Radiotipps für die Woche vom 20. bis 26. Juni 2016

Die Schule von Trostenez
Über Erinnern und Vergessen in Belarus

Von Olga Kapustina

Dienstag, 21.06.2016, 19:15 Uhr, DLF

Trostenez war einer der größten Schauplätze von Massenmorden während des Zweiten Weltkriegs in Osteuropa. Lange Zeit blieb es ein weißer Fleck auf der Erinnerungskarte der Sowjetunion, später der Republik Belarus – Weißrussland.

In den 50er-Jahren war über den Leichen von Juden, die die Nazis in einem Wald neben dem Todeslager erschossen hatten, eine große Müllhalde errichtet worden.

Erst in den 70er-Jahren erforschten die Schüler von Trostenez die Geschichte des Ortes. Im Sinne der Staatsideologie pflegten sie die Erinnerung an die ermordeten „friedlichen sowjetischen Bürger“ im kleinen Schulmuseum. Jüdische Opfer wurden nicht erwähnt.

Reihe: Neues aus der Provinz
Rückkehr nach Knokke
Eine Erfahrung aus dritter Hand

Von Jochen Wobser und Oliver Kobold

Mittwoch, 22.06.2016, 00:05 Uhr, DR Kultur

1984 macht der Künstler Martin Kippenberger eine Woche Urlaub im belgischen Seebad Knokke. Er schreibt auf, was er tut und erlebt (nicht viel) und übergibt seine Aufzeichnungen nach der Rückkehr der befreundeten Künstlerin Annette Grotkasten mit der Anweisung: alles in allen Details nachmachen.

Aus dem Spiel mit der Wiederholung ergibt sich eine künstlerische Versuchsanordnung. Wie verändert der zweite Blick das selbst Erlebte?

30 Jahre später unternehmen Oliver Kobold und Jochen Wobser dieselbe Reise – nun als Erfahrung aus dritter Hand.

Folterkammer Eritrea
Feature über die Finanzierung einer Diktatur

Von Bettina Rühl

Mittwoch, 22.06.2016, 22:03 Uhr, SWR 2

Sie wollen von Afrika über das Mittelmeer nach Europa, zur Not mit Fischer- oder Schlauchboot. Oft endet ihre Flucht in einer Tragödie und die meisten Opfer stammen aus Eritrea. Das Land gilt als das „Nordkorea“ Afrikas. Zehntausende fliehen jährlich aus ihrer Heimat, Tausende wollen nach Deutschland, wo inzwischen eine der größten eritreischen Gemeinden Europas lebt. Schlepper führen die Menschen den gefährlichen Weg über den Sudan, die Sahara, an die 2000 km entfernte Mittelmeerküste nach Libyen. Und es werden immer mehr. Die EU will die Regierung mit Millionenbeträgen unterstützen, um den Exodus zu stoppen. Aber das Regime profitiert selbst von der Massenflucht und die eigenen Militärs betätigen sich angeblich als Schlepper und Schmuggler. Warum finanziert Europa eine Diktatur?

Eine ziemlich weite Reise nach Europa
Wie es sich in einer Kopie lebt

Von Tim Staffel

Freitag, 24.06.2016, 20:10 Uhr, DLF

Florenz gibt es zweimal. Paris auch, sogar mit Eiffelturm. Und Hallstatt, das österreichische Städtchen im Salzkammergut, das seine pastellfarbenen Hausfassaden so pittoresk an das Ufer des Hallstätter See geschmiegt hat, dass es dafür sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe ausgerufen wurde, gibt es auch noch einmal: als chinesische Stadtkopie.

Als detailgetreuen Klon in der südchinesischen Provinz Guangdong. Der Autor Tim Staffel reist nach China und besucht dort die maßstabsgetreuen Kopien europäischer Städte. Die Grundidee des Features ist, einmal maximal weit wegzureisen, um ausgerechnet von dort aus einen neuen Blick auf die Frage zu werfen: Was eigentlich ist Europa, oder was könnte es sein?

Der Autor wird den Alltag in diesen chinesischen Stadt-Kopien einfangen, sich von Planern und Bewohnern herumführen lassen. Dabei geht es auch um die Frage, wie Kopien funktionieren, wie es sich anfühlt, in einer zu leben, welche Rolle Individualität und Originalität für die chinesische Gesellschaft spielen und nicht zuletzt: was eigentlich das latent Unheimliche an künstlich erschaffenen Welten ist.

Reihe: Neues aus der Provinz
No Land Called Home – Rückkehr in die Provinz

Von Johannes Nichelmann

Samstag, 25.06.2016, 18:05 Uhr, DR Kultur

Die Hauptstraße: das Rathaus, die Polizeiinspektion, zwei Bäckereien, zwei Fleischereien, zwei Brunnen, ein Lottoladen. Willkommen in der Provinz. Von Berlin nach Bayern. Der Autor wird mit zwölf Jahren in einen Landkreis verfrachtet, in dem Vollbeschäftigung herrscht und die Stammtische über gut und böse richten.

Damals haben sich die coolen Leute aus der Klasse immer am Bauwagen getroffen um dort Kirschbier zu trinken und über Fußball zu reden. Der Autor war niemals eingeladen, denn er war der Zugereiste.

Zehn Jahre später kehrt er zurück in die Provinz und will wissen, warum ihm hier die Sache mit der Integration so schwer gefallen ist. Der Pfarrer gibt zu bedenken, dass wer in der Schule morgens nicht mitbeten will wissen sollte, wie so etwas in der Klassengemeinschaft ankommt. Der Klassenlehrer rät zu mehr Geduld und Humor und die  Schulfreundin empfiehlt, den Nachbarn erst einmal ein Helles in die Hand zu drücken.

Das Feature erzählt von den Schwierigkeiten der Integration und von den Brüchen, die durch Deutschland gehen.

This is not a love song
Die Geschichte von Nora Forster und Ari Up

Von Lorenz Schröter

Sonntag, 26.06.2016, 14.05 Uhr, SWR2

Eine betörende, blonde, junge Deutsche inmitten der brodelnden Londoner Clubszene der 70er-Jahre. Sie ist Vertraute von Jimi Hendrix, Freundin des Gitarristen und Sex Pistols-Produzenten Chris Spedding, frühe Förderin von Punk-Musikern, darunter Joe Strummer. Der gibt ihrer Tochter Ariane Gitarren-Unterricht. Als Ari Up wird sie später zur legendären Sängerin der Punk-Reggae-Band „The Slits“.
Doch wie wurde Nora Forster, Tochter eines schwerreichen und erzkonservativen Zeitungsbesitzers aus Schwaben, zur femme fatal der Punk-Szene und warum entwickelte sie sich zur rätselumwobenen Sphinx? Lorenz Schröter begibt sich auf die Spuren dieser ungewöhnlichen Frau und trifft zwischen Stuttgart und Kingston auf ehemalige Punk-Musiker, Rechtsanwälte, obskure Schlagerstars, noch mehr berühmte Punk-Musikerinnen und zwei Rasta-Zwillinge. Deren Stief-Großvater Jonny Rotten kommt übrigens nur am Rande vor.