Radiotipps für die Woche vom 18. bis 24. April 2016

High in Uruguay
Wie Montevideo den Drogenkrieg beenden will

Von Karl-Ludolf Hübener

Dienstag, 19.04.2016, 19.15 Uhr, DLF

Weltweites Aufsehen erregte Uruguay mit seinem radikalen Bruch in der Drogenpolitik: Das kleine Land war der weltweit erste Staat, der Cannabis vollständig legalisierte und damit Korruption, Drogengewalt, Mafiosi und Geldwäsche den Kampf ansagte. Inzwischen grünt „Gras“ auf Balkonen und in Gärten, liefern Grow-Shops speziellen Dünger und Gewächshäuser.

Eine Cannabis-Messe lockte Tausende an. Von Kifferparadies war vorschnell die Rede. Doch „High in Uruguay“ gilt nur für Einheimische.

Detaillierte Richtlinien regulieren den Markt für Cannabis. Kiffer haben die Wahl zwischen Eigenanbau von sechs Marihuana-Pflanzen, Cannabis-Clubs oder Apotheken, in der sie den Stoff für ihre Joints, monatlich 40 Gramm pro Person, erstehen können.

Sicherheitskräfte überwachen die tonnenschwere Gras-Produktion von staatlich lizenzierten Firmen.

Podcast aus den USA
The Wisdom of Jay Thunderbolt

Von Nick van der Kolk, Brendan Baker und Nick Williams

Mittwoch, 20.04.2016, 00:05 Uhr, DR Kultur

Eine Podcast-Kreation aus Amerika über einen durchgeknallten Typen. Ein cooler Mix aus Interview und Dancetrack.

Jay Thunderbolt’s Visitenkarte ist ein bisschen geheimnisvoll. Es steht nur eine Telefonnummer darauf und darunter: „Thunderbolt – Party Naked“. Wenn man dort anruft, lädt Thunderbolt zu einem privaten Stripclub ein, den er aus seinem Bungalow in einem Arbeiterviertel in Detroit heraus betreibt. Eine lange, verwickelte Geschichte in einem Mix aus Interview und Dancetrack.

Die Zehnte Muse
Das Gras in Shakespeares Garten

Von David Zaine Mairowitz

Freitag, 22.04.2016, 20:10 Uhr, DLF

Francis Thackerey aus Pretoria, Südafrika, ist nicht nur ein begnadeter Paläontologe, sondern außerdem Shakespeare-Enthusiast. Besonders angetan haben es ihm die Sonette des „Schwans von Avon“, obwohl: Ein bisschen verdächtig kommen sie Francis vor. Wer oder was zum Beispiel ist die zehnte Muse, die Shakespeare so inbrünstig besingt?

Francis‘ Verdacht: Hasch! Shakespeare war high, als er dichtete! Für diese fixe Idee tut Francis einiges: Er lässt die in Shakespeares Garten gefundenen Pfeifenköpfe untersuchen, streitet sich mit der Fachwelt, tritt auf Cannabis-Kongressen auf.

Nur einem verweigert er sich: dem Kiffen.

Die Illegalen
Ein Feature über Deutschlands stille Sklaven

Von Jens Schellhass

Samstag, 23.04.2016, 13.05 Uhr, Bayern2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Bis zu einer Million illegale Einwanderer leben in Deutschland, vielleicht auch mehr, keiner weiß das. Es sind Menschen ohne gültige Papiere. Die meisten von ihnen kommen aus Westafrika und den Balkanstaaten. Sie sind vor Hunger und Armut geflohen, um ihre Familien in den Heimatländern zu ernähren. Oder ihre „falsche“ Einstellung zu Religion oder Politik trieb sie in die Flucht. In Deutschland arbeiten „Illegale“ schwarz und prekär in Umzugs- oder Putzfirmen, der Nahrungsmittelindustrie, der Gastronomie oder als Haushaltshilfen. Ihr Leben gleicht einer Schattenwelt. Angelockt vom großen Geld arbeiten sie weit unter Mindestlohn. Oft gibt es letztlich keinen Cent. Wer krank wird, fliegt raus und krankenversichert ist keiner von ihnen. Die „Illegalen“ leben in ständiger Angst aufzufliegen und abgeschoben zu werden, davon profitieren viele deutsche Arbeitgeber.

Osteraufstand – Irlands Kampf um die Unabhängigkeit
Die Rebellion im Hauptpostamt

Von Hannelore Hippe

Samstag, 23.04.2016, 18.05 Uhr, DR Kultur

„Nur Mut Jungs, wir gewinnen“, rief der irische Freiheitskämpfer James Connolly im brennenden Dubliner Hauptpostamt seinen Kameraden zu. Er behielt recht. Nur hat er die Unabhängigkeit Irlands von Großbritannien nicht mehr erlebt, die als Spätfolge des Osteraufstands sechs Jahre später erklärt wurde.

Vor etwa 50 Jahren interviewte ein Ire die letzten noch lebenden Teilnehmer dieses Osteraufstandes von 1916. Das bis dahin unveröffentlichte Material stand der Autorin zur Verfügung.

Der Kopf der Herde
Unterwegs mit Schäfern

Von Christiane Seiler

Sonntag, 24.04.2016, 14.05 Uhr SWR2

Noch 2000 Berufsschäfer soll es in Deutschland geben, aber es werden immer weniger. Auch der Schafbestand geht zurück. Sollten Hirten mit ihren Tieren in unserer durch moderne Agrarindustrie und Flächenverbrauch gezeichneten Landschaft keinen Platz mehr finden? Feature-Autorin Christiane Seiler hat mit drei Schäfern auf Wiesen und Deichen Schafe und Lämmer gehütet und sich vom Alltag, den Träumen und Schwierigkeiten dieser Individualisten erzählen lassen. Sie traf Knut Kucznik, der an der Wanderschäferei festhält; Klaus Seebürger, Herr über fünf Herden mit je tausend Tieren und Josephine Hermühlen, Leiterin einer kleinen Ökoschäferei in Mecklenburg.

Flucht.Bewegung
Ein Feature über das Geschäft mit dem Illegalen

Von Andy Holzer

Sonntag, 24. April 2016, 18:05 Uhr, hr2

Bis zu einer Million illegale Einwanderer leben in Deutschland, vielleicht auch mehr, keiner weiß das. Es sind Menschen ohne gültige Papiere. Die meisten von ihnen kommen aus Westafrika und den Balkanstaaten.

Sie sind vor Hunger und Armut geflohen, um ihre Familien in den Heimatländern zu ernähren. Oder ihre „falsche“ Einstellung zu Religion oder Politik trieb sie in die Flucht. In Deutschland arbeiten „Illegale“ schwarz und prekär in Umzugs- oder Putzfirmen, der Nahrungsmittelindustrie, der Gastronomie oder als Haushaltshilfen. Ihr Leben gleicht einer Schattenwelt. Angelockt vom großen Geld arbeiten sie weit unter Mindestlohn. Oft gibt es letztlich keinen Cent. Wer krank wird, fliegt raus und krankenversichert ist keiner von ihnen. Die „Illegalen“ leben in ständiger Angst aufzufliegen und abgeschoben zu werden, davon profitieren viele deutsche Arbeitgeber.

 

Radiotipps für die Woche vom 11. bis 17. April 2016

Der Wandel geht vom Süden aus
Podemos und der Geist politischer Veränderung in Valencia

Von Joachim Palutzki

Dienstag, 12.04.2016, 19:15 Uhr, DLF

Spanien hat ein historisches Wahljahr hinter sich. Es scheint, als haben die Wählerbewegung Podemos und die regionalen alternativen Parteigruppierungen zumindest einen Teil ihrer Ziele erreicht: die Einleitung eines grundlegenden Wandels des Zweiparteiensystems und die Abkehr von der ausschließlichen Ausrichtung der Politik auf die Sparvorgaben der EU.

Wie in Madrid und Barcelona, regiert auch in Valencia seit Mai 2015 ein linksalternatives Bündnis. Die sich auf basisdemokratische Prinzipien berufene Wählerbewegung Podemos versteht sich dabei als „Motor“ der Bewegung, vor allem aber als „Werkzeug“ zur Durchsetzung einer Politik von unten, die aus den Bürgerversammlungen der Stadtteile und Gemeinden kommen soll.

Hightech-Popstar und Magnetfeld-Magier
Teslanauten

Von Mithu Sanyal und Christian Ahlborn

Mittwoch, 13.04.2016, 00:05 Uhr, DR Kultur

Wechselstrom, Generatoren und Transformatoren, Oszillatoren, Spulen, drahtlose Energie und Nachrichtenübertragung. 112 Patente hat der Physiker, Ingenieur und Erfinder Nikola Tesla (1856-1943) angemeldet. Einige davon waren genial und epochal, andere eher verrückt und fantastisch.

Doch was immer Tesla plante, stets umgab ihn eine magisch-mysteriöse Aura. Er war eine Art High-Tech-Popstar des 20. Jahrhunderts, ein Strom-Schamane und Magnetfeld-Magier, dessen Leben nicht weniger bizarr war als seine Erfindungen.

Der Krieg im Fokus
Die Fotografin Herlinde Koelbl spricht mit Soldaten

Von Heike Tauch

Mittwoch, 13.04.2016, 22.03 Uhr, SWR2

Über sechs Jahre reiste die Fotografin Herlinde Koelbl in fast 30 Länder, um an militärischen Ausbildungsorten landestypische Schießziele zu dokumentieren. Aus diesen fotografischen Aufnahmen entstand ihr Kunstprojekt TARGETS. Darüber hinaus sprach Koelbl mit Soldaten und Scharfschützen. Unter Zusicherung der Anonymität erzählen sie von den moralischen Herausforderungen, von ihrer Motivation und Ausbildung, von Führung und Gehorsam, von Schuld und Fehlentscheidungen. Und immer fragt Herlinde Koelbl nach dem ersten Schuss: „Wie war es, als Sie das erste Mal auf einen Menschen zielten und abdrückten? Können Sie sich daran erinnern?“ Überdies berichtet die Fotografin, was sie bewegte, sich dem Thema und damit den Menschen zu nähern, die trainieren, gut zu schießen, um den Feind zu töten.

Madgermanes
Die Dauerdemo von Maputo

Von Kai-Uwe Kohlschmidt

Freitag, 15.04.2016, 20:10 Uhr, DLF

Pedro ist der freundliche Schwarze von Müllrose, Brandenburg. Er hatte Glück: Das erste Mal durfte er als Vertragsarbeiter aus Mosambik in die DDR kommen, das zweite Mal durfte er bleiben. Kosca hatte hingegen Pech – und deshalb führt er jetzt die „Madgermanes“ an. So heißen sie in Maputo: „diese Deutschen“.

Woche für Woche demonstrieren sie in der mosambikanischen Hauptstadt, seit 25 Jahren. 1991, als in Hoyerswerda die Rechten Jagd auf Schwarze machten,  kehrten die meisten der fast 20.000 in der DDR angeheuerten Mosambikaner nach Hause zurück. Und kippten ins Leere. Die Volksrepublik Mosambik war im Bürgerkrieg zerfallen. Das Geld, das sie in der DDR verdient hatten, war nicht, wie vereinbart, auf einem Konto gelandet, sondern versickert.

Seitdem stören die Madgermanes ihre Landsleute. Sie pochen auf Ansprüche, die keiner versteht. Irgendwie Deutsch.

