 20.

Waagerecht

1          Davos für Hans Castorp. Thale für Theodor Fontane.
9          Zentralverband der Ärzte für Naturheilverfahren.
13        Venae cavae – rechter Vorhof – rechte Herzkammer – Arteria pulmonalis – Lunge – linker Vorhof – linke Herzkammer – Aorta…
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Das medizinische Kreuzworträtsel Nummer 18

Zum Download als PDF: Das medizinische Kreuzworträtsel Nummer 18

Waagerecht

1          Enthält z.B. Verbandmaterial, Fieberzäpfchen, Hustensirup, abgelaufene Medikamente.
11        Trotz Verhütung schwanger werden? – Es gibt eine Zahl für die Wahrscheinlichkeit jeder Methode.
13        Unternehmensform mit vielen Vorteilen – nur nicht für ÄrztInnen.
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Das medizinische Kreuzworträtsel Nummer 17

Als PDF zum Download: Das medizinische Kreuzworträtsel Nummer 17

Waagerecht

1          Helmut war Ophthalmologe in Wien. Elisabeth trinkt es bei Durchfall.
5          Häufigster Fall von Demyelinisierung.
7          Cholinesterase-Hemmer: Erstes zugelassenes Medikament gegen Alzheimer – längst wieder vom Markt genommen.
13        Vorübergehende Bewusstlosigkeit.
16        Dänische Gemütlichkeit.
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Einige Zitate zum Thema Pressefreiheit

Wer die „Novaja Gazeta“ im Internet lesen will, stößt auf die folgende Mitteilung der Redaktion vom 28. März 2022:

Wir stellen die Arbeit ein.
Wir haben eine weitere Warnung von der Kommunikationsaufsichtsbehörde  (Roskomnadzor) bekommen. Infolgedessen stellen wir die Ausgabe der Zeitung auf der Website, in den sozialen Medien und in Papierform ein – bis zur Beendigung der „speziellen Operation auf dem Territorium der Ukraine“.
Mit freundlichen Grüßen
Die Redaktion der „Novaja Gazeta“ (*)

Novaja Gazeta bietet auf ihrer Homepage die Möglichkeit, die eigene E-Mail zu hinterlassen, um allenfalls auf andere Art in Kontakt zu bleiben.

Novaja Gazeta gehört zu einer Reihe von Dutzenden von Informationsmedien, die verstummt sind (die meisten, weil sie vom ROSKOMNADZOR blockiert wurden). Wer eine dieser Websites aufsucht, findet in großen Lettern die Meldung:

Die betreffende Mitteilung (bzw. das Material) wurde verfasst und (oder) verbreitet durch ein ausländisches Massenmedium, das die Funktion eines ausländischen Agenten ausübt, und (oder) durch eine russische juristische Person, die die Funktion eines ausländischen Agenten ausübt. (**)

Es ist die Pflicht des betroffenen Mediums, diesen Text über jedem Artikel zu platzieren, wie das Nachrichtenorgan Mediazona erklärt. Nicht nur das Medienunternehmen als jurstische Person ist als „ausländischer Agent“ gebrandmarkt, sondern auch namentlich der Chefredakteur und der Herausgeber als natürliche Personen.

Ich wünschte, ich könnte dagegen sagen, dass ich in einem Land lebe, in dem es nicht zu Zensur und Abschalten unerwünschter Medien kommt, auch wenn diese Lügen und Kriegspropaganda verbreiten. Die Kommissionspräsidentin der EU hat aber schon am 27. Februar 2022 dafür gesorgt, dass wir EU-Bürger*innen davor bewahrt werden, in derartigen Medien zu recherchieren:

… werden wir in einem weiteren beispiellosen Schritt die Medienmaschine des Kreml in der EU verbieten. Die staatlichen Medien Russia Today und Sputnik sowie ihre Tochtergesellschaften werden nicht mehr in der Lage sein, ihre Lügen zu verbreiten, um Putins Krieg zu rechtfertigen und unsere Union zu spalten. Daher entwickeln wir Instrumente, um ihre toxischen und schädlichen Desinformation in Europa zu verbieten.

