Radiotipps für die Woche vom 1. bis 7. August 2016

Ortserkundungen
In Luang Prabang entsteht eine laotische Literatur
Legenden an den Tempelwänden

Von Regina Kusch und Andreas Beckmann

Dienstag, 02.08.2016, 19:15 Uhr, DLF

Die Mosaike an den Wänden des Xieng Thong Tempels erzählen Geschichten aus dem alten Laos. Weil das Land keine schriftliche Überlieferung kennt, sind sie eine der wenigen historischen Quellen des Bauernvolkes. In der Tempelschule hat der Novize Khamla die Lust am Lesen entdeckt und mit einer Gruppe junger Autoren begonnen, eine laotische Literatur zu begründen.

Wilde Töne im Rekorder
Bernie Krause und die Ökologie der Klanglandschaften

Von Jane Tversted und Martin Zähringer

Mittwoch, 03.08.2016, 00:05 Uhr, DR Kultur

Soundscape Ecology heißt ein neues Konzept, die Biophonie ganzer Landschaften aufzunehmen, digital zu archivieren und wissenschaftlich-künstlerisch auszuwerten.

Ein Buch – “Das große Orchester der Tiere” des amerikanischen Bioakustikers Bernie Krause – inspirierte Ökologen und Musiker gleichermaßen. Kann man den Ursprung der Musik wirklich in der Natur finden?

Offenes Archiv: Das Feature als Dokument seiner Zeit
Der Klang der Neuvermessung (2/6)
Bilder hören. Klänge sehen.
(Sinnes-)Wahrnehmungen

Von Wiebke Matyschok

Samstag, 06.08.2016 13:05 Uhr, Bayern 2

Auf der Tanzfläche: Drei Gehörlose, eine Gebärdendolmetscherin, eine Reporterin. Dazu Aroma-DJs, Video-Jockeys. Die Tanzfläche selbst verstärkt den Schall der Lautsprecher. Wiebke Matyschok hat sich in das multisensuelle Party-Event gestürzt, um unseren sinnlichen Erfahrungen auf die Spur zu kommen. Kann ein Sinn durch einen anderen ersetzt werden? Wie beeinflussen sich die Sinne gegenseitig? Und wie funktioniert Synästhesie? Bei ihr werden im Gehirn durch Nervensignale eines Sinnesorgans auch die Verarbeitungszentren eines anderen Sinnes gereizt. Die Koppelung macht Töne farbig oder Gefühle zu Bildern. Das Feature “Bilder hören. Klänge sehen.” (2010) widmet sich den Verstrickungen der Sinne und anderen Phänomenen. Auf dieser Grundlage ermöglicht das Feature von Wiebke Matyschok einen frischen Blick auf die Veränderungen unseres Alltags durch die zunehmende Digitalisierung. Sagt ein Bild wirklich mehr als tausend Worte? Lösen Töne tatsächlich ein Kino im Kopf aus? Dabei ist der nächste digitale Trend schon absehbar: Nach den Touch-Screens wird nun die Sprachsteuerung immer mehr perfektioniert. Wie also in Zukunft, welchen Sinn zu welchem Zweck einsetzen?

Sein schönstes Geschenk
Auf der Suche nach Wagners verschollenen Ring-Partituren
Ein schlieriges Schattentheater

Von Michael Lissek

Sonntag, 07.08.2016, 14:05 Uhr, SWR2

Am 20. April 1939 lässt Hitler seinen 50. Geburtstag feiern. Alle Welt bringt Geschenke. Aus Japan eine Samurai-Rüstung, vom Duce eine Sammlung von Piranesi-Stichen, Araber schenken eine Nachbildung vom “Schwert des Islam” und Märklin eine Modelleisenbahn. Das weitaus kostbarste Geschenk aber kommt von der deutschen Industrie: Eine Kassette mit den Original-Partituren von Richard Wagners Ring. “Besonders erregte ihn die Orchesterskizze zur Götterdämmerung”, berichtet Albert Speer. Zuletzt gesichtet werden die Partituren 1940 in Hitlers Privatwohnung. Danach bleiben sie verschollen. Hat Hitler sie mit in seinen “Führerbunker” genommen – wo sie 1945 entweder zerstört oder von russischen Plünderern geklaut werden? Oder hat Hitler sie am Obersalzberg gebunkert – von wo sie nach Südtirol gebracht werden und dort stibitzt? Oder oder oder? Seit 1945 sucht ein Heer von Forschern und Verehrern und Verschwörungsmythologen nach dem Verbleib des Wagner-Erbes. Wir suchen mit.

Der Rundfunk im Widerstand gegen Hitler Teil 4:
“Proletarier aller Länder vereinigt Euch!”

Sonntag, 7. August 2016, 18:05 Uhr

Der deutschsprachige Dienst von Radio Moskau war das offizielle Sprachrohr der Sowjetunion. Bereits 1929 gegründet, entwickelte er sich nach dem deutschen Angriff auf die UdSSR zu einem der wichtigsten alliierten Sender, die in das Deutsche Reich strahlten.

Im Gegensatz zum Deutschen Dienst der BBC wurde das Programm weitgehende von deutschen Emigranten geprägt, die in der Sowjetunion Zuflucht gefunden hatten. In der Sendung sind Nachrichten, Kommentare und Reportagen zu hören, die während des Zweiten Weltkriegs von Radio Moskau gesendet wurden. Für die Kommunisten in Deutschland war der Sender Ermutigung und Hoffnung zugleich. Nach der Rückkehr aus ihrem Exil beteiligten sich die meisten Mitarbeiter des deutschsprachigen Dienstes in leitenden Positionen am Aufbau der DDR.

 

Radiotipps für die Woche vom 25. bis 31. Juli 2016

Inside Anti-IS
Wer kämpft im Irak gegen den Terror?

Von Marc Thörner

Dienstag, 26.07.2016, 19:15 Uhr, DLF

Ideologische und finanzielle Schützenhilfe aus den Golfstaaten, junge radikalisierte Muslime aus Europa, Asien und Afrika: Sie sind die Unterstützer des IS. Wer aber sind die “anderen”, die sich im Irak zur Anti-IS-Koalition zusammenschließen, koordiniert in einem gemeinsamen Hauptquartier unter US-Leitung in Bagdad?

Vor Ort, in den Angriffsstellungen rund um die IS-Hochburg Mossul, finden sich neben sunnitischen Stammeskämpfern US-Marines, schiitische Milizen, iranische Revolutionsgarden und kurdische Peschmerga. Viele Menschen in der Frontstadt fürchten sich nicht nur vor der Terrorherrschaft des IS, sondern auch davor, von der Anti-IS-Allianz befreit zu werden.

Denn einige Akteure dieser Koalition terrorisieren selbst die Bevölkerung durch ethnisch-religiöse Säuberungen. Andere bekämpfen den Zentralstaat. Und alle kämpfen immer wieder mal gegeneinander. Innenansichten aus den Vorbereitungen zu einer “Friedensoffensive”.

Was im Tier blickt uns an?
Das Schweigen der Tiere

Von Maximilian Netter

Mittwoch, 27.07.2016, 0:05 Uhr, DR Kultur

In Zeiten des Klimawandels suchen einige unserer Artgenossen nach Alternativen zur zerstörerischen Zivilisation und beginnen mit Tieren zu sprechen.

Unser Autor fragt sich, was Menschen hören wollen, wenn sie Tieren zuhören und was diese antworten.

Orson Welles
Ein Puzzle

Von Thomas von Steinaecker

Freitag, 29.07.2016, 20:10 Uhr, DLF

“Rosebud!” Es ist eines der großen Rätsel der Filmgeschichte – das letzte Wort des Tycoons Citizen Kane in jenem Film, der regelmäßig an erster Stelle genannt wird, wenn es um Kinoranglisten geht. Zum 100. Geburtstag begab sich der Schriftsteller Thomas von Steinaecker auf die Suche nach Puzzle-Stücken, die das Rätsel Orson Welles erklären könnten.

Worin liegt überhaupt das Bahnbrechende an Welles’ Hörspielen und Filmen, die heute ein bedeutungsvolles Raunen umgibt? Ist es gerade jene Masse an Filmschnipseln unrealisierter Projekte, in denen das beispiellos schöpferische Kraftwerk, aber auch die Tragik Orson Welles’ sichtbar wird?

Offenes Archiv: Das Feature als Dokument seiner Zeit
Der Klang der Neuvermessung (1/6)
Das Ohr im Jahr 2000
Oder: Hören wir noch, was wir hören?
Eine Dokumentation in Stereo und Kunstkopftechnik

Von Ekkehard Kühn

Samstag, 30.07.2016, 13:05 Uhr, Bayern 2

Wäre das “Wahrnehmungsfeature” eine eigene akustische Gattung, wäre ihr Erfinder und Meister Ekkehard Kühn (15.09.1934 bis 12.11.2015). Kühn zählt zu den großen Autorenpersönlichkeiten des Bayerischen Rundfunks. Zwischen 1970 und 2004 realisierte er über 80 große Produktionen für das deutschsprachige Radio. In den Vordergrund seines Schaffens rückten dabei neben gesellschaftskritischen Themen immer mehr Features zur akustisch-musikalischen Wahrnehmung. “Die Leute zwischen die Lautsprecher kriegen”, beschrieb er seine Motivation. Genau um diese Lautsprecher dreht sich “Das Ohr im Jahr 2000” von 1981: Welche Konsequenzen haben die technischen Apparate für unsere Hörgewohnheiten? Eine akustisch-musikalische Rundreise durch unsere Gehörgänge in Mono, Stereo und Kunstkopf. Die Aufnahmetechnik Kunstkopfstereophonie optimierte Radiosendungen für das Hören mit Kopfhörer, lange bevor mp3-Player zum täglichen Outfit gehörten. Den Wandel unserer Hörgewohnheiten fasst der Autor als “gesellschaftliches Ohr” zusammen. Was wir unter Musik verstehen, unter einem guten Klang, gehört für Ekkehard Kühn zum “Genussohr”. Komplexe Sachverhalte unterhaltsam zu präsentieren war immer eine seiner Stärken. “Das Ohr im Jahr 2000” gewinnt als Dokument seiner Zeit einen besonderen Reiz, weil wir heute auf Ekkehard Kühns Zukunftsvisionen zurückschauen können. Zum Beispiel die prognostizierte Veränderung der Sprache durch die Allgegenwart der Lautsprecher.

Herr K. – Eine Affäre mit dem Sozialamt

Von Inge Braun

Samstag, 30.07.2016 18:05 Uhr, DR Kultur

Als Empfänger von Grundsicherung im Alter müsste sich Herr K. auf existenziell sicherem Grund wähnen. Doch für ihn tut sich ein Abgrund auf. In die Rolle des Bittstellers gedrängt, fühlt er sich ungerecht behandelt.

Als das Amt Sozialleistungen zurückfordert, setzt er sich zur Wehr.

Das Feature dokumentiert die jahrelangen Auseinandersetzungen und gibt einen Einblick in das Leben eines Sozialrentners.

Hieronymus Bosch – Die Tyrannei der Töne

Von Mona Winter

Sonntag, 31.07.2016, 14:05 Uhr, SWR2

500 Jahre Hieronymus Bosch. 500 Jahre Bildergeschichten voller Entgrenzungen, Ungeheuerlichkeiten, Höllenszenarien. In einem seiner bekanntesten Bilder – “Garten der Lüste” – wird die Hölle von musikalischen Folterinstrumenten und deren Kakophonie beherrscht. Verdammte werden an Lauten und Harfen gekreuzigt. Ohren rollen durch das infernalische Getümmel. Die mittelalterliche Bedeutung von Musik – Harmonie der göttlichen Schöpfung – wird ins Gegenteil verkehrt. Im Bild wird Hölle hörbar. Und der Sound des Schreckens zieht sich bis in die Gegenwart. Lärmschädigung, Tinnitus, Knalltraumata, Folter mit Heavy Metal. Ist die Tyrannei der Töne eine gängige Begleitmusik auch des alltäglichen Lebens? Und Hieronymus Bosch? Als vorausschauender Visionär symbolisiert er malend, einen tönenden tötenden Schrecken der Zukunft.

Der Rundfunk im Widerstand gegen Hitler Teil 3:
“Hier ist England! Hier ist England!”

Von Hans Sarkowicz

Sonntag, 31. Juli 2016, 18:05 Uhr

Der deutschsprachige Dienst der British Broadcasting Corporation, kurz BBC, war während des Zweiten Weltkriegs das meistgehörte ausländische Radioprogramm in Deutschland.

Allerdings musste jeder, der den Sender heimlich einstellte, damit rechnen, ins Zuchthaus zu kommen. Denn das Abhören ausländischer Sender war von Goebbels verboten worden und mit drastischen Strafen bedroht. Trotzdem wurde die BBC von Millionen Deutschen als wichtige Informationsquelle genutzt.

Die Attraktivität des Programms beruhte nicht nur auf den wahrheitsgetreuen Informationen über den Kriegsverlauf, sondern auch auf der Vielfalt der Sendeformen vom Kommentar über Feature bis zu umgedichteten populären Schlagern und witzigen Sketchen. Eine besonders prominente Stimme des deutschsprachigen Dienstes war der im amerikanischen Exil lebende Literaturnobelpreisträger Thomas Mann.

 

Radiotipps für die Woche vom 18. bis 24. Juli 2016

Maskottchen Mao
Die Metamorphosen eines Gewaltherrschers

Von Mathias Bölinger

19.07.2016, 19:15 Uhr, DLF

Das Land, das der sterbende Diktator vor 40 Jahren hinterlassen hat, dürfte er kaum wiedererkennen. Von Mao Tse-Tungs Sozialismus ist nicht mehr viel übrig. China ist reich und mächtig geworden, konsumfreudig und pragmatisch. Was würde er wohl über die Millionärin denken, die seine Statue auf dem Armaturenbrett eines BMW montiert hat?

Sie ist fest davon überzeugt, dass der Vorsitzende höchst persönlich “von dort oben” für ihren Wohlstand sorgt – als Dank für die Verehrung, die sie ihm entgegenbringt. Der rote Diktator, einst Kämpfer gegen Aberglaube und Tradition, ist heute in China eine Volksgottheit. Und die Gewalt, die von seiner Herrschaft ausging, verblasst hinter dem Mythos, den Chinas Propagandaapparat von ihm zeichnet. Reise auf den Spuren eines Idols mit blutiger Bilanz.

Norwegens Stunde Null

Von Hannelore Hippe

20.07.2016, 00:05 Uhr, DR Kultur

Am 22. Juli 2011 zündet Anders Behring Breivik im Regierungsviertel von Oslo eine Bombe, acht Menschen werden getötet. Anschließend erschießt er auf der norwegischen Insel Utöya 69 Jugendliche in ihrem Sommerlager.

Ist Breivik ein wahnsinniger Einzelgänger – oder ist seine Tat Ausdruck für einen neuen aggressiven Nationalismus und Fremdenhass in der norwegischen Gesellschaft, in der Gleichheit, Toleranz und Offenheit gefördert werden? Breivik war Mitglied einer rechtspopulistischen Partei, die seit Jahren in Norwegen an Einfluss gewinnt.

Tochter eines NS-Militärrichters
Mein Vater ging einfach zum Dienst

Von Simone Trieder

22.07.2016, 20:10 Uhr, DLF

Irmgard Sinner hat ihren Vater, Werner Lueben, lange als späten Widerstandskämpfer gesehen. Denn der Militärrichter hatte sich geweigert, drei katholische Priester zum Tode zu verurteilen. Einen Tag danach, am 28. Juli 1944, war Werner Lueben tot.

Das Heldenbild bröckelte, als Irmgard ein Buch in die Hände fiel: darin Briefe einer jungen Polin und das Todesurteil, das ihr Vater 1943 über sie gefällt hatte. Krystyna Wituska wurde in Halle an der Saale, im Roten Ochsen, enthauptet. 1980 landete Irmgard Sinner selbst in diesem Gefängnis – wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Krystynas Briefe halfen ihr, den Haftalltag zu überstehen und sich der Geschichte ihres Vaters zu stellen.

Er hatte hundert Todesurteile unterschrieben. Heute ist Irmgard Sinner 88 Jahre alt und rastlos für Versöhnung unterwegs. Sie pflegt Kontakte zu Opfern ihres Vaters und deren Angehörigen, auch zur Tochter eines Deserteurs, den ihr Vater zum Tode verurteilt hatte. Seit vielen Jahren ist sie aktives Mitglied im Bundesverband Opfer der NS-Militärjustiz.

Pragmatische Utopisten
Wie Architekten wie Alejandro Aravena die Welt verändern wollen

Von Gabriele Pfaffenberger

Samstag, 23.07.2016, 13:05 Uhr, BR2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Raus aus dem Elfenbeinturm! Eine neue Generation von Architekten hat keine Lust mehr auf abgehobene Prestigebauten. Sie wollen ehrliche Antworten auf die großen Herausforderungen unserer Zeit finden: Migration, Naturkatastrophen, Armut, Ungleichheit.
Ihr berühmtester Vertreter ist der Chilene Alejandro Aravena. Pritzker-Preisträger und Kurator der Architekturbiennale 2016 in Venedig. Er hat den sozialen Wohnungsbau revolutioniert. Seine Strategie: Partizipation. Bevor er Gebäude plant, diskutiert er intensiv mit den zukünftigen Bewohnern, beteiligt sie auch am Bau, stellt Häuser beispielsweise nur halb fertig und lässt die Bewohner die andere Hälfte gestalten.
So füllt er Projekte mit Leben, verhindert Fehlplanungen, spart Geld.
Die Autorin trifft Alejandro Aravena in Chile und reist durch Bayern, denn auch hier beschäftigen sich Architekten mit komplexen, aktuellen Problemen: Wie kann man die Wohnungsnot in den Städten abmildern? Wie die vielen geflüchteten Neubürger unterbringen und integrieren?
Vergangenes Jahr sind bayernweit 8700 Wohnungen aus der Sozialbindung gefallen. Allein in München warten laut der bayerischen Wohnungswirtschaft derzeit 12.500 Bewerber auf eine Sozialwohnung. Der immense Druck führt zur Wiederbelebung einer alten Idee: Genossenschaftsprojekte. Zukünftige Nachbarn planen gemeinsam ihre Wohnanlage, werden Miteigentümer, schaffen so bezahlbaren Wohnraum.
Hat Architektur die Kraft eine Gesellschaft zu verändern? Eine Recherche auf Baustellen, in Sozialwohnungen und den Büros von Querdenkern.

Die Suche nach dem Super-Sukkubus
Ein spektakulär sexy-rumpeliges B-Road-Movie durch die Hölle

Von Christiane Enkeler

Sonntag, 24.07.2016, 14:05 Uhr, SWR2

Eigentlich wollte sie nicht in die Hölle. Eigentlich wollte sie eine mythen-historische Geschichte erzählen – vom mittelalterlichen Aberglauben bis zu Fantasyliteratur und -filmen der Gegenwart. Eigentlich sollte es ein dankbares Thema sein: eine nachtaktive Dämonin, die Männer malträtiert, indem sie sich bei ihnen unterschummelt – buchstäblich, denn “succubere” heißt “unten liegen”. Aber dann verlangte das Thema von Autorin Christiane Enkeler existentiellen Einsatz: Sie musste einen teuflischen Pakt schließen, musste als Kämpferin in den Ring, musste sogar ihre Gestalt verwandeln, um das Feature fertigzustellen. Am Ende erwies sich die Sendung als Höllentrip. Und der Höllentrip als Sendung.

Geheime Sender
Der Rundfunk im
Widerstand gegen Hitler
Teil 2
„This is London calling!“
Die BBC und die deutschsprachigen Programme aus Großbritannien

Von Hans Sarkowicz

Sonntag, 24.07.2016, 18:05 Uhr, hr2

Die British Broadcasting Corporation, kurz BBC, hatte bereits im September 1938 einen deutschsprachigen Dienst eingerichtet, um auf einen bevorstehenden Krieg vorbereitet zu sein. Das Feature schildert die Anfänge des Dienstes bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs. So ist die erste Nachrichtensendung ebenso zu hören wie die Kriegserklärung des britischen Premierministers Chamberlain an das Deutsche Reich. Auch deutsche Emigranten, wie der Soziologe Richard Löwenthal, kommen zu Wort, die von Großbritannien aus deutschsprachige Sender betrieben. Für die Goebbels-Propaganda waren die Programme von der Insel, die man in Deutschland gut empfangen konnte, ernsthafte politische Gegner. Nach Kriegsbeginn wurde von ihm deshalb das Abhören ausländischer Sender unter Strafe gestellt.

Radiotipps für die Woche vom 11. bis 17. Juli 2016

Der sowjetische Dichter Wladimir Majakowski
Tod eines Optimisten

Von György Dalos und Andrea Dunai

Dienstag, 12.07.2016, 19:15 Uhr, DLF

Im April 1930 erschoss sich in seiner Moskauer Arbeitsstube der berühmteste sowjetische Lyriker seiner Zeit, der 37-jährige Wladimir Majakowski. In seinem Abschiedsbrief ließ er erahnen, dass der Grund seines Suizides eine missglückte Liebesbeziehung war.

In der Tat verliebte er sich nach mehreren stürmischen Affären kurz vor seinem Tod in eine junge Schauspielerin. Diese erwiderte seine Gefühle, konnte sich aber nicht für ein gemeinsames Leben entscheiden. Der tragische Fall erschütterte die sowjetische Öffentlichkeit tief.

Majakowski war ein Idol der Jugend und eine Ikone der künstlerischen Avantgarde, ein Kommunist, der in seinen Werken Lebensfreude und Optimismus ausstrahlte. Erst in den 90er-Jahren, als seine bis dahin tabuisierten Erinnerungen publiziert werden konnten, stellte sich heraus, welch tiefe schöpferische, politische und persönliche Krise Majakowski zu seinem verhängnisvollen Schritt bewegte.