Mein Schneck ist mir Bedürfnis
Zur ökonomischen und ethischen Relevanz unserer Tierliebe

Von Gesche Piening

Samstag, 16.04.2016, 13:05 Uhr, Bayern2, Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Unser Umgang mit Haustieren hat sich gewandelt, fundamental. Ob Katze oder Hund, Kanarienvogel, Flusskrebs oder Assel, als beste Freunde und treuste Begleiter mit einer Vielzahl menschlicher Errungenschaften und Privilegien sind unsere Haustiere längst zur ernst zu nehmenden Konsumentengruppe geworden. Und der Markt stellt ihnen eine umfangreiche Produkt- und Dienstleistungspalette bereit: Von der Wohnungseinrichtung im tierischen Möbeldesign und dem Traumurlaub im Tierhotel über Vorsorge-Möglichkeiten für schlechtere Zeiten bis hin zur letzten Ruhe auf dem Tierfriedhof. Es ist für alles gesorgt.
Die Angebote unserer Wohlstandsgesellschaft schließen die Tiere mehr und mehr mit ein und gestalten ihre Biographien ganz nach unserem Vorbild.
Unterdessen wer den Haustiere auch für die Tierhalter dank innovativer Forschung und breiter Angebotspaletten immer attraktiver. Für jedes Geld-, Zeit- und Platzbudget findet sich das passende Tier: Von den versorgungs-intensiven Haustierklassikern mit stetig steigender Lebenserwartung bis hin zu pflegeleichten und kurzlebigen Käfern – niemand muss mehr darauf verzichten, sein Fürsorge-Bedürfnis nach Belieben auszuleben. Haustiere sind hoch im Kurs.
Doch auf welchen politischen Grundannahmen basiert die ökonomisch geprägte Verhaltensweise gegenüber unseren Haustieren? Und an welchem Punkt geraten sie mit unserer Tierliebe in Widerspruch? Welche ethischen Fragen wirft unsere Tierliebe auf? “Mein Schneck ist mir Bedürfnis” begibt sich auf die Suche nach dem ökonomischen und ethischen Status Quo. Ist ein Haustier einfach nur das, was der Einzelne draus macht?

Ein Gutshof in Schlesien
Guten Tag auf Polnisch

Von Lisbeth Jessen

Samstag, 16.04.2016, 18:05 Uhr, DR Kultur

Park Avenue in Manhattan – wer hier lebt, hat es geschafft. Ann Elizabeth wohnt in einem ehemaligen Aparthotel im 24. Stock. Ihre Großmutter war 1936 mit zwei Söhnen aus Deutschland emigriert, und die Söhne haben sich in den USA neu erfunden.

Seit dem Zweiten Weltkrieg aber sprach keiner in der Familie mehr von dem Gut in Oberschlesien, von dem sie eigentlich stammten.

Nach dem Tod der Großmutter wird ein Koffer mit alten Familienfotos geöffnet und bringt die Familiengeheimnisse zum Vorschein. Ann wird sich ihrer jüdischen Ursprünge bewusst und reist nach Dobrodzien, das früher Guttentag hieß. Das frühere Familiengut steht jetzt zum Verkauf.

Deutsches Wintermärchen Marokko

Von Rosie Füglein

Sonntag, 17.04.2016, 14:05 Uhr, SWR2

„Bis vor kurzem ging die landläufige Meinung dahin, Kolonien seien ein überwundener Standpunkt. Erst in neuer Zeit haben sich andere Stimmen erhoben.“ Es ist lange her, dass diese Sätze in einer Zeitung erschienen. Inzwischen haben sich Lutz und Evelyne, Peter, Brigitte und tausende andere an der Küste von Marokko mit ihren Wohnmobilen angesiedelt. Sie leben in einer Hochsicherheitsanlage, bewacht von modernster Elektronik und altbewährten deutschen Schäferhunden. Und sie genießen ihre Freiheit. Währenddessen versuchen junge Afrikaner vergeblich, von Marokko nach Europa zu gelangen. Ein Vor-Ort-Bericht zur gegenwärtigen Lage.

Libyen – Eine Reise in den Abgrund

Von Bettina Rühl

Sonntag, 17. April 2016, 18:05 Uhr

In Libyen verhalfen die NATO und einige arabische Staaten vor vier Jahren bewaffneten Milizen zu einem Sieg über den langjährigen Diktator Muammar al-Gaddafi. Doch was ein Systemwechsel werden sollte, führte zu permanentem Bürgerkrieg und zum Kollaps von Gesellschaft, Staat und Wirtschaft.

Das Land ist zerfallen, zwei Regierungen ringen um die Vorherrschaft. Konkurrierende Milizen, darunter der ‚Islamische Staat‘, kämpfen um Einflussgebiete. Ökonomische, ethnische und ideologische Interessen sind dabei kaum unterscheidbar. Für die Bevölkerung wird das Leben immer schwieriger, Lebensmittel und Benzin werden in dem ölreichen Land immer knapper, Medikamente und medizinische Behandlungen zum Luxus. Was ein Kampf für Demokratie werden sollte, stellt sich heute für viele als Kampf ums pure Überleben dar. Wie bewältigen sie überhaupt noch ihren Alltag in einem kollabierten Staat, einer kollabierten Wirtschaft? Wen machen sie für das Chaos verantwortlich, von wem erhoffen sie sich Hilfe?

 

Radiotipps für die Woche vom 4. bis 10. April 2016

Making of Game
oder Der Klang von Schritten

Von Anna Seibt

Montag, 04.04.2016, 00:05 Uhr, DR Kultur

Ein Hörspiel, ein Blog und eine App mit 3D-Soundwelt – all dies vereint unser Hörgame Blowback. Wie das Projekt Gestalt annahm, können Sie in dieser akustischen Entstehungsgeschichte nachhören.

Deutschlandradio Kultur und die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin haben zusammen ein auditives Handygame entwickelt: Die Journalistin Julia Kourim muss sich durch ein mysteriöses Unterwasserhotel kämpfen, um den Informanten Dereo Durand zu befreien.

Dieser wird im untersten Stockwerk des Hotels festgehalten. Beim Durchstreifen der Stockwerke muss sich der Spieler komplett auf sein Gehör verlassen – der Handybildschirm bleibt schwarz.

Ein Jahr lang hat Anna Seibt das Team aus Künstlern und Spieleentwicklern bei Brainstormings, Sprachaufnahmen und während der Produktion begleitet. Am Ende steht ein Hörspiel und eine mobile App, deren 3D-Soundwelt ein überraschendes und intensives Hörerlebnis bietet.

Widerstand gegen Großprojekte in Frankreich
Risse im Beton

Von Ruth Jung

Dienstag, 05.04.2016, 19:15 Uhr, DLF

ZAD, eigentlich das Kürzel für „Zone d’amenagement différé'“: ausgewiesenes Baugebiet, steht auch für „Zone à défendre“: zu verteidigender Raum. Eine wachsende Gruppe von Aktivisten, Zadistes genannt, wehrt sich gegen Großprojekte, die als unnütz, überteuert und umweltschädlich erachtet werden.

Das gilt zum Beispiel für den geplanten Flughafen in Notre-Dame-des-Landes. Dort halten Aktivsten das Gelände besetzt und unterstützen die von Zwangsenteignung betroffenen Bauern. Erste Teilerfolge gaben ihnen Recht. Trotzdem soll das Protestlager 2016 geräumt und die Bauarbeiten sollen fortgesetzt werden.

Im ganzen Land wurden die polizeilichen Repressionen verstärkt. Am 26. Oktober 2014 starb bei Demonstrationen gegen ein Staudammprojekt in Sivens/Tarn ein Botanikstudent. Die Auseinandersetzungen werden härter.

Tod und Frühling (3): Die Rückkehr der Proserpina
Eine sizilianische Trilogie der genreübergreifenden radiophonen Erzählformen

Von Werner Cee

Dienstag, 05:04.2016, 23:00 Uhr SWR2 ars acustica

Der dritte Teil von Werner Cees sizilianischer Trilogie „Tod und Frühling“ ist eine klangkünstlerische Pastorale. Sie kombiniert historische O-Töne sowie neue Field Recordings aus Sizilien mit dem traditionellen Sprechgesang des „Cunto“ und Motiven aus der Drone- und Rockmusik. Cee versucht hier, die akustischen Landschaften Siziliens in eine künstlich-künstlerische Form der Fruchtbarkeit zu übertragen, in die die Saga von der Rückkehr Proserpinas sich spiegelt.

Die Ausstrahlung wird auf swr2.de mit einer Foto-Dokumentation Werner Cee begleitet.

Autisten in IT-Unternehmen
Der Spezialist ist Autist

Von Anja Kempe

Mittwoch, 06.04.2016, 00:05 Uhr, DR Kultur

Die besonderen Begabungen von Autisten im IT-Bereich sind begehrt wie die seltenen Erden in der Hightech-Industrie. Die IT-relevanten Märkte werden sich in den nächsten zehn Jahren verdoppeln, es fehlen also Tausende Spezialisten in den Bereichen Softwareentwicklung, Netzwerktechnologie und Datenbank-Management.

Google und Microsoft suchen daher fieberhaft nach Autisten und ihren herausragenden Fähigkeiten auf diesen Gebieten. Auch der deutsche Softwarehersteller SAP beschäftigt seit 2014 Autisten. Die Autorin Anja Kempe hat sie besucht.

Rückspiegel, Speicher und Loops
Tonspuren der Künstlerin Michaela Melián

Von Martin Zeyn

Freitag, 08.04.2016, 20:10 Uhr, DLF

Bildende Künstlerin, Hörspielautorin, Musikerin und Covergirl der legendären Zeitschrift „Mode und Verzweiflung“: All das ist oder war Michaela Melián. Ihre Zeichnungen, Installationen und Nähmaschinenbilder hat sie in Kunstvereinen, Messen und Galerien ausgestellt.

Für ihr erstes Dokumentarhörspiel „Föhrenwald“ erhielt sie gleich den Hörspielpreis der Kriegsblinden. Vier Platten hat sie bisher als Solokünstlerin herausgebracht und mit der Band F.S.K. (die laut Diedrich Diederichsen für „die deutsche Intelligenz musiziert“) tourt sie seit 35 Jahren.

Melián gehört zu einer Generation von Frauen, die noch auf einen männlich dominierten Kunstmarkt traf. Daher auch das Arbeitsinstrument, das viele ihre Bilder unverkennbar macht: die Nähmaschine. Ein Sinnbild für weibliche, untergeordnete Tätigkeit wird bei Melián zur Signatur ihrer künstlerischen Handschrift: Sie zeichnet mit Nadel und Faden.

Bi-Normal
Grenzbereiche des Bipolaren

Von Christian Lerch und Irina Balzer

Samstag, 09.04.2016, 13:05 Uhr, Bayern2, Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Vor fünf Jahren bekam Justine die Diagnose „Bipolare Störung“. Betroffene pendeln zwischen depressiven und manischen Phasen, denen von außen häufig mit Unverständnis und Abwehr begegnet wird. Bipolarität zählt zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen in Deutschland.
Die Folgen von Justines Diagnose waren Medikamente, Nebenwirkungen und berufliche Ausgrenzung. Ständig beobachtete sie ihr Verhalten, ob ihre Stimmungen und ihr Verhalten zu extrem waren. Nach einer Zwangseinweisung und mehreren psychiatrischen Untersuchungen wurde Justines Diagnose widerrufen. Immer mehr Experten warnen vor der Pathologisierung von psychischen Abweichungen. Doch viele Betroffene finden in der Diagnose endlich eine Erklärung für ihr Leiden. Wie Olivia, 49 Jahre alt: „Vor der Diagnose fühlte ich mich wie der Zweig einer dünnen Birke. Durch die Medikamente wurde ich zu einem Baumstamm.“

Das Uwe-Johnson-Puzzle
Von Mecklenburger Versuchen, eines Dichters habhaft zu werden

Von Alexa Hennings

Samstag, 09.04.2016, 18:05 Uhr, DR Kultur

Ein Tonstudio, 365 Bürger aus Mecklenburg-Vorpommern lesen Uwe Johnsons Jahrestage. Manche tun sich schwer mit seiner Sprache. Und mancher Mecklenburger tut sich schwer mit Uwe Johnson selbst – er ging im Unfrieden, manche vergessen ihm das noch immer nicht.

Gleichzeitig werben mehrere Kleinstädte damit, Vorbild für „Jerichow“ zu sein, den Ort, in dem Uwe Johnsons Romanfigur Gesine Cresspahl lebte. Bis auch sie die mecklenburgische Heimat verließ.

DADA á gogo
Eine Wiedergeburtsanzeige

Von Maidon Bader

Sonntag, 10.04.2016, 14:05 Uhr, SWR2

Im April 1916 wird im Cabaret Voltaire in der Züricher Spiegelgasse der Dadaismus ausgerufen. Und zwar so laut, dass Nachbar Wladimir Iljitsch Lenin die Polizei ruft. Jedenfalls behauptet das die Legende. Eine von zahllosen DADA-Legenden. Wahr ist, dass DADA die Kunst aufmischte, überlief und unterwanderte, jede Menge Tabus nachhaltig brach, um dann wieder zu verschwinden. Scheinbar. Denn als im Jahr 2002 das Haus des Cabaret Voltaire verkauft werden soll, kommt DADA in beinah wiedergängerischer Manier zurück. Und nun, zum Hundertsten der Bewegung?
Maidon Bader hat die Wiedergänger getroffen: Paul Dorn alias St. Pauli alias Dornimauge, der das „Dadamt Zörich“ leitet. Die Londoner Künstlerin Alice McCabe, die wegen DADA fünf Jahre in Zürich gelebt hat. Und den tschechisch-schweizerischen Künstler Mark Divo, der zwischenzeitlich als „König des DADA“ galt – nun aber nur abwinkt. Lebt DADA? Oder sind es nur letzte Zuckungen? Oder sind die Zuckungen umgekehrt Zeichen einer Wiedergeburt?

Lamento!
Ein Ausflug ins Tal des Jammerns

Sonntag, 10.04.2016, 18:05 Uhr

Von Bettina Mittelstraß

Was ist dran am Jammern, Mäkeln und Maulen? Ist es eine bewährte Methode zur psychischen Entlastung oder einfach nur das Geheule bedauernswerter Jammerlappen?

Ist das klägliche Jammern eine gleichermaßen menschliche und tierische Kommunikationsform mit bestimmten akustischen Merkmalen? Warum wird aus Kummer, Verzweiflung und Ärger gejammert? Oder hat das Jammern einfach Methode? Wer neigt eigentlich zum Jammern und wer perfektioniert es und wie? Eine neugierige Reise durch Jammertäler und andere Jämmerlichkeiten.

 

Radiotipps für die Woche vom 28. März bis 3. April 2016

Ältestes bewahrt mit Treue, freundlich aufgefasstes Neu
Von Tradition und Wandel

Von Hans-Joachim Simm

Montag, 28. März 2016, 18:05 Uhr, hr2

Experiment mit einem Vogel und einer Luftpumpe, Joseph Wright of Derby, 1768

Das „Neue“ als das Nie-Dagewesene oder Fremde soll, so Goethe, „freundlich“ in eine Wechselwirkung mit dem Alten als dem Bekannten und zu Erhaltenden treten. Wie aber begegnen sich Altes und Neues tatsächlich, auf dem Gebiet der Religion, der Wissenschaft, der Literatur, der Künste, der Gesellschaft?

Das Themenspektrum, dem sich das Feature widmet, reicht vom Traum der Rückkehr zum Ursprung über die Vorstellung der „ewigen Wiederkehr“ des Gleichen, in dem Altes und Neues verschwinden, bis zur Idee des historischen Fortschritts und der Hoffnung auf goldene Zeiten.

Die Brüder Edgar und Manfred Hilsenrath
Zwei Seiten der Erinnerung

Von Volker Dittrich

Dienstag, 29.03.2016, 19:15 Uhr, DLF

Edgar und Manfred Hilsenrath, geboren 1926 und 1929, aufgewachsen in Halle a. d. Saale, mit der Mutter 1938 zum Großvater in die Bukowina emigriert. 1941 deportiert ins Ghetto Moghilev-Podolsk und 1944 von der Sowjetarmee befreit. Nach dem Krieg führen Edgars und Manfreds Wege auseinander und zusammen: zwei Lebenserinnerungen.

Edgar schlägt sich nach Palästina durch, Manfred gelangt 1946 mit der Mutter nach Lyon zum Vater, der in Frankreich überlebt hat. Auch Edgar trifft Ende 1947 dort ein. Manfred Hilsenrath will studieren und Ingenieur werden. Edgar, der schon mit 15 seinen ersten Roman geschrieben hat, fühlt sich als Schriftsteller. Der Vater zwingt beide Söhne, eine Kürschnerlehre zu absolvieren und in diesem Beruf zu arbeiten.

1950 wandert Manfred in die USA aus. Edgar folgt ihm ein Jahr später. Manfred arbeitet bei Lockheed in einem Forscherstab für die amerikanische Raumforschung. Edgar, der am 2. April 2016 seinen 90. Geburtstag feiert, lebt vor allem in der Vergangenheit, die er in seinen Romanen bearbeitet. Edgar Hilsenraths Wohnsitz ist seit 1975 Berlin, Manfred Hilsenrath lebt seit 15 Jahren in Arkansas.

Die Entstehung einer Oper in vier Akten
Mimìs Muff

Von Jens Schellhass

Mittwoch, 30.03.2016, 00:05 Uhr, DR Kultur

Jens Schellhass begleitet den Opernregisseur Benedikt von Peter über neun Monate und dokumentiert die Entstehung der Oper „La Bohème“ am Bremer Theater.

Wir erleben den Regisseur in der sogenannten ›Stunde Null‹, vor der er sich immer wieder fürchtet, die Zeit, in der er zum ersten Mal über eine Inszenierung nachdenkt. Wie er mit dem Libretto ringt.

Geht es wirklich um die wahre Liebe? Hürden bauen sich auf: Die Herren sollen in Frauenkleidern Ballettunterricht nehmen. Das Theater erwartet einen Erfolg, das Publikum soll strömen, auch des Geldes wegen, und um die Politik nicht zu enttäuschen.

Der Druck wächst, bis zum Premierenabend.

Gefährliches Erbe
Landminen in Kambodscha

Von Karin Hutzler

Mittwoch, 30.03.2016, 22.03 Uhr, SWR2

Obwohl Antipersonenminen seit dem Inkrafttreten des Ottawa-Vertrags 1999 weltweit geächtet sind und ihr Einsatz, Verkauf und Lagerung verboten, werden sie auch heute noch in Kriegen und Bürgerkriegen eingesetzt. Denn über 30 Länder haben diesen Vertrag nicht ratifiziert. Nach dem Ende eines bewaffneten Konflikts ist vor allem die Zivilbevölkerung einer Gefahr ausgesetzt, die noch Jahrzehnte lang von Minen ausgeht. Menschen, die einen Minenunfall überleben, tragen meist schwerste Verletzungen davon und sind ihr Leben lang auf Hilfe angewiesen. Kaum ein anderes Land wurde so sehr vermint wie Kambodscha. Seit Jahren wird dort versucht, das gefährliche Kriegserbe loszuwerden. Die Minenräumung leistet dabei neben der unmittelbaren Gefahrenbeseitigung auch einen wichtigen Beitrag zur Armutsbekämpfung, da dekontaminiertes Land wieder bewirtschaftet werden kann.

Psychologie eines Sehnsuchtsortes
Die Tauben vom Hauptbahnhof

Von Rainer Schildberger

Freitag, 01.04.2016, 20:10 Uhr, DLF

Bettler und Obdachlose, die Hast der Berufstätigen und die Träume der Wartenden. Der Bahnhof ist Sinnbild für das Etappenhafte, das Bruchstückhafte, das Fragmentarische, die Instabilität, aber auch die Bewegung unseres Lebens. „Die Mysterien finden am Hauptbahnhof statt“. Dieser Satz von Joseph Beuys ist Ausgangspunkt und zentraler Fokus des Features.

Gemeint ist, dass Erkenntnisse über den Sinn des Lebens auf der Straße zu finden sind. Besonders am Hauptbahnhof als Nucleus und exemplarischer Ort des Geheimnisses. Der Autor geht hinein in die ergebnisoffenen Situationen, die der Bahnhof bietet. Er trifft Menschen, die einfach nur sitzen und schauen und andere die herumfahren müssen, weil sie es zuhause nicht aushalten. Und dann ist da noch die Taube hoch oben in der gläsernen Kuppel. Sie kennt jeden, sie sieht alles. Sie erzählt von den Banalitäten und Besonderheiten eines Sehnsuchtsortes.

Culture Clash im Königreich?
Die Frauenband Zwirbeldirn in Saudi Arabien

Von Christine Auerbach

Samstag, 02.04.2016,13:05 Uhr, Bayern 2, Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Saudi Arabien ist ein Land ohne Kino, ohne Konzerte, ohne öffentlichen Tanz.

Die Musikgruppe Zwirbeldirn, das sind drei junge Geigerinnen (und ein Bassist), die neue Volksmusik machen und damit an die Ränder bayerischer Tradition gehen – gegen Geschlechterrollen und altbackene Klischees.

Saudi Arabien und Zwirbeldirn – das sind zwei Welten, die nun im Jahr 2016 aufeinander treffen.

Autorin Christine Auerbach begleitet die Band zu ihrem Auftritt auf dem Kulturfestival Al-Jenadriyah in Riad, 2016 ist Deutschland Gastland und das Goethe Institut organisiert Musik- und Kulturveranstaltungen für die eine Million Besucher, mit denen das Festival jährlich rechnen kann.
Drei Konzerte wird Zwirbeldirn auf dem traditionellen Festival spielen – die einzige Auftrittsmöglichkeit in Saudi Arabien, bei der Musik und Tanz unter Auflagen erlaubt sind.
Sprengt der Auftritt den kulturellen Rahmen des Festivals, und wie steht das Publikum, zu den selbstbewussten jungen Frauen, wie die Religionspolizei, die das Festival überwacht? Wie positioniert sich Zwirbeldirn als deutsche Frauenband in einem Land, in dem Frauen nicht einmal den Führerschein machen dürfen? Ist es gerechtfertigt, eine solche Einladung überhaupt anzunehmen oder stellt sich die Band damit zu sehr in den Dienst der deutschen Wirtschaft, die sich auf dem Festival prominent präsentiert?
Das Feature begleitet Zwirbeldirn auf ihrer Reise in ein Land, von dem man wenig weiß und über das viel spekuliert wird. Und stellt dabei die schwierige Frage, was Musik bewirken kann – und wo ihre Grenzen sind.
Christine Auerbach, Jahrgang 1981, ist für den BR immer wieder im Ausland unterwegs. Am liebsten erzählt sie dabei anhand von kleinen Geschichten von großer Politik. Ihre Recherchen haben sie bisher nach Russland, Ägypten, USA und Frankreich geführt. 2012 hat sie dafür den CNN-Journalist Award erhalten.

Wüstenblumen
Oder: Die Beschneidung von Mädchen

Von Heike Tauch

Samstag, 02.04.2016, 18.05 Uhr, DR Kultur

Nach Schätzungen der WHO leben heute auf der Welt rund 150 Millionen Frauen mit Genitalverstümmelung – in Deutschland um die 50.000. Millionen Mädchen droht jedes Jahr dieses Schicksal. Wie lässt sich dieses grauenvolle Ritual beenden?

Diese vor allem in Afrika angewendete Praxis, ist durch die Migration nach Europa längst auch bei uns ein Thema.

Was ist erforderlich, damit diese archaische Tradition zumindest hierzulande endet und nicht in den Nischen sich ausbreitender Parallelgesellschaften fortgeführt wird?

Tod und Frühling (2): La Mattanza
Eine sizilianische Trilogie der genreübergreifenden radiophonen Erzählformen

Hörstück von Werner Cee

Sonntag, 03.04.2016, 14.05 Uhr, SWR2

Jedes Frühjahr führt die Route der Thunfische direkt an Favignana vorbei. Im Laufe von 900 Jahren entstand dort eine rituelle Form der Thunfischjagd. Die letzte Mattanza ereignete sich 2007. Im Mai gibt es in Favignana keine Fische mehr, dafür Touristen. Von der Mattanza gibt es aber noch alte Aufnahmen, es erzählen von ihr noch Gesänge und es leben noch Zeitzeugen.

Die Wand erzählt mir alles
Der blinde Bergsteiger Andy Holzer

Von Juliane Möcklinghoff

Sonntag, 3. April 2016, 18:05 Uhr, hr2

Sechs der höchsten Berge aller Kontinente hat er bereits bestiegen, nur einer fehlt noch: der Mount Everest. Doch sehen wird er ihn niemals, genauso wenig wie all die anderen Gebirgszüge. Denn Andy Holzer ist von Geburt an blind.

In einem österreichischen 800-Seelen-Dorf wächst er auf. Die Eltern wollen ein normales Leben für ihren blinden Sohn, nehmen ihn im Alter von neun Jahren mit zu einer Klettertour. Sein Schlüsselerlebnis: Nicht nur, dass er sich, je steiler es wird, vorwärts tastend auf allen Vieren besser zurecht findet als Sehende, am Gipfel des Spitzkofels erfährt er zum ersten Mal seine spätere Leidenschaft: „Über mir war nur noch Himmel – das war ein ergreifendes Gefühl“, sagt Holzer 40 Jahre später.
Seitdem hat er unzählige Bergtouren hinter sich – auch alleine. Andy Holzer ertastet sich die Berge, hört mögliche Hindernisse am Hall seiner Schritte. In seiner Philosophie ist Unabhängigkeit „der größte Schwachsinn, den die Menschheit erfunden hat“.

 

Radiotipps für die Woche vom 21. bis 27. März 2016

Diese Wunde Sizilien
Drei Frauen und ihre Insel

Von Heike Brunkhorst und Roman Herzog

Dienstag, 22.03.2016, 19:15 Uhr, DLF

Drei Frauen, drei Generationen, ein Gefühl: eine Ambivalenz zu ihrer Heimat Sizilien. Sie alle wollen versuchen, eine andere Realität der Insel zum Vorschein zu bringen. Eine Realität, die die tiefen Wunden Siziliens zeigt und die Schönheit neben der Brutalität entdeckt.

Sizilien: Himmel und Hölle zugleich. Für viele Bewohnerinnen ist das Lebensgefühl durch eine Hassliebe geprägt. Sie sprechen von ihrer Arbeit und ihrem Leben, dem, was Sizilien so anziehend wie abstoßend macht. Und sie entwerfen so ein Porträt einer Insel, die vielleicht ganz anders ist, als das Klischee es behauptet.

Durch Tattoo- und Piercingstudios
Bodies Under Attack

Von Elodie Pascal

Mittwoch, 23.03.2015, 00:05 Uhr, DR Kultur

Seit Urzeiten verändern Menschen ihr Äußeres durch Haare schneiden, Nägel lackieren oder Ohren durchstechen. Die einen gehen zum Schönheitschirurgen, um sich die Brüste oder Lippen vergrößern zu lassen, die anderen mögen Tätowierungen, Piercings, Implantate.

Ein junges Mädchen, von Neugier getrieben, begibt sich auf eine Abenteuerreise durch Tattoo- und Piercingstudios. Wie wird es nach Gesprächen mit Ärzten, Psychologen und Body-Artists den eigenen Körper modifizieren?

Tatort Textilfabrik
Über die Klage pakistatischer Brandopfer gegen KiK

Von Caspar Dohmen

Mittwoch, 22.03.2016, 22.03 Uhr, SWR2

Der Textildiscounter Kik war einer der Hauptabnehmer von Ali Enterprises in Pakistan. 2012 starben bei einem Brand in der Textilfabrik 260 Arbeiter, auch weil viele Fenster vergittert und Fluchtwege versperrt waren. Muhammad Hanif hat das Unglück überlebt. Er organisierte sich mit anderen Betroffenen und fordert Entschädigung. Engagierte Anwälte, Gewerkschaftsvertreter und Aktivisten von NGOs halfen ihnen und wurden deswegen scharf angegriffen, bis hin zu Todesdrohungen. Hanif und drei weitere Betroffene reichten schließlich im Frühjahr 2015 vor dem Landgericht Dortmund Klage auf Schmerzensgeld gegen KiK ein. Der Fall ist für deutsche Gerichte ein Novum. Es gilt zu klären, ob ein inländisches Unternehmen für Produktionsbedingungen bei einem Zulieferer im Ausland haften muss. Wie immer die Klage am Ende ausgeht, sie dürfte erhebliche Konsequenzen haben für den Umgang mit der Verantwortung in den globalen Lieferketten der Industrie.

Näher zu Gott – Frömmigkeit im Wandel der Zeit

Von Kai Lückemeier

Freitag, 25. März 2016, 12:05 Uhr, hr2

Frömmigkeit, verstanden als „gelebter Glaube“, unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft, ist keine Erfindung des Christentums. Wer der Frömmigkeit nachspürt, wird ihre Spuren in unterschiedlichsten Kulturen finden, von den prähistorischen Epochen bis heute.

In der Geschichte des Christentums hatte der „gelebte Glaube“ so unendlich viele Gesichter, dass es unmöglich scheint, sie in all ihren historischen Facetten aufzuzeigen. Aber es ist möglich, den Blick auf historische Wendepunkte zu lenken, in denen sich die Frömmigkeitspraxis grundlegend veränderte. Solche Phasen eines gesellschaftlichen Frömmigkeitswandels gab es mehrfach.

Alle Glaubensspaltungen, die das Christentum seit der frühchristlichen Antike erschütterten, waren Aufstände einer neuen Frömmigkeit gegen die durch Routine abgestumpften Glaubenskonventionen. Die Reformer – von der etablierten Kirche stets diskreditiert und oft verfolgt wie die Häretiker des Mittelalters – haben sich dabei immer auf eine höhere Wahrheit berufen: auf die reinere Lehre, den stärkeren Glauben, auf die größere Nähe zu Gott und der Heiligen Schrift.

Zu diesen bedeutenden Umbruchphasen zählen, wie in diesem Feature zu zeigen versucht wird, das Hoch- und das Spätmittelalter, die Reformationszeit, das Zeitalter der Aufklärung und unsere Gegenwart, in der die Frömmigkeit eine bemerkenswerte Renaissance erlebt.

Zukunft TV
Was kommt nach der Glotze?

Von Oliver Buschek

Freitag, 25.03.2016, 20:05 Uhr, DLF

In den Achtzigern erreichten große Unterhaltungsshows wie „Wetten, dass…?“ 20 Millionen Zuschauer. Mit dem Aufkommen der Privatsender bröckelten zwar die Quoten, doch das TV-Angebot blieb überschaubar. Selbst wer das schlüpfrige „Tutti Frutti“ nicht sehen wollte, wusste doch zumindest, dass es existierte. Und heute?

Das Dickicht an Digitalkanälen ist kaum noch zu durchdringen. Daneben erreichen auch Selfmade-Stars wie der Psychologiestudent Florian Mundt alias „LeFLoid“ mit ihren Eigenproduktionen auf Youtube eine Million Zuschauer, vor allem jüngere. Und manche Fernsehproduktion zielt schon gar nicht mehr auf die TV-Quote ab, sondern auf den Klick-Erfolg im Internet.

So verliert das einstige Lagerfeuer der Nation an Relevanz, das Publikum zersplittert in immer mehr und immer kleinere Zielgruppen. Welche Zukunft hat das Fernsehen da noch? Und wie stellen sich Programmmacher und Moderatoren auf die neue Zeit ein?

Erzählt wird das Feature anhand der Porträts dreier sowohl ehemaliger wie künftiger Fernsehmacher, die wir bei ihrer täglichen Arbeit begleiten – und deren Wege sich vermutlich genauso selten kreuzen wie die ihres Publikums.

Nächste Etage: Erlösung
Eine religiöse Weltreise in sechs Stockwerken

Von Matthias Leitner

Samstag, 26.03.2016, 13:05 Uhr, BR2

„München ist die City of God“, ruft Joe Danqua, Pastor der versammelten Gläubigen aus Afrika. Wenige Sekunden zuvor hat er den heiligen Geist beschworen, jetzt weint vor ihm eine junge Frau und betet in Ekstase zu Jesus. Ein Stockwerk darüber beenden zeitgleich indische Sikh gerade ihr Sonntagsmahl, gemeinsames Essen ist essentieller Teil der Zeremonie. Egal welcher Religion man angehört, egal ob arm oder reich, ob Mann oder Frau, für jeden Gast haben die Sikh einen warmen Chai-Tee und würziges Daal.
Die Mitglieder von sieben verschiedenen Religionen beten in den sechs Stockwerken der Machtlfinger Straße 10 in München. Neben der afrikanischen Pfingstgemeinde und den Sikh bereiten sich auch afghanischen Sunniten, irakische Schiiten, Muslime aus dem Togo und Indonesien, sowie Engelsgläubige aus Südamerika zum Gebet vor. Begonnen hat alles damit, dass der ehemalige Imam der afghanischen Gemeinde, Sidigullah Fadai, einen Ort schaffen wollte, in dem verschiedene Religionen zusammenkommen, sich austauschen und friedlich koexistieren. Mittlerweile hat er das Haus wieder verlassen, nicht ganz freiwillig und enttäuscht über die Engstirnigkeit seiner eigenen Gemeinde.
Das Feature „Nächste Etage: Erlösung“ ist eine Weltreise in gerade einmal sechs Stockwerke, eine Reise von Indien bis Ghana, vom Irak bis nach Afghanistan, eine Reise ins religiöse Herzen Münchens, das Portrait eines chaotischen Mikrokosmos, vor allem aber der Menschen die täglich darin aus und eingehen.
Matthias Leitner, Jahrgang 1983, ist ein vielfach ausgezeichneter Autor und Regisseur für Hörfunk, Fernsehen und Film. Er schreibt über Wissenschaft, Popkultur und das alltägliche Leben. Seit 2012 ist er Kurator für „Interactive Media“ auf dem DOK.fest München.

New Yorker und ihre Haustiere
Pets & the City

Von Lisbeth Jessen

Samstag, 26.03.2016, 18:05 Uhr, DR Kultur

Jedes Jahr im Herbst werden in der St.-Johns Kathedrale in New York Haustiere gesegnet – am Tag des Heiligen Franz von Assisi. Dieses Jahr ist auch Hund Lily mit dabei.

Seine Besitzerin Janice lebt allein, Lily ist ihre einzige Gefährtin. Nach den Anschlägen des 11. September diagnostizierten die Ärzte eine Angststörung bei Janice.

Dadurch konnte sie Lily als „emotional support animal“ (ESA) registrieren lassen. Nun kann Lily überallhin mitkommen, wo Tiere sonst nicht erwünscht sind – vom Restaurant bis ins Museum.

 

Radiotipps für die Woche vom 11. bis 19. März 2016

Schriftsteller auf dem Balkan
„Wir sind Profis für Versöhnung und Verständigung“

Von Volker Dittrich

Dienstag, 15.03.2016, 19:15 Uhr, DLF

Auf dem Balkan entstehen seit einigen Jahren viele Initiativen von Autoren, um den Austausch zwischen den ehemals verfeindeten Balkan-Nationen zu fördern. Die erste „verbotene Balkan-Liebe“ begannen der albanische Intendant und Stückeschreiber Jeton Neziraj aus Priština im Kosovo und der serbische Autor Saša Ilić, beide geboren 1972.

Seit 2011 organisieren die beiden Autoren das Internationale Literaturfestival Polip in Priština im Kosovo, zu dem sie Autorinnen und Autoren aus allen Balkanländern einladen. 2010 wurde in Split ein Writer in Residence-Programm aufgelegt, zu dem als erster Stipendiat ein serbischer Autor nach Kroatien eingeladen wurde.

Es bedurfte beharrlicher Überzeugungsarbeit, die Finanzierung für eine Schriftstellerwohnung zu ermöglichen. Inzwischen gibt es solche Austauschprogramme auch in Sarajewo, Belgrad, Priština und Tirana.

Atheisten im Predigerseminar
Pfarrer

Nach dem gleichnamigen Dokumentarfilm von Stefan Kolbe und Chris Wright

Mittwoch, 16.03.2016, 00.05 Uhr, DR Kultur

Was passiert, wenn zwei atheistische Autoren Zugang zu einem Predigerseminar bekommen? Und das in Wittenberg, der Lutherstadt, einst Hochburg der deutschen Reformation, heute gelegen in einer der ungläubigsten Ecken Europas.

Ein Jahr lang begleiten die Autoren eine Gruppe Männer und Frauen in ihrer Ausbildung zum Pfarrer. Anfangs geht es noch um das Erlernen religiösen Handwerks. Aber im Laufe der Zeit sehen sich Protagonisten wie Filmemacher zunehmend mit den grundlegendsten menschlichen Fragen konfrontiert. Grenzen verschwimmen – zwischen Glauben und Unglauben, Trost und Verzweiflung. Es entsteht ein intimer Dialog über unsere fundamentalen Bedürfnisse nach Liebe, Geborgenheit und Sinn.

„Dass es knallte, bekam man mit“
Die Deutschen und der Genozid in Ruanda

Von Arndt Peltner

Mittwoch, 16.03.2016, 22.03 Uhr, SWR2

Als in den Abendstunden des 6. April 1994 die Maschine des ruandischen Präsidenten im Anflug auf Kigali abgeschossen wurde, war das der Auslöser für einen Massenmord an der Tutsi-Minderheit im Land. In rund 100 Tagen wurden fast eine Million Menschen ermordet. Die westlichen Nationen zeigten sich überrascht, griffen nicht ein und weigerten sich lange Zeit, von einem Genozid zu sprechen. – Warum schaute die Weltöffentlichkeit weg? Auch die verschiedenen staatlichen Einrichtungen Deutschlands vor Ort in Ruanda reagierten nicht, obwohl sie sehr wohl mitbekamen, dass gezielt auf einen Massenmord hingearbeitet wurde. So machte sich Deutschland mitschuldig an der Eskalation der Gewalt. Wie es dazu kam, versucht das Feature zu klären.

Schriftsteller und ihre Lebensentwürfe
Federball, der durch den blassblauen Himmel fliegt

Von Roland Koch

Freitag, 18.03.2016, 20:10 Uhr, DLF

Wolfgang Utschick wurde nach seinem Suhrkamp-Debüt 1979 Logenschließer am Theater. Dort hat er eine Überlebensecke gefunden – und fühlt sich endlich frei. Wie beginnt eigentlich eine Schriftstellerbiographie, und wie endet sie: So wie man einen Text anfängt und beendet. Fünf Autoren berichten über ihre persönlichen Lebens- und Schreibentwürfe. Welche Sehnsüchte und Phantasien sind mit dem Autorendasein verbunden? Was verändert sich durch äußere Einflüsse und Misserfolge?

Tatort Textilfabrik
Ein Feature über die Klage pakistanischer Brandopfer gegen KiK

Von Caspar Dohmen

Samstag, 19.03.2016, 13:05 Uhr, Bayern 2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Der Textildiscounter Kik war einer der Hauptabnehmer von Ali Enterprises in Pakistan. 2012 starben bei einem Brand in der Textilfabrik 260 Arbeiter, auch weil viele Fenster vergittert und Fluchtwege versperrt waren. Muhammad Hanif hat das Unglück überlebt. Er organisierte sich mit anderen Betroffenen und fordert Entschädigung. Engagierte Anwälte, Gewerkschaftsvertreter und Aktivisten von NGOs halfen ihnen und wurden deswegen scharf angegriffen, bis hin zu Todesdrohungen. Hanif und drei weitere Betroffene reichten schließlich im Frühjahr 2015 vor dem Landgericht Dortmund Klage auf Schmerzensgeld gegen KiK ein. Der Fall ist für deutsche Gerichte ein Novum. Es gilt zu klären, ob ein inländisches Unternehmen für Produktionsbedingungen bei einem Zulieferer im Ausland haften muss. Wie immer die Klage am Ende ausgeht, sie dürfte erhebliche Konsequenzen haben für den Umgang mit der Verantwortung in den globalen Lieferketten der Industrie.

Geliehene Wörter
Von Büchern, die wandern

Von Mareike Maage und Sebastian Peter

Samstag, 19.03.2016, 18.05 Uhr

Im Feature erzählen Menschen ihre Geschichten über verliehene und geliehene Bücher. Die Episoden beinhalten Freundschafts- und Liebesgeschichten und solche, die mit den geliehenen Wörtern beendet waren.

In jedem Bücherschrank finden sich Bücher, die ihr Besitzer sich ausgeliehen hat. Es finden sich aber auch die Lücken. Von Büchern verursacht, die man selbst verliehen hat, obwohl sie einem viel bedeuteten.

Munition Gedicht

Von Helgard Haug und Thilo Guschas

Sonntag, 20.03, 2016, 14.05 Uhr, SWR2

Die ägyptische Militärdiktatur ist zurück. Medien werden zensiert, Demonstrationen verboten. Aber die Verse sind noch auf der Straße. Poeten lesen ihre Gedichte im Internet und werden von Fernsehshows wie Popstars gefeiert. 2011 beflügelten Strophen des Hippiedichters Ahmed Fouad Negm den friedlichen Protest. Entstanden in politischer Haft in den sechziger Jahren. Eine Flaschenpost durch Jahrzehnte. Heute sitzen wieder zehntausende politische Gefangene ein, Islamisten wie Linke. Schmieden sie neue lyrische Munition, die durch Mauern geht? Über Kassiber korrespondiert das Autorenduo Helgard Haug und Thilo Guschas mit dem Dichter Omar Hazek, der einst vor Millionenpublikum die panarabische Castingshow „Prince of Poets“ gewann. Eben noch saß er in Haft. Nun kommt er frei. Was beschwören aktuelle arabische Verse? Gehen sie neuen Taten voran – wie der Blitz dem Donner?

Zwischen historischer Normalität und gesellschaftlicher Herausforderung

Von Astrid Nettling

Sonntag, 20. März 2016, 18:05 Uhr, hr2

Seit vergangenem Jahr bewegt das Thema Migration, Fremdheit und Integration die bundesdeutschen Gemüter.

Zum einen wird zum einen die schiere Menge von Zuwanderern von einigen als bedrohlich empfunden, zum anderen ist es deren Fremdheit, die bei manchen Angst auslöst. Dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund des islamistischen Fundamentalismus. Auch wenn Migration, wie die Migrationsforschung betont, einen historischen Normalfall darstellt, stellt der neuerliche Strom von Zuwanderern eine enorme gesellschaftliche Herausforderung dar.
Wieviel Fremdheit verträgt eine Gesellschaft? Wie kann sie fruchtbar damit umgehen, jenseits von Ausgrenzung, Fremdenangst und Fremdenfeindlichkeit? Und was erfordert es wiederum von Seiten der Zuwanderer, die hier in unserem Land heimisch werden wollen? Diesen Fragen geht Astrid Nettling in ihrem Feature nach.

 

Radiotipps für die Woche vom 7. bis 13. März 2016

Szenen einer russisch-deutschen Ehe
Die Geschichte ist nicht zu Ende

Von Tita Gaehme

Dienstag, 08.03.2016, 18.15 Uhr, DLF

Im hohen Alter reist der deutsche Architekt Reimar K. mit Freunden nach Russland, sie bauen in Pskow ein Kinderheim. Ein Geschenk an die Stadt. Er betrachtet es als Wiedergutmachung, als Aktion der Versöhnung.

Er wollte als Freund in das Land zurückkommen, in das er als 18-Jähriger mit der Wehrmacht einmarschiert war, in dem er sowjetische Kriegsgefangenschaft erlebte. Aus der Arbeitsbeziehung mit der Dolmetscherin Swetlana F. entwickelte sich eine Liebe, eine Ehe. Swetlana, die nie ausreisen wollte, entschloss sich 2008, in Deutschland zu leben. Seitdem wächst ihre Abneigung gegen „das Deutsche“.

Dabei geht es weniger um die alltägliche Abnutzung eines individuellen Gefühls, ihre Ressentiments sind fundamentale Kategorien ihres Denkens. Sie besteht auf ihrer Wahrnehmung des Missverhältnisses zwischen der russisch erlittenen Gewalt und der deutschen Akzeptanz von eigener Schuld. Das Politische überlagert das Private. Reimar K. hofft auf die Rückkehr ihres Vertrauens.

Japan nach der Dreifachkatastrophe Souteigai – Jenseits der Vorstellung

Von Malte Jaspersen

Mittwoch, 09.03.2016, 00:05 Uhr, DR Kultur

Malte Jaspersen lebt seit über zwanzig Jahren in Kyoto. Wie hat die Katastrophe im März 2011 das Leben seiner Familie und seiner Bekannten beeinflusst?

Nach der Dreifachkatastrophe von Erdbeben, Tsunami und Kernschmelze reiste er durchs Land. Er sprach mit Helfern, die Unvorstellbares gesehen haben, mit Eltern aus Fukushima, die versuchen, ihre Kinder vor Radioaktivität zu schützen, mit Anti-AKW-Aktivisten, Priestern und Wiederaufbauspezialisten.

Seit Kurzem gehört zu seinem Hausrat ein Geigerzähler.

Auf Leben oder Tod
Die Konkurrenz der Transplanteure um Organe

Von Martina Keller

Mittwoch, 09.03.2016, 22.03 Uhr, SWR2

Wartelisten todkranker Patienten wurden manipuliert und Regeln zur Vergabe der raren Spenderorgane vielfach gebrochen. Die Ursachen: falsche Anreize, lasche Kontrollen und die erbitterte Konkurrenz der Transplanteure um die Organe. Der ehemalige Chef der Transplantationschirurgie der Universitätsklinik Göttingen musste sich über 2 Jahre vor dem Landgericht Göttingen für sein Verhalten verantworten, wurde aber letztlich wegen unklarer Rechtslage freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls Revision eingelegt. Denn nicht nur in Göttingen, auch in München, Berlin und Leipzig soll systematisch getäuscht und manipuliert worden sein. Der größte Skandal in der Geschichte der deutschen Transplantationsmedizin ist noch nicht ausgestanden.

Grass‘ letzte Besuche in Gdańsk
Oskar und Günter auf der Parkbank

Von Małgorzata Żerwe

Samstag, 11.03.2016, 20.10 Uhr, DLF

Plac Wybickiego, einst Neumarkt, ist ein stiller Platz in einem Wohnviertel von Gdańsk. Am Rand steht eine Bronzebank, auf der sitzt Oskar Matzerath, der Blechtrommler. Lange hat er vergeblich auf seinen Meister gewartet. Zuerst wollte Grass nicht in Bronze gegossen werden.

Dann, als seine SS-Zugehörigkeit bekannt geworden war, wollten die Gdañsker Grass nicht mehr – am liebsten nirgendwo in der Stadt. Obwohl – die deutschen Touristen kommen auch wegen Grass nach Danzig. Im Oktober 2015 nimmt er tatsächlich neben Oskar Platz, in Bronze.

Die Autorin Małgorzata Żerwe ist gespannt, was dann passiert. Sie beobachtet die Bronzebank seit Jahren aus ihrem Küchenfenster und begleitete Günter Grass als Reporterin von Radio Gdañsk, wann immer er in den letzten 15 Jahren vor seinem Tod in seiner Geburtsstadt auftauchte.

Die Ergebnisse hören sich an, wie die Geschichte um die Bank, wie die deutsch-polnischen Beziehungen: Höflich, aber leicht angespannt.

Psychotrauma Flucht – Die Zeit heilt nicht alle Wunden
Ein Feature über junge Geflüchtete damals und heute

Von Gabriele Knetsch

Samstag, 12.03.2016, 13:05 Uhr, Bayern 2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Wie Masees Vater von den Taliban getötet wurde, will er niemandem sagen. Auf jeden Fall raubt die Erinnerung an seine Familie dem 17-Jährigen den Schlaf, lässt ihn in Panik ausbrechen – und lenkt den ehrgeizigen Jungen von seinem derzeit wichtigsten Ziel ab: den Hauptschulabschluss in Deutschland zu schaffen.

Auf seiner zweieinhalb Jahre dauernden Flucht ging Mohammed, 17 Jahre alt, aus Kabul viele Tausend Kilometer zu Fuß, fuhr mit Bussen und Lastwagen. Mehrere Monate verbrachte der Jugendliche in Gefängnissen; er überlebte einen Schiffbruch und Folter.

„Ich kann jeden einzelnen Schritt dieser Menschen nachvollziehen“, sagt Richard Sucker, der vor 71 Jahren als „minderjähriger Flüchtling“ aus Breslau floh. Aber auch: „Ich bin neidisch auf die Flüchtlinge von heute, denn uns hat damals niemand geholfen.“

Ulrike Gräf, heute 82, aus Feldafing sieht in ihren Träumen noch immer die Brandleichen aus dem bombardierten Dresden: „Ich möchte helfen, weil die Flüchtlinge heute das gleiche durchmachen wie wir damals“.

Neu ist der Umgang mit Fluchttraumatisierten nicht. Viele deutsche Familien haben selbst Fluchtgeschichten erlebt. Die einstigen Vertriebenen haben ihre Erinnerungen jahrelang verdrängt – um im Alltag zu funktionieren. Die heutigen Bilder von Menschen auf der Flucht erwecken die Erinnerungen jedoch zu neuem Leben.

Über eine Million Flüchtlinge kamen 2015 nach Deutschland, darunter zahlreiche minderjährige Flüchtlinge. Wie viele von ihnen schwer traumatisiert sind wie Maseeh oder Mohammed, weiß man bislang noch nicht. Eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass jeder zweite Flüchtling im Heimatland und auf der Flucht so Schlimmes erlebt hat, dass er als seelisch schwer belastet gilt. Wie aber wird es gelingen, hunderttausende traumatisierte Menschen in die deutsche Gesellschaft zu integrieren? Welche Gemeinsamkeiten gibt es mit den Flüchtlingen unserer eigenen Geschichte? Kann man heute aus den Erfahrungen von früher lernen? Und wie beeinflussen die eigenen Fluchterfahrungen der Deutschen ihre Einstellung zu den Flüchtlingen von heute?

Der mittelamerikanische Exodus
Wenn Kinder nur noch weg wollen

Von Erika Harzer

Samstag, 12.03.2016, 18:05 Uhr, DR Kultur

Sie kommen aus Guatemala, El Salvador und Honduras. Sie sind Kinder oder Jugendliche und durchqueren Mexiko. Eine mörderische Route, bei der sie viel Glück brauchen, um nicht in die Hände von Drogenkartellen, Entführern, Menschenhändlern oder der Migrationspolizei zu fallen.

Zu Hunderten sitzen sie dicht gedrängt auf Dächern von Güterzügen und hoffen ihr Ziel zu erreichen: Die USA. Doch Präsident Obama erwägt angesichts des Ansturms Minderjähriger eine Gesetzesänderung, um diese Kinder schneller abschieben zu können. Die Geschichte einer humanitären Katastrophe.

Jozi-Stories
Das Johannesburg der Künstler

Von Gaby Mayr und Günter Beyer

Sonntag, 13.03.2016, 14.05 Uhr, SWR2

„Die Stadt ist meine Muse“, sagt Billie Zangewa, die aus Malawi nach Johannesburg kam und mit ihrer Textilkunst international Erfolg hat. Jo’burg, Kosename Jozi, ist allerdings eine herbe Göttin der Kunst. Die einst radikale Trennung der Gesellschaft und des öffentlichen Raums ist immer noch Hintergrund und Gegenstand künstlerischer Reflexion. Der Schriftsteller Ivan Vladislavic, aus einer irisch-kroatischen Familie stammend, siedelt seine Geschichten unter den kleinen weißen Leuten im Johannesburger Stadtteil Troyeville an. Niq Mhlongo schreibt über den Ort, an dem er aufgewachsen ist: Soweto. Die Fotografin Lebohang Kganye erzählen in ihren Collagen Geschichten von apartheidgeschädigten Familien. Ihr Kollege Muntu Vilakazi porträtiert die Glitzerwelt der schwarzen Aufsteiger. Und William Kentridge, der wohl bekannteste Künstler in Johannesburg? Versteht sich als überzeugter Bürger der Stadt, ist aber selten dort anzutreffen …

Elefantenjagd – Waffen gegen Elfenbein

Von Bettina Rühl

Sonntag, 13. März 2016, 18:05 Uhr, hr2

Der Schmuggel von Elfenbein ist hoch lukrativ. Wilderer erlegen in Afrika Zehntausende von Elefanten. Zu ihren „Geschäftspartnern“ gehören auch afrikanische Milizen und Terrorgruppen.

In China kostet Roh-Elfenbein bis zu 1800 Dollar pro Kilo. 2002 waren es nur 100 Dollar. Eine Geldquelle auch für islamistische Terrorgruppen wie die somalische Shabaab-Miliz, die Al Qaida nahe steht. Die Elefantenjagd ist brutal effektiv: Die Wilderer sind gut organisiert, benutzen oft militärische Waffen, manchmal sogar Kampfhubschrauber. In Gefahr sind nicht nur die Tiere. Die massive Präsenz internationaler Kartelle destabilisiert auch die ohnehin schwachen Staaten der Region, warnen die Vereinten Nationen.

 

Radiotipps für die Woche vom 29. Februar bis 6. März 2016

Modezeichen roter Stern
Junge Linke in Russland

Von Antje Leetz

Dienstag, 01.03.2016, 19:15 Uhr, DLF

Seit dem Zerfall der UdSSR sind die Revolution von 1917, Marx und Sozialismus in Russland passé – dachte die Autorin. Aber ein leiser Zweifel blieb: Sie traf Menschen, die den Untergang der Sowjetunion bedauerten. Der Kapitalismus sei ungerecht und unsozial.

Bei manchen Jugendlichen entdeckte sie als Modezeichen den roten Stern. Von Linken aber vernahm sie nichts. Als sie aber vor Kurzem auf YouTube sah, wie eine junge Frau auf dem Petersburger Newski-Prospekt die „Internationale“ sang, horchte sie auf: Da muss es noch etwas geben. Also ist die Idee von sozialer Gerechtigkeit in Russland doch nicht gestorben. In Moskau, Petersburg und Nischni Nowgorod traf sie auf eine junge linke Generation, die sich zu Marx, Trotzki und modernen sozialistischen Alternativen bekennt.

Medien in der Krise
Vertrauen ist gut …

Von Ulrich Teusch

Mittwoch, 02.03.2016, 00.05 Uhr, DR Kultur

Die „etablierten Medien“ stecken in der Krise. Zeitungen und Rundfunkanstalten kämpfen um Werbekunden, Auflagen und Online-Klicks – da machen nun auch noch pauschale Vorwürfe von „Lügenpresse“ und „Systemmedien“ die Runde.

Teile des Publikums fühlen sich falsch informiert. Öffentliche und veröffentlichte Meinung driften auseinander – nicht nur in Deutschland, auch in anderen Ländern.

Immer mehr Menschen weichen auf „Alternativmedien“ aus, nutzen die enormen Informationsmöglichkeiten des Internets und basteln sich ihr eigenes Weltbild.

Was kostet die Demokratie?
Die Koch-Brüder und der Wahlkampf in den USA

Von Tom Schimmeck

Mittwoch, 02.03.2016, 22.03 Uhr, SWR2

Niemand mischt massiver in der US-Politik mit als Charles und David Koch – je gut 40 Milliarden Dollar schwer. Sie investieren in ihnen genehme Politiker und Kampagnen, finanzieren Think Tanks und Institute und gründen neuartige Organisationen. Der Koch-gesteuerte Verein „Freedom Works“ soll im Wahljahr 2016 über einen Propaganda-Etat von 889 Millionen Dollar verfügen. „Americans for Prosperity“, von den Kochs finanziert, unterhält Ableger in fast allen Bundesstaaten. Die Koch-Brüder herrschen über den Großkonzern Koch Industries, der Papierfabriken, Pipelines und Raffinerien betreibt. Politisch stehen sie am rechten Rand der Republikaner. Sie agitieren gegen „Obamacare“, sind für weitere Steuersenkungen und bestreiten den Klimawandel.

Reading, Thinking, Looking
Eine Begegnung mit der Schriftstellerin Siri Hustvedt

Von Janko Hanushevsky

Freitag, 04.03.2016, 20:10 Uhr, DLF

Wie sehen, wie erinnern, wie fühlen wir? Was bedeutet es, zu schlafen, zu träumen und zu sprechen? Es sind existenzielle Fragen, denen sich die Schriftstellerin Siri Hustvedt in ihrem essayistischen Werk widmet. Sie hat sich mit Neurowissenschaften, Philosophie, Psychoanalyse und Bildender Kunst auseinandergesetzt.

„Ich glaube nicht“, sagt sie, „dass man den Menschen aus der Perspektive einer einzigen Disziplin heraus verstehen kann.“ Sich selbst bezeichnet sie als streunende Intellektuelle, kultiviert den Status der Außenseiterin, die zwischen den Disziplinen steht und nirgendwo dazugehört.

Hustvedt wurde 1955 in einer Kleinstadt in Minnesota geboren. Die Mutter war eine Immigrantin aus Norwegen, der Vater ein norwegischer Amerikaner. „Wir haben dazugehört und irgendwie auch nicht“. Schon am Anfang steht die Erfahrung des Fremdseins in der vertrauten Umgebung, die Sehnsucht nach dem „Anderswo“.

Als junge Frau wagt sie den Sprung nach New York. Dort lernt sie den unbekannten Dichter Paul Auster kennen, mit dem sie seit über 30 Jahren verheiratet ist.

Warum sie schreibt? „Ich bin angetrieben von einer tiefen Neugier, was es heißt, ein Mensch zu sein.“

Fünfzig Prozent Zukunft
Unser Leben mit der Huntington-Krankheit

Von Nina und Oliver Buschek

Samstag, 05.03.2016, 13.05 Uhr, BR2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Nina Buschek steckte mitten in ihrem Medizinstudium, als bei ihrer Mutter Chorea Huntington diagnostiziert wurde: Eine unheilbare Erkrankung des Gehirns, bei der die Patienten nach und nach die Kontrolle über ihre Körperbewegungen verlieren – oft zeigen sich zudem massive psychische Störungen. Die ersten Symptome treten meistens um das 40. Lebensjahr auf, im Durchschnitt führt Huntington nach 15 Jahren zum Tod.

Ursache der Krankheit ist eine vererbbare Genmutation. Das bedeutet für die Kinder der Erkrankten: Sie tragen ein 50-prozentiges Risiko, dass die Krankheit eines Tages auch sie selbst trifft. Ein Gentest kann Klarheit schaffen, so dass die Betroffenen vor schwerwiegenden Entscheidungen stehen: Wollen sie erfahren, ob ihnen eine leidvolle Zukunft und ein früher Tod bevorstehen? Und wie beeinflusst die Diagnose die Familienplanung?

Gemeinsam mit ihrem Mann erzählt die Autorin die Geschichte ihrer Familie, von schweren Entscheidungen wie der, Kinder zu bekommen, und dem Abwägen zwischen Ungewissheit und womöglich fataler Sicherheit. Sie stellen sich zwingenden Fragen der Humangenetik, treffen ein Ehepaar, das schon seit Jahren mit der Huntington-Erkrankung des Mannes leben muss, und den amerikanischen Neurowissenschaftler Jeff Carroll, dessen Mutter an Huntington gestorben ist – und der gleichzeitig zu den prominentesten Forschern auf diesem Feld zählt. Seine Hoffnungen sind derzeit groß wie nie zuvor: Dank der enormen gentechnischen Fortschritte der letzten Jahre könnte die Entwicklung eines wirksamen Medikaments tatsächlich bevorstehen. Doch für die Träger des Gens läuft die Zeit.

Flucht nach Europa
Kinder von Sodom und Gomorrha

Von Jens Jarisch

Samstag, 05.03.2016, 18.05 Uhr, DR Kultur

Sodom und Gomorrha ist ein Armutsviertel in Accra, der Hauptstadt von Ghana. Tausende Kinder kommen hierher. Ihr Traum heißt Europa. Für die meisten geht er nicht in Erfüllung. Der Autor spricht mit ihnen und geht der Herkunft des Elektroschrotts nach.

Ein Mädchen, das eigentlich in die Schule gehen sollte, verkauft von morgens bis abends Trinkwasser. Um sie herum zerschlagen Jungen, von denen der kleinste sechs Jahre alt ist, gebrauchte Computermonitore und andere Elektrogeräte mit bloßen Händen.

Dann zünden sie die Schrotthaufen an. Wenn alle Kunststoffe verbrannt sind, bleibt Kupfer übrig.

Fukushima 3.11
Der Stoff für Kunst in Japan

Von Barbara Geschwinde

Sonntag, 06.03.2016, 14.05 Uhr, SWR2

Erdbeben, Tsunami und Super-Gau – die Dreifachkatastrophe von Fukushima jährt sich am 11. März zum fünften Mal. Radioaktive Strahlung sieht man nicht, riecht man nicht, schmeckt man nicht. Nach der Schockstarre von 3.11, wie Japaner die Katastrophe von Fukushima nennen, beginnen japanische Künstler mit der Aufarbeitung. Toshio Hosokawa etwa komponiert ein in Salzburg uraufgeführtes tönendes Memorial auf das Gedicht „Klage“ von Georg Trakl. Der Psychiater Kuro Tanino schreibt für das Theater Krefeld-Mönchengladbach das Stück „Käfig aus Wasser“ über einen Mann, der durch die Gefahr der unsichtbaren Strahlung paranoid wird. Fukushima 3.11 ist für die Kunstszene in Japan bis heute ein Thema.

Caroline von Schelling und Dorothea von Schlegel:
Porträt zweier Salonièren des 18. Jahrhundert

Von Margareta Bloom-Schinnerl

Sonntag, 6. März 2016, 18:05 Uhr, hr2

Anlässlich des internationalen Frauentags am 8. März möchten wir an zwei Salonièren des 18. Jahrhunderts erinnern. Caroline und Dorothea sind klug und gebildet, begnadete Briefschreiberinnen, mehrfach verheiratet und scheren sich wenig um die Normen der Gesellschaft.

Caroline wurde 1763 in Göttingen als Professorentochter und Dorothea 1764 in Berlin als Tochter des berühmten Aufklärers Moses Mendelssohn geboren. Vor ihnen liegt ein ebenso leidenschaftliches wie skandalumwittertes Leben, das geprägt ist durch die Salonkultur des 18. Jahrhunderts, durch den engen Umgang mit Dichtern und Philosophen, durch Freundschaftsbünde, Frühromantik und Französische Revolution.

Bittere Ereignisse pflastern ihren Lebensweg, aber auch Sternstunden. Ende des 18. Jahrhunderts treffen sie aufeinander und leben für eine Weile zusammen in Jena in einer Wohngemeinschaft mit den Schlegel-Brüdern. Die Autorin folgt den Spuren der beiden außergewöhnlichen Frauen, die für ihr unkonventionelles Leben einen hohen Preis zahlen mussten.

 

Radiotipps für die Woche vom 21. bis 28. Februar 2016

Bürgermeister mit zwei Pässen
Wie der Marokkaner Ahmed Aboutaleb Rotterdam regiert

Von Claudia Heissenberg

Dienstag, 23.02.2016, 19:15 Uhr, DLF

Die Wahl war geheim und das Ergebnis eine Sensation: Im Januar 2009 übernahm der gebürtige Marokkaner Ahmed Aboutaleb das höchste Amt in Rotterdam. Die zweitgrößte Stadt der Niederlande, in der fast die Hälfte der 600.000 Einwohner Ausländer sind, gilt als eine Hochburg der Rechten.

Die Wahl war geheim und das Ergebnis eine Sensation: Im Januar 2009 übernahm der gebürtige Marokkaner Ahmed Aboutaleb das höchste Amt in Rotterdam. Die zweitgrößte Stadt der Niederlande, in der fast die Hälfte der 600.000 Einwohner Ausländer sind, gilt als eine Hochburg der Rechten. Die rechtspopulistische Partei „Lebenswertes Rotterdam“, damals die größte Fraktion im Parlament der Stadt, bezeichnete den neuen Bürgermeister auch prompt als den falschen Mann an der Spitze einer Stadt, in der sich ein Großteil der Migranten der Integration verweigere.

Für viele Migranten hingegen ist der Sozialdemokrat und strenge Muslim, der bis heute neben der niederländischen auch die marokkanische Staatsbürgerschaft besitzt, der lebende Beweis, dass auch Einwanderer in den Niederlanden Karriere machen können. Für andere ist er ein Überläufer und Verräter, einer, der vergessen hat, wo er herkommt. Denn Aboutaleb ist ein Mann der klaren Worte. Von seinen Landsleuten verlangt er rigoros, die Normen und Werte der niederländischen Gesellschaft zu akzeptieren. Nach dem Anschlag auf die Redaktion der französischen Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ polterte er in einer Fernsehansprache: „Wenn es Euch hier nicht gefällt, wenn Euch Karikaturisten nicht passen, dann haut doch ab!“

Im Visier der Taliban
Ein Feature über afghanische Helfer in deutschen Diensten

Von Rainer Schwochow

Mittwoch, 24.02.2016, 22.03 Uhr, SWR2

Seit 2002 ist die Bundeswehr in Afghanistan im Einsatz. Ohne einheimische Helfer hätte sie ihre Aufgaben nicht erfüllen können. Doch mit dem teilweisen Abzug deutscher Soldaten ist das Leben dieser „Ortskräfte“ gefährlich geworden. Als Mitarbeiter der „Ungläubigen“ werden sie von den Taliban mit dem Tode bedroht. Die Flucht nach Deutschland erscheint vielen deshalb als einziger Ausweg. Doch ihre Anträge auf Einreise bearbeitet die Bundeswehr zögerlich und lehnt sie oft auch ab. Mit fatalen Konsequenzen: Einige Helfer wurden schon umgebracht. Warum reagiert Deutschland so zurückhaltend? Nach welchen Kriterien wird entschieden? Der Autor trifft ehemalige Ortskräfte in Deutschland und Afghanistan; er sucht nach Erklärungen bei Verantwortlichen in Politik und Bundeswehr.

Erinnerungen an Fritz J. RaddatzDandy und Dichter

Von Rosvita Krausz

Freitag, 26.02.2016, 20:10 Uhr, DLF

Fritz J. Raddatz war der widersprüchlichste deutsche Intellektuelle seiner Generation: so gebildet wie geistreich, so streitbar wie umstritten. Geboren 1931 in Berlin, war er von 1960 bis 1969 stellvertretender Leiter des Rowohlt Verlages, von 1977 bis 1985 Feuilletonchef der „Zeit“, von 1969 bis 2011 Vorsitzender der Kurt-Tucholsky-Stiftung.

Die bekanntesten Bücher von ihm sind seine beiden Tagebuchbände. Ohne Rücksicht auf Verluste teilt er darin aus. Oft mit einem Einschlag ins Komische, Übertreibende und rigoros Selbstironische. Rainald Goetz kommentierte: „Den Roman liest man im Rausch, hunderte Seiten in ein paar Tagen, so gierig wie Raddatz gelebt hat“.

Sein letztes Buch hat er noch drei Wochen vor seinem Tod in Hamburg vorgestellt, elegant und wortgewaltig wie immer. Für viele war sein selbstgewählter Tod ein großer Schock. Ein Jahr später geht das Feature dem Leben und Sterben dieses widersprüchlichen Intellektuellen nach.

Über Krieg, Geschichte und Trauma
Jenseits der Trivialisierung des Tötens

Von Heike Brunkhorst und Roman Herzog

Samstag, 27.02.2016, 18.05 Uhr, DR Kultur

Die Psychoanalytiker Françoise Davoine und Jean-Max Gaudillière verfolgen seit 40 Jahren die Weitergabe von Traumata über Generationen hinweg. Ihr Fazit: Gewalt ist das Fundament unserer Kultur.

Was macht extreme Gewalt mit Menschen, die ihr ausgesetzt sind? Janine di Giovanni berichtet seit über 20 Jahren von immer brutaleren Kriegen. Erst im gewöhnlichen Alltagsleben ist sie zusammengebrochen.

Ein israelischer Scharfschütze hat an gezielten Tötungen mitgewirkt und sein Schweigen gebrochen.

Die Draufgängerin

Von Egon Koch

Sonntag, 28.02.2016, 14.05 Uhr, SWR2

Party. Drogen. Koma. Der 16-jährigen Tochter des Autors Egon Koch passierte das, wovor alle Eltern Angst haben. 54 Stunden dauerte es, bis sie wieder aufwachte. Die Zeit auf der Intensivstation war der Höhepunkt im Drama ihres Erwachsenwerdens. In jungen Jahren hatte sie bereits einiges erlebt: Trennung der Eltern und Tod des neuen Partners der Mutter. Überfordert damit, ihrer trauernden Mutter eine Mutter zu sein, suchte sie den Ausweg im exzessiven Feiern. Bis zum völligen Zusammenbruch. Im Krankenhaus erwacht sie als ein anderer Mensch. Auf die Katharsis folgen ein Tattoo, die erste Liebe und immer wieder die Suche nach Momenten von Freiheit und Glück. Sie wird 18, macht das Abitur und geht gereift in eine offene Zukunft. Die Geschichte einer Heranwachsenden ist zugleich eine über das Verhältnis zwischen Tochter und Vater. Seit ihren frühesten Kindertagen hat Egon Koch Gespräche mit seiner Tochter auf Band aufgezeichnet.

 

Radiotipps für die Woche vom 15. bis 21. Februar 2016

Wahlkampf in den USA Was kostet die Demokratie?

Von Tom Schimmeck

Dienstag, 16.02.2016, 19:15 Uhr, DLF

Niemand mischt massiver in der US-Politik mit als „Charles and David Koch“ – je gut 40 Milliarden Dollar schwer. Sie investieren in ihnen genehme Politiker und Kampagnen, finanzieren Think Tanks und Institute und gründen neuartige Organisationen.

Der Kochgesteuerte Verein Freedom Works soll im Wahljahr 2016 über einen Propaganda-Etat von 889 Millionen Dollar verfügen. Americans for Prosperity, von den Kochs finanziert, unterhält Gliederungen in fast allen Bundesstaaten.

Die Koch-Brüder herrschen über den Großkonzern Koch Industries, der Papierfabriken, Pipelines und Raffinerien betreibt. Politisch stehen sie am rechten Rand der Republikaner. Sie agitieren gegen Obamacare für weitere Steuersenkungen und bestreiten den Klimawandel.

Libyen
Eine Reise in den Abgrund

Von Bettina Rühl

Mittwoch, 17.02.2016, 22.03 Uhr, SWR2

In Libyen verhalfen die NATO und einige arabische Staaten vor vier Jahren bewaffneten Milizen zu einem Sieg über den langjährigen Diktator Muammar al-Gaddafi. Doch was ein Systemwechsel werden sollte, führte zu permanentem Bürgerkrieg und zum Kollaps von Gesellschaft, Staat und Wirtschaft. Das Land ist zerfallen, zwei Regierungen ringen um die Vorherrschaft. Konkurrierende Milizen, darunter der Islamische Staat, kämpfen um Einflussgebiete. Ökonomische, ethnische und ideologische Interessen sind dabei kaum unterscheidbar. Für die Bevölkerung wird das Leben immer schwieriger, Lebensmittel und Benzin werden in dem ölreichen Land immer knapper, Medikamente und medizinische Behandlungen zum Luxus. Was ein Kampf für Demokratie werden sollte, stellt sich heute für viele als Kampf ums pure Überleben dar. Wie bewältigen sie überhaupt noch ihren Alltag in einem kollabierten Staat, einer kollabierten Wirtschaft? Wen machen sie für das Chaos verantwortlich, von wem erhoffen sie sich Hilfe.

Fremdenfeindlichkeit im OstenWer ist das Volk?

Von Thomas Gaevert

Mittwoch, 17.02.2016, 00:05 Uhr, DR Kultur

Auch in der DDR gab es Ausländer. Vertragsarbeiter wurden sie genannt. Sie kamen aus Vietnam, Mosambik, Angola und anderen Bruderländern. Doch von sozialistischer Solidarität war nicht viel zu spüren.

Von den DDR-Bürgern wurden die Migranten aber sorgsam abgeschottet. Kam es dennoch zu Begegnungen, gab es Vorbehalte, Diskriminierungen und Konflikte.

Liegen hier die Ursachen für eine besondere Form von Fremdenfeindlichkeit, die sich durch enttäuschte Hoffnungen nach der Wende noch verstärkt hat? Führt von hier ein direkter Weg zur Pegida-Bewegung?

Jozi-Stories
Das Johannesburg der Künstler

Von Gaby Mayr und Günther Beyer

Freitag, 19.02.2016, 20:10 Uhr, DLF

„Die Stadt ist meine Muse“, sagt Billie Zangewa, die aus Malawi nach Johannesburg kam und mit ihrer Textilkunst international Erfolg hat. Doch immer noch bildet die Apartheid den Hintergrund künstlerischer Reflexion in Jo’burg, Kosename Jozi. Familiengeschichten, die von der Apartheid beschädigt wurden.

Die Fotografin Lebohang Kganye etwa hat beim Market Photo Workshop im Johannesburger Zentrum ihre Kunst gelernt. Ihre Collagen erzählen: Ihr Kollege Muntu 
Vilakazi porträtiert die Glitzerwelt der schwarzen Aufsteiger. Der Schriftsteller Ivan Vladislavic, aus einer irisch-kroatischen Familie stammend, siedelt seine Geschichten unter den kleinen weißen Leuten im Johannesburger Stadtteil Troyeville an. Niq Mhlongo schreibt über Soweto, den Ort, an dem er aufgewachsen ist. Und William Kentridge?

Der vielleicht bekannteste Künstler aus Jo’burg ist überzeugter Bürger der Stadt, aber selten zu Hause. Die Autoren besichtigten seine Studios – und treffen ihn schließlich in Amsterdam.

First Contact
Was, wenn die Erde Besuch bekommt?

Von Thomas Palzer

Samstag, 20.02.2016, 13:05 Uhr, Bayern 2

Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Die NASA ist davon überzeugt, dass in den nächsten Jahren extraterrestrisches Leben entdeckt werden wird – und mit ihr sind es die meisten Naturwissenschaftler und die Mehrheit der deutschen Bevölkerung. Aber werden wir außerirdisches Leben überhaupt als solches erkennen können? Und was bedeutet seine Existenz, wenn es denn existiert, für uns – für die Stellung des Menschen im Kosmos?
Im Oktober 1997 gestartet, untersucht die Cassini-Sonde seit elf Jahren den Saturn und seine Monde. Und inzwischen hat er auf den Monden Io, Europa, Titan und Enceladus flüssiges Wasser entdeckt – in Form von gigantischen Ozeanen unter einer dicken Eisschicht. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass demnächst dort primitives Leben nachgewiesen werden kann – und der Unterschied zwischen primitivem und intelligentem Leben ist bekanntlich nur eine Frage der Zeit.
Das Feature stellt sich dem Szenario, dass die Erde Besuch bekommen hat – von einer Sonde aus zweifelsfrei nicht-terrestrischer Hand. Was passiert, wenn wir entdecken müssen, dass wir besucht worden sind und von einer Sonde beobachtet werden, die den Instrumenten ähnelt, mit denen wir ansonsten andere Planeten besuchen und beobachten.
Wird das der so genannte First Contact sein – und: Was nun?

Radiomacher zwischen Berlin und Aleppo
Syria FM

Von Julia Tieke

Samstag, 20.02.2016, 18.05 Uhr, DR Kultur

Sie heißen „Syrische Brisen“, „Radio Seele“, „Unser Land FM“ oder „Radio für alle“ – über 20 syrische Radiosender sind in den letzten drei Jahren entstanden – mit Mitarbeitern in Syrien und Studios im Ausland.

Angetrieben vom Wunsch nach friedlicher Veränderung, wollen die zumeist jungen Radiomacher/innen dem Klang des Krieges etwas entgegen setzen, die Stimme erheben, informieren, endlich frei sprechen. Über das Internet, per Satellit und mit nach Syrien geschmuggelten Antennen überwinden sie im Radioraum Grenzen, verbinden Exil und Heimat.

Die Autorin hat über den Zeitraum eines Jahres syrisches Radio gehört und die Macher in Berlin, Istanbul und Gaziantep besucht.

Angel Radio
Der Soundtrack der Erinnerungen

Von Michael Lissek

Sonntag, 21.02.2016, 14.05 Uhr, SWR2

In der kleinen südenglischen Ortschaft Havant, im Hinterzimmer eines Antiquitätengeschäftes gibt es einen Lokalradiosender, der sich AngelRadio nennt: „A Radio for Older People from Older People“. Bob, Tony, Jilly, Peter und Linda gehören zu den Radiomachern. Alle sind über 70 und Margret ist sogar 91. Sie kümmern sich um ein Publikum, das nicht wesentlich jünger ist als sie selbst. Und spielen ausschließlich Musik, die vor 1960 aufgenommen wurde. Musik, die die Zuhörer an ihre Jugend erinnert. AngelRadio ist „pure nostalgia“. Eine Nostalgie, die sich auch Hörern vermittelt, die die „guten alten Zeiten“ nicht miterlebt haben. Die Schelllackplatten knistern, man hört Folgen eines in den 1940-er Jahren aufgenommenen Kinder-Hörspiels, und die Hörer tauschen sich über ihre frühesten Erinnerungen aus. Ein Feature über die Magie des Radios und seine noch immer lebensspendende Kraft.

 

Radiotipps für die Woche vom 7. bis 14. Februar 2016

Libyen
Eine Reise in den Abgrund

Von Bettina Rühl

Dienstag, 9.2.2016, 19.15 Uhr, DLF

In Libyen verhalfen die NATO und einige arabische Staaten vor vier Jahren bewaffneten Milizen zu einem Sieg über den langjährigen Diktator Muammar al-Gaddafi. Doch was ein Systemwechsel werden sollte, führte zu permanentem Bürgerkrieg und zum Kollaps von Gesellschaft, Staat und Wirtschaft. Wer ist für dieses Chaos verantwortlich?

Das Land ist zerfallen, zwei Regierungen ringen um die Vorherrschaft. Konkurrierende Milizen, darunter der „Islamische Staat“, kämpfen um Einflussgebiete. Ökonomische, ethnische und ideologische Interessen sind dabei kaum unterscheidbar. Für die Bevölkerung wird das Leben immer schwieriger, Lebensmittel und Benzin werden in dem ölreichen Land immer knapper, Medikamente und medizinische Behandlungen zum Luxus.

Was ein Kampf für Demokratie werden sollte, stellt sich heute für viele als Kampf ums pure Überleben dar. Wie bewältigen sie überhaupt noch ihren Alltag in einem kollabierten Staat, einer kollabierten Wirtschaft? Von wem erhoffen sie sich Hilfe?

Kybernetik made in GDR
Deutsches Demokratisches Rechnen
Die Geschichte einer abgebrochenen Computerrevolution

Von Dietmar Dath und Thomas Gebel

Mittwoch, 10.02.2016, 00:05 Uhr, DR Kultur

Was hat die Begeisterung Walter Ulbrichts für die Kybernetik mit der Datensammelei von „BIG DATA“ heute zu tun? Moderne Kybernetik wurde in der Sowjetunion zunächst als reaktionäre Irrlehre bekämpft.

„Bürgerlich“ fand man die Steuerungstheorie, ohne die die heutige Informationstechnik undenkbar ist.

Doch in den Sechziger-Jahren begann auch die DDR mit einem Experiment zur Nutzung elektronischer Datenverarbeitung.

Meine Firma in Bulgarien
Griechische Unternehmer wandern aus

Von Marianthi Milona

Mittwoch, 10.02.2016, 22:03 Uhr, SWR2

Mehr als ein Drittel der griechischen Unternehmen haben eine Hausadresse in Bulgarien, Rumänien, Mazedonien oder Albanien. Dass viele griechische Firmen in den letzten Jahrzehnten in die angrenzenden Balkanländern abgewandert sind, ist nicht neu, hat auch nicht erst mit der Krise in Griechenland begonnen. Dennoch ist die Zunahme ungewöhnlich. Welche Gründe veranlassen einen griechischen Geschäftsmann, sich im benachbarten Land niederzulassen? Und welche Schwierigkeiten erwarten ihn vor Ort? Die griechischen Geschäftsleute erzählen über ihren Alltag im Ausland und die Folgen, die ein solcher Umzug für ihr persönliches Leben, aber auch für die Wirtschaft in ihrer Heimat mit sich bringt.

Fünf Freunde in Syrien
Damaskus mon amour

Von Karin Leukefeld

Samstag, 13.02.2016, 18:05 Uhr, DR Kultur

Keiner der fünf Freunde ist Anhänger der Assad-Regierung. Als im März 2011 in Syrien die Unruhen beginnen, diskutieren sie, was man tun könnte. Sie helfen Inlandsvertriebenen, organisieren kulturelle und sportliche Events, um ein Auseinanderbrechen der Gesellschaft zu verhindern.

Julia arbeitete in einem Ministerium. Amer führte mit Kollegen ein Dolmetscherbüro. Selim war bei einer Versicherung tätig. Jihad träumte von einer Ausbildung zum Journalisten, Safwan wollte an der Uni Karriere machen. Sie sind Christen, Muslime, Ismaeliten, Palästinenser und Drusen.

Der Universalgelehrte Raoul Hausmann
Wir fordern die Erweiterung und Eroberung aller unserer Sinne

Von Joachim Büthe

Freitag, 12.02.2016, 20:10 Uhr, DLF

Am Anfang war Dada. Doch August Sander ordnet