Radiotipps für die Woche vom 06. bis 12. Juni 2016

Dann kam die Contra
Entführung deutscher „Aufbauhelfer“ in Nicaragua

Von Erika Harzer

Dienstag, 07.06.2016, 19:15 Uhr, DLF

Eine Gruppe junger Deutscher wurde vor 30 Jahren im Mai 1986 in Nicaragua entführt und drei Wochen durch den Dschungel verschleppt. Sie wollten Häuser bauend den revolutionären Prozess in Nicaragua unterstützen, gehörten zu einer weltweiten Solidaritätsbewegung. Doch dann wurden sie selbst zum Objekt der Kriegshandlungen.

Drei zermürbende Wochen folgten. In Managua forderten deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger während einer Botschaftsbesetzung die Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl auf, vor allem den direkten Kontakt zu US-Präsident Ronald Reagan – für sie der Hauptverantwortliche des Contra-Krieges – herzustellen, um die Freilassung der acht Deutschen zu fordern.

In Bonn nahm der Krisenstab des Auswärtigen Amtes seine Arbeit auf. Einerseits waren die Brigadisten wie auch die gesamte Solidaritätsbewegung der Regierung ein Dorn im Auge. Andererseits handelte es sich um Bundesbürger, für deren Freilassung das Auswärtige Amt sich bemühen musste. Hans-Jürgen Wischnewski reiste als Vermittler nach Nicaragua.

Eine Geschichte aus den Zeiten des Kalten Krieges, prägend für die Solidaritätsbewegung. Erzählt aus der Perspektive einiger damals Entführten, von Unterstützenden der Solidaritätsbewegung, Mitarbeitern des Krisenstabs und Mitarbeitern von Hans-Jürgen Wischnewski.

Westberlin
Berlin Update

Von Bodo Morshäuser

Mittwoch, 08.06.2016, 0:05 Uhr, DR Kultur

Westberlin war Zentrum linken Protests, lockeren Lebens und subkulturellen Flairs. Die eingemauerte Halbstadt zog gescheite Existenzen und junge Künstler an, die dort zu Stars reiften.

Die übrige Jugend trieb Politik und Party auf die Spitze. Zum Schluss regierte eine nahezu alternative Parallelgesellschaft unter Rot-Grün. Der Fall der Mauer schloss das Spielfeld und eröffnete in Berlin-Mitte sofort ein neues. Heute ist Berlin für junge Zugereiste eine Partyzone mit Uni-Anschluss.

Die Draufgängerin
Preisträger Hördokumentation des 3. dikKa Festivals

Mittwoch, 08.06.2016, 22:03 Uhr, SWR2

In diesem Jahr wurde beim Dokumentarfestival DokKa „Die Draufgängerin“ von Egon Koch als beste Hördokumentation ausgezeichnet. Eine Produktion des SWR, die wir aus diesem Anlass heute noch einmal senden. Der Autor schildert darin das Erwachsenwerden seiner Tochter. In der Begründung der Jury heißt es: „Aus langjährig aufgezeichneten Interviews mit seiner Tochter, aus Fragen und Antworten, wobei die Tochter erst gegen Ende selbst zur Fragenden wird … entwickelt Egon Koch ein Hörstück, das sich der Form eines imaginären Gesprächs bei einem langsamen Spaziergang annähert. Das gelingt auch deshalb, weil die junge Frau souverän mit ihren eigenen Ausdrucksmöglichkeiten umgeht.“

Das nächste große Ding
Kunstbetrachtungen aus der Zukunft

Von Annegret Arnold

Freitag, 10.06.2016, 20:10 Uhr, DLF

Kunstkritiker beschreiben normalerweise Bilder, Bücher, Songs oder Theaterinterventionen, die ihnen das Programm vorgegeben hat. Mehr oder weniger gelungene Werke, die von den Rezensenten nur in Ausnahmefällen mit echter Euphorie oder gar als innovativ oder neuartig empfohlen werden. Wie aber müsste Kunst beschaffen sein, die es so vorher noch nicht gegeben hat?

Kunst, die auch dem kritischsten Kritiker den Boden unter den Füßen wegzieht, weil keines seiner sonstigen Analyseinstrumente mehr greift? In diesem Feature sprechen Kulturkritiker von künstlerischen Ereignissen, die sie nachhaltig beeindruckt haben. Wo sie stattgefunden haben und wer sie initiiert hat, bleibt vorerst offen.

Die Autorin besucht nur die verlassenen Orte und abgelegten Werkzeuge, sichtet das Material, trifft auf Augen- und Ohrenzeugen. Sie ergründet die Mechanismen ästhetischer Entwicklungen, befragt Historiker und Zukunftsforscher, und lässt den Hörer teilhaben an Kunstereignissen, die es so vorher noch nicht gegeben hat.

Rocco Granata singt nicht mehr
Vom Erinnern und Vergessen

Von Joseph Berlinger

Samstag, 11.06.2016, 13:05 Uhr, Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr, BR2

Rocco Granata – sein Welthit „Marina“ hat ihn einst zum Schlagerstar gemacht. Jetzt geht er auf die 80 zu und will nicht mehr auf die Bühne. Er will auch keine Interviews mehr geben. Er hat seine Autobiographie geschrieben, und es gibt einen Kinofilm über die Geschichte seiner Jugend. „Das muss genügen“, sagt Rocco Granatas Managerin und Ehefrau Rosie. Warum soll er sich darüber hinaus für die Öffentlichkeit an seine Vergangenheit erinnern? Alte Anekdoten, aufwärmen, die er schon hundertmal erzählt hat? Warum soll er immer wieder Auskunft geben? Irgendeinem Reporter, den er nicht kennt. Und der ihn nicht kennt. Rocco Granata hat keine Lust mehr auf diese Interview-Spielchen. Auf das immer gleiche Ritual. Auf die immer gleichen braven oder manchmal bemüht frechen Fragen. Und er hat auch keine Lust mehr auf seine immer gleichen gewollt originellen Antworten.
Frau Hauser – sie hat Rocco Granatas Welthit „Marina“ im Radio oft mitgesungen – als sie das noch konnte. Jetzt ist sie weit über 80 und dement. Sie erkennt ihren Sohn nicht mehr, wenn er sie sonntags besucht. Sie lebt in einer Seniorenresidenz im Bayerischen Wald. Dort dirigiert jeden zweiten Samstagnachmittag Alexander Metz den Demenzchor. Frau Hauser ist dabei. Aber seit kurzem singt sie nicht mehr. Sie klatscht nur noch mit. Weil Frau Hauser eine tiefe und raue Stimme hat, nennt sie der Dirigent Rocco Granata.
Der „echte“ Rocco Granata w i l l sich nicht mehr erinnern, die „falsche“ Rocco Granata k a n n sich nicht mehr erinnern. Aber durch die Musik, durch die alten Schlager sind die beiden verbunden. Wenn Frau Hauser die ersten Takte von Rocco Granatas „Marina“ hört, beginnt sie sogar wieder mitzusingen. Wenn auch nur die Titelzeile.

Nach Hause gehen
Eine Heimatsuche

Von Jörn Klare

Samstag, 11.06.2016, 18:05 Uhr, DR Kultur

Als der Autor plant, eine Wohnung in Berlin zu kaufen, fällt ihm auf, dass er sich in der Stadt, in der er seit fast 30 Jahren lebt, gar nicht wirklich heimisch fühlt. Die Immobilien-Idee wird abgesagt, die Frage nach der Heimat aber bleibt.

Mit ihr und einem Aufnahmegerät im Gepäck macht er sich auf die Wanderung in das Städtchen, in dem er geboren und aufgewachsen ist. Nach gut 600 Kilometern voller Begegnungen trifft er auf einen alten Freund, der Lokalpolitiker geworden ist.

Rückkehr nach Knokke
Eine Erfahrung aus dritter Hand

Sonntag, 12.06.2016, 14:05 Uhr, SWR2

Von Jochen Wobser und Oliver Kobold

1984 macht der Künstler Martin Kippenberger eine Woche Urlaub im belgischen Seebad Knokke. Er schreibt auf, was er tut und erlebt (nicht viel) und übergibt seine Aufzeichnungen nach der Rückkehr der befreundeten Künstlerin Annette Grotkasten mit der Anweisung: alles in allen Details nachmachen. Aus dem Spiel mit der Wiederholung ergibt sich eine künstlerische Versuchsanordnung. Wie verändert der zweite Blick das selbst Erlebte? 30 Jahre später unternehmen Oliver Kobold und Jochen Wobser dieselbe Reise – nun als Erfahrung aus dritter Hand. Die Spurensuche führt auch zurück zu den ästhetischen Fragestellungen und Verwerfungen der 80er-Jahre, als sich die Künstlerin Annette Grotkasten zu ihrem eigenen Erstaunen in der Jugendzeitschrift „Bravo“ wiederfand – als gefeierte Lead-Sängerin der NDW-Band „Bärchen und die Milchbubis“.

Die Entstehung des „Siddhartha“ von Hermann Hesse

Von Heinz Sommer

Sonntag, 12. Juni 2016, 18:05 Uhr

Hermann Hesses große Erzählung „Siddhartha. Eine indische Dichtung“ ist nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern ein Kultbuch geworden.

Der Hessische Rundfunk (hr2-kultur) hat das Werk über den jungen Sohn eines Brahmanen, der sich auf die Suche nach Erkenntnis begibt, nun erstmals als Hörspiel umgesetzt. hr2-kultur sendet es am 12., 19. und 26. Juni jeweils um 14.05 Uhr. In diesem Feature zum Hörspiel erzählt Heinz Sommer, der auch für die Hörspielbearbeitung verantwortlich ist, von der Entstehungsgeschichte der Erzählung.

Hermann Hesse schrieb „Siddhartha“ in fast drei Jahren. Allein zwischen dem ersten und dem zweiten Teil lag eine Pause von fast eineinhalb Jahren, in denen sich Hesse noch einmal intensiv mit dem fernöstlichen Denken auseinandersetzte. In seiner Feature-Collage dokumentiert Heinz Sommer mit Texten von Hesse selbst und von seinen Zeitgenossen, wie die Idee für „Siddhartha“ entstand und schließlich 1922 zu einem Buch wurde.