Der Schritt ist wahrlich beispiellos – außer man sucht die Beispiele woanders: in Russland, in China, in der deutschen Geschichte…


(*)
Мы приостанавливаем работу
Заявление редакции «Новой газеты»
Мы получили еще одно предупреждение Роскомнадзора.
После этого мы приостанавливаем выпуск газеты на сайте, в сетях и на бумаге — до окончания «специальной операции на территории Украины».
С уважением, редакция «Новой газеты»

(**)
ДАННОЕ СООБЩЕНИЕ (МАТЕРИАЛ) СОЗДАНО И (ИЛИ) РАСПРОСТРАНЕНО ИНОСТРАННЫМ СРЕДСТВОМ МАССОВОЙ ИНФОРМАЦИИ, ВЫПОЛНЯЮЩИМ ФУНКЦИИ ИНОСТРАННОГО АГЕНТА, И (ИЛИ) РОССИЙСКИМ ЮРИДИЧЕСКИМ ЛИЦОМ, ВЫПОЛНЯЮЩИМ ФУНКЦИИ ИНОСТРАННОГО АГЕНТА.

Protest in der russischen Tagesschau

Protest einer Mitarbeiterin im "1. Kanal", 14. März 2022

14. März 2022: Eine Mitarbeiterin protestiert während der Nachrichtensendung im „1. Kanal“ des russischen Fernsehens. Vor ihr die Moderatorin Ekaterina Andreeva.

Text auf dem Plakat: NO WAR – BEENDIGT DEN KRIEG – GLAUBT NICHT DER PROPAGANDA – HIER LÜGT MAN EUCH AN – RUSSIANS AGAINST WAR

Ausschnitte aus der Sendung sind auf YouTube zu finden.

Aufschlussreich ist, wie das Bild präsentiert wird, wenn man sich an die Zensurvorschriften der russischen Regierung halten muss. Die Novaja Gazeta (die auch immer wieder darauf hinweist, dass gewisse Texte entfernt werden mussten) bringt das Bild als „Foto des Tages“ so:

Gestrichen sind alle Sätze, die das Wort „Krieg“ enthalten, zudem die Behauptung der Lüge. Es bleibt der Aufruf: „Glaubt nicht der Propaganda!“ auf dem Plakat. Begründung: „Dessen vollständigen Inhalt wiederzugeben, verbieten uns Roskomnadzor* (Роскомнадзор) und das Strafgesetzbuch.

Die Frau (nach unbestätigten Berichten Marina Ovsjannikova), die die Sendung auf diese Weise ergänzt hat, wurde laut Medienberichten sofort festgenommen.


* Roskomnadzor ist das Kurzwort für Federal’naja služba po nadzoru v sfere svjazi, informacionnych technologij i massovych kommunikacij (Федеральная служба по надзору в сфере связи, информационных технологий и массовых коммуникаций).
Zu Deutsch: „Föderaler Dienst für die Aufsicht im Bereich der Kommunikation, Informationstechnologie und Massenkommunikation.“

 

 

 

Kriegsnachrichten in der skandinavischen Presse für ein russisches Publikum

Drei große skandinavische Zeitungen publizieren Artikel auf Russisch. Es sind Dagens Nyheter aus Schweden, Helsingin Sanomat aus Finnland und Politiken aus Dänemark.

Народ России имеет право знать –
The Russian People have the Right to Know

schreiben die Chefredakteure in einer gemeinsamen Erklärung. Sie publizieren Artikel, die auf ihren Websites auch in der eigenen Sprache und auf Englisch zu finden sind. Wohl um die AutorInnen zu schützen, sind sie oft nicht mit Namen gezeichnet. Einige Namen wirken wie Pseudonyme.

Helsingin Sanomat berichtet aus der russischen Grenzregion: In der Nähe von Vyborg (Viipuri) liegt eine Siedlung, die eine 4000 Mann starke Brigade der mechanisierten Infanterie beherbergt. Laufend treffen dort jetzt Nachrichten ein, dass Angehörige verwundet oder gefallen sind.

„Sie wurden zu Manövern nach Belgorod geschickt,“

erzählt die Frau eines Offiziers. Belgorod ist in Russland, 80 km vom ukrainischen Charkiv entfernt.

Dagens Nyheter bringt Bildreportagen aus Žitomir, aus einem Luftschutzkeller, aus einer zerbombten Schule. Die Lehrerin, die durch die Schule begleitet wird, geht mal hierhin, mal dahin; Glassplitter knirschen unter ihren Schuhen. Am Schluss hält es sie da nicht mehr: „Ich muss raus und meine Klasse sehen.“

Eine Analyse in Dagens Nyheter zeigt die Diskrepanz auf zwischen dem ursprünglichen Kriegsplan (eine dreitägige Operation) und den Ereignissen, wie sie sich in bis dahin 9 Tagen entwickelt haben:

Experten: Die russische Invasion ist ein schlecht ausgedachter Plan.

Politiken zitiert eine Aktivistin aus Moskau, die sich verfolgt fühlt, wenn sie auf den Straßen demonstriert, und dennoch nicht bereit ist zu schweigen. Und die Zeitung publiziert auch ihren „Aufruf ans russische Volk“, in dem auf Russisch erklärt wird, dass Putin lügt, und gleichzeitig, dass mit den Sanktionen nicht die Menschen, sondern die Kriegsmaschinerie getroffen werden soll.

Wir sagen nein zu Putins blutiger Aggression. Wir sagen ja zum russischen Volk, das Putin und seine mörderische und despotische Autokratie nicht verdient hat.

Letzteres wird in Russland wohl weniger benötigt als die informativen Reportagen und Berichte. Ich erinnere mich daran, wie russische Systemgegner in der Sowjetzeit westliche Radiosendungen kommentiert haben. Was nach antikommunistischer Propaganda klang, interessierte sie weniger. Dankbar waren sie für Nachrichten mit Informationen, zu denen sie sonst keinen Zugang hatten.

Die russischsprachigen Texte wirken aber mindestens wie ein Symbol: Wir unterstützen die russischen Journalistinnen und Journalisten, die strafrechtlich verfolgt werden können, wenn sie versuchen, die Wahrheit zu berichten.

Für westliche Leserinnen und Leser wird es sich immer lohnen, auch Websites russischer Zeitungen und Zeitschriften zu lesen, etwa Novaja Gazeta, die sich noch um eine alternative Berichterstattung bemühen.

In der Aktion koopiereren Zeitungen eines NATO-Staates und zweier bisher neutraler Staaten, die ihre Beziehungen zur NATO diskutieren. In Finnland spricht sich in Umfragen von Helsingin Sanomat ungefähr eine Hälfte der Befragten für eine NATO-Mitgliedschaft aus (ähnlich in Schweden, wo die Regierung zumindest „die Tür zur NATO nicht zumacht“). Allerdings schwanken die Zahlen seit dem Beginn des Krieges. Die Regierung aber will das Parlament in eine Umgestaltung der Außenpolitik einbinden. Und das unter scharfer Beoachtung durch den großen Bruder, mit dem Finnland 1340 km Landesgrenze teilt. („Die Aufnahme Schwedens und Finnlands in die NATO erfordert Gegenmaßnahmen [ответные шаги] von Russland“ heißt es dort nicht besonders freundlich.)

 

Ich habe heute „Kaffee oder Tee“ geguckt

In den frühen 1980er-Jahren gab es im ersten Programm der ARD eine Talkshow für junge Leute: „Kaffee oder Tee?“ Sie lief am Sonntagvormittag um 11.15 Uhr mit zum Teil brisanten Themen. Sie wurde 1985 abgesetzt.
Im Jahr 2000 suchte der Südwestrundfunk nach einem Namen für eine neue Sendung. Und weil die Möglichkeiten beschränkt sind, kam man wieder auf „Kaffee oder Tee“. Diesmal allerdings ohne das Fragezeichen. Sie kommt Montag bis Freitag um 16.05 und dauert zwei Stunden lang. Heute ist, scheint’s, der Internationale Tag des Hörens, und wir erfahren, was die In-Ear-Kopfhörer von Sennheiser bis Xiaomi so drauf haben und warum wir unbedingt frühzeitig ein Hörgerät anschaffen sollen. Das Publikum von damals ist älter geworden.

Und „Kaffee oder Tee“ ist zum Verbrauchermagazin geworden. Es präsentiert nicht nur Technik, die man sich ins Ohr stopft, sondern auch „lustige Faschingsideen für klein und groß“ und Rezepte (für „zwei leckere Rührkuchen“). Zudem einen Bericht über die Neuigkeiten aus den europäischen Königshäusern.

Was Verbraucher halt so brauchen. Und dazwischen eine schnelle Umfrage. Der Moderator:

„Uns interessiert Ihre Meinung, und dafür müssen Sie nur ein Mal klicken. Denn es gibt etwas ganz Neues hier, bei „Kaffee oder Tee“, Sie finden es im Internet unter Mein SWR Punkt de eh. Und so funktioniert es.

Ein kurzes Video  erklärt:

Machen Sie mit! Ihre Meinung zählt! Nehmen Sie jetzt Ihr Tablet oder Handy. Geben Sie meinswr.de ein. Wählen Sie aus und stimmen Sie ab! Live dabei sein! Los gehts!

Man sieht ein Cartoon von zwei typischen SWR-Zuschauern. Sie haben auch schon ihre Meinung. Die Figur links ist für Daumen hoch, die rechts für Herzchen:

Bist du für Herzchen oder für Daumen hoch? – Es wird sich gleich zeigen. Die Verbrauchersendung hat die folgende Frage:

Ja, unsere Frage heute beschäftigt sich mit den Sanktionen gegen Russland im Bereich Sport und Kultur. Die Mannschaft bei den Paralympics in China sind nun doch von den Spielen ausgeschlossen, auch die Fußballnationalmannschaft von Russland darf bei der Fußballweltmeisterschaft nicht mitmachen, und auch die Kultur ist von Sanktionen betroffen, Sie haben es schon mitbekommen, der Dirigent der Münchener Philharmoniker, Valerij Gergiev, der ein Putin-Vertrauter ist, dem wurde gekündigt, weil er sich bislang nicht klar von Putin distanziert hat.

Das also möchte „Kaffee oder Tee“ wissen:

Sind solche Sanktionen im Bereich Kultur und Sport Ihrer Meinung nach richtig? Also: Finden Sie das richtig? Das ist unsere Frage an Sie, und wir freuen uns auf Ihre Meinung,

Dann, um 17.07 Uhr, wird der Startschuss zur Umfrage gegeben: „Sie können jetzt direkt anfangen abzustimmen.“ Und dann erfahren wir auch gleich mehr:

Wir haben Sie zu diesem Thema auch vorhin schon aufgerufen, dass Sie uns schreiben, dass Sie uns anrufen und Ihre Meinung äußern, und wir haben auch bestimmt schon die erste Anruferin in der Leitung, das kann ich oben im Monitor sehen, […] Das ist die Frau Opel. Hallo, Frau Opel…

Frau O. ist 86 Jahre alt, war früher eine aktive Sportlerin und sie ist entsetzt, „dass man die Sportler immer als Geisel der Politik nimmt“.  – Die zweite ist Frau Noack. Auch sie findet es „völlig falsch, die Sportler auszuschließen“. – Der Moderator wirkt nicht gerade glücklich. Er schiebt eine kleine Belehrung dazwischen:

Wobei der Hintergedanke, einmal kurz zur Erläuterung, auch für unsere anderen Zuschauerinnen und Zuschauer, is’ ja, dass der Verband ausgeschlossen wird und nicht Einzelsportler, die bei Einzelsportwettkämpfen antreten, aber weil es eben die russische Nationalmannschaft ist, deswegen wird diese Mannschaft, das komplette Team dann ausgeschlossen. (Verband und National hat er zur Verdeutlichung besonders betont.)

Frau N. lässt sich nicht beschwichtigen. Sie führt auch die Schach-WM an, die abgesagt wurde: „Das geht einfach nicht.“

Also Sie sind eindeutig dagegen. Danke Ihnen für Ihre klare Meinung!

„Ja, es tut mir weh, es tut mir einfach weh.“

Mhm. Okay. Dankeschön, alles Gute für Sie. Tschüss, danke für den Anruf.

Frau N. hat tapfer weitergesprochen. Aber es muss ja weitergehen. Die Facebook-Beiträge sind dran. Auch die sind anscheinend eher contra als pro:

Wir haben äh viele Posts von Ihnen bekommen auf unserer Facebook-Seite, und auch da zeichnet sich ein Bild ab, was ein bisschen Rich – in die Tendenz geht, dass Sie es nicht gut finden, wenn Sportler von den Wettbewerben ausgeschlossen werden. Wir haben ein geteiltes, geteilte Meinung bei Facebook, aber ’n bisschen mehr die Tendenz Richtung Unverständnis.

Dann zitiert er sieben Posts. Drei von ihnen sind dafür, vier dagegen. („Tendenz Richtung Unverständnis“ ist seine Art, das zusammenzufassen.)

Also wie gesagt: Da eine zweigeteilte Meinung.

Um 17.11 Uhr, also nach vier Minuten, ist auch die Online-Abstimmung vorbei:

Und unsere Umfrage an Sie unter meinswr.de hat auch ein Ergebnis. Da sagen 84 Prozent der Menschen, die sich beteiligt haben: Ja, sie finden es richtig, dass es diese Sanktionen gibt, und 16 Prozent der Menschen sagen: Nein, sie finden das nicht richtig, dass es Sanktionen auch im Bereich Kultur und Sport gibt. Vielen Dank, dass Sie sich an dieser Abstimmung beteiligt haben.

In vier Minuten haben 84 Prozent der Teilnehmenden auf meinswr.de auf „Richtig“, 16 Prozent auf „Falsch“ geklickt. Nur – wie viele ergraute Kaffee- oder Tee-Trinker haben zum Handy oder Tablet gegriffen? Welche Zahl hat umgerechnet das Verhältnis 84:16 ergeben? Zehntausend? Tausend? – Es wird uns nicht gesagt. Vielleicht waren es 775. Das ergäbe ein Verhältnis von 651 (pro) zu 124 (contra). Vielleicht waren es auch nur 25. Das wäre dann 21 (pro) zu 4 (contra).

Ich habe heute „Kaffee oder Tee“ geguckt und viel gelernt. Im Frauenzimmer Koblenz „wird viel geredet, da wird Kaffee getrunken, da wird auch Selbstgebackenes mitgebracht“. Der kleine Willi „hat ein ganz, ganz kuschelweiches Fell, wie so’n Teddybär, er ist vier Monate alt und er hat sich auch schon seine Söckchen angezogen.“ Die Kamelie ist „im Winter immer grün und im Frühling eine der ersten, die blüht“. Und ins Bananenbrot muss nicht unbedingt Erdnussbutter rein, „kann man einfach durch ‚nichts’ ersetzen“. Das alles habe ich gelernt. Und dass, wenn man Sportlerinnen und Sportler von den Paralympics ausschließt, nicht Menschen gemeint sind, sondern nur ein Verband.

Und wie man Telefongespräche effizient beendet. Man sagt: „Danke für Ihre klare Meinung!“ Und wenn das nicht reicht, schiebt man weitere aufbauende Floskeln nach:

Mhm! Okay! Dankeschön! Alles Gute für Sie! Tschüss! Danke für den Anruf!

Sechs Nettigkeiten. Keiner wird es verstehen als Umschreibung für: Sorry, wir kippen dich jetzt aus der Leitung.

Destruktives Geschwurbel

Russia Today, Putins Sprachrohr für die Welt außerhalb Russlands, räumt immer wieder Platz ein für Kommentatoren, die die politischen Ereignisse mit intellektuellen Analysen erhellen. Zum Beispiel für Sergej Karaganov, der u.a. einen namhaften russischen Think-Tank vertritt. Er skizziert schon länger schonungslos „Russlands neue Außenpolitik, die Putin-Doktrin.“ Ein Kernbegriff: die konstruktive Zerstörung:

Es scheint, als sei Russland in eine neue Ära seiner Außenpolitik eingetreten – eine „konstruktive Zerstörung“, wie wir es nennen, des bisherigen Modells der Beziehungen zum Westen.

„Konstruktive Zerstörung“ – auf Russisch konstruktivnaja rasrušitel’nost‘ – das klingt nach Newspeak, nach George Orwells „1984“, wo die Menschen mit Parolen wie: „Krieg ist Frieden“ eingelullt werden. Karaganovs Artikel ist ansonsten schonungslos offen. Aber dieser Kernbegriff schafft problemlos den Anschluss an die Euphemismen des großen Vaterlandsverteidigers Big Vlady.

Contradictio

Contradictio in adiecto nennen es die Lateiner, wenn in einem Ausdruck ein Begriff mit einem Attribut versehen wird, der ihm widerspricht. Nun – Karaganov erklärt über viele Seiten die angebliche Notwendigkeit einer Politik, die die bisherige Beziehung zum „Westen“ unerbittlich zertrümmert:

„Konstruktive Zerstörung ist nicht aggressiv. Russland behauptet, dass es niemanden angreifen oder in die Luft jagen wird. Es hat es einfach nicht nötig.“

So geht es weiter. Dass eine Sache zerstört wird, ist also konstruktiv und überhaupt „nicht aggressiv“. Russland will niemanden angreifen? Niemanden „in die Luft jagen“ (podryvat‘)? Wir sind zur Zeit alle Zeugen dieser friedfertigen Politik.

Paradoxe Phrasen klingen klug

Dummerweise haben auch deutsche Autoren diesen Newspeak entdeckt. Und Russia Today druckt alles dankbar ab. Ein Uli Gellermann, der hier als „Publizist“ vorgestellt wird, wird zitiert mit seiner Behauptung:

Offenkundig hat die russische Führung einer atomaren Erpressung zuvorkommen wollen und begreift den Einmarsch als Krieg gegen den Krieg.

Das ist ein Zitat aus Gellermanns Website „Rationalgalerie“. Es wirkt immer wieder besonders intellektuell, wenn man Begriffe, die sich scheinbar widersprechen, zu einer Pseudo-Erklärung zusammenmixt. Vernebelungstaktiker paart sich mit konstruktivem Zerstörer.

Wishful Thinking und Geschwurbel

Hermann Ploppa, Vertreter mehrerer deutscher Vordenker-Gruppierungen („Die Basis“, „Bürgerliste Weiterdenken“, „Demokratischer Widerstand“), erklärt den Krieg gegen die Ukraine allen Ernstes so:

Bevor den Russen das Messer an die Kehle gesetzt wird, holt Putin zum Befreiungsschlag aus.

Er meint ungefähr: Bevor die NATO die Russische Föderation mit Atomwaffen angreift, wird mal ein weiteres Nachbarland eingenommen. Zu Deutsch heißt das ungefähr: „Seit 5 Uhr 45 wird zurückgeschossen.“

Kein Wunder, dass Russia Today den Text, in dem Ploppa u.a. insinuiert, er gehöre zur „deutschen Friedensbewegung“, an prominenter Stelle abdruckt. Das ist natürlich nicht mehr Newspeak, das ist Wishful thinking. Übrigens enthält der Artikel einige historische Aspekte, die hierzulande zu wenig diskutiert werden. Aber was können die aussagen, wenn sie zusammengemengt werden mit Sätzen wie:

„Selbstverständlich umfasst der Kampf gegen die Corona-Diktatur auch den Kampf gegen die nukleare Bewaffnung unserer östlichen Nachbarn.“

Ja, wenn es Lyrik wäre

Mit guten widersprüchlichen Ausdrücken lässt sich spielen und oft mehr aussagen als mit direkten Worten. Aber in politischen Kommentaren dienen sie vor allem dazu, sich um eine klare Analyse der Fakten zu drücken.

Ja, wenn es Lyrik wäre. Dann ließe sich über solches Geschwurbel trefflich reden.Man könnte zum Beispiel Santiano hören, die deutsche Shanty-Rock-Gruppe. Sie hat 2021 auf ihrem düsteren Album Wenn die Kälte kommt das Lied „Nichts als Horizonte“ veröffentlicht. (Alles grau, und der Weg ist noch so weit. / Keiner spricht, schwer und bleiern kriecht die Zeit…) – Es ist ein Depri-Text, den man schnell vergessen könnte, hätt)e darin Autor Frank Ramond nicht ein kleines Juwel platziert:

Diese raue, blaue Weite
Bringt mein Herz um den Verstand.

Im deutschen Schlager sind Herz und Verstand meist Gegensätze (Petula Clark: 1962: „Mein Herz sagt ja, doch mein Verstand sagt nein…“). Aber hier sind Herz und Verstand eine Verbindung eingegangen, und die droht zu zerbrechen. Oxymoron nennt es der Literaturkritker, und je nach dem hält er es für eine stilistische Perle oder eine Stilblüte.

Es wird Tage brauchen, bis ich die Tiefe dieses Satzes ausgelotet habe. Das ist der Sinn von Lyrik. Ich kann es allerdings auch lassen – angesichts von Ereignissen, die nicht Herzen, sondern Menschen um den Verstand bringen. Weil da irgendwo ein Putin und seine Adlaten sitzen. Die Krieg führen, nicht „Krieg gegen den Krieg“. Die auf Zerstörung aus sind, nicht auf „konstruktive Zerstörung.“ Und die nicht das Herz eines Menschen um den Verstand bringen, sondern die bei vollem Verstand Menschen mit Herz umbringen.

Schriftliche Prüfung in praktischer Rhetorik – wie geht das?

Das Thema des mehrteiligen Seminars hieß: Dein Auftritt. Vertreter*innen verschiedenster Berufe haben sich in lauter praktischen Aufgaben bewährt:

  • Atem, Stimmbildung, Artikulation
  • Freies Formulieren
  • Argumentation
  • Storytelling
  • Nonverbale Kommunikation vor Publikum
  • Nonverbale Kommunikation vor Mikrofon und Kamera
  • Moderation von Gesprächen
  • Interviews führen
  • Längere und kürzere Reden konzipieren
  • Sprachliche Gestaltung von Reden

Jetzt ist der Kurs vorbei, und sie brauchen ein schönes Zeugnis, das ihnen die erfolgreiche Teilnahme bestätigt.

Wie kann man das prüfen?

Nun – die Antwort ist zunächst ganz einfach: mit einer praktischen Aufgabe. Die Prüflinge pflanzen sich vor einem kleinen Publikum auf und halten eine Rede. Im Idealfall sind es mehrere Aufgaben, z.B.:

  • ein kurzes, improvisiertes Statement (1 Minute zu einem aktuellen Thema, 5 Minuten Vorbereitung)
  • eine längere, vorbereitete Rede (3-5 Minuten zu einem Thema aus der eigenen Berufspraxis, z.B. Vorstellung eines neuen Produkts vor Kunden)
  • Befragung eines Interviewpartners (2 Minuten nach kurzem Vorgespräch)

Was wird damit geprüft?

  • Aufbau, Argumentation, Formulierung
  • Sprecherische Fertigkeiten (Umgang mit Intonation usw.)
  • Fragetechnik, Zuhören

Reicht das?

Nun – einige Aspekte bleiben außen vor, weil sie für eine mündliche Prüfung zu viel Zeit kosten würden. Zum Beispiel kann die wichtige Frage nach der Dramaturgie eines längeren Vortrags so nicht überprüft werden. Eine Hilfskonstruktion wäre (mündlich oder schriftlich zu lösen):

  • Erstellen eines Konzepts für eine praktische Rede-Aufgabe (Ausrichtung auf das Zielpublikum, Aufbau, Kernsätze inkl. Begründungen)

Aber auch die in solchen Kursen immer gewünschte Fähigkeit des Feedbacks fehlt: Wie kann ich einer Kollegin oder einem Mitarbeiter eine konstruktive Rückmeldung geben bzw. sie vor einem Auftritt briefen?

Das kann in der Prüfung auf zwei Arten getestet werden:

  • mündlich: Prüfungsgespräch mit Dozentin oder externer Expertin: Ein praktisches Beispiel wird vorgelegt (Video oder Text) und besprochen.
  • schriftlich: Analyse eines praktischen Beispiels

Die mündliche Version benötigt wieder viel Zeit, hat aber den Vorteil, dass sie näher bei der bisherigen Unterrichtspraxis liegt: Die schriftliche Analyse wurde (in den Fällen, die ich kenne) kaum geübt. Damit tritt eine Fähigkeit (Konzeption und Verfertigung einer rhetorischen Expertise) in den Vordergrund, die stark davon abhängt, was die betreffende Person schon mitbrachte. – Auf der anderen Seite hat die Schriftform den Vorteil, dass Prüfungszeit gespart wird, während den Geprüften mehr Zeit zur Reflexion bleibt, und auch, dass allen Teilnehmenden dieselbe Aufgabe gestellt werden kann.

Fazit:

Wer ein Rhetorik-Programm anbietet, das auch längere Auftritte einschließt, kommt bei der Prüfung nicht um eine analytische Komponente herum. Wird diese mündlich abgefragt, braucht es Zeit und für sämtliche Teilnehmenden unterschiedliche, aber vergleichbare Aufgaben. Wird dieser Aspekt schriftlich geprüft, darf fairerweise die verwendete Metasprache nicht gewertet werden, weil sie nicht Thema des Kurses war.

Viele Probleme kann eine hybride Form lösen: Die Aufgabe besteht in der Erstellung eines Konzepts für eine Ansprache. Dieses enthält einzelne ausformulierte Teile und Begründungen für die Wahl des Aufbaus, der Argumente und Kernsätze.