Willkommen im Bootcamp Sexueller Aktivismus
Gute Liebhaber werden keine Attentäter

Von Mithu Sanyal

Mittwoch, 13.07.2016, 22:03 Uhr, SWR2

Sex als politische Bewegung. Das gab es schon einmal. Und der Slogan dazu lautete “Make Love Not War”. Der Frieden ist seitdem nicht sehr vorangekommen. Aber in Sachen Sex hat es erhebliche Fortschritte gegeben. Technisch ebenso wie gedanklich. Debatten und Diskussionen über sexuelle Identität und Selbstbestimmung, über erotische Präferenzen oder über Prostitution haben gezeigt, dass Sex keine private Angelegenheit ist, sondern eingebunden in politische und gesellschaftliche Systeme. Systeme, die sich durch Sex verändern lassen? Autorin Mithu Sanyal macht den praktischen Versuch und besucht ein dreitägiges Trainingslager mit verschiedensten Workshops von und für SexualaktivistInnen: Let’ s do it …

Der Maler Sigmar Polke und sein filmisches Werk”
Sieht man ja, was es ist”

Von Beate Becker

Freitag, 15.07.2016, 20:10 Uhr, DLF

Als Maler nahm er Bilder auseinander, schuf transparente, mehrschichtige Gemälde. Er kreierte malerisch Räume, die völlig überladen, wie kollabiert wirkten. Bewegliche Bilder, die sich je nach Betrachterposition, Lichteinfall und Temperatur veränderten. Auf welche Weise haben sich bei Polke Film und Malerei gegenseitig infiziert und inspiriert?

Das Werk des Malers Sigmar Polke (1941 – 2010) ist von äußerster Unbestimmtheit. Rasterbilder, vergrößerte und abgemalte Fotografien, machten ihn in den 1960er-Jahren berühmt. Dass Polke gefilmt hat, ist weniger bekannt. Ob seinen Arbeitsalltag oder das Zusammentreffen mit Freunden, ob Reisen oder Großprojekte – in den 1970er-Jahren zum Beispiel experimentierte er auf einem Bauernhof im Rheinland und ging auf Weltreise – immer war die Kamera dabei.

International Radio Award der New York Festivals:
Silver Radio Award What we leave behind
Das Archiv des Jean-Luc Godard

Von Soundwalk Collective

Freitag, 15.07.2016, 00:05 Uhr, DLF

Jean-Luc Godards Vergangenheit ruht in tausenden von Pappkartons. Der Filmemacher hat sein gesamtes persönliches Archiv an einem unscheinbaren Ort in Frankreich eingelagert. Neben unzähligen Filmrollen und persönlichen Gegenständen schlummern dort auch Godards Tonbänder.

Das Soundwalk Collective erhielt 2014 Zugang zu diesem Archiv und eröffnet nun einen Blick hinter Godards akustische Kulissen: in minutiöser Kleinarbeit extrahierte das Trio die Tonaufnahmen vor und nach Godards Filmtakes. Regieanweisungen, die Atmosphäre am Set, Fehlstarts und neue Anläufe zeigen das Universum eines Perfektionisten und Phantasmagorikers.

“Übrigens ist es genau das/was ich im allgemeinen am Kino liebe/eine Sättigung herrlicher Zeichen/die im Licht/ihrer fehlenden Erklärung baden.” (Godard)

Betreten auf eigene Gefahr
24 Stunden unterwegs in der virtuellen Realität

Von Christian Schiffer und Christian Alt

Samstag, 16.07.2016, 13:05 bis 14:00 Uhr
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Faszination und Schock, Neugier und Überforderung – die unterschiedlichsten Empfindungen liegen bei Erlebnisse in der Virtuellen Realität nah beieinander. Virtual Reality hält gerade Einzug in unseren Alltag, ist dabei unser Leben zu verändern. Gleich mehrere Virtual-Reality-Brillen kommen 2016 auf den Markt, Programmierer, Künstler und Gamedesigner überbieten sich mit unterhaltsamen, skurrilen und manchmal befremdlichen Anwendungen für die neue Technologie.
Was genau die neue Technik mit uns anstellen wird, ist noch nicht klar:
Enthusiasten träumen von fremden Welten und rauschhaften Erfahrungen, verstehen die “Virtual Reality” geradezu als eine “Empathiemaschine”, die es Menschen erleichtert, sich besser in andere Menschen und Situationen hineinversetzen zu können.
Skeptiker erheben ethische und moralische Einwände. Sie haben Angst vor dem VR-Exit und befürchten, dass die Menschheit in der virtuellen Realität verroht und kollektiv aus dem “Real Life” flüchtet.
Was also wird diese neue Welt aus Bit und Bytes mit sich bringen?
Wie süchtig macht die neue Technik? Und wie gefährlich ist es, die Brille länger zu tragen als empfohlen? Die Autoren wagen den Selbstversuch: 24 Stunden in der Virtual Reality. Nonstop.

Warum in Brasilien das Wasser knapp wird
Wer nicht zahlt, der trinkt nicht

Von Andreas Weiser

Samstag, 16.07.2016, 18:05 Uhr, DLF

Brasilien galt bislang als eines der wasserreichsten Länder der Welt. Etwa 70 Prozent seiner Stromversorgung bezieht es aus Wasserkraft. Doch 2014 und 2015 erlebte das Land dramatische Dürreperioden im bis dato so fruchtbaren Südosten des Landes.

Dem bevölkerungsreichen ökonomischen Zentrum Brasiliens drohte das Wasser auszugehen. Wo liegen die Ursachen und wie kommt es, dass die Verantwortlichen so träge reagieren?

Morgenland und Abendland

Von Jan Decker

Sonntag, 17.07.2016, 14:05 Uhr, SWR2

Friedrich Engels ist der Erfinder des Marxismus. Wilhelm Decker ist der Erfinder des Annähdruckknopfs – und der Urgroßvater von Jan Decker. “Ich gehe einem Familiengerücht nach, das sorgfältig von uns gehütet wird, das wir uns manchmal verschwörerisch zuraunen, das wir meistens aber verschweigen. Bei Feiern oder Sterbefällen wird es hervorgeholt und besichtigt. Meine Familie soll mit dem deutschen Philosophen Friedrich Engels verwandt sein. In einem akustischen Kammerspiel versammle ich meine Familienmitglieder zu einem Treffen um unseren fiktiven oder tatsächlichen Ahnherren Friedrich Engels. Es geht um eine neue Identität für die Deckers – und für die Stadt Wuppertal, die sich mit chronisch leeren Kassen neu erfinden muss.”

 

Radiotipps für die Woche vom 4. bis 10. Juli 2016

Paragrafen baden nicht
Ralf Steeg und sein Kampf für eine saubere Spree

Von Jörn Klare

Dienstag, 05.07.2016, 19:15 Uhr, DLF

Ralf Steeg hat eine Vision: Berliner sollen in dem Fluss, der durch ihre Stadt fließt, sorglos baden können. Grundsätzlich ist das machbar, da die Spree bis an den Rand der Hauptstadt sauberes Wasser führt. Das Problem sind starke Regenfälle, die etwa dreißig mal im Jahr die Kanalisation überfordern.

Für Steegs Idee gibt es längst eine vom Forschungsministerium finanzierte, funktionierende Pilotanlage, Machbarkeitsstudien renommierter Wissenschaftler und Interessenten aus der ganzen Welt.

Doch Steeg kämpft seit 15 Jahren immer wieder auch am Rand der eigenen wirtschaftlichen Existenz gegen die Niederungen der Politik und das Dickicht der Behörden mit ihrer Auslegung des Wasserrechts, Fischereirechts, Nachbarschaftsrechts, Immissionsschutzrechts, Umweltrechts, Naturschutzrechts, Ordnungsrechts, Bauplanungsrechts und Zivilrechts. Dass Aufgeben für Steeg keine Option ist, zeigt seine Lebensgeschichte.

Poker “Ich bluffe nie“
Die Minimalisierung des Glücksfaktors

Von Annett Krause und Matthias Hilke

Dienstag, 06.07.2016, 00.05 Uhr, DR Kultur

Er denkt, dass ich denke, dass er denkt – so geht das beim Poker. Poker gilt in Deutschland als Glücksspiel. Weshalb es nicht ohne weiteres erlaubt ist. Aber wenn man damit Geld verdient, meldet sich das Finanzamt trotzdem. Und wenn man Geld verliert?

Der Poker-Protagonist in diesem Feature bleibt lieber anonym. Bei einem Pokerturnier in Las Vegas hat er einmal viel gewonnen. Jetzt will er bei einem Turnier in Prag gewinnen.

Wenn Mädchen kein sauberes Wasser haben
Hygienenotstand global

Von Andreas Boueke

Mittwoch, 06.07.2016, 22.03 Uhr, SWR2

Die Weltgesundheitsorganisation stellt fest: “Wasser und Sanitäranlagen sind unerlässlich für die Gesundheit”. Aber ein Drittel der Menschheit lebt ohne ausreichend sauberes Wasser und eine Milliarde Menschen haben keine Toilette. Insbesondere Mädchen leiden unter gesundheitsgefährdenden sanitären Verhältnissen, so auch Florence. Sie wohnt in dem Slum Namuwongo in Uganda, wo zehntausende Menschen noch nie eine Toilette benutzt haben. Alicia lebt in Haiti an einem Ort ohne sauberes Wasser. Viele ihrer Nachbarn sind an Cholera gestorben. Analí aus Guatemala schließlich engagiert sich im Kampf gegen eine Goldmine, die das Trinkwasser ihres Dorfes verseucht. Das Feature porträtiert die drei Mädchen und gibt damit dem globalen Hygienenotstand ein Gesicht.

Wunsch nach Verzauberung
Irrationalismus, Fantasy und magisches Denken moderner Zeiten

Von Tina Klopp

Freitag, 08.07.2016, 20:10 Uhr, DLF

Die Welt ist entzaubert, heißt es unter anderem bei Max Weber, und schuld daran sei die Aufklärung. Doch auch in der vermeintlich säkularen Gesellschaft tragen die Menschen Lieblingsmützen zu wichtigen Terminen und pflegen ihre kleinen Spleens und Alltagsfluchten.

Dem Fantasygenre gehört die Zukunft, die Esoterikbranche boomt und das Religionsmarketing wusste schon immer: Inszenierung ist die halbe Miete. Ausgangspunkt der Sendung ist die Frage, was dieser Wunsch nach Verzauberung eigentlich ist: Flucht oder Bewältigung? Motor von Kultur oder Nährboden für allerhand Schindluder? Die Suche nach Antworten führt u.a. zur Pflanzengeistertrance bei einem Seelengärtner und zu einer schamanistischen Sitzung mit Ayahuasca.

Der Schriftsteller Clemens Setz erzählt, wie audio-akustische Reize aus YouTube-Videos high machen können, und der Theologe Jörg Lauster, mit welchen besonderen Verzauberungstricks die gotische Kirche arbeitet.

Herr des Platzes
Wenn die Aufklärung den Fußball erreicht

Von Martina Keller

Samstag, 09.07.2016, 13:05 Uhr, Bayern 2

Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Ausgestattet mit der Machtfülle eines Feudalherrn treffen Schiedsrichter mitunter scheinbar willkürlich Entscheidungen. Die Fans toben und die Schiedsrichter werden zur Projektionsfläche der Emotionen. Was, wenn die Aufklärung den Fußball revolutioniert?
Schiedsrichter haben das Sagen auf dem Platz. Pfeifen oder weiterlaufen lassen? Das Auge des Schiedsrichters ist schnell, mit einem Blick erfasst er die Situation und bewertet sie. Doch das Auge der Fernsehkameras sieht mehr: In der Zeitlupe wird jede Entscheidung, jede Spielsituation seziert. Das Millionenpublikum im Fernsehsessel kriegt mit, wenn der Pfiff zu Abseits, Strafstoß, Platzverweis eine Fehlentscheidung war.
Das Spiel ist schneller geworden, athletischer, technisch anspruchsvoller und intellektueller. Der Fußball hat sich über die Jahre gewandelt und mit ihm der Herr des Platzes. Der Schiedsrichter von heute hat nahezu demokratische Züge. Ihm hilft eine Torkamera, er trägt Headset, tauscht sich mit seinen Assistenten aus – und ist mitunter eine Schiedsrichterin. Kritiker fürchten um das letzte Refugium archaischer Männerkämpfe: Sollen Schiedsrichter künftig über Fouls diskutieren statt die rote Karte zu zeigen? Wohin dann mit den Emotionen, wenn die Aufklärung den Fußball erreicht?

Hooligans
Bis zum letzten Atemzug

Von Agnese Franceschini und Tom Mustroph

Samstag, 09.07.2016, 18:05 Uhr, DR Kultur

  1. Mai 2014: Zum ersten Mal schießt in Italien ein Ultra des AS Rom auf einen Fan des SSC Neapel, der daraufhin stirbt. Auch in Deutschland werden Fangruppen immer gewalttätiger.

Im Oktober 2014 verwandeln Hooligans aus Deutschland unter dem Emblem “HoGeSA” – Hooligans gegen Salafisten – den Kölner Bahnhofsvorplatz in ein Kriegsgebiet.

Auf diesen Steinen wollen wir tanzen
Der Club Alpha 60 in Schwäbisch Hall

Von Anna Seibt

Sonntag, 10.07.2016, 14:05 Uhr, SWR2

Dutschke war da. Ihre Mutter war da. Und dann war sie auch da: “Ein langer schummriger Gang. An den Wänden hängen Plakate in Fetzen: Alpha Cup 2006, Soundbash, Faschisten blockieren! Am Ende des Gangs eine Metalltür. Dahinter harte, elektronische Bässe. Ich öffne die Tür und mir schlägt eine Miefmischung aus Schweiß, Bier und Zigaretten entgegen. Im Dunkeln kann ich ein paar Leute auf der Tanzfläche erkennen. Künstlicher Nebel wabert durch den Raum. Ich bin 16. Die Party ist ab 18. Ich darf trotzdem rein.” Seit 50 Jahren gibt es den Club Alpha 60 in Schwäbisch Hall. Ein Freiraum zwischen Bausparkasse und Maultaschen. Anhand ihrer Jugenderinnerungen an den Club erkundet Anna Seibt die Geschichte eines der ältesten soziokulturellen Zentren Deutschlands.

Stimme der ersten Stunde:
Die Radiolegende Axel Eggebrecht

Von Rosvita Krausz

Sonntag, 10. Juli 2016, 18:05 Uhr, hr2

Bis zu seinem Todesjahr 1991 sprach der Literat und Rundfunkmann Axel Eggebrecht von seinem Traum, noch die Jahrtausendwende zu erleben. Auch wenn er dieses Ziel nicht erreicht hat, sein Leben umspannt fast ein ganzes Jahrhundert deutscher Geschichte: vom Kaiserreich bis zur Wiedervereinigung.

Seine journalistische Laufbahn begann Ende der Weimarer Republik, bei der Weltbühne, im Dritten Reich erhielt er Schreibverbot und nach 1945 baute er als ein Mann der ersten Stunde den Rundfunk der Nachkriegszeit mit auf. Für den Nordwestdeutschen Rundfunk berichtete er im Herbst 1945 viele Wochen lang täglich über den ersten Kriegsverbrecherprozess der britischen Zone. Und auch nachdem er seinen Posten als Abteilungsleiter beim NWDR wegen parteipolitischer Querelen schon 1949 verlassen hatte, schrieb er als Freiberufler kontinuierlich Hörspiele, Features, Kommentare, Kolumnen: Beiträge zu einer Politisierung des Bewusstseins in einer Zeit, deren keimfreie Atmosphäre und restaurative Tendenz in Eggebrecht einen ihrer schärfsten Kritiker hatten. Ab 1963 hat er zehn Jahre lang die NDR-Rundfunkschule, das sogenannte “Nachwuchsstudio”, geleitet und sein Wissen und Können an Jüngere weitergegeben. Axel Eggebrecht starb vor 25 Jahren am 14. 7. 1991.

 

Radiotipps für die Woche vom 27. Juni bis 3. Juli 2016

Freihandelsabkommen CETA
“Goldstandard” oder Etikettenschwindel?

Von Peter Kreysler

Dienstag, 28.06.2016, 18.05 Uhr, DLF

Ein ratifiziertes Freihandelsabkommen CETA sei “eine exzellente Messlatte für TTIP”, meint Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Und die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland beschreibt den Vertrag als “globalen Goldstandard für progressive Handelsabkommen”.

Doch Kritiker warnen davor, dass ausländische Unternehmen Kanada und die EU-Mitgliedstaaten in Zukunft häufiger vor Schiedsgerichten verklagen werden. Daran ändere auch der vorgesehene Investitionsgerichtshof wenig. Skeptische Völkerrechtler betonen, erst im Kleingedruckten des CETA-Vertrages seien die Gefahren zu erkennen.

EU-Standards etwa für Chemikalien und Lebensmittel würden weiter unter Druck geraten. Trotz zahlreicher Proteste von Bürgern und Parlamenten in der EU drängt EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström auf einen Abschluss des Vertrages. Damit wird CETA zu einer weiteren Nagelprobe für die europäische Demokratie.

Reihe: Neues aus der Provinz
No Land Called Home – Rückkehr in die Provinz

Von Johannes Nichelmann

Mittwoch, 25.06.2016, 18:05 Uhr, DR Kultur

Die Hauptstraße: das Rathaus, die Polizeiinspektion, zwei Bäckereien, zwei Fleischereien, zwei Brunnen, ein Lottoladen. Willkommen in der Provinz. Von Berlin nach Bayern. Der Autor wird mit zwölf Jahren in einen Landkreis verfrachtet, in dem Vollbeschäftigung herrscht und die Stammtische über gut und böse richten.

Damals haben sich die coolen Leute aus der Klasse immer am Bauwagen getroffen um dort Kirschbier zu trinken und über Fußball zu reden. Der Autor war niemals eingeladen, denn er war der Zugereiste.

Zehn Jahre später kehrt er zurück in die Provinz und will wissen, warum ihm hier die Sache mit der Integration so schwer gefallen ist. Der Pfarrer gibt zu bedenken, dass wer in der Schule morgens nicht mitbeten will wissen sollte, wie so etwas in der Klassen-gemeinschaft ankommt. Der Klassenlehrer rät zu mehr Geduld und Humor und die  Schulfreundin empfiehlt, den Nachbarn erst einmal ein Helles in die Hand zu drücken.

Das Feature erzählt von den Schwierigkeiten der Integration und von den Brüchen, die durch Deutschland gehen.

Tod eines Neugeborenen
Eine Hebamme vor Gericht

Von Eva Schindele

Mittwoch, 29.06.2016, 22:03 Uhr, SWR2

An die 2000 Geburten hatte Anna R. in ihrer 35-jährigen Berufslaufbahn außerklinisch begleitet. Zudem war sie in der Lehre tätig. Da nur noch wenige Geburtshelfer wissen, wie sie ein Kind aus Beckenendlage auf natürlichem Wege entbinden können, wandte sich ein Elternpaar Hilfe suchend an die erfahrene Geburtshelferin. Weil ihr Kind tot zur Welt kam, spricht das Dortmunder Schwurgericht die Ärztin nach einem langwierigen Prozess des Totschlags für schuldig. Anna R. habe die Mutter nur deshalb nicht in ein Krankenhaus überwiesen, weil sie ihr berufliches Renommee nicht habe beschädigen wollen. Sie habe den Tod vorsätzlich in Kauf genommen. Bis zum Schluss versuchte Anna R. ihre Unschuld zu beweisen. Der Ablauf der Hauptverhandlung und die Urteilsbegründung lassen viele Fragen offen. Auch wenn der Vorsitzende Richter betont: “Dies ist kein Hexenprozess!”, werden in dem zwei Jahre dauernden gerichtlichen Verfahren nicht nur der Tod eines Neugeborenen verhandelt, sondern auch unterschiedliche Auffassungen geburtshilflicher Praxis: die Entbindungstechnik der Mediziner und die Geburtshilfe der Hebammen.

Ingredients of democracy
Der Traum von einem neuen Griechenland

Von Rainer Schildberger

Freitag, 01.07.2016, 20:10 Uhr, DLF

Sie sind Abenteurer im eigenen Land. Ohne Krankenversicherung und Aussicht auf Rente. Sie umarmen das Chaos und erfinden die Demokratie neu. Sie wissen, die Menüs der korrupten Eliten schmecken nicht länger. Sie fragen die Leute direkt: Was macht euch satt?

Und wisst ihr eigentlich, dass wir reich sind? Sie sagen: Unser Land ist fruchtbar. Jeder kann an der neuen Speisekarte mitwirken. Die Zutaten: Mut, Fantasie und vor allem Beharrlichkeit. Denn die falschen Köche regieren noch immer. Aber die können nicht mal ein Ei kochen. Sie stehen nur in der Küche, weil einer aus der Verwandtschaft das ermöglicht hat.

Wir brauchen neue Köche, die wissen, was unverdorben ist. Einen Minister für Geschmack. Und Küchen, in denen auch das Krumme, das nicht den EU-Normen entspricht, in den Topf kommt. So wird es sein. Das würde uns so schmecken, sagen die Abenteurer.

Die Alltäglichkeit des Unsichtbaren
Junge Roma in Europa

Von Elisabeth Putz

Samstag, 02.07.2016, 13:05 Uhr, BR2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Die Mehrheit der Slowaken bezeichnet Roma als integrationsunwillig. Die Mehrheit der Roma ruft ins Mikrofon, Slowaken seien Rassisten. Zwei Randpositionen einer komplexen Materie. Die Mitte wird dabei oft vergessen. Und so kommen viele Journalisten nach Lunik IX, einem der größten Ghettos Europas, um eine Safari zu machen. Sie bezahlen ein wenig Geld und Roma liefern Geschichten. Dieses Feature ist ein Versuch, hinter eine Klischeemauer zu blicken.

Stop Motion
25 Bilder die Sekunde und ein Leben
Der Animationsfilmer Heinrich Sabl

Von Barbara Leitner

Samstag, 02.07.2016, 18:05 Uhr, DR Kultur

Die Digitalisierung der Medien sei für sein Leben entscheidender als der Mauerfall, sagt Heinrich Sabl, ostdeutscher Animationsfilmer. Im Jahr 2000 begann er mit kleinem Budget an seinem Film “Memory Hotel“ zu arbeiten.

Die Puppen und Kulissen, jeder Lidschlag wird von Hand gestellt und analog fotografiert, 25 Bilder pro Sekunde. Nach sieben Jahren will er nur noch einzelne Sequenzen flüssiger gestalten. In der digitalen Produktionslogik wäre das schnell vollbracht, aber Sabl misstraut den “Pixel-Fabriken”. 2015 ist der Film fertig.

Glastonbury, Fairy Tales und die Nebel von Avalon

Von Gabi Schlag

Sonntag, 03.07.2016, 14:05 Uhr, SWR2

Wer sich dem südenglischen Städtchen Glastonbury nähert, um sich die berühmte Abtei anzuschauen, wird bald bemerken, dass er sich in einer wunderlichen Stadt befindet. Hier soll er gewesen sein, der Eingang in das sagenhafte Feenreich Avalon, das vielen aus den Avalon Roman von Marion Zimmer Bradley bekannt ist. Heute steht an ebendieser Stelle die Ruine einer Kapelle, Sinnbild dafür, dass das Christentum das Heidentum überwunden hat. Ganz in der Nähe soll er verborgen sein, der sagenumwobene Gral. Und das Grab von König Artus und seiner Guinifer befindet sich sozusagen um die Ecke. Vor allem aber soll sich hier ein Ort der Macht befinden, ein Ort an dem zwei Ley-Linien sich kreuzen. Heilige Linien, die diesen Platz zu etwas Außergewöhnlichem werden lassen und Neuheiden und Esoteriker aus der ganzen Welt anziehen. Wir begleiten die Esoterikerin Bernadette (im wahren Leben Chemikerin), die das Feen-Treffen besucht und ordnen das ganze Treiben in das hochaktuelle Phänomen des Neopaganismus, der Religion des Neuheidentums.

Jozi-Stories – Das Johannesburg der Künstler

Von Gaby Mayr und Günther Beyer

Sonntag, 3. Juli 2016, 18:05 Uhr, hr2

“Die Stadt ist meine Muse”, sagt Billie Zangewa, die aus Malawi nach Johannesburg kam und mit ihrer Textilkunst international Erfolg hat. Die Stadt mit dem Kosename Jozi inspiriert viele Künstler.

Dabei reflektieren sie oft ihre Erfahrungen in der Zeit der Apartheid. Die Fotografin Lebohang Kganye hat beim Market Photo Workshop im Johannesburger Zentrum ihre Kunst gelernt. Ihr Kollege Muntu 
Vilakazi porträtiert die Glitzerwelt der schwarzen Aufsteiger dieser Stadt. Der Schriftsteller Ivan Vladislavic, aus einer irisch-kroatischen Familie stammend, siedelt seine Geschichten unter den kleinen weißen Leuten im Johannesburger Stadtteil Troyeville an. Niq Mhlongo schreibt über Soweto, den Ort, an dem er aufgewachsen ist. Und William Kentridge? Der vielleicht bekannteste Künstler aus Jo’burg ist überzeugter Bürger der Stadt, aber selten zu Hause. Die Autoren besichtigten seine Studios – und treffen ihn schließlich in Amsterdam.

 

Radiotipps für die Woche vom 20. bis 26. Juni 2016

Die Schule von Trostenez
Über Erinnern und Vergessen in Belarus

Von Olga Kapustina

Dienstag, 21.06.2016, 19:15 Uhr, DLF

Trostenez war einer der größten Schauplätze von Massenmorden während des Zweiten Weltkriegs in Osteuropa. Lange Zeit blieb es ein weißer Fleck auf der Erinnerungskarte der Sowjetunion, später der Republik Belarus – Weißrussland.

In den 50er-Jahren war über den Leichen von Juden, die die Nazis in einem Wald neben dem Todeslager erschossen hatten, eine große Müllhalde errichtet worden.

Erst in den 70er-Jahren erforschten die Schüler von Trostenez die Geschichte des Ortes. Im Sinne der Staatsideologie pflegten sie die Erinnerung an die ermordeten “friedlichen sowjetischen Bürger” im kleinen Schulmuseum. Jüdische Opfer wurden nicht erwähnt.

Reihe: Neues aus der Provinz
Rückkehr nach Knokke
Eine Erfahrung aus dritter Hand

Von Jochen Wobser und Oliver Kobold

Mittwoch, 22.06.2016, 00:05 Uhr, DR Kultur

1984 macht der Künstler Martin Kippenberger eine Woche Urlaub im belgischen Seebad Knokke. Er schreibt auf, was er tut und erlebt (nicht viel) und übergibt seine Aufzeichnungen nach der Rückkehr der befreundeten Künstlerin Annette Grotkasten mit der Anweisung: alles in allen Details nachmachen.

Aus dem Spiel mit der Wiederholung ergibt sich eine künstlerische Versuchsanordnung. Wie verändert der zweite Blick das selbst Erlebte?

30 Jahre später unternehmen Oliver Kobold und Jochen Wobser dieselbe Reise – nun als Erfahrung aus dritter Hand.

Folterkammer Eritrea
Feature über die Finanzierung einer Diktatur

Von Bettina Rühl

Mittwoch, 22.06.2016, 22:03 Uhr, SWR 2

Sie wollen von Afrika über das Mittelmeer nach Europa, zur Not mit Fischer- oder Schlauchboot. Oft endet ihre Flucht in einer Tragödie und die meisten Opfer stammen aus Eritrea. Das Land gilt als das “Nordkorea” Afrikas. Zehntausende fliehen jährlich aus ihrer Heimat, Tausende wollen nach Deutschland, wo inzwischen eine der größten eritreischen Gemeinden Europas lebt. Schlepper führen die Menschen den gefährlichen Weg über den Sudan, die Sahara, an die 2000 km entfernte Mittelmeerküste nach Libyen. Und es werden immer mehr. Die EU will die Regierung mit Millionenbeträgen unterstützen, um den Exodus zu stoppen. Aber das Regime profitiert selbst von der Massenflucht und die eigenen Militärs betätigen sich angeblich als Schlepper und Schmuggler. Warum finanziert Europa eine Diktatur?

Eine ziemlich weite Reise nach Europa
Wie es sich in einer Kopie lebt

Von Tim Staffel

Freitag, 24.06.2016, 20:10 Uhr, DLF

Florenz gibt es zweimal. Paris auch, sogar mit Eiffelturm. Und Hallstatt, das österreichische Städtchen im Salzkammergut, das seine pastellfarbenen Hausfassaden so pittoresk an das Ufer des Hallstätter See geschmiegt hat, dass es dafür sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe ausgerufen wurde, gibt es auch noch einmal: als chinesische Stadtkopie.

Als detailgetreuen Klon in der südchinesischen Provinz Guangdong. Der Autor Tim Staffel reist nach China und besucht dort die maßstabsgetreuen Kopien europäischer Städte. Die Grundidee des Features ist, einmal maximal weit wegzureisen, um ausgerechnet von dort aus einen neuen Blick auf die Frage zu werfen: Was eigentlich ist Europa, oder was könnte es sein?

Der Autor wird den Alltag in diesen chinesischen Stadt-Kopien einfangen, sich von Planern und Bewohnern herumführen lassen. Dabei geht es auch um die Frage, wie Kopien funktionieren, wie es sich anfühlt, in einer zu leben, welche Rolle Individualität und Originalität für die chinesische Gesellschaft spielen und nicht zuletzt: was eigentlich das latent Unheimliche an künstlich erschaffenen Welten ist.

Reihe: Neues aus der Provinz
No Land Called Home – Rückkehr in die Provinz

Von Johannes Nichelmann

Samstag, 25.06.2016, 18:05 Uhr, DR Kultur

Die Hauptstraße: das Rathaus, die Polizeiinspektion, zwei Bäckereien, zwei Fleischereien, zwei Brunnen, ein Lottoladen. Willkommen in der Provinz. Von Berlin nach Bayern. Der Autor wird mit zwölf Jahren in einen Landkreis verfrachtet, in dem Vollbeschäftigung herrscht und die Stammtische über gut und böse richten.

Damals haben sich die coolen Leute aus der Klasse immer am Bauwagen getroffen um dort Kirschbier zu trinken und über Fußball zu reden. Der Autor war niemals eingeladen, denn er war der Zugereiste.

Zehn Jahre später kehrt er zurück in die Provinz und will wissen, warum ihm hier die Sache mit der Integration so schwer gefallen ist. Der Pfarrer gibt zu bedenken, dass wer in der Schule morgens nicht mitbeten will wissen sollte, wie so etwas in der Klassengemeinschaft ankommt. Der Klassenlehrer rät zu mehr Geduld und Humor und die  Schulfreundin empfiehlt, den Nachbarn erst einmal ein Helles in die Hand zu drücken.

Das Feature erzählt von den Schwierigkeiten der Integration und von den Brüchen, die durch Deutschland gehen.

This is not a love song
Die Geschichte von Nora Forster und Ari Up

Von Lorenz Schröter

Sonntag, 26.06.2016, 14.05 Uhr, SWR2

Eine betörende, blonde, junge Deutsche inmitten der brodelnden Londoner Clubszene der 70er-Jahre. Sie ist Vertraute von Jimi Hendrix, Freundin des Gitarristen und Sex Pistols-Produzenten Chris Spedding, frühe Förderin von Punk-Musikern, darunter Joe Strummer. Der gibt ihrer Tochter Ariane Gitarren-Unterricht. Als Ari Up wird sie später zur legendären Sängerin der Punk-Reggae-Band “The Slits”.
Doch wie wurde Nora Forster, Tochter eines schwerreichen und erzkonservativen Zeitungsbesitzers aus Schwaben, zur femme fatal der Punk-Szene und warum entwickelte sie sich zur rätselumwobenen Sphinx? Lorenz Schröter begibt sich auf die Spuren dieser ungewöhnlichen Frau und trifft zwischen Stuttgart und Kingston auf ehemalige Punk-Musiker, Rechtsanwälte, obskure Schlagerstars, noch mehr berühmte Punk-Musikerinnen und zwei Rasta-Zwillinge. Deren Stief-Großvater Jonny Rotten kommt übrigens nur am Rande vor.

 

Radiotipps für die Woche vom 13. bis 19. Juni 2016

“Wir sind es leid”
Die mexikanische Bürgergesellschaft wehrt sich

Von Peter B. Schumann

Dienstag, 14.06.2016, 19:15 Uhr, DLF

Mexiko ist in den vergangenen Jahren in einen Sumpf von Gewalt, Straflosigkeit und Korruption gesunken. Regierung und Parteien erweisen sich als unfähig, die Lage zu bessern. Viele Mexikaner halten sie für einen Teil des Problems. Sie sind es leid, immer wieder vertröstet und belogen zu werden, und haben begonnen, ihre Kritik und ihre Wut in großen Massendemonstrationen zu artikulieren. Eine Bürgergesellschaft hat sich – auch mithilfe der sozialen Netzwerke – zu wehren begonnen. Sie hat eigene Strukturen entwickelt und neue basisdemokratische Organisationen geschaffen. In ihrem Umfeld entstand eine Vielzahl von Medien, die ihre Aktionen und Programme verbreiten. Sie ist zurzeit die einzige politische Alternative im Krisenland Mexiko.

Happy Birthday! 500 Jahre Reinheitsgebot
Deutsche Reinheit, deutscher Durst
Ein Bierblues

Von Peter Schanz

Mittwoch, 15.06.2016, 00:05 Uhr, DR Kultur

Das Bayerische Reinheitsgebot wird 500 Jahre alt. Höchste Zeit, diesen Hopfen & Malz-Fundamentalismus zu hinterfragen: Was kommt wirklich rein ins Bier? Was fehlt ihm?

Verhindert der Abgrenzungsfuror eine Weiterentwicklung der Braukünste? Verliert das Deutsche Brauwesen aus Sturheit seine weltweite Anerkennung?
Von Flensburg bis zum Bodensee werden alte und neue Sudstätten heimgesucht, werden Brauer, Trinker und andere Spezialisten zu Wort gebeten.

Munition Gedicht

Von Helgard Haug und Thilo Guschas

Samstag, 18.06.2016, 13:05 Uhr, BR2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Die ägyptische Militärdiktatur ist zurück. Medien werden zensiert, Demonstrationen verboten. Aber die Verse sind noch auf der Straße. Poeten lesen ihre Gedichte im Internet und werden von Fernsehshows wie Popstars gefeiert. 2011 beflügelten Strophen des Hippiedichters Ahmed Fouad Negm den friedlichen Protest. Entstanden in politischer Haft in den sechziger Jahren. Eine Flaschenpost durch Jahrzehnte. Heute sitzen wieder zehntausende politische Gefangene ein, Islamisten wie Linke. Schmieden sie neue lyrische Munition, die durch Mauern geht? Über Kassiber korrespondiert das Autorenduo Helgard Haug und Thilo Guschas mit dem Dichter Omar Hazek, der einst vor Millionenpublikum die panarabische Castingshow “Prince of Poets” gewann. Eben noch saß er in Haft. Nun kommt er frei. Was beschwören aktuelle arabische Verse? Gehen sie neuen Taten voran – wie der Blitz dem Donner?

15 Mann auf des toten Mannes Kist Oder: Reif für die Schatzinsel

Von Ulrich Teutsch

Sonntag, 19.06.2016, 14:05 Uhr, SWR2

Ist das nicht Abenteuer pur – samt glücklichem Ende? Eine alte Schatzkarte beflügelt die Fantasie der Männer um den jugendlichen Helden Jim Hawkins. Kurzerhand rüsten sie ein Schiff aus, stechen in See, werden auf einer verwunschenen Insel fündig und bringen ihre reiche Beute heil nach England. Doch dann wird Jim von “grässlichsten Albträumen” heimgesucht. Denn das schöne Abenteuer blieb nicht ohne Blut und Leid, Schandtaten und Grausamkeiten. Heute werden Schatzsuchen gerne romantisiert, verklärt, überhöht. Das Glück des Schatzsuchers, heißt es, liege gar nicht darin, etwas zu finden, sondern darin, etwas gefunden zu haben, was er dann suchen kann. Die Suche selbst sei das Ziel, gebe dem Leben einen Sinn. Ist das wirklich so? Lehrt Stevensons Roman, lehrt die Realgeschichte der Schatzsuche nicht etwas ganz Anderes? Unterstützt von Jim Hawkins, Long John Silver und Captain Flint begibt sich Ulrich Teusch auf Erkundungsfahrt.

Der Mond ist aufgegangen
Die niemals endenden Geschichten vom Gefährten der Erde

Von Joachim Kalka

Sonntag, 19. Juni 2016, 18:05 Uhr, hr2

Anton Tschechow warnt seinen Bruder 1886 vor einer zu ausführlichen Beschreibung des Mondes in seiner Literatur. Er soll ihn auf keinen Fall groß am Himmel stehen lassen, es genügt, meint Tschechow, wenn eine Flaschenscherbe am Mühlenwehr in der Nacht aufblinkt, da hat man schon die Magie des Mondscheins.

Denn der Mond ist längst ein gefährlich abgenutztes Requisit der Landschaftsromantik geworden. Aber er darf auch nicht fehlen. Erst recht nicht in Comics. Hund Snoopy ist in Charles M. Schulz “Peanuts” noch vor der Nasa zum Mond gereist und auch Tim und Struppi sind bereits Mitte der 1950er Jahre auf diesem Planeten gelandet.

In alten Zeiten ist der Mond eine kühl-liebliche Göttin oder eine der sieben gravitätisch-schicksalhaften Figuren des großen Planetenballetts. Erst die wissenschaftlichen Fortschritte lassen evident werden, dass er leblos ist, leer, unheimlich. Von da an ist das leichenhaft Fahle, das beunruhigend Stumme des Mondes das andere große Register neben seiner schimmernden erotischen Verlockung – das Totenhafte widerspricht dem Eros. Ein Feature am Vorabend des Vollmonds.

 

Radiotipps für die Woche vom 06. bis 12. Juni 2016

Dann kam die Contra
Entführung deutscher “Aufbauhelfer” in Nicaragua

Von Erika Harzer

Dienstag, 07.06.2016, 19:15 Uhr, DLF

Eine Gruppe junger Deutscher wurde vor 30 Jahren im Mai 1986 in Nicaragua entführt und drei Wochen durch den Dschungel verschleppt. Sie wollten Häuser bauend den revolutionären Prozess in Nicaragua unterstützen, gehörten zu einer weltweiten Solidaritätsbewegung. Doch dann wurden sie selbst zum Objekt der Kriegshandlungen.

Drei zermürbende Wochen folgten. In Managua forderten deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger während einer Botschaftsbesetzung die Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl auf, vor allem den direkten Kontakt zu US-Präsident Ronald Reagan – für sie der Hauptverantwortliche des Contra-Krieges – herzustellen, um die Freilassung der acht Deutschen zu fordern.

In Bonn nahm der Krisenstab des Auswärtigen Amtes seine Arbeit auf. Einerseits waren die Brigadisten wie auch die gesamte Solidaritätsbewegung der Regierung ein Dorn im Auge. Andererseits handelte es sich um Bundesbürger, für deren Freilassung das Auswärtige Amt sich bemühen musste. Hans-Jürgen Wischnewski reiste als Vermittler nach Nicaragua.

Eine Geschichte aus den Zeiten des Kalten Krieges, prägend für die Solidaritätsbewegung. Erzählt aus der Perspektive einiger damals Entführten, von Unterstützenden der Solidaritätsbewegung, Mitarbeitern des Krisenstabs und Mitarbeitern von Hans-Jürgen Wischnewski.

Westberlin
Berlin Update

Von Bodo Morshäuser

Mittwoch, 08.06.2016, 0:05 Uhr, DR Kultur

Westberlin war Zentrum linken Protests, lockeren Lebens und subkulturellen Flairs. Die eingemauerte Halbstadt zog gescheite Existenzen und junge Künstler an, die dort zu Stars reiften.

Die übrige Jugend trieb Politik und Party auf die Spitze. Zum Schluss regierte eine nahezu alternative Parallelgesellschaft unter Rot-Grün. Der Fall der Mauer schloss das Spielfeld und eröffnete in Berlin-Mitte sofort ein neues. Heute ist Berlin für junge Zugereiste eine Partyzone mit Uni-Anschluss.

Die Draufgängerin
Preisträger Hördokumentation des 3. dikKa Festivals

Mittwoch, 08.06.2016, 22:03 Uhr, SWR2

In diesem Jahr wurde beim Dokumentarfestival DokKa “Die Draufgängerin” von Egon Koch als beste Hördokumentation ausgezeichnet. Eine Produktion des SWR, die wir aus diesem Anlass heute noch einmal senden. Der Autor schildert darin das Erwachsenwerden seiner Tochter. In der Begründung der Jury heißt es: “Aus langjährig aufgezeichneten Interviews mit seiner Tochter, aus Fragen und Antworten, wobei die Tochter erst gegen Ende selbst zur Fragenden wird … entwickelt Egon Koch ein Hörstück, das sich der Form eines imaginären Gesprächs bei einem langsamen Spaziergang annähert. Das gelingt auch deshalb, weil die junge Frau souverän mit ihren eigenen Ausdrucksmöglichkeiten umgeht.”

Das nächste große Ding
Kunstbetrachtungen aus der Zukunft

Von Annegret Arnold

Freitag, 10.06.2016, 20:10 Uhr, DLF

Kunstkritiker beschreiben normalerweise Bilder, Bücher, Songs oder Theaterinterventionen, die ihnen das Programm vorgegeben hat. Mehr oder weniger gelungene Werke, die von den Rezensenten nur in Ausnahmefällen mit echter Euphorie oder gar als innovativ oder neuartig empfohlen werden. Wie aber müsste Kunst beschaffen sein, die es so vorher noch nicht gegeben hat?

Kunst, die auch dem kritischsten Kritiker den Boden unter den Füßen wegzieht, weil keines seiner sonstigen Analyseinstrumente mehr greift? In diesem Feature sprechen Kulturkritiker von künstlerischen Ereignissen, die sie nachhaltig beeindruckt haben. Wo sie stattgefunden haben und wer sie initiiert hat, bleibt vorerst offen.

Die Autorin besucht nur die verlassenen Orte und abgelegten Werkzeuge, sichtet das Material, trifft auf Augen- und Ohrenzeugen. Sie ergründet die Mechanismen ästhetischer Entwicklungen, befragt Historiker und Zukunftsforscher, und lässt den Hörer teilhaben an Kunstereignissen, die es so vorher noch nicht gegeben hat.

Rocco Granata singt nicht mehr
Vom Erinnern und Vergessen

Von Joseph Berlinger

Samstag, 11.06.2016, 13:05 Uhr, Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr, BR2

Rocco Granata – sein Welthit “Marina” hat ihn einst zum Schlagerstar gemacht. Jetzt geht er auf die 80 zu und will nicht mehr auf die Bühne. Er will auch keine Interviews mehr geben. Er hat seine Autobiographie geschrieben, und es gibt einen Kinofilm über die Geschichte seiner Jugend. “Das muss genügen”, sagt Rocco Granatas Managerin und Ehefrau Rosie. Warum soll er sich darüber hinaus für die Öffentlichkeit an seine Vergangenheit erinnern? Alte Anekdoten, aufwärmen, die er schon hundertmal erzählt hat? Warum soll er immer wieder Auskunft geben? Irgendeinem Reporter, den er nicht kennt. Und der ihn nicht kennt. Rocco Granata hat keine Lust mehr auf diese Interview-Spielchen. Auf das immer gleiche Ritual. Auf die immer gleichen braven oder manchmal bemüht frechen Fragen. Und er hat auch keine Lust mehr auf seine immer gleichen gewollt originellen Antworten.
Frau Hauser – sie hat Rocco Granatas Welthit “Marina” im Radio oft mitgesungen – als sie das noch konnte. Jetzt ist sie weit über 80 und dement. Sie erkennt ihren Sohn nicht mehr, wenn er sie sonntags besucht. Sie lebt in einer Seniorenresidenz im Bayerischen Wald. Dort dirigiert jeden zweiten Samstagnachmittag Alexander Metz den Demenzchor. Frau Hauser ist dabei. Aber seit kurzem singt sie nicht mehr. Sie klatscht nur noch mit. Weil Frau Hauser eine tiefe und raue Stimme hat, nennt sie der Dirigent Rocco Granata.
Der “echte” Rocco Granata w i l l sich nicht mehr erinnern, die “falsche” Rocco Granata k a n n sich nicht mehr erinnern. Aber durch die Musik, durch die alten Schlager sind die beiden verbunden. Wenn Frau Hauser die ersten Takte von Rocco Granatas “Marina” hört, beginnt sie sogar wieder mitzusingen. Wenn auch nur die Titelzeile.

Nach Hause gehen
Eine Heimatsuche

Von Jörn Klare

Samstag, 11.06.2016, 18:05 Uhr, DR Kultur

Als der Autor plant, eine Wohnung in Berlin zu kaufen, fällt ihm auf, dass er sich in der Stadt, in der er seit fast 30 Jahren lebt, gar nicht wirklich heimisch fühlt. Die Immobilien-Idee wird abgesagt, die Frage nach der Heimat aber bleibt.

Mit ihr und einem Aufnahmegerät im Gepäck macht er sich auf die Wanderung in das Städtchen, in dem er geboren und aufgewachsen ist. Nach gut 600 Kilometern voller Begegnungen trifft er auf einen alten Freund, der Lokalpolitiker geworden ist.

Rückkehr nach Knokke
Eine Erfahrung aus dritter Hand

Sonntag, 12.06.2016, 14:05 Uhr, SWR2

Von Jochen Wobser und Oliver Kobold

1984 macht der Künstler Martin Kippenberger eine Woche Urlaub im belgischen Seebad Knokke. Er schreibt auf, was er tut und erlebt (nicht viel) und übergibt seine Aufzeichnungen nach der Rückkehr der befreundeten Künstlerin Annette Grotkasten mit der Anweisung: alles in allen Details nachmachen. Aus dem Spiel mit der Wiederholung ergibt sich eine künstlerische Versuchsanordnung. Wie verändert der zweite Blick das selbst Erlebte? 30 Jahre später unternehmen Oliver Kobold und Jochen Wobser dieselbe Reise – nun als Erfahrung aus dritter Hand. Die Spurensuche führt auch zurück zu den ästhetischen Fragestellungen und Verwerfungen der 80er-Jahre, als sich die Künstlerin Annette Grotkasten zu ihrem eigenen Erstaunen in der Jugendzeitschrift “Bravo” wiederfand – als gefeierte Lead-Sängerin der NDW-Band “Bärchen und die Milchbubis”.

Die Entstehung des “Siddhartha” von Hermann Hesse

Von Heinz Sommer

Sonntag, 12. Juni 2016, 18:05 Uhr

Hermann Hesses große Erzählung “Siddhartha. Eine indische Dichtung” ist nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern ein Kultbuch geworden.

Der Hessische Rundfunk (hr2-kultur) hat das Werk über den jungen Sohn eines Brahmanen, der sich auf die Suche nach Erkenntnis begibt, nun erstmals als Hörspiel umgesetzt. hr2-kultur sendet es am 12., 19. und 26. Juni jeweils um 14.05 Uhr. In diesem Feature zum Hörspiel erzählt Heinz Sommer, der auch für die Hörspielbearbeitung verantwortlich ist, von der Entstehungsgeschichte der Erzählung.

Hermann Hesse schrieb “Siddhartha” in fast drei Jahren. Allein zwischen dem ersten und dem zweiten Teil lag eine Pause von fast eineinhalb Jahren, in denen sich Hesse noch einmal intensiv mit dem fernöstlichen Denken auseinandersetzte. In seiner Feature-Collage dokumentiert Heinz Sommer mit Texten von Hesse selbst und von seinen Zeitgenossen, wie die Idee für “Siddhartha” entstand und schließlich 1922 zu einem Buch wurde.

 

Radiotipps für die Wochen vom 16. bis 29. Mai 2016

Aliens
Invasion exotischer Tiere und Pflanzen

Von Stella Luncke und Josef Maria Schäfers

Montag, 16.05.2016, 11:05 Uhr, DLF

Sie reisen meist illegal ein, als blinde Passagiere mit dem Flugzeug oder im Ballastwasser von Frachtschiffen. Oder sie heften sich im Urlaub an unsere Kleidung: exotische Tiere und Pflanzen, sogenannte Aliens. Das Scheitern von Multikulti – nun auch bei Fauna und Flora?

Sie breiten sich unkontrolliert aus, verdrängen schwächere einheimische Artgenossen, verursachen Allergien, Krankheiten und immense wirtschaftliche Schäden.

Die Autoren sind bei ihren Recherchen auf mindestens ebenso alarmierte Heimatschützer gestoßen wie in der Debatte um Kopftuch & Co.

Kaderpudern
Rückblick der Muehl-Kommune

Von Hermann Theißen

Dienstag, 17.05.2016, 19:15 Uhr, DLF

Statt auf die Straße zu gehen, hätten die Österreicher auf den Tisch geschissen. So charakterisiert ein Achtundsechziger die kulturelle Differenz zwischen Wiener Aktionismus und SDS. Als sich in der BRD viele Linke in K-Gruppen und terroristische Zirkel verrannten, gründete der Aktionistenguru Otto Muehl an der Donau seine eigene Kadertruppe.

Seine “Aktionsanalytische Organisation” wollte mit freier Sexualität, Abschaffung des Privateigentums und eigenwilliger Psychotherapie den neuen Menschen schaffen. Als sich die Kommune nach 20 Jahren auflöste, ging Muehl wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger ins Gefängnis. Viele Kommunarden mussten erkennen, dass der Aufbruch in die unbegrenzte Lust in Führerkult und organisierter Infantilität stecken geblieben war.

Reihe: Durch Osteuropa
Krakau mit Händen und Füßen – Ein capricciöses Reisefeature

Von Andra Joeckle

Mittwoch, 18.05.2016, 00:05 Uhr, DR Kultur

Mit einem Residenzstipendium in der Tasche lebte Andra Joeckle drei Monate zu Gast in der Villa Decius in Krakau. Statt geläufiger Reiseführer las sie Witold Gombrowicz, um sich Krakau aus dem verwegenen Geist dieses polnischen Enfant terrible der Literatur zu eigen zu machen.

Mit originellem Blick und Sprachwitz lässt Andra Joeckle die oft gepriesenen Bauschönheiten der Altstadt hinter sich und erkundet das Krakau der Gegenwart. Ausgestattet mit den sprachlich verqueren Einfällen des polnischen Dichters Witold Gombrowicz, räsoniert sie über den polnischen Handkuss oder über den Frauentyp der auf hohen Absätzen stiefelnden Tipsiara und Blachara, die man vor allen in Einkaufszentren findet. Ein selbstironischer und reiselustig machender Blick auf eine vielfach besungene Stadt.
Das Feature wurde mit dem Deutsch-Polnischen Journalistenpreis 2010 ausgezeichnet.

Fußballfans am rechten Flügel
Von Hooligans und neuen Schlachtfeldern

Von Manuel Gerber

Mittwoch, 18.05.2106, 18:03 Uhr, SWR2

Hooligans haben sowohl mit Fußball als auch mit Politik zu tun. Vereinsführungen oder der Verfassungsschutz sehen das gerne anders und spielen so die Probleme mit gewaltbereiten Fans herunter. Hooligans fiebern mit ihren Mannschaften, sie prügeln im Stadion und außerhalb, oft auch gegen Fans desselben Vereins. Und schon wird es politisch: Da geht es gegen linke Ultragruppen und um die Vorherrschaft in der Stadionkurve. Das zeigen rassistische Parolen und diskriminierende Banner. Ein großer Teil der Hooliganszene agiert am rechten Rand. Sie wird inzwischen gezielt von Neonazis infiltriert und von Pegida als Fußvolk benutzt, das als Ordner auftritt und gelegentlich auch zuschlägt. Die Hooligans gegen Salafisten (Hogesa) wiederum geben sich besorgt und bürgerlich und tragen ihre rechte Ideologie in die Fußballstadien, die damit auch zu Feldern politischer Auseinandersetzungen werden.

Panzer, Pferde, Patrioten
Der unheimliche Reiz von Nazi-Kitsch und Kriegsgerät

Von Tom Schimmeck

Freitag, 20.05.2016, 20:10 Uhr, DLF

Briefe, Orden, Uniformen, Kriegsgerät und Nazikunst sind gefragt. Auf Auktionen, Flohmärkten und in den Weiten des Internet erzielen Devotionalien des Dritten Reiches Höchstpreise. Manchmal stoßen Fahnder in deutschen Kellern und Scheunen auf rostige Panzer, tonnenschwere Statuen und Kunsttrümmer, die einst für die Welthauptstadt Germania gefertigt wurden.

Selbst Postkarten-Kitsch des mittellosen Straßenmalers Adolf Hitler verkauft sich prächtig. Hitler, der zweimal versuchte Aufnahme an der Wiener Kunstakademie zu finden, soll tausende Motive gemalt haben, um sich in Wien und München über Wasser zu halten. 2013 zahlte ein Sammler 133.000 Euro für ein kleines München-Motiv (Standesamt und Altes Rathaus München). Im Juni 2014 ging ein Hitler-Aquarell von Schloss Neuschwanstein für 100.000 Euro an einen chinesischen Fan.

Worin besteht der Reiz eines echten Hitlers? Warum steht eine Widmung von Joseph Goebbels mit 700 Euro im Katalog? Was ist die Botschaft von Arno Brekers Bronzemuskeln? Eine Rundreise durch die Welt der braunen Sammler.

“Wir gehen nicht in Rente!”
Das Künstlerehepaar Christo und Jeanne-Claude

Von Michael Marek

Samstag, 21.05.2016, 13:05 Uhr, BR2
Wiederholung am Sonntag, 21:05 Uhr

Von den einen wurde er spätestens mit der Verhüllung des Berliner Reichtags als Kunstgott in den Olymp erhoben, von anderen wird er noch heute als Scharlatan abgestempelt. Nun lässt er Kunstinteressierte über Wasser wandeln: Über zehn Jahre nach seinem letzten realisierten Großprojekt “The Gates” in New York (2005) lässt Christo nun für “The Floating Piers” 90.000 Quadratmeter gelb schimmernden Stoff über den norditalienischen Iseo-See legen. Wie alle Großprojekte des Künstlerduos Christo und Jeanne-Claude wird auch “The Floating Piers” auf zwei Wochen (18. Juni bis 3. Juli 2016) begrenzt sein, dafür Tag und Nacht begehbar.
Ob Anhänger oder Kritiker: Unberührt blieb wohl niemand von ihren wie Happenings inszenierten Kunstaktionen: waren es verhüllte Gebäude, rosa umkränzte Inseln oder orange Tore mitten in New York.
Christo wurde 1935 in Bulgarien geboren, am selben Tag und im selben Jahr wie Jeanne-Claude. Zu Beginn ihrer Karriere waren es Stühle, Schuhe, Flaschen und Blechdosen, die mit Plastikfolie umwickelt zu Kunstobjekten wurden.
Nach dem Tod von Jeanne-Claude im November 2009 löst Christo ein Versprechen ein, das sich beide vor vielen Jahren gegeben haben: Ihre Projekte auch dann fortzusetzen, wenn einer von beiden stirbt .
Michael Marek, geboren 1960, lebt und arbeitet als freier Autor in Hamburg; vor allem für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland, Österreich und der Schweiz; zahlreiche Reportagen und Features zur Zeitgeschichte; darunter “Unterwegs in der Geschichte Deutschlands – der NS-Staat und der Zweite Weltkrieg”, “My Lai”, Anatomie eines Massakers”, “Die dunkle Seite des Paradieses – Mohamed Nasheed und die Malediven”; verschiedene Auszeichnungen für Radioproduktionen, zuletzt der Silberne Columbus für “Im ewigen Eis der Antarktis”; im Hörverlag erschienen “Stauffenberg – eine deutsche Biographie”.

Reihe: Durch Osteuropa
Das Modell von Érpatak
Wie ein rechtsextremer Bürgermeister Ungarn verändert

Von Keno Verseck

Samstag, 21. Mai 2016, 18:05 Uhr, DR Kultur

Érpatak, ein winziges Dorf im Nordosten Ungarns, war bis 2005 ziemlich bedeutungslos – bis Mihály Zoltán Orosz zum Bürgermeister gewählt wurde. Der bekennende Rechtsextreme, Ordnungsfanatiker, Antisemit und Romahasser führte im Dorf das “Modell von Érpatak“ ein und etablierte es als verbindliches Wertemodell.

Die Regeln lauten: Ordnung, Arbeits- und Gemeinschaftssinn, nationale Brauchtumspflege. Wer die Regeln nicht einhält, dem droht Kürzung der Sozialhilfe, Ausgrenzung, sogar Vertreibung aus dem Dorf.

Der Schuss in der Zauberflöte

Von Stefan Zednik

Sonntag 22.05.2016, 14:05 Uhr, SWR2

Am 2. Juni 1967 treffen in Berlin studentischer Protest und Polizeigewalt aufeinander. Anlass ist der Besuch eines Staatsgastes: Mohammad Reza Pahlavi. Während der Schah von Persien im abgeriegelten Opernhaus die “Zauberflöte” genießt, wird draußen der Student Benno Ohnesorg von einem Polizeibeamten erschossen. Reale Gewalt und fiktives Märchen. Doch es gibt Parallelen, nicht nur zwischen dem “Herrscher aus dem Morgenland” und dem “weisen Herrscher” Sarastro der “Zauberflöte”. Auch der Kampf um Macht, Jugend und Zukunft sind in Wirklichkeit und Oper ähnlich. Und die Königin, die zu Beginn noch einem jungen Prinzen vertraut, führt am Ende eine bewaffnete Gruppe an. Gudrun Ensslin, Pfarrerstochter aus Schwaben und Mutter eines wenige Wochen alten Sohnes, wird unmittelbar nach Bekanntwerden des Todes von Ohnesorg sagen: “Das sind Faschisten, diesmal sind wir dran, wir müssen uns bewaffnen!”

Dschihad im Klassenzimmer?
Wie Schüler und Lehrer mit Radikalisierung umgehen

Von Christiane Kreiner

Sonntag, 22. Mai 2016, 18:05 Uhr, hr2

Wenn der Terror des so genannten “IS” im Klassenzimmer ankommt, sind alle überfordert. Auch in Hessen machen derzeit Schüler und Lehrer die Erfahrung, dass sich Mitschüler radikalisieren. Einige sind sogar nach Syrien ausgereist, um für den IS zu kämpfen.

Deshalb hat das Land eine eigene Beratungsstelle zum Thema “islamistische Radikalisierung” eingerichtet. Die Berater, oft mit muslimischem Hintergrund, sind Sozialarbeiter und Islamwissenschaftler. Sie versuchen, Radikalisierungsprozesse aufzuhalten, beraten Betroffene und deren Eltern, und bieten Aufklärungsworkshops in Schulen an.
Darüber hinaus gibt es auch Schul-Initiativen gegen “islamistischen Extremismus”, wie die einer 10. Klasse aus Wiesbaden. Unter dem Motto “Schüler klären Schüler auf” lassen sich die Jugendlichen von Verfassungsschützern und einer Islamwissenschaftlerin zu Schülerexperten ausbilden.

Park Babelsberg
Das Schwarze Meer ist oben auf dem Berg

Von Heike Tauch

Dienstag, 24.05.2016, 19:15 Uhr, DLF

Dass heute Schloss und Park Babelsberg in solcher Pracht zu bewundern sind, grenzt fast an ein Wunder. Erst hinterließen die Weltkriege ihre Spuren am Werk von Lenné und Pückler, dann kam die DDR: Auf einem Teil errichtete man als Plattenbau die Walter-Ulbricht-Akademie.

Der andere – eine angelegte Hügellandschaft – wurde planiert, um mit Maschendraht, Kolonnenweg und Hundelaufanlage Menschen davon abzuhalten, das Land zu verlassen. Zeuge dieser Veränderungen war auf Ost-Seite der Gartendenkmalpfleger Karl Eisbein.

Überzeugt davon, dass solch eine Barbarei nicht von Dauer sein kann, dokumentierte er Urzustand wie Zerstörungen mit professionellem Blick – für eine Zeit danach. Eisbein sollte sie selbst erleben. Nach der Wende war er bis 2008 für den Park verantwortlich.

Er ließ Erdschichten zurückschieben, stellte alte Blickbeziehungen wieder her, widmete sich der Rekonstruktion des Wegenetzes. Eisbein ist kein “Homme de lettres”, er ist ein “Homme de l’arbre”. Seine Sprache sind Bäume, Sträucher, Seen und Bäche.

Ein Streifzug durch Schichten und Geschichte von Park Babelsberg.

Plattenbausiedlung in HA-NEU
Diese Stadt stand in einem anderen Land

Von Anselm Weidner

Mittwoch, 25.05.2016, 00:05 Uhr, DR Kultur

Halle-Neustadt, die einzige in Großplattenbauweise erbaute Großstadt Deutschlands, war die städtebauliche Ikone der DDR-Nachkriegsmoderne, funktionale Chemiearbeiterstadt vor den Toren von Buna und Leuna und gebaute Utopie gleicher Lebensbedingungen für alle.

Nach der Wende verlor die Stadt die Hälfte ihrer Bevölkerung, wurde ein Siebtel abgerissen. Heute gespalten in Ghettos, in bessere und Armenviertel, geht sie einer unsicheren Zukunft entgegen.

Hightech für die Außengrenze
Feature über die Profiteure der europäischen Flüchtlingsabwehr

Von Ralf Homann

Mittwoch, 25.05.2016, 22:03 Uhr, SWR2

Trotz Flüchtlingskrise und deutscher Willkommenskultur kommt Europas Migrations-politik nicht voran. Zu stark scheinen die Widerstände einzelner Mitgliedsstaaten. Doch welche Rolle spielen dabei organisierte Lobby-Interessen, zum Beispiel die der Rüstungs- und Sicherheitsindustrie? Über zwei Milliarden Euro pumpt die EU in Aufrüstung und technische Entwicklung einer “intelligenten” Außengrenze. Drohnen und Datenbanken, Biometrie, Satellitensysteme und Echtzeitapplikationen. Die sind nicht nur für Europa gedacht: Erklärtes EU-Ziel ist die weltweite Vermarktung der neuartigen High-Tech-Produkte. Seit mehr als einem Jahrzehnt arbeitet ein Netzwerk aus Politik und Industrie daran, für jede Herausforderung im Migrationsmanagement eine technische Lösung bereit zu stellen. Blockiert dieser neu geschaffene milliardenschwere Markt für Grenzsicherheit eine humane Migrationspolitik? Bremst die Geheimhaltung der Sicherheitsindustrie eine demokratische Debatte von Alternativen aus? Eine Recherche im Milieu von Politikberatung und Brüsseler Lobbyismus.

Radiocollage
Messer und Uhr

Von Lutz Dammbeck

Freitag, 27.05.2016, 20:10 Uhr, DR Kultur

In einer Sendung des deutschen Fernsehens erzählt der Schauspieler und ehemalige Showmaster Joachim Fuchsberger, dass die Spiele für seine erste Spielshow in der amerikanischen Psychiatrie entwickelt wurden. Innerhalb einer Minute und angetrieben vom Klacken einer Uhr mussten Paare bestimmte Aufgaben lösen, um Haushaltsgeräte oder Geld zu gewinnen.

Auf die Frage: “Und wie viel Patienten haben bei Dir zugeschaut?” antwortet Fuchsberger: “Eine ganze Nation! Eine verrückte Nation! Eine psychisch gestörte Nation!” Wieso waren die Deutschen, genauer: die Westdeutschen, damals eine “verrückte, eine psychisch gestörte Nation?”.

Ein Irre-Sein im medizinischen Sinn war sicher nicht gemeint, eher die Abweichung von einer Norm. Aber von welcher Norm waren sie abgewichen, und was galt als normal? Was zunächst als lineare Recherche in tagebuchähnlicher Form beginnt, verdichtet sich bald zu einem polyphonen Porträt, aber nicht dem einer konkreten Person, sondern eines systemischen Entwurfs der Welt – und den akustischen Spuren seiner Realisierung.

Hightech für die Außengrenze
Die Profiteure der europäischen Flüchtlingsabwehr

Von Ralf Homann

Samstag, 28.05.2016, 13:05 Uhr, BR 2
Wiederholung am Sonntag, 21:05 Uhr

Trotz Flüchtlingskrise und deutscher Willkommenskultur kommt Europas Migrations-politik nicht voran. Zu stark scheinen die Widerstände einzelner Mitgliedsstaaten. Doch welche Rolle spielen dabei organisierte Lobby-Interessen, zum Beispiel die der Rüstungs- und Sicherheitsindustrie? Über zwei Milliarden Euro pumpt die EU in Aufrüstung und technische Entwicklung einer “intelligenten” Außengrenze. Drohnen und Datenbanken, Biometrie, Satellitensysteme und Echtzeitapplikationen. Die sind nicht nur für Europa gedacht: Erklärtes EU-Ziel ist die weltweite Vermarktung der neuartigen High-Tech-Produkte. Seit mehr als einem Jahrzehnt arbeitet ein Netzwerk aus Politik und Industrie daran, für jede Herausforderung im Migrationsmanagement eine technische Lösung bereit zu stellen. Blockiert dieser neu geschaffene milliardenschwere Markt für Grenzsicherheit eine humane Migrationspolitik? Bremst die Geheimhaltung der Sicherheitsindustrie eine demokratische Debatte von Alternativen aus? Eine Recherche im Milieu von Politikberatung und Brüsseler Lobbyismus.

Reihe: Durch Osteuropa
Die Alltäglichkeit des Unsichtbaren – Junge Roma in Europa

Von Elisabeth Putz

Samstag, 28.05.2016, 18:06 Uhr, DR Kultur

Die Mehrheit der Slowaken bezeichnet Roma als integrationsunwillig. Die Mehrheit der Roma ruft ins Mikrofon, Slowaken seien Rassisten. Zwei Randpositionen einer komplexen Materie.

Die Mitte wird dabei oft vergessen. Und so kommen viele Journalisten nach Lunik IX, einem der größten Ghettos Europas, um eine “Safari” zu machen. Sie bezahlen ein wenig Geld und Roma liefern Geschichten. Dieses Feature ist ein Versuch hinter eine Klischeemauer zu blicken.

Hinter den Masken
Die Welt des japanischen No-Theaters

Von Isabella Arcucci

Sonntag, 29.05.2016, 14:05 Uhr, SWR2

Starre Gesichter, eckige Bewegungen, jaulende Gesänge. Für westliche Besucher ist das japanische Nô-Theater bestenfalls ein Rätsel – und meistenfalls eine ästhetische Zumutung. Keine andere Theaterform verschließt sich derart dem Zugang des kulturfremden Laien. Kann ein Nicht-Japaner auch nur annähernd begreifen, was da hinter den holzgeschnitzten Masken geschieht? Isabella Arcucci ist es gelungen, indem sie selbst die Maske aufgesetzt hat. In einer studentischen Nô-Gruppe in Japan hat sie das Theater von innen kennengelernt, seine Kultur, seine Meister und seine Philosophie.

 

Radiotipps für die Woche vom 25. April bis 1. Mai 2016

“Die Vergesslichkeit, die wir haben”
Leben mit Demenz

Von Egon Koch

Mittwoch, 27.04.2016, 22:03 Uhr, SWR2

Drei Männer, die die Diagnose Demenz erhalten haben, erzählen vom Leben mit ihrer Krankheit. Sie gehören zu den rund 1,5 Millionen Menschen, die derzeit in Deutschland an dieser Krankheit leiden. Bis 2050 wird ein Anstieg auf 3 Millionen erwartet. Wie erleben die Erkrankten sich und ihre Demenz? Wie kommen sie mit Diagnose und Stigmatisierung, Vergesslichkeit und Verunsicherung zurecht? Welche Lebensstrategien entwickeln sie? Ihre Erzählungen führen weit zurück in die jeweilige Lebensgeschichte – in Erinnerungen, aber auch an konkrete Orte. Wie jeder Mensch sein eigenes Leben hat, so auch seine eigene Demenz. Und jeder begegnet auf seine Weise der großen Herausforderung. Der eine mehr mit Humor, der andere mit Liebe zu seiner Frau, der dritte mit Präzision. Keiner von ihnen hat Angst, mit fortschreitender Krankheit sich selbst verloren zu gehen. Weisheit und Gelassenheit klingen durch, wenn einer von ihnen sagt: “Ich nehme ja an, dass ich das nicht mehr so richtig mitkriege, also von daher würde es mich auch nicht weiter stören.”

Aus dem Archiv des Auswärtigen Amtes
Die “angebliche” Indianerverfolgung in Paraguay

Von Gaby Weber

26.04.2016, 19:15 Uhr, DLF

In Paraguay putschte sich 1954 der deutschstämmige Diktator Alfredo Stroessner an die Macht. 35 Jahre lang ließ er Widersacher unterdrücken: landlose Bauern, Kommunisten und demokratische Parteien. 1972 rüttelte ein deutscher Ethnologe die Weltöffentlichkeit auf und berichtete von Menschenjagden auf die Aché-Indianer.

Weltweite Proteste von Menschenrechtsorganisationen halfen wenig, deutsche Diplomaten stellten sich auf die Seite des Stroessner-Regimes und sprachen von einem “Störfall” und “angeblicher” Indianerverfolgung. Heute steht fest, dass die Aché-Indianer systematisch verfolgt und versklavt worden sind. Nur noch wenige sind am Leben. Inzwischen hat das Auswärtige Amt seine Akten aus dem Archiv freigegeben.

Mehr als Schmerz und Kommerz
Neue Töne im Musical

Von Rainer Link

Freitag, 29.04.2016, 20:10 Uhr, DLF

Seit einem Vierteljahrhundert gehört das Musical zu den beliebtesten Kulturangeboten. Der Siegeszug der Musicalindustrie begann mit den eingängigen Melodien des britischen Komponisten Andrew Lloyd-Webber. Für Werke wie “Das Phantom der Oper” oder “Starlight Express” wurden eigene Abspielstätten errichtet und das Publikum per Bus herangefahren.

Im Grunde handelt es sich dabei um das serielle Abspielen von musischen Convenience-Produkten mit Langlebigkeitsgarantie und austauschbaren Darstellern. Aber das Musical war früher – und ist es in Randbereichen auch heute noch – etwas ganz anderes: ein unangepasstes musisches Spektakel, das sich unbotmäßig und angriffslustig den Themen der Zeit zuwendet.

Das Feature blickt hinter die Kulissen der großen Musicalbühnen zu Land und auf Kreuzfahrtschiffen, besucht die Ausbildungsstätten des Sänger-Nachwuchses und hinterfragt den Businessplan der Investoren. Es trifft die Macher von Off-Musicals, die an kleinen Bühnen mit geringen Etats die Kunstgattung Musical aus der kommerziellen Umklammerung zu befreien versuchen.

Mein Tschernobyl
Vom Versuch, die Wahrheit über den größten anzunehmenden Unfall herauszufinden

Von Helga Montag

Samstag, 30.04.2016, 13:05 Uhr, Bayern 2

  1. April 1986: In Tschernobyl explodiert der 4. Block des Atomkraftwerks. Die westliche Welt erfährt erst Tage später, dass sich in der Ukraine der Gau ereignet hat, der größte anzunehmende Unfall. Am Tag vor dem 1. Mai wird klar: Die radioaktive Wolke hat Deutschland erreicht. Es zeigt sich, dass Bayern besonders betroffen ist, denn dort hatte es zu diesem Zeitpunkt stark geregnet.
    Die sowjetische Regierung setzt zunächst wie gewohnt auf Geheimhaltung. Aber Gorbatschows Losung von “Glasnost und Perestroika” verändern den Staat, die Sowjetunion bricht auseinander, die Ukraine wird unabhängig. Jetzt können auch westliche Journalisten ungehindert recherchieren und interviewen, wen sie wollen. Sie können sich ein Bild machen von der Situation im Kraftwerk, in der abgesiedelten Zone und von der Lage in den Dörfern und Städten mit extremer radioaktiver Belastung, in denen die Menschen noch jahrelang ausharren müssen.
    Helga Montag war seit 1990 mehrmals auf Spurensuche in den verstrahlten Regionen in der Ukraine und in Weißrussland. Sie hat mit Betroffenen, Verantwortlichen und Politikern, mit Wissenschaftlern und Ärzten gesprochen. Sie hatte die Hoffnung, die Wahrheit herauszufinden über die Katastrophe und ihre Folgen.
    Als die Autorin 2011 an ihrem Feature zum 25. Jahrestag der sowjetischen Reaktorkatastrophe arbeitete, kam die Schreckensmeldung von Fukushima.
    Sowjetische Kernkraftwerke seien schlecht, westliche Reaktoren sicher. Kernkraft sei sauber und billig, so die westliche Devise auch Jahre nach Tschernobyl. Der Supergau im japanischen Fukushima hat gezeigt, dass dies eine Täuschung war.

Beirut – die komplizierteste Stadt der Welt
We’re in deep shit

Von Sammy Khamis und Florian Schairer

Samstag, 30.04.2016, 18:05 Uhr, DR Kultur

Die Autoren reisen in den Libanon und entdecken das komplizierteste Land der Welt. Dort treffen sie eine junge Sunnitin, die ihren Großvater als Faschisten beschimpft.

Sammy Khamis und Florian Schairer reisen in den Libanon. Sie treffen eine junge Sunnitin, die ihren Großvater als Faschisten beschimpft; eine Schiitin, die sich über fromme Männer aufregt, die ihr schamlos auf den Busen glotzen, einen Münchner Studenten mit libanesischen Wurzeln, der die Reporter in sein christliches Dorf zur Party mit UNO-Soldaten mitnimmt.

Sie sprechen mit dem Sänger einer Indie-Band, der eine Hymne über schwule Liebe geschrieben hat und mit einem Professor für arabische Geschichte, der ISIS für eine interessante Option hält.

Scheitern ist.
Eine Bestandsaufnahme

Von Rilo Chmielorz

Sonntag, 01.05.2016, 14:05 Uhr, SWR2

Schon mal das Gift des Scheiterns in den Adern gespürt? Wenn man unbedingt etwas erreichen will und dann komplett Schiffbruch erleidet? Klar, denn was das Scheitern betrifft, sind doch eigentlich alle Experten, die Autorin selbstredend eingeschlossen. Behauptet sie doch seit Jahrzehnten eine Scheiternde zu sein. Was keine Schande ist. Selbst der liebe Gott erlebt sich als scheiternd und das Alte Testament scheint geradezu ein Kompendium des Scheiterns zu sein. Geschichten vom Scheitern archiviert und katalogisiert das Institut zur Aneignung und Nachhaltigkeit des Scheiterns. Ein Ort der Zuflucht für alle Scheiternde. “Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better.” – Becketts Credo der Moderne. Scheitern ist. Nicht mehr und nicht weniger.

Zur Vermeidung weiterer Provokationen.
Die kurze Lebensgeschichte des Michael Gartenschläger

Sonntag, 1. Mai 2016, 18:05 Uhr, hr2

Von Roman Grafe

Die DDR verkaufte die Grenze zur BRD als Schutzwall gegen den Imperialismus. Doch nicht alle DDR-Bürger gaben sich damit zufrieden. Der 17-jährige Michael Gartenschläger hatte schon 1961 in der DDR zusammen mit Freunden gegen den Mauerbau in Berlin protestiert. Er wurde festgenommen und zu lebenslanger Haft verurteilt.

1971, nach zehn Jahren Haft, wurde er von der Bundesrepublik freigekauft. Daraufhin agierte er von Hamburg aus gegen die DDR und engagierte sich als Fluchthelfer. Da die DDR den Einsatz von Selbstschussanlagen an der innerdeutschen Grenze bestritt, baute er im März und April 1976 zwei dieser Anlagen aus und präsentierte sie im Westen.

Vor vierzig Jahren, am 30. April 1976, startete er einen weiteren Versuch, eine Anlage an der Grenze zwischen Schleswig-Holstein und Mecklenburg auszubauen. Dabei wurde Gartenschläger von DDR-Grenzsoldaten überrascht und angeschossen. Er starb noch an der Grenze am 30. April 1976, um 23.45 Uhr. Im März 2000 und April 2003 wurden Offiziere und Soldaten der Stasi und NVA in Rostock bzw. Berlin wegen Verdacht des Totschlags freigesprochen.

Radiotipps für die Woche vom 18. bis 24. April 2016

High in Uruguay
Wie Montevideo den Drogenkrieg beenden will

Von Karl-Ludolf Hübener

Dienstag, 19.04.2016, 19.15 Uhr, DLF

Weltweites Aufsehen erregte Uruguay mit seinem radikalen Bruch in der Drogenpolitik: Das kleine Land war der weltweit erste Staat, der Cannabis vollständig legalisierte und damit Korruption, Drogengewalt, Mafiosi und Geldwäsche den Kampf ansagte. Inzwischen grünt “Gras” auf Balkonen und in Gärten, liefern Grow-Shops speziellen Dünger und Gewächshäuser.

Eine Cannabis-Messe lockte Tausende an. Von Kifferparadies war vorschnell die Rede. Doch “High in Uruguay” gilt nur für Einheimische.

Detaillierte Richtlinien regulieren den Markt für Cannabis. Kiffer haben die Wahl zwischen Eigenanbau von sechs Marihuana-Pflanzen, Cannabis-Clubs oder Apotheken, in der sie den Stoff für ihre Joints, monatlich 40 Gramm pro Person, erstehen können.

Sicherheitskräfte überwachen die tonnenschwere Gras-Produktion von staatlich lizenzierten Firmen.

Podcast aus den USA
The Wisdom of Jay Thunderbolt

Von Nick van der Kolk, Brendan Baker und Nick Williams

Mittwoch, 20.04.2016, 00:05 Uhr, DR Kultur

Eine Podcast-Kreation aus Amerika über einen durchgeknallten Typen. Ein cooler Mix aus Interview und Dancetrack.

Jay Thunderbolt’s Visitenkarte ist ein bisschen geheimnisvoll. Es steht nur eine Telefonnummer darauf und darunter: “Thunderbolt – Party Naked”. Wenn man dort anruft, lädt Thunderbolt zu einem privaten Stripclub ein, den er aus seinem Bungalow in einem Arbeiterviertel in Detroit heraus betreibt. Eine lange, verwickelte Geschichte in einem Mix aus Interview und Dancetrack.

Die Zehnte Muse
Das Gras in Shakespeares Garten

Von David Zaine Mairowitz

Freitag, 22.04.2016, 20:10 Uhr, DLF

Francis Thackerey aus Pretoria, Südafrika, ist nicht nur ein begnadeter Paläontologe, sondern außerdem Shakespeare-Enthusiast. Besonders angetan haben es ihm die Sonette des “Schwans von Avon”, obwohl: Ein bisschen verdächtig kommen sie Francis vor. Wer oder was zum Beispiel ist die zehnte Muse, die Shakespeare so inbrünstig besingt?

Francis’ Verdacht: Hasch! Shakespeare war high, als er dichtete! Für diese fixe Idee tut Francis einiges: Er lässt die in Shakespeares Garten gefundenen Pfeifenköpfe untersuchen, streitet sich mit der Fachwelt, tritt auf Cannabis-Kongressen auf.

Nur einem verweigert er sich: dem Kiffen.

Die Illegalen
Ein Feature über Deutschlands stille Sklaven

Von Jens Schellhass

Samstag, 23.04.2016, 13.05 Uhr, Bayern2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Bis zu einer Million illegale Einwanderer leben in Deutschland, vielleicht auch mehr, keiner weiß das. Es sind Menschen ohne gültige Papiere. Die meisten von ihnen kommen aus Westafrika und den Balkanstaaten. Sie sind vor Hunger und Armut geflohen, um ihre Familien in den Heimatländern zu ernähren. Oder ihre “falsche” Einstellung zu Religion oder Politik trieb sie in die Flucht. In Deutschland arbeiten “Illegale” schwarz und prekär in Umzugs- oder Putzfirmen, der Nahrungsmittelindustrie, der Gastronomie oder als Haushaltshilfen. Ihr Leben gleicht einer Schattenwelt. Angelockt vom großen Geld arbeiten sie weit unter Mindestlohn. Oft gibt es letztlich keinen Cent. Wer krank wird, fliegt raus und krankenversichert ist keiner von ihnen. Die “Illegalen” leben in ständiger Angst aufzufliegen und abgeschoben zu werden, davon profitieren viele deutsche Arbeitgeber.

Osteraufstand – Irlands Kampf um die Unabhängigkeit
Die Rebellion im Hauptpostamt

Von Hannelore Hippe

Samstag, 23.04.2016, 18.05 Uhr, DR Kultur

“Nur Mut Jungs, wir gewinnen”, rief der irische Freiheitskämpfer James Connolly im brennenden Dubliner Hauptpostamt seinen Kameraden zu. Er behielt recht. Nur hat er die Unabhängigkeit Irlands von Großbritannien nicht mehr erlebt, die als Spätfolge des Osteraufstands sechs Jahre später erklärt wurde.

Vor etwa 50 Jahren interviewte ein Ire die letzten noch lebenden Teilnehmer dieses Osteraufstandes von 1916. Das bis dahin unveröffentlichte Material stand der Autorin zur Verfügung.

Der Kopf der Herde
Unterwegs mit Schäfern

Von Christiane Seiler

Sonntag, 24.04.2016, 14.05 Uhr SWR2

Noch 2000 Berufsschäfer soll es in Deutschland geben, aber es werden immer weniger. Auch der Schafbestand geht zurück. Sollten Hirten mit ihren Tieren in unserer durch moderne Agrarindustrie und Flächenverbrauch gezeichneten Landschaft keinen Platz mehr finden? Feature-Autorin Christiane Seiler hat mit drei Schäfern auf Wiesen und Deichen Schafe und Lämmer gehütet und sich vom Alltag, den Träumen und Schwierigkeiten dieser Individualisten erzählen lassen. Sie traf Knut Kucznik, der an der Wanderschäferei festhält; Klaus Seebürger, Herr über fünf Herden mit je tausend Tieren und Josephine Hermühlen, Leiterin einer kleinen Ökoschäferei in Mecklenburg.

Flucht.Bewegung
Ein Feature über das Geschäft mit dem Illegalen

Von Andy Holzer

Sonntag, 24. April 2016, 18:05 Uhr, hr2

Bis zu einer Million illegale Einwanderer leben in Deutschland, vielleicht auch mehr, keiner weiß das. Es sind Menschen ohne gültige Papiere. Die meisten von ihnen kommen aus Westafrika und den Balkanstaaten.

Sie sind vor Hunger und Armut geflohen, um ihre Familien in den Heimatländern zu ernähren. Oder ihre “falsche” Einstellung zu Religion oder Politik trieb sie in die Flucht. In Deutschland arbeiten “Illegale” schwarz und prekär in Umzugs- oder Putzfirmen, der Nahrungsmittelindustrie, der Gastronomie oder als Haushaltshilfen. Ihr Leben gleicht einer Schattenwelt. Angelockt vom großen Geld arbeiten sie weit unter Mindestlohn. Oft gibt es letztlich keinen Cent. Wer krank wird, fliegt raus und krankenversichert ist keiner von ihnen. Die “Illegalen” leben in ständiger Angst aufzufliegen und abgeschoben zu werden, davon profitieren viele deutsche Arbeitgeber.

 

Radiotipps für die Woche vom 11. bis 17. April 2016

Der Wandel geht vom Süden aus
Podemos und der Geist politischer Veränderung in Valencia

Von Joachim Palutzki

Dienstag, 12.04.2016, 19:15 Uhr, DLF

Spanien hat ein historisches Wahljahr hinter sich. Es scheint, als haben die Wählerbewegung Podemos und die regionalen alternativen Parteigruppierungen zumindest einen Teil ihrer Ziele erreicht: die Einleitung eines grundlegenden Wandels des Zweiparteiensystems und die Abkehr von der ausschließlichen Ausrichtung der Politik auf die Sparvorgaben der EU.

Wie in Madrid und Barcelona, regiert auch in Valencia seit Mai 2015 ein linksalternatives Bündnis. Die sich auf basisdemokratische Prinzipien berufene Wählerbewegung Podemos versteht sich dabei als “Motor” der Bewegung, vor allem aber als “Werkzeug” zur Durchsetzung einer Politik von unten, die aus den Bürgerversammlungen der Stadtteile und Gemeinden kommen soll.

Hightech-Popstar und Magnetfeld-Magier
Teslanauten

Von Mithu Sanyal und Christian Ahlborn

Mittwoch, 13.04.2016, 00:05 Uhr, DR Kultur

Wechselstrom, Generatoren und Transformatoren, Oszillatoren, Spulen, drahtlose Energie und Nachrichtenübertragung. 112 Patente hat der Physiker, Ingenieur und Erfinder Nikola Tesla (1856-1943) angemeldet. Einige davon waren genial und epochal, andere eher verrückt und fantastisch.

Doch was immer Tesla plante, stets umgab ihn eine magisch-mysteriöse Aura. Er war eine Art High-Tech-Popstar des 20. Jahrhunderts, ein Strom-Schamane und Magnetfeld-Magier, dessen Leben nicht weniger bizarr war als seine Erfindungen.

Der Krieg im Fokus
Die Fotografin Herlinde Koelbl spricht mit Soldaten

Von Heike Tauch

Mittwoch, 13.04.2016, 22.03 Uhr, SWR2

Über sechs Jahre reiste die Fotografin Herlinde Koelbl in fast 30 Länder, um an militärischen Ausbildungsorten landestypische Schießziele zu dokumentieren. Aus diesen fotografischen Aufnahmen entstand ihr Kunstprojekt TARGETS. Darüber hinaus sprach Koelbl mit Soldaten und Scharfschützen. Unter Zusicherung der Anonymität erzählen sie von den moralischen Herausforderungen, von ihrer Motivation und Ausbildung, von Führung und Gehorsam, von Schuld und Fehlentscheidungen. Und immer fragt Herlinde Koelbl nach dem ersten Schuss: “Wie war es, als Sie das erste Mal auf einen Menschen zielten und abdrückten? Können Sie sich daran erinnern?” Überdies berichtet die Fotografin, was sie bewegte, sich dem Thema und damit den Menschen zu nähern, die trainieren, gut zu schießen, um den Feind zu töten.

Madgermanes
Die Dauerdemo von Maputo

Von Kai-Uwe Kohlschmidt

Freitag, 15.04.2016, 20:10 Uhr, DLF

Pedro ist der freundliche Schwarze von Müllrose, Brandenburg. Er hatte Glück: Das erste Mal durfte er als Vertragsarbeiter aus Mosambik in die DDR kommen, das zweite Mal durfte er bleiben. Kosca hatte hingegen Pech – und deshalb führt er jetzt die “Madgermanes” an. So heißen sie in Maputo: “diese Deutschen”.

Woche für Woche demonstrieren sie in der mosambikanischen Hauptstadt, seit 25 Jahren. 1991, als in Hoyerswerda die Rechten Jagd auf Schwarze machten,  kehrten die meisten der fast 20.000 in der DDR angeheuerten Mosambikaner nach Hause zurück. Und kippten ins Leere. Die Volksrepublik Mosambik war im Bürgerkrieg zerfallen. Das Geld, das sie in der DDR verdient hatten, war nicht, wie vereinbart, auf einem Konto gelandet, sondern versickert.

Seitdem stören die Madgermanes ihre Landsleute. Sie pochen auf Ansprüche, die keiner versteht. Irgendwie Deutsch.

Mein Schneck ist mir Bedürfnis
Zur ökonomischen und ethischen Relevanz unserer Tierliebe

Von Gesche Piening

Samstag, 16.04.2016, 13:05 Uhr, Bayern2, Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Unser Umgang mit Haustieren hat sich gewandelt, fundamental. Ob Katze oder Hund, Kanarienvogel, Flusskrebs oder Assel, als beste Freunde und treuste Begleiter mit einer Vielzahl menschlicher Errungenschaften und Privilegien sind unsere Haustiere längst zur ernst zu nehmenden Konsumentengruppe geworden. Und der Markt stellt ihnen eine umfangreiche Produkt- und Dienstleistungspalette bereit: Von der Wohnungseinrichtung im tierischen Möbeldesign und dem Traumurlaub im Tierhotel über Vorsorge-Möglichkeiten für schlechtere Zeiten bis hin zur letzten Ruhe auf dem Tierfriedhof. Es ist für alles gesorgt.
Die Angebote unserer Wohlstandsgesellschaft schließen die Tiere mehr und mehr mit ein und gestalten ihre Biographien ganz nach unserem Vorbild.
Unterdessen wer den Haustiere auch für die Tierhalter dank innovativer Forschung und breiter Angebotspaletten immer attraktiver. Für jedes Geld-, Zeit- und Platzbudget findet sich das passende Tier: Von den versorgungs-intensiven Haustierklassikern mit stetig steigender Lebenserwartung bis hin zu pflegeleichten und kurzlebigen Käfern – niemand muss mehr darauf verzichten, sein Fürsorge-Bedürfnis nach Belieben auszuleben. Haustiere sind hoch im Kurs.
Doch auf welchen politischen Grundannahmen basiert die ökonomisch geprägte Verhaltensweise gegenüber unseren Haustieren? Und an welchem Punkt geraten sie mit unserer Tierliebe in Widerspruch? Welche ethischen Fragen wirft unsere Tierliebe auf? “Mein Schneck ist mir Bedürfnis” begibt sich auf die Suche nach dem ökonomischen und ethischen Status Quo. Ist ein Haustier einfach nur das, was der Einzelne draus macht?

Ein Gutshof in Schlesien
Guten Tag auf Polnisch

Von Lisbeth Jessen

Samstag, 16.04.2016, 18:05 Uhr, DR Kultur

Park Avenue in Manhattan – wer hier lebt, hat es geschafft. Ann Elizabeth wohnt in einem ehemaligen Aparthotel im 24. Stock. Ihre Großmutter war 1936 mit zwei Söhnen aus Deutschland emigriert, und die Söhne haben sich in den USA neu erfunden.

Seit dem Zweiten Weltkrieg aber sprach keiner in der Familie mehr von dem Gut in Oberschlesien, von dem sie eigentlich stammten.

Nach dem Tod der Großmutter wird ein Koffer mit alten Familienfotos geöffnet und bringt die Familiengeheimnisse zum Vorschein. Ann wird sich ihrer jüdischen Ursprünge bewusst und reist nach Dobrodzien, das früher Guttentag hieß. Das frühere Familiengut steht jetzt zum Verkauf.

Deutsches Wintermärchen Marokko

Von Rosie Füglein

Sonntag, 17.04.2016, 14:05 Uhr, SWR2

“Bis vor kurzem ging die landläufige Meinung dahin, Kolonien seien ein überwundener Standpunkt. Erst in neuer Zeit haben sich andere Stimmen erhoben.” Es ist lange her, dass diese Sätze in einer Zeitung erschienen. Inzwischen haben sich Lutz und Evelyne, Peter, Brigitte und tausende andere an der Küste von Marokko mit ihren Wohnmobilen angesiedelt. Sie leben in einer Hochsicherheitsanlage, bewacht von modernster Elektronik und altbewährten deutschen Schäferhunden. Und sie genießen ihre Freiheit. Währenddessen versuchen junge Afrikaner vergeblich, von Marokko nach Europa zu gelangen. Ein Vor-Ort-Bericht zur gegenwärtigen Lage.

Libyen – Eine Reise in den Abgrund

Von Bettina Rühl

Sonntag, 17. April 2016, 18:05 Uhr

In Libyen verhalfen die NATO und einige arabische Staaten vor vier Jahren bewaffneten Milizen zu einem Sieg über den langjährigen Diktator Muammar al-Gaddafi. Doch was ein Systemwechsel werden sollte, führte zu permanentem Bürgerkrieg und zum Kollaps von Gesellschaft, Staat und Wirtschaft.

Das Land ist zerfallen, zwei Regierungen ringen um die Vorherrschaft. Konkurrierende Milizen, darunter der ‘Islamische Staat’, kämpfen um Einflussgebiete. Ökonomische, ethnische und ideologische Interessen sind dabei kaum unterscheidbar. Für die Bevölkerung wird das Leben immer schwieriger, Lebensmittel und Benzin werden in dem ölreichen Land immer knapper, Medikamente und medizinische Behandlungen zum Luxus. Was ein Kampf für Demokratie werden sollte, stellt sich heute für viele als Kampf ums pure Überleben dar. Wie bewältigen sie überhaupt noch ihren Alltag in einem kollabierten Staat, einer kollabierten Wirtschaft? Wen machen sie für das Chaos verantwortlich, von wem erhoffen sie sich Hilfe?

 

Radiotipps für die Woche vom 4. bis 10. April 2016

Making of Game
oder Der Klang von Schritten

Von Anna Seibt

Montag, 04.04.2016, 00:05 Uhr, DR Kultur

Ein Hörspiel, ein Blog und eine App mit 3D-Soundwelt – all dies vereint unser Hörgame Blowback. Wie das Projekt Gestalt annahm, können Sie in dieser akustischen Entstehungsgeschichte nachhören.

Deutschlandradio Kultur und die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin haben zusammen ein auditives Handygame entwickelt: Die Journalistin Julia Kourim muss sich durch ein mysteriöses Unterwasserhotel kämpfen, um den Informanten Dereo Durand zu befreien.

Dieser wird im untersten Stockwerk des Hotels festgehalten. Beim Durchstreifen der Stockwerke muss sich der Spieler komplett auf sein Gehör verlassen – der Handybildschirm bleibt schwarz.

Ein Jahr lang hat Anna Seibt das Team aus Künstlern und Spieleentwicklern bei Brainstormings, Sprachaufnahmen und während der Produktion begleitet. Am Ende steht ein Hörspiel und eine mobile App, deren 3D-Soundwelt ein überraschendes und intensives Hörerlebnis bietet.

Widerstand gegen Großprojekte in Frankreich
Risse im Beton

Von Ruth Jung

Dienstag, 05.04.2016, 19:15 Uhr, DLF

ZAD, eigentlich das Kürzel für “Zone d’amenagement différé'”: ausgewiesenes Baugebiet, steht auch für “Zone à défendre”: zu verteidigender Raum. Eine wachsende Gruppe von Aktivisten, Zadistes genannt, wehrt sich gegen Großprojekte, die als unnütz, überteuert und umweltschädlich erachtet werden.

Das gilt zum Beispiel für den geplanten Flughafen in Notre-Dame-des-Landes. Dort halten Aktivsten das Gelände besetzt und unterstützen die von Zwangsenteignung betroffenen Bauern. Erste Teilerfolge gaben ihnen Recht. Trotzdem soll das Protestlager 2016 geräumt und die Bauarbeiten sollen fortgesetzt werden.

Im ganzen Land wurden die polizeilichen Repressionen verstärkt. Am 26. Oktober 2014 starb bei Demonstrationen gegen ein Staudammprojekt in Sivens/Tarn ein Botanikstudent. Die Auseinandersetzungen werden härter.

Tod und Frühling (3): Die Rückkehr der Proserpina
Eine sizilianische Trilogie der genreübergreifenden radiophonen Erzählformen

Von Werner Cee

Dienstag, 05:04.2016, 23:00 Uhr SWR2 ars acustica

Der dritte Teil von Werner Cees sizilianischer Trilogie “Tod und Frühling” ist eine klangkünstlerische Pastorale. Sie kombiniert historische O-Töne sowie neue Field Recordings aus Sizilien mit dem traditionellen Sprechgesang des “Cunto” und Motiven aus der Drone- und Rockmusik. Cee versucht hier, die akustischen Landschaften Siziliens in eine künstlich-künstlerische Form der Fruchtbarkeit zu übertragen, in die die Saga von der Rückkehr Proserpinas sich spiegelt.

Die Ausstrahlung wird auf swr2.de mit einer Foto-Dokumentation Werner Cee begleitet.

Autisten in IT-Unternehmen
Der Spezialist ist Autist

Von Anja Kempe

Mittwoch, 06.04.2016, 00:05 Uhr, DR Kultur

Die besonderen Begabungen von Autisten im IT-Bereich sind begehrt wie die seltenen Erden in der Hightech-Industrie. Die IT-relevanten Märkte werden sich in den nächsten zehn Jahren verdoppeln, es fehlen also Tausende Spezialisten in den Bereichen Softwareentwicklung, Netzwerktechnologie und Datenbank-Management.

Google und Microsoft suchen daher fieberhaft nach Autisten und ihren herausragenden Fähigkeiten auf diesen Gebieten. Auch der deutsche Softwarehersteller SAP beschäftigt seit 2014 Autisten. Die Autorin Anja Kempe hat sie besucht.

Rückspiegel, Speicher und Loops
Tonspuren der Künstlerin Michaela Melián

Von Martin Zeyn

Freitag, 08.04.2016, 20:10 Uhr, DLF

Bildende Künstlerin, Hörspielautorin, Musikerin und Covergirl der legendären Zeitschrift “Mode und Verzweiflung”: All das ist oder war Michaela Melián. Ihre Zeichnungen, Installationen und Nähmaschinenbilder hat sie in Kunstvereinen, Messen und Galerien ausgestellt.

Für ihr erstes Dokumentarhörspiel “Föhrenwald” erhielt sie gleich den Hörspielpreis der Kriegsblinden. Vier Platten hat sie bisher als Solokünstlerin herausgebracht und mit der Band F.S.K. (die laut Diedrich Diederichsen für “die deutsche Intelligenz musiziert”) tourt sie seit 35 Jahren.

Melián gehört zu einer Generation von Frauen, die noch auf einen männlich dominierten Kunstmarkt traf. Daher auch das Arbeitsinstrument, das viele ihre Bilder unverkennbar macht: die Nähmaschine. Ein Sinnbild für weibliche, untergeordnete Tätigkeit wird bei Melián zur Signatur ihrer künstlerischen Handschrift: Sie zeichnet mit Nadel und Faden.

Bi-Normal
Grenzbereiche des Bipolaren

Von Christian Lerch und Irina Balzer

Samstag, 09.04.2016, 13:05 Uhr, Bayern2, Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Vor fünf Jahren bekam Justine die Diagnose “Bipolare Störung”. Betroffene pendeln zwischen depressiven und manischen Phasen, denen von außen häufig mit Unverständnis und Abwehr begegnet wird. Bipolarität zählt zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen in Deutschland.
Die Folgen von Justines Diagnose waren Medikamente, Nebenwirkungen und berufliche Ausgrenzung. Ständig beobachtete sie ihr Verhalten, ob ihre Stimmungen und ihr Verhalten zu extrem waren. Nach einer Zwangseinweisung und mehreren psychiatrischen Untersuchungen wurde Justines Diagnose widerrufen. Immer mehr Experten warnen vor der Pathologisierung von psychischen Abweichungen. Doch viele Betroffene finden in der Diagnose endlich eine Erklärung für ihr Leiden. Wie Olivia, 49 Jahre alt: “Vor der Diagnose fühlte ich mich wie der Zweig einer dünnen Birke. Durch die Medikamente wurde ich zu einem Baumstamm.”

Das Uwe-Johnson-Puzzle
Von Mecklenburger Versuchen, eines Dichters habhaft zu werden

Von Alexa Hennings

Samstag, 09.04.2016, 18:05 Uhr, DR Kultur

Ein Tonstudio, 365 Bürger aus Mecklenburg-Vorpommern lesen Uwe Johnsons Jahrestage. Manche tun sich schwer mit seiner Sprache. Und mancher Mecklenburger tut sich schwer mit Uwe Johnson selbst – er ging im Unfrieden, manche vergessen ihm das noch immer nicht.

Gleichzeitig werben mehrere Kleinstädte damit, Vorbild für “Jerichow” zu sein, den Ort, in dem Uwe Johnsons Romanfigur Gesine Cresspahl lebte. Bis auch sie die mecklenburgische Heimat verließ.

DADA á gogo
Eine Wiedergeburtsanzeige

Von Maidon Bader

Sonntag, 10.04.2016, 14:05 Uhr, SWR2

Im April 1916 wird im Cabaret Voltaire in der Züricher Spiegelgasse der Dadaismus ausgerufen. Und zwar so laut, dass Nachbar Wladimir Iljitsch Lenin die Polizei ruft. Jedenfalls behauptet das die Legende. Eine von zahllosen DADA-Legenden. Wahr ist, dass DADA die Kunst aufmischte, überlief und unterwanderte, jede Menge Tabus nachhaltig brach, um dann wieder zu verschwinden. Scheinbar. Denn als im Jahr 2002 das Haus des Cabaret Voltaire verkauft werden soll, kommt DADA in beinah wiedergängerischer Manier zurück. Und nun, zum Hundertsten der Bewegung?
Maidon Bader hat die Wiedergänger getroffen: Paul Dorn alias St. Pauli alias Dornimauge, der das “Dadamt Zörich” leitet. Die Londoner Künstlerin Alice McCabe, die wegen DADA fünf Jahre in Zürich gelebt hat. Und den tschechisch-schweizerischen Künstler Mark Divo, der zwischenzeitlich als “König des DADA” galt – nun aber nur abwinkt. Lebt DADA? Oder sind es nur letzte Zuckungen? Oder sind die Zuckungen umgekehrt Zeichen einer Wiedergeburt?

Lamento!
Ein Ausflug ins Tal des Jammerns

Sonntag, 10.04.2016, 18:05 Uhr

Von Bettina Mittelstraß

Was ist dran am Jammern, Mäkeln und Maulen? Ist es eine bewährte Methode zur psychischen Entlastung oder einfach nur das Geheule bedauernswerter Jammerlappen?

Ist das klägliche Jammern eine gleichermaßen menschliche und tierische Kommunikationsform mit bestimmten akustischen Merkmalen? Warum wird aus Kummer, Verzweiflung und Ärger gejammert? Oder hat das Jammern einfach Methode? Wer neigt eigentlich zum Jammern und wer perfektioniert es und wie? Eine neugierige Reise durch Jammertäler und andere Jämmerlichkeiten.

 

Radiotipps für die Woche vom 28. März bis 3. April 2016

Ältestes bewahrt mit Treue, freundlich aufgefasstes Neu
Von Tradition und Wandel

Von Hans-Joachim Simm

Montag, 28. März 2016, 18:05 Uhr, hr2

Experiment mit einem Vogel und einer Luftpumpe, Joseph Wright of Derby, 1768

Das “Neue” als das Nie-Dagewesene oder Fremde soll, so Goethe, “freundlich” in eine Wechselwirkung mit dem Alten als dem Bekannten und zu Erhaltenden treten. Wie aber begegnen sich Altes und Neues tatsächlich, auf dem Gebiet der Religion, der Wissenschaft, der Literatur, der Künste, der Gesellschaft?

Das Themenspektrum, dem sich das Feature widmet, reicht vom Traum der Rückkehr zum Ursprung über die Vorstellung der “ewigen Wiederkehr” des Gleichen, in dem Altes und Neues verschwinden, bis zur Idee des historischen Fortschritts und der Hoffnung auf goldene Zeiten.

Die Brüder Edgar und Manfred Hilsenrath
Zwei Seiten der Erinnerung

Von Volker Dittrich

Dienstag, 29.03.2016, 19:15 Uhr, DLF

Edgar und Manfred Hilsenrath, geboren 1926 und 1929, aufgewachsen in Halle a. d. Saale, mit der Mutter 1938 zum Großvater in die Bukowina emigriert. 1941 deportiert ins Ghetto Moghilev-Podolsk und 1944 von der Sowjetarmee befreit. Nach dem Krieg führen Edgars und Manfreds Wege auseinander und zusammen: zwei Lebenserinnerungen.

Edgar schlägt sich nach Palästina durch, Manfred gelangt 1946 mit der Mutter nach Lyon zum Vater, der in Frankreich überlebt hat. Auch Edgar trifft Ende 1947 dort ein. Manfred Hilsenrath will studieren und Ingenieur werden. Edgar, der schon mit 15 seinen ersten Roman geschrieben hat, fühlt sich als Schriftsteller. Der Vater zwingt beide Söhne, eine Kürschnerlehre zu absolvieren und in diesem Beruf zu arbeiten.

1950 wandert Manfred in die USA aus. Edgar folgt ihm ein Jahr später. Manfred arbeitet bei Lockheed in einem Forscherstab für die amerikanische Raumforschung. Edgar, der am 2. April 2016 seinen 90. Geburtstag feiert, lebt vor allem in der Vergangenheit, die er in seinen Romanen bearbeitet. Edgar Hilsenraths Wohnsitz ist seit 1975 Berlin, Manfred Hilsenrath lebt seit 15 Jahren in Arkansas.

Die Entstehung einer Oper in vier Akten
Mimìs Muff

Von Jens Schellhass

Mittwoch, 30.03.2016, 00:05 Uhr, DR Kultur

Jens Schellhass begleitet den Opernregisseur Benedikt von Peter über neun Monate und dokumentiert die Entstehung der Oper “La Bohème” am Bremer Theater.

Wir erleben den Regisseur in der sogenannten ›Stunde Null‹, vor der er sich immer wieder fürchtet, die Zeit, in der er zum ersten Mal über eine Inszenierung nachdenkt. Wie er mit dem Libretto ringt.

Geht es wirklich um die wahre Liebe? Hürden bauen sich auf: Die Herren sollen in Frauenkleidern Ballettunterricht nehmen. Das Theater erwartet einen Erfolg, das Publikum soll strömen, auch des Geldes wegen, und um die Politik nicht zu enttäuschen.

Der Druck wächst, bis zum Premierenabend.

Gefährliches Erbe
Landminen in Kambodscha

Von Karin Hutzler

Mittwoch, 30.03.2016, 22.03 Uhr, SWR2

Obwohl Antipersonenminen seit dem Inkrafttreten des Ottawa-Vertrags 1999 weltweit geächtet sind und ihr Einsatz, Verkauf und Lagerung verboten, werden sie auch heute noch in Kriegen und Bürgerkriegen eingesetzt. Denn über 30 Länder haben diesen Vertrag nicht ratifiziert. Nach dem Ende eines bewaffneten Konflikts ist vor allem die Zivilbevölkerung einer Gefahr ausgesetzt, die noch Jahrzehnte lang von Minen ausgeht. Menschen, die einen Minenunfall überleben, tragen meist schwerste Verletzungen davon und sind ihr Leben lang auf Hilfe angewiesen. Kaum ein anderes Land wurde so sehr vermint wie Kambodscha. Seit Jahren wird dort versucht, das gefährliche Kriegserbe loszuwerden. Die Minenräumung leistet dabei neben der unmittelbaren Gefahrenbeseitigung auch einen wichtigen Beitrag zur Armutsbekämpfung, da dekontaminiertes Land wieder bewirtschaftet werden kann.

Psychologie eines Sehnsuchtsortes
Die Tauben vom Hauptbahnhof

Von Rainer Schildberger

Freitag, 01.04.2016, 20:10 Uhr, DLF

Bettler und Obdachlose, die Hast der Berufstätigen und die Träume der Wartenden. Der Bahnhof ist Sinnbild für das Etappenhafte, das Bruchstückhafte, das Fragmentarische, die Instabilität, aber auch die Bewegung unseres Lebens. “Die Mysterien finden am Hauptbahnhof statt”. Dieser Satz von Joseph Beuys ist Ausgangspunkt und zentraler Fokus des Features.

Gemeint ist, dass Erkenntnisse über den Sinn des Lebens auf der Straße zu finden sind. Besonders am Hauptbahnhof als Nucleus und exemplarischer Ort des Geheimnisses. Der Autor geht hinein in die ergebnisoffenen Situationen, die der Bahnhof bietet. Er trifft Menschen, die einfach nur sitzen und schauen und andere die herumfahren müssen, weil sie es zuhause nicht aushalten. Und dann ist da noch die Taube hoch oben in der gläsernen Kuppel. Sie kennt jeden, sie sieht alles. Sie erzählt von den Banalitäten und Besonderheiten eines Sehnsuchtsortes.

Culture Clash im Königreich?
Die Frauenband Zwirbeldirn in Saudi Arabien

Von Christine Auerbach

Samstag, 02.04.2016,13:05 Uhr, Bayern 2, Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Saudi Arabien ist ein Land ohne Kino, ohne Konzerte, ohne öffentlichen Tanz.

Die Musikgruppe Zwirbeldirn, das sind drei junge Geigerinnen (und ein Bassist), die neue Volksmusik machen und damit an die Ränder bayerischer Tradition gehen – gegen Geschlechterrollen und altbackene Klischees.

Saudi Arabien und Zwirbeldirn – das sind zwei Welten, die nun im Jahr 2016 aufeinander treffen.

Autorin Christine Auerbach begleitet die Band zu ihrem Auftritt auf dem Kulturfestival Al-Jenadriyah in Riad, 2016 ist Deutschland Gastland und das Goethe Institut organisiert Musik- und Kulturveranstaltungen für die eine Million Besucher, mit denen das Festival jährlich rechnen kann.
Drei Konzerte wird Zwirbeldirn auf dem traditionellen Festival spielen – die einzige Auftrittsmöglichkeit in Saudi Arabien, bei der Musik und Tanz unter Auflagen erlaubt sind.
Sprengt der Auftritt den kulturellen Rahmen des Festivals, und wie steht das Publikum, zu den selbstbewussten jungen Frauen, wie die Religionspolizei, die das Festival überwacht? Wie positioniert sich Zwirbeldirn als deutsche Frauenband in einem Land, in dem Frauen nicht einmal den Führerschein machen dürfen? Ist es gerechtfertigt, eine solche Einladung überhaupt anzunehmen oder stellt sich die Band damit zu sehr in den Dienst der deutschen Wirtschaft, die sich auf dem Festival prominent präsentiert?
Das Feature begleitet Zwirbeldirn auf ihrer Reise in ein Land, von dem man wenig weiß und über das viel spekuliert wird. Und stellt dabei die schwierige Frage, was Musik bewirken kann – und wo ihre Grenzen sind.
Christine Auerbach, Jahrgang 1981, ist für den BR immer wieder im Ausland unterwegs. Am liebsten erzählt sie dabei anhand von kleinen Geschichten von großer Politik. Ihre Recherchen haben sie bisher nach Russland, Ägypten, USA und Frankreich geführt. 2012 hat sie dafür den CNN-Journalist Award erhalten.

Wüstenblumen
Oder: Die Beschneidung von Mädchen

Von Heike Tauch

Samstag, 02.04.2016, 18.05 Uhr, DR Kultur

Nach Schätzungen der WHO leben heute auf der Welt rund 150 Millionen Frauen mit Genitalverstümmelung – in Deutschland um die 50.000. Millionen Mädchen droht jedes Jahr dieses Schicksal. Wie lässt sich dieses grauenvolle Ritual beenden?

Diese vor allem in Afrika angewendete Praxis, ist durch die Migration nach Europa längst auch bei uns ein Thema.

Was ist erforderlich, damit diese archaische Tradition zumindest hierzulande endet und nicht in den Nischen sich ausbreitender Parallelgesellschaften fortgeführt wird?

Tod und Frühling (2): La Mattanza
Eine sizilianische Trilogie der genreübergreifenden radiophonen Erzählformen

Hörstück von Werner Cee

Sonntag, 03.04.2016, 14.05 Uhr, SWR2

Jedes Frühjahr führt die Route der Thunfische direkt an Favignana vorbei. Im Laufe von 900 Jahren entstand dort eine rituelle Form der Thunfischjagd. Die letzte Mattanza ereignete sich 2007. Im Mai gibt es in Favignana keine Fische mehr, dafür Touristen. Von der Mattanza gibt es aber noch alte Aufnahmen, es erzählen von ihr noch Gesänge und es leben noch Zeitzeugen.

Die Wand erzählt mir alles
Der blinde Bergsteiger Andy Holzer

Von Juliane Möcklinghoff

Sonntag, 3. April 2016, 18:05 Uhr, hr2

Sechs der höchsten Berge aller Kontinente hat er bereits bestiegen, nur einer fehlt noch: der Mount Everest. Doch sehen wird er ihn niemals, genauso wenig wie all die anderen Gebirgszüge. Denn Andy Holzer ist von Geburt an blind.

In einem österreichischen 800-Seelen-Dorf wächst er auf. Die Eltern wollen ein normales Leben für ihren blinden Sohn, nehmen ihn im Alter von neun Jahren mit zu einer Klettertour. Sein Schlüsselerlebnis: Nicht nur, dass er sich, je steiler es wird, vorwärts tastend auf allen Vieren besser zurecht findet als Sehende, am Gipfel des Spitzkofels erfährt er zum ersten Mal seine spätere Leidenschaft: “Über mir war nur noch Himmel – das war ein ergreifendes Gefühl”, sagt Holzer 40 Jahre später.
Seitdem hat er unzählige Bergtouren hinter sich – auch alleine. Andy Holzer ertastet sich die Berge, hört mögliche Hindernisse am Hall seiner Schritte. In seiner Philosophie ist Unabhängigkeit “der größte Schwachsinn, den die Menschheit erfunden hat”.

 

Radiotipps für die Woche vom 21. bis 27. März 2016

Diese Wunde Sizilien
Drei Frauen und ihre Insel

Von Heike Brunkhorst und Roman Herzog

Dienstag, 22.03.2016, 19:15 Uhr, DLF

Drei Frauen, drei Generationen, ein Gefühl: eine Ambivalenz zu ihrer Heimat Sizilien. Sie alle wollen versuchen, eine andere Realität der Insel zum Vorschein zu bringen. Eine Realität, die die tiefen Wunden Siziliens zeigt und die Schönheit neben der Brutalität entdeckt.

Sizilien: Himmel und Hölle zugleich. Für viele Bewohnerinnen ist das Lebensgefühl durch eine Hassliebe geprägt. Sie sprechen von ihrer Arbeit und ihrem Leben, dem, was Sizilien so anziehend wie abstoßend macht. Und sie entwerfen so ein Porträt einer Insel, die vielleicht ganz anders ist, als das Klischee es behauptet.

Durch Tattoo- und Piercingstudios
Bodies Under Attack

Von Elodie Pascal

Mittwoch, 23.03.2015, 00:05 Uhr, DR Kultur

Seit Urzeiten verändern Menschen ihr Äußeres durch Haare schneiden, Nägel lackieren oder Ohren durchstechen. Die einen gehen zum Schönheitschirurgen, um sich die Brüste oder Lippen vergrößern zu lassen, die anderen mögen Tätowierungen, Piercings, Implantate.

Ein junges Mädchen, von Neugier getrieben, begibt sich auf eine Abenteuerreise durch Tattoo- und Piercingstudios. Wie wird es nach Gesprächen mit Ärzten, Psychologen und Body-Artists den eigenen Körper modifizieren?

Tatort Textilfabrik
Über die Klage pakistatischer Brandopfer gegen KiK

Von Caspar Dohmen

Mittwoch, 22.03.2016, 22.03 Uhr, SWR2

Der Textildiscounter Kik war einer der Hauptabnehmer von Ali Enterprises in Pakistan. 2012 starben bei einem Brand in der Textilfabrik 260 Arbeiter, auch weil viele Fenster vergittert und Fluchtwege versperrt waren. Muhammad Hanif hat das Unglück überlebt. Er organisierte sich mit anderen Betroffenen und fordert Entschädigung. Engagierte Anwälte, Gewerkschaftsvertreter und Aktivisten von NGOs halfen ihnen und wurden deswegen scharf angegriffen, bis hin zu Todesdrohungen. Hanif und drei weitere Betroffene reichten schließlich im Frühjahr 2015 vor dem Landgericht Dortmund Klage auf Schmerzensgeld gegen KiK ein. Der Fall ist für deutsche Gerichte ein Novum. Es gilt zu klären, ob ein inländisches Unternehmen für Produktionsbedingungen bei einem Zulieferer im Ausland haften muss. Wie immer die Klage am Ende ausgeht, sie dürfte erhebliche Konsequenzen haben für den Umgang mit der Verantwortung in den globalen Lieferketten der Industrie.

Näher zu Gott – Frömmigkeit im Wandel der Zeit

Von Kai Lückemeier

Freitag, 25. März 2016, 12:05 Uhr, hr2

Frömmigkeit, verstanden als “gelebter Glaube”, unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft, ist keine Erfindung des Christentums. Wer der Frömmigkeit nachspürt, wird ihre Spuren in unterschiedlichsten Kulturen finden, von den prähistorischen Epochen bis heute.

In der Geschichte des Christentums hatte der “gelebte Glaube” so unendlich viele Gesichter, dass es unmöglich scheint, sie in all ihren historischen Facetten aufzuzeigen. Aber es ist möglich, den Blick auf historische Wendepunkte zu lenken, in denen sich die Frömmigkeitspraxis grundlegend veränderte. Solche Phasen eines gesellschaftlichen Frömmigkeitswandels gab es mehrfach.

Alle Glaubensspaltungen, die das Christentum seit der frühchristlichen Antike erschütterten, waren Aufstände einer neuen Frömmigkeit gegen die durch Routine abgestumpften Glaubenskonventionen. Die Reformer – von der etablierten Kirche stets diskreditiert und oft verfolgt wie die Häretiker des Mittelalters – haben sich dabei immer auf eine höhere Wahrheit berufen: auf die reinere Lehre, den stärkeren Glauben, auf die größere Nähe zu Gott und der Heiligen Schrift.

Zu diesen bedeutenden Umbruchphasen zählen, wie in diesem Feature zu zeigen versucht wird, das Hoch- und das Spätmittelalter, die Reformationszeit, das Zeitalter der Aufklärung und unsere Gegenwart, in der die Frömmigkeit eine bemerkenswerte Renaissance erlebt.

Zukunft TV
Was kommt nach der Glotze?

Von Oliver Buschek

Freitag, 25.03.2016, 20:05 Uhr, DLF

In den Achtzigern erreichten große Unterhaltungsshows wie “Wetten, dass…?” 20 Millionen Zuschauer. Mit dem Aufkommen der Privatsender bröckelten zwar die Quoten, doch das TV-Angebot blieb überschaubar. Selbst wer das schlüpfrige “Tutti Frutti” nicht sehen wollte, wusste doch zumindest, dass es existierte. Und heute?

Das Dickicht an Digitalkanälen ist kaum noch zu durchdringen. Daneben erreichen auch Selfmade-Stars wie der Psychologiestudent Florian Mundt alias “LeFLoid” mit ihren Eigenproduktionen auf Youtube eine Million Zuschauer, vor allem jüngere. Und manche Fernsehproduktion zielt schon gar nicht mehr auf die TV-Quote ab, sondern auf den Klick-Erfolg im Internet.

So verliert das einstige Lagerfeuer der Nation an Relevanz, das Publikum zersplittert in immer mehr und immer kleinere Zielgruppen. Welche Zukunft hat das Fernsehen da noch? Und wie stellen sich Programmmacher und Moderatoren auf die neue Zeit ein?

Erzählt wird das Feature anhand der Porträts dreier sowohl ehemaliger wie künftiger Fernsehmacher, die wir bei ihrer täglichen Arbeit begleiten – und deren Wege sich vermutlich genauso selten kreuzen wie die ihres Publikums.

Nächste Etage: Erlösung
Eine religiöse Weltreise in sechs Stockwerken

Von Matthias Leitner

Samstag, 26.03.2016, 13:05 Uhr, BR2

“München ist die City of God”, ruft Joe Danqua, Pastor der versammelten Gläubigen aus Afrika. Wenige Sekunden zuvor hat er den heiligen Geist beschworen, jetzt weint vor ihm eine junge Frau und betet in Ekstase zu Jesus. Ein Stockwerk darüber beenden zeitgleich indische Sikh gerade ihr Sonntagsmahl, gemeinsames Essen ist essentieller Teil der Zeremonie. Egal welcher Religion man angehört, egal ob arm oder reich, ob Mann oder Frau, für jeden Gast haben die Sikh einen warmen Chai-Tee und würziges Daal.
Die Mitglieder von sieben verschiedenen Religionen beten in den sechs Stockwerken der Machtlfinger Straße 10 in München. Neben der afrikanischen Pfingstgemeinde und den Sikh bereiten sich auch afghanischen Sunniten, irakische Schiiten, Muslime aus dem Togo und Indonesien, sowie Engelsgläubige aus Südamerika zum Gebet vor. Begonnen hat alles damit, dass der ehemalige Imam der afghanischen Gemeinde, Sidigullah Fadai, einen Ort schaffen wollte, in dem verschiedene Religionen zusammenkommen, sich austauschen und friedlich koexistieren. Mittlerweile hat er das Haus wieder verlassen, nicht ganz freiwillig und enttäuscht über die Engstirnigkeit seiner eigenen Gemeinde.
Das Feature “Nächste Etage: Erlösung” ist eine Weltreise in gerade einmal sechs Stockwerke, eine Reise von Indien bis Ghana, vom Irak bis nach Afghanistan, eine Reise ins religiöse Herzen Münchens, das Portrait eines chaotischen Mikrokosmos, vor allem aber der Menschen die täglich darin aus und eingehen.
Matthias Leitner, Jahrgang 1983, ist ein vielfach ausgezeichneter Autor und Regisseur für Hörfunk, Fernsehen und Film. Er schreibt über Wissenschaft, Popkultur und das alltägliche Leben. Seit 2012 ist er Kurator für “Interactive Media” auf dem DOK.fest München.

New Yorker und ihre Haustiere
Pets & the City

Von Lisbeth Jessen

Samstag, 26.03.2016, 18:05 Uhr, DR Kultur

Jedes Jahr im Herbst werden in der St.-Johns Kathedrale in New York Haustiere gesegnet – am Tag des Heiligen Franz von Assisi. Dieses Jahr ist auch Hund Lily mit dabei.

Seine Besitzerin Janice lebt allein, Lily ist ihre einzige Gefährtin. Nach den Anschlägen des 11. September diagnostizierten die Ärzte eine Angststörung bei Janice.

Dadurch konnte sie Lily als “emotional support animal” (ESA) registrieren lassen. Nun kann Lily überallhin mitkommen, wo Tiere sonst nicht erwünscht sind – vom Restaurant bis ins Museum.

 

Radiotipps für die Woche vom 11. bis 19. März 2016

Schriftsteller auf dem Balkan
“Wir sind Profis für Versöhnung und Verständigung”

Von Volker Dittrich

Dienstag, 15.03.2016, 19:15 Uhr, DLF

Auf dem Balkan entstehen seit einigen Jahren viele Initiativen von Autoren, um den Austausch zwischen den ehemals verfeindeten Balkan-Nationen zu fördern. Die erste “verbotene Balkan-Liebe” begannen der albanische Intendant und Stückeschreiber Jeton Neziraj aus Priština im Kosovo und der serbische Autor Saša Ilić, beide geboren 1972.

Seit 2011 organisieren die beiden Autoren das Internationale Literaturfestival Polip in Priština im Kosovo, zu dem sie Autorinnen und Autoren aus allen Balkanländern einladen. 2010 wurde in Split ein Writer in Residence-Programm aufgelegt, zu dem als erster Stipendiat ein serbischer Autor nach Kroatien eingeladen wurde.

Es bedurfte beharrlicher Überzeugungsarbeit, die Finanzierung für eine Schriftstellerwohnung zu ermöglichen. Inzwischen gibt es solche Austauschprogramme auch in Sarajewo, Belgrad, Priština und Tirana.

Atheisten im Predigerseminar
Pfarrer

Nach dem gleichnamigen Dokumentarfilm von Stefan Kolbe und Chris Wright

Mittwoch, 16.03.2016, 00.05 Uhr, DR Kultur

Was passiert, wenn zwei atheistische Autoren Zugang zu einem Predigerseminar bekommen? Und das in Wittenberg, der Lutherstadt, einst Hochburg der deutschen Reformation, heute gelegen in einer der ungläubigsten Ecken Europas.

Ein Jahr lang begleiten die Autoren eine Gruppe Männer und Frauen in ihrer Ausbildung zum Pfarrer. Anfangs geht es noch um das Erlernen religiösen Handwerks. Aber im Laufe der Zeit sehen sich Protagonisten wie Filmemacher zunehmend mit den grundlegendsten menschlichen Fragen konfrontiert. Grenzen verschwimmen – zwischen Glauben und Unglauben, Trost und Verzweiflung. Es entsteht ein intimer Dialog über unsere fundamentalen Bedürfnisse nach Liebe, Geborgenheit und Sinn.

“Dass es knallte, bekam man mit”
Die Deutschen und der Genozid in Ruanda

Von Arndt Peltner

Mittwoch, 16.03.2016, 22.03 Uhr, SWR2

Als in den Abendstunden des 6. April 1994 die Maschine des ruandischen Präsidenten im Anflug auf Kigali abgeschossen wurde, war das der Auslöser für einen Massenmord an der Tutsi-Minderheit im Land. In rund 100 Tagen wurden fast eine Million Menschen ermordet. Die westlichen Nationen zeigten sich überrascht, griffen nicht ein und weigerten sich lange Zeit, von einem Genozid zu sprechen. – Warum schaute die Weltöffentlichkeit weg? Auch die verschiedenen staatlichen Einrichtungen Deutschlands vor Ort in Ruanda reagierten nicht, obwohl sie sehr wohl mitbekamen, dass gezielt auf einen Massenmord hingearbeitet wurde. So machte sich Deutschland mitschuldig an der Eskalation der Gewalt. Wie es dazu kam, versucht das Feature zu klären.

Schriftsteller und ihre Lebensentwürfe
Federball, der durch den blassblauen Himmel fliegt

Von Roland Koch

Freitag, 18.03.2016, 20:10 Uhr, DLF

Wolfgang Utschick wurde nach seinem Suhrkamp-Debüt 1979 Logenschließer am Theater. Dort hat er eine Überlebensecke gefunden – und fühlt sich endlich frei. Wie beginnt eigentlich eine Schriftstellerbiographie, und wie endet sie: So wie man einen Text anfängt und beendet. Fünf Autoren berichten über ihre persönlichen Lebens- und Schreibentwürfe. Welche Sehnsüchte und Phantasien sind mit dem Autorendasein verbunden? Was verändert sich durch äußere Einflüsse und Misserfolge?

Tatort Textilfabrik
Ein Feature über die Klage pakistanischer Brandopfer gegen KiK

Von Caspar Dohmen

Samstag, 19.03.2016, 13:05 Uhr, Bayern 2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Der Textildiscounter Kik war einer der Hauptabnehmer von Ali Enterprises in Pakistan. 2012 starben bei einem Brand in der Textilfabrik 260 Arbeiter, auch weil viele Fenster vergittert und Fluchtwege versperrt waren. Muhammad Hanif hat das Unglück überlebt. Er organisierte sich mit anderen Betroffenen und fordert Entschädigung. Engagierte Anwälte, Gewerkschaftsvertreter und Aktivisten von NGOs halfen ihnen und wurden deswegen scharf angegriffen, bis hin zu Todesdrohungen. Hanif und drei weitere Betroffene reichten schließlich im Frühjahr 2015 vor dem Landgericht Dortmund Klage auf Schmerzensgeld gegen KiK ein. Der Fall ist für deutsche Gerichte ein Novum. Es gilt zu klären, ob ein inländisches Unternehmen für Produktionsbedingungen bei einem Zulieferer im Ausland haften muss. Wie immer die Klage am Ende ausgeht, sie dürfte erhebliche Konsequenzen haben für den Umgang mit der Verantwortung in den globalen Lieferketten der Industrie.

Geliehene Wörter
Von Büchern, die wandern

Von Mareike Maage und Sebastian Peter

Samstag, 19.03.2016, 18.05 Uhr

Im Feature erzählen Menschen ihre Geschichten über verliehene und geliehene Bücher. Die Episoden beinhalten Freundschafts- und Liebesgeschichten und solche, die mit den geliehenen Wörtern beendet waren.

In jedem Bücherschrank finden sich Bücher, die ihr Besitzer sich ausgeliehen hat. Es finden sich aber auch die Lücken. Von Büchern verursacht, die man selbst verliehen hat, obwohl sie einem viel bedeuteten.

Munition Gedicht

Von Helgard Haug und Thilo Guschas

Sonntag, 20.03, 2016, 14.05 Uhr, SWR2

Die ägyptische Militärdiktatur ist zurück. Medien werden zensiert, Demonstrationen verboten. Aber die Verse sind noch auf der Straße. Poeten lesen ihre Gedichte im Internet und werden von Fernsehshows wie Popstars gefeiert. 2011 beflügelten Strophen des Hippiedichters Ahmed Fouad Negm den friedlichen Protest. Entstanden in politischer Haft in den sechziger Jahren. Eine Flaschenpost durch Jahrzehnte. Heute sitzen wieder zehntausende politische Gefangene ein, Islamisten wie Linke. Schmieden sie neue lyrische Munition, die durch Mauern geht? Über Kassiber korrespondiert das Autorenduo Helgard Haug und Thilo Guschas mit dem Dichter Omar Hazek, der einst vor Millionenpublikum die panarabische Castingshow “Prince of Poets” gewann. Eben noch saß er in Haft. Nun kommt er frei. Was beschwören aktuelle arabische Verse? Gehen sie neuen Taten voran – wie der Blitz dem Donner?

Zwischen historischer Normalität und gesellschaftlicher Herausforderung

Von Astrid Nettling

Sonntag, 20. März 2016, 18:05 Uhr, hr2

Seit vergangenem Jahr bewegt das Thema Migration, Fremdheit und Integration die bundesdeutschen Gemüter.

Zum einen wird zum einen die schiere Menge von Zuwanderern von einigen als bedrohlich empfunden, zum anderen ist es deren Fremdheit, die bei manchen Angst auslöst. Dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund des islamistischen Fundamentalismus. Auch wenn Migration, wie die Migrationsforschung betont, einen historischen Normalfall darstellt, stellt der neuerliche Strom von Zuwanderern eine enorme gesellschaftliche Herausforderung dar.
Wieviel Fremdheit verträgt eine Gesellschaft? Wie kann sie fruchtbar damit umgehen, jenseits von Ausgrenzung, Fremdenangst und Fremdenfeindlichkeit? Und was erfordert es wiederum von Seiten der Zuwanderer, die hier in unserem Land heimisch werden wollen? Diesen Fragen geht Astrid Nettling in ihrem Feature nach.

 

Radiotipps für die Woche vom 7. bis 13. März 2016

Szenen einer russisch-deutschen Ehe
Die Geschichte ist nicht zu Ende

Von Tita Gaehme

Dienstag, 08.03.2016, 18.15 Uhr, DLF

Im hohen Alter reist der deutsche Architekt Reimar K. mit Freunden nach Russland, sie bauen in Pskow ein Kinderheim. Ein Geschenk an die Stadt. Er betrachtet es als Wiedergutmachung, als Aktion der Versöhnung.

Er wollte als Freund in das Land zurückkommen, in das er als 18-Jähriger mit der Wehrmacht einmarschiert war, in dem er sowjetische Kriegsgefangenschaft erlebte. Aus der Arbeitsbeziehung mit der Dolmetscherin Swetlana F. entwickelte sich eine Liebe, eine Ehe. Swetlana, die nie ausreisen wollte, entschloss sich 2008, in Deutschland zu leben. Seitdem wächst ihre Abneigung gegen “das Deutsche”.

Dabei geht es weniger um die alltägliche Abnutzung eines individuellen Gefühls, ihre Ressentiments sind fundamentale Kategorien ihres Denkens. Sie besteht auf ihrer Wahrnehmung des Missverhältnisses zwischen der russisch erlittenen Gewalt und der deutschen Akzeptanz von eigener Schuld. Das Politische überlagert das Private. Reimar K. hofft auf die Rückkehr ihres Vertrauens.

Japan nach der Dreifachkatastrophe Souteigai – Jenseits der Vorstellung

Von Malte Jaspersen

Mittwoch, 09.03.2016, 00:05 Uhr, DR Kultur

Malte Jaspersen lebt seit über zwanzig Jahren in Kyoto. Wie hat die Katastrophe im März 2011 das Leben seiner Familie und seiner Bekannten beeinflusst?

Nach der Dreifachkatastrophe von Erdbeben, Tsunami und Kernschmelze reiste er durchs Land. Er sprach mit Helfern, die Unvorstellbares gesehen haben, mit Eltern aus Fukushima, die versuchen, ihre Kinder vor Radioaktivität zu schützen, mit Anti-AKW-Aktivisten, Priestern und Wiederaufbauspezialisten.

Seit Kurzem gehört zu seinem Hausrat ein Geigerzähler.

Auf Leben oder Tod
Die Konkurrenz der Transplanteure um Organe

Von Martina Keller

Mittwoch, 09.03.2016, 22.03 Uhr, SWR2

Wartelisten todkranker Patienten wurden manipuliert und Regeln zur Vergabe der raren Spenderorgane vielfach gebrochen. Die Ursachen: falsche Anreize, lasche Kontrollen und die erbitterte Konkurrenz der Transplanteure um die Organe. Der ehemalige Chef der Transplantationschirurgie der Universitätsklinik Göttingen musste sich über 2 Jahre vor dem Landgericht Göttingen für sein Verhalten verantworten, wurde aber letztlich wegen unklarer Rechtslage freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls Revision eingelegt. Denn nicht nur in Göttingen, auch in München, Berlin und Leipzig soll systematisch getäuscht und manipuliert worden sein. Der größte Skandal in der Geschichte der deutschen Transplantationsmedizin ist noch nicht ausgestanden.

Grass’ letzte Besuche in Gdańsk
Oskar und Günter auf der Parkbank

Von Małgorzata Żerwe

Samstag, 11.03.2016, 20.10 Uhr, DLF

Plac Wybickiego, einst Neumarkt, ist ein stiller Platz in einem Wohnviertel von Gdańsk. Am Rand steht eine Bronzebank, auf der sitzt Oskar Matzerath, der Blechtrommler. Lange hat er vergeblich auf seinen Meister gewartet. Zuerst wollte Grass nicht in Bronze gegossen werden.

Dann, als seine SS-Zugehörigkeit bekannt geworden war, wollten die Gdañsker Grass nicht mehr – am liebsten nirgendwo in der Stadt. Obwohl – die deutschen Touristen kommen auch wegen Grass nach Danzig. Im Oktober 2015 nimmt er tatsächlich neben Oskar Platz, in Bronze.

Die Autorin Małgorzata Żerwe ist gespannt, was dann passiert. Sie beobachtet die Bronzebank seit Jahren aus ihrem Küchenfenster und begleitete Günter Grass als Reporterin von Radio Gdañsk, wann immer er in den letzten 15 Jahren vor seinem Tod in seiner Geburtsstadt auftauchte.

Die Ergebnisse hören sich an, wie die Geschichte um die Bank, wie die deutsch-polnischen Beziehungen: Höflich, aber leicht angespannt.

Psychotrauma Flucht – Die Zeit heilt nicht alle Wunden
Ein Feature über junge Geflüchtete damals und heute

Von Gabriele Knetsch

Samstag, 12.03.2016, 13:05 Uhr, Bayern 2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Wie Masees Vater von den Taliban getötet wurde, will er niemandem sagen. Auf jeden Fall raubt die Erinnerung an seine Familie dem 17-Jährigen den Schlaf, lässt ihn in Panik ausbrechen – und lenkt den ehrgeizigen Jungen von seinem derzeit wichtigsten Ziel ab: den Hauptschulabschluss in Deutschland zu schaffen.

Auf seiner zweieinhalb Jahre dauernden Flucht ging Mohammed, 17 Jahre alt, aus Kabul viele Tausend Kilometer zu Fuß, fuhr mit Bussen und Lastwagen. Mehrere Monate verbrachte der Jugendliche in Gefängnissen; er überlebte einen Schiffbruch und Folter.

“Ich kann jeden einzelnen Schritt dieser Menschen nachvollziehen”, sagt Richard Sucker, der vor 71 Jahren als “minderjähriger Flüchtling” aus Breslau floh. Aber auch: “Ich bin neidisch auf die Flüchtlinge von heute, denn uns hat damals niemand geholfen.”

Ulrike Gräf, heute 82, aus Feldafing sieht in ihren Träumen noch immer die Brandleichen aus dem bombardierten Dresden: “Ich möchte helfen, weil die Flüchtlinge heute das gleiche durchmachen wie wir damals”.

Neu ist der Umgang mit Fluchttraumatisierten nicht. Viele deutsche Familien haben selbst Fluchtgeschichten erlebt. Die einstigen Vertriebenen haben ihre Erinnerungen jahrelang verdrängt – um im Alltag zu funktionieren. Die heutigen Bilder von Menschen auf der Flucht erwecken die Erinnerungen jedoch zu neuem Leben.

Über eine Million Flüchtlinge kamen 2015 nach Deutschland, darunter zahlreiche minderjährige Flüchtlinge. Wie viele von ihnen schwer traumatisiert sind wie Maseeh oder Mohammed, weiß man bislang noch nicht. Eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass jeder zweite Flüchtling im Heimatland und auf der Flucht so Schlimmes erlebt hat, dass er als seelisch schwer belastet gilt. Wie aber wird es gelingen, hunderttausende traumatisierte Menschen in die deutsche Gesellschaft zu integrieren? Welche Gemeinsamkeiten gibt es mit den Flüchtlingen unserer eigenen Geschichte? Kann man heute aus den Erfahrungen von früher lernen? Und wie beeinflussen die eigenen Fluchterfahrungen der Deutschen ihre Einstellung zu den Flüchtlingen von heute?

Der mittelamerikanische Exodus
Wenn Kinder nur noch weg wollen

Von Erika Harzer

Samstag, 12.03.2016, 18:05 Uhr, DR Kultur

Sie kommen aus Guatemala, El Salvador und Honduras. Sie sind Kinder oder Jugendliche und durchqueren Mexiko. Eine mörderische Route, bei der sie viel Glück brauchen, um nicht in die Hände von Drogenkartellen, Entführern, Menschenhändlern oder der Migrationspolizei zu fallen.

Zu Hunderten sitzen sie dicht gedrängt auf Dächern von Güterzügen und hoffen ihr Ziel zu erreichen: Die USA. Doch Präsident Obama erwägt angesichts des Ansturms Minderjähriger eine Gesetzesänderung, um diese Kinder schneller abschieben zu können. Die Geschichte einer humanitären Katastrophe.

Jozi-Stories
Das Johannesburg der Künstler

Von Gaby Mayr und Günter Beyer

Sonntag, 13.03.2016, 14.05 Uhr, SWR2

“Die Stadt ist meine Muse”, sagt Billie Zangewa, die aus Malawi nach Johannesburg kam und mit ihrer Textilkunst international Erfolg hat. Jo’burg, Kosename Jozi, ist allerdings eine herbe Göttin der Kunst. Die einst radikale Trennung der Gesellschaft und des öffentlichen Raums ist immer noch Hintergrund und Gegenstand künstlerischer Reflexion. Der Schriftsteller Ivan Vladislavic, aus einer irisch-kroatischen Familie stammend, siedelt seine Geschichten unter den kleinen weißen Leuten im Johannesburger Stadtteil Troyeville an. Niq Mhlongo schreibt über den Ort, an dem er aufgewachsen ist: Soweto. Die Fotografin Lebohang Kganye erzählen in ihren Collagen Geschichten von apartheidgeschädigten Familien. Ihr Kollege Muntu Vilakazi porträtiert die Glitzerwelt der schwarzen Aufsteiger. Und William Kentridge, der wohl bekannteste Künstler in Johannesburg? Versteht sich als überzeugter Bürger der Stadt, ist aber selten dort anzutreffen …

Elefantenjagd – Waffen gegen Elfenbein

Von Bettina Rühl

Sonntag, 13. März 2016, 18:05 Uhr, hr2

Der Schmuggel von Elfenbein ist hoch lukrativ. Wilderer erlegen in Afrika Zehntausende von Elefanten. Zu ihren “Geschäftspartnern” gehören auch afrikanische Milizen und Terrorgruppen.

In China kostet Roh-Elfenbein bis zu 1800 Dollar pro Kilo. 2002 waren es nur 100 Dollar. Eine Geldquelle auch für islamistische Terrorgruppen wie die somalische Shabaab-Miliz, die Al Qaida nahe steht. Die Elefantenjagd ist brutal effektiv: Die Wilderer sind gut organisiert, benutzen oft militärische Waffen, manchmal sogar Kampfhubschrauber. In Gefahr sind nicht nur die Tiere. Die massive Präsenz internationaler Kartelle destabilisiert auch die ohnehin schwachen Staaten der Region, warnen die Vereinten Nationen.

 

Radiotipps für die Woche vom 29. Februar bis 6. März 2016

Modezeichen roter Stern
Junge Linke in Russland

Von Antje Leetz

Dienstag, 01.03.2016, 19:15 Uhr, DLF

Seit dem Zerfall der UdSSR sind die Revolution von 1917, Marx und Sozialismus in Russland passé – dachte die Autorin. Aber ein leiser Zweifel blieb: Sie traf Menschen, die den Untergang der Sowjetunion bedauerten. Der Kapitalismus sei ungerecht und unsozial.

Bei manchen Jugendlichen entdeckte sie als Modezeichen den roten Stern. Von Linken aber vernahm sie nichts. Als sie aber vor Kurzem auf YouTube sah, wie eine junge Frau auf dem Petersburger Newski-Prospekt die “Internationale” sang, horchte sie auf: Da muss es noch etwas geben. Also ist die Idee von sozialer Gerechtigkeit in Russland doch nicht gestorben. In Moskau, Petersburg und Nischni Nowgorod traf sie auf eine junge linke Generation, die sich zu Marx, Trotzki und modernen sozialistischen Alternativen bekennt.

Medien in der Krise
Vertrauen ist gut …

Von Ulrich Teusch

Mittwoch, 02.03.2016, 00.05 Uhr, DR Kultur

Die “etablierten Medien” stecken in der Krise. Zeitungen und Rundfunkanstalten kämpfen um Werbekunden, Auflagen und Online-Klicks – da machen nun auch noch pauschale Vorwürfe von “Lügenpresse” und “Systemmedien” die Runde.

Teile des Publikums fühlen sich falsch informiert. Öffentliche und veröffentlichte Meinung driften auseinander – nicht nur in Deutschland, auch in anderen Ländern.

Immer mehr Menschen weichen auf “Alternativmedien” aus, nutzen die enormen Informationsmöglichkeiten des Internets und basteln sich ihr eigenes Weltbild.

Was kostet die Demokratie?
Die Koch-Brüder und der Wahlkampf in den USA

Von Tom Schimmeck

Mittwoch, 02.03.2016, 22.03 Uhr, SWR2

Niemand mischt massiver in der US-Politik mit als Charles und David Koch – je gut 40 Milliarden Dollar schwer. Sie investieren in ihnen genehme Politiker und Kampagnen, finanzieren Think Tanks und Institute und gründen neuartige Organisationen. Der Koch-gesteuerte Verein “Freedom Works” soll im Wahljahr 2016 über einen Propaganda-Etat von 889 Millionen Dollar verfügen. “Americans for Prosperity”, von den Kochs finanziert, unterhält Ableger in fast allen Bundesstaaten. Die Koch-Brüder herrschen über den Großkonzern Koch Industries, der Papierfabriken, Pipelines und Raffinerien betreibt. Politisch stehen sie am rechten Rand der Republikaner. Sie agitieren gegen “Obamacare”, sind für weitere Steuersenkungen und bestreiten den Klimawandel.

Reading, Thinking, Looking
Eine Begegnung mit der Schriftstellerin Siri Hustvedt

Von Janko Hanushevsky

Freitag, 04.03.2016, 20:10 Uhr, DLF

Wie sehen, wie erinnern, wie fühlen wir? Was bedeutet es, zu schlafen, zu träumen und zu sprechen? Es sind existenzielle Fragen, denen sich die Schriftstellerin Siri Hustvedt in ihrem essayistischen Werk widmet. Sie hat sich mit Neurowissenschaften, Philosophie, Psychoanalyse und Bildender Kunst auseinandergesetzt.

“Ich glaube nicht”, sagt sie, “dass man den Menschen aus der Perspektive einer einzigen Disziplin heraus verstehen kann.” Sich selbst bezeichnet sie als streunende Intellektuelle, kultiviert den Status der Außenseiterin, die zwischen den Disziplinen steht und nirgendwo dazugehört.

Hustvedt wurde 1955 in einer Kleinstadt in Minnesota geboren. Die Mutter war eine Immigrantin aus Norwegen, der Vater ein norwegischer Amerikaner. “Wir haben dazugehört und irgendwie auch nicht”. Schon am Anfang steht die Erfahrung des Fremdseins in der vertrauten Umgebung, die Sehnsucht nach dem “Anderswo”.

Als junge Frau wagt sie den Sprung nach New York. Dort lernt sie den unbekannten Dichter Paul Auster kennen, mit dem sie seit über 30 Jahren verheiratet ist.

Warum sie schreibt? “Ich bin angetrieben von einer tiefen Neugier, was es heißt, ein Mensch zu sein.”

Fünfzig Prozent Zukunft
Unser Leben mit der Huntington-Krankheit

Von Nina und Oliver Buschek

Samstag, 05.03.2016, 13.05 Uhr, BR2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Nina Buschek steckte mitten in ihrem Medizinstudium, als bei ihrer Mutter Chorea Huntington diagnostiziert wurde: Eine unheilbare Erkrankung des Gehirns, bei der die Patienten nach und nach die Kontrolle über ihre Körperbewegungen verlieren – oft zeigen sich zudem massive psychische Störungen. Die ersten Symptome treten meistens um das 40. Lebensjahr auf, im Durchschnitt führt Huntington nach 15 Jahren zum Tod.

Ursache der Krankheit ist eine vererbbare Genmutation. Das bedeutet für die Kinder der Erkrankten: Sie tragen ein 50-prozentiges Risiko, dass die Krankheit eines Tages auch sie selbst trifft. Ein Gentest kann Klarheit schaffen, so dass die Betroffenen vor schwerwiegenden Entscheidungen stehen: Wollen sie erfahren, ob ihnen eine leidvolle Zukunft und ein früher Tod bevorstehen? Und wie beeinflusst die Diagnose die Familienplanung?

Gemeinsam mit ihrem Mann erzählt die Autorin die Geschichte ihrer Familie, von schweren Entscheidungen wie der, Kinder zu bekommen, und dem Abwägen zwischen Ungewissheit und womöglich fataler Sicherheit. Sie stellen sich zwingenden Fragen der Humangenetik, treffen ein Ehepaar, das schon seit Jahren mit der Huntington-Erkrankung des Mannes leben muss, und den amerikanischen Neurowissenschaftler Jeff Carroll, dessen Mutter an Huntington gestorben ist – und der gleichzeitig zu den prominentesten Forschern auf diesem Feld zählt. Seine Hoffnungen sind derzeit groß wie nie zuvor: Dank der enormen gentechnischen Fortschritte der letzten Jahre könnte die Entwicklung eines wirksamen Medikaments tatsächlich bevorstehen. Doch für die Träger des Gens läuft die Zeit.

Flucht nach Europa
Kinder von Sodom und Gomorrha

Von Jens Jarisch

Samstag, 05.03.2016, 18.05 Uhr, DR Kultur

Sodom und Gomorrha ist ein Armutsviertel in Accra, der Hauptstadt von Ghana. Tausende Kinder kommen hierher. Ihr Traum heißt Europa. Für die meisten geht er nicht in Erfüllung. Der Autor spricht mit ihnen und geht der Herkunft des Elektroschrotts nach.

Ein Mädchen, das eigentlich in die Schule gehen sollte, verkauft von morgens bis abends Trinkwasser. Um sie herum zerschlagen Jungen, von denen der kleinste sechs Jahre alt ist, gebrauchte Computermonitore und andere Elektrogeräte mit bloßen Händen.

Dann zünden sie die Schrotthaufen an. Wenn alle Kunststoffe verbrannt sind, bleibt Kupfer übrig.

Fukushima 3.11
Der Stoff für Kunst in Japan

Von Barbara Geschwinde

Sonntag, 06.03.2016, 14.05 Uhr, SWR2

Erdbeben, Tsunami und Super-Gau – die Dreifachkatastrophe von Fukushima jährt sich am 11. März zum fünften Mal. Radioaktive Strahlung sieht man nicht, riecht man nicht, schmeckt man nicht. Nach der Schockstarre von 3.11, wie Japaner die Katastrophe von Fukushima nennen, beginnen japanische Künstler mit der Aufarbeitung. Toshio Hosokawa etwa komponiert ein in Salzburg uraufgeführtes tönendes Memorial auf das Gedicht “Klage” von Georg Trakl. Der Psychiater Kuro Tanino schreibt für das Theater Krefeld-Mönchengladbach das Stück “Käfig aus Wasser” über einen Mann, der durch die Gefahr der unsichtbaren Strahlung paranoid wird. Fukushima 3.11 ist für die Kunstszene in Japan bis heute ein Thema.

Caroline von Schelling und Dorothea von Schlegel:
Porträt zweier Salonièren des 18. Jahrhundert

Von Margareta Bloom-Schinnerl

Sonntag, 6. März 2016, 18:05 Uhr, hr2

Anlässlich des internationalen Frauentags am 8. März möchten wir an zwei Salonièren des 18. Jahrhunderts erinnern. Caroline und Dorothea sind klug und gebildet, begnadete Briefschreiberinnen, mehrfach verheiratet und scheren sich wenig um die Normen der Gesellschaft.

Caroline wurde 1763 in Göttingen als Professorentochter und Dorothea 1764 in Berlin als Tochter des berühmten Aufklärers Moses Mendelssohn geboren. Vor ihnen liegt ein ebenso leidenschaftliches wie skandalumwittertes Leben, das geprägt ist durch die Salonkultur des 18. Jahrhunderts, durch den engen Umgang mit Dichtern und Philosophen, durch Freundschaftsbünde, Frühromantik und Französische Revolution.

Bittere Ereignisse pflastern ihren Lebensweg, aber auch Sternstunden. Ende des 18. Jahrhunderts treffen sie aufeinander und leben für eine Weile zusammen in Jena in einer Wohngemeinschaft mit den Schlegel-Brüdern. Die Autorin folgt den Spuren der beiden außergewöhnlichen Frauen, die für ihr unkonventionelles Leben einen hohen Preis zahlen mussten.

 

Radiotipps für die Woche vom 21. bis 28. Februar 2016

Bürgermeister mit zwei Pässen
Wie der Marokkaner Ahmed Aboutaleb Rotterdam regiert

Von Claudia Heissenberg

Dienstag, 23.02.2016, 19:15 Uhr, DLF

Die Wahl war geheim und das Ergebnis eine Sensation: Im Januar 2009 übernahm der gebürtige Marokkaner Ahmed Aboutaleb das höchste Amt in Rotterdam. Die zweitgrößte Stadt der Niederlande, in der fast die Hälfte der 600.000 Einwohner Ausländer sind, gilt als eine Hochburg der Rechten.

Die Wahl war geheim und das Ergebnis eine Sensation: Im Januar 2009 übernahm der gebürtige Marokkaner Ahmed Aboutaleb das höchste Amt in Rotterdam. Die zweitgrößte Stadt der Niederlande, in der fast die Hälfte der 600.000 Einwohner Ausländer sind, gilt als eine Hochburg der Rechten. Die rechtspopulistische Partei “Lebenswertes Rotterdam”, damals die größte Fraktion im Parlament der Stadt, bezeichnete den neuen Bürgermeister auch prompt als den falschen Mann an der Spitze einer Stadt, in der sich ein Großteil der Migranten der Integration verweigere.

Für viele Migranten hingegen ist der Sozialdemokrat und strenge Muslim, der bis heute neben der niederländischen auch die marokkanische Staatsbürgerschaft besitzt, der lebende Beweis, dass auch Einwanderer in den Niederlanden Karriere machen können. Für andere ist er ein Überläufer und Verräter, einer, der vergessen hat, wo er herkommt. Denn Aboutaleb ist ein Mann der klaren Worte. Von seinen Landsleuten verlangt er rigoros, die Normen und Werte der niederländischen Gesellschaft zu akzeptieren. Nach dem Anschlag auf die Redaktion der französischen Satirezeitschrift “Charlie Hebdo” polterte er in einer Fernsehansprache: “Wenn es Euch hier nicht gefällt, wenn Euch Karikaturisten nicht passen, dann haut doch ab!”

Im Visier der Taliban
Ein Feature über afghanische Helfer in deutschen Diensten

Von Rainer Schwochow

Mittwoch, 24.02.2016, 22.03 Uhr, SWR2

Seit 2002 ist die Bundeswehr in Afghanistan im Einsatz. Ohne einheimische Helfer hätte sie ihre Aufgaben nicht erfüllen können. Doch mit dem teilweisen Abzug deutscher Soldaten ist das Leben dieser “Ortskräfte” gefährlich geworden. Als Mitarbeiter der “Ungläubigen” werden sie von den Taliban mit dem Tode bedroht. Die Flucht nach Deutschland erscheint vielen deshalb als einziger Ausweg. Doch ihre Anträge auf Einreise bearbeitet die Bundeswehr zögerlich und lehnt sie oft auch ab. Mit fatalen Konsequenzen: Einige Helfer wurden schon umgebracht. Warum reagiert Deutschland so zurückhaltend? Nach welchen Kriterien wird entschieden? Der Autor trifft ehemalige Ortskräfte in Deutschland und Afghanistan; er sucht nach Erklärungen bei Verantwortlichen in Politik und Bundeswehr.

Erinnerungen an Fritz J. RaddatzDandy und Dichter

Von Rosvita Krausz

Freitag, 26.02.2016, 20:10 Uhr, DLF

Fritz J. Raddatz war der widersprüchlichste deutsche Intellektuelle seiner Generation: so gebildet wie geistreich, so streitbar wie umstritten. Geboren 1931 in Berlin, war er von 1960 bis 1969 stellvertretender Leiter des Rowohlt Verlages, von 1977 bis 1985 Feuilletonchef der “Zeit”, von 1969 bis 2011 Vorsitzender der Kurt-Tucholsky-Stiftung.

Die bekanntesten Bücher von ihm sind seine beiden Tagebuchbände. Ohne Rücksicht auf Verluste teilt er darin aus. Oft mit einem Einschlag ins Komische, Übertreibende und rigoros Selbstironische. Rainald Goetz kommentierte: “Den Roman liest man im Rausch, hunderte Seiten in ein paar Tagen, so gierig wie Raddatz gelebt hat”.

Sein letztes Buch hat er noch drei Wochen vor seinem Tod in Hamburg vorgestellt, elegant und wortgewaltig wie immer. Für viele war sein selbstgewählter Tod ein großer Schock. Ein Jahr später geht das Feature dem Leben und Sterben dieses widersprüchlichen Intellektuellen nach.

Über Krieg, Geschichte und Trauma
Jenseits der Trivialisierung des Tötens

Von Heike Brunkhorst und Roman Herzog

Samstag, 27.02.2016, 18.05 Uhr, DR Kultur

Die Psychoanalytiker Françoise Davoine und Jean-Max Gaudillière verfolgen seit 40 Jahren die Weitergabe von Traumata über Generationen hinweg. Ihr Fazit: Gewalt ist das Fundament unserer Kultur.

Was macht extreme Gewalt mit Menschen, die ihr ausgesetzt sind? Janine di Giovanni berichtet seit über 20 Jahren von immer brutaleren Kriegen. Erst im gewöhnlichen Alltagsleben ist sie zusammengebrochen.

Ein israelischer Scharfschütze hat an gezielten Tötungen mitgewirkt und sein Schweigen gebrochen.

Die Draufgängerin

Von Egon Koch

Sonntag, 28.02.2016, 14.05 Uhr, SWR2

Party. Drogen. Koma. Der 16-jährigen Tochter des Autors Egon Koch passierte das, wovor alle Eltern Angst haben. 54 Stunden dauerte es, bis sie wieder aufwachte. Die Zeit auf der Intensivstation war der Höhepunkt im Drama ihres Erwachsenwerdens. In jungen Jahren hatte sie bereits einiges erlebt: Trennung der Eltern und Tod des neuen Partners der Mutter. Überfordert damit, ihrer trauernden Mutter eine Mutter zu sein, suchte sie den Ausweg im exzessiven Feiern. Bis zum völligen Zusammenbruch. Im Krankenhaus erwacht sie als ein anderer Mensch. Auf die Katharsis folgen ein Tattoo, die erste Liebe und immer wieder die Suche nach Momenten von Freiheit und Glück. Sie wird 18, macht das Abitur und geht gereift in eine offene Zukunft. Die Geschichte einer Heranwachsenden ist zugleich eine über das Verhältnis zwischen Tochter und Vater. Seit ihren frühesten Kindertagen hat Egon Koch Gespräche mit seiner Tochter auf Band aufgezeichnet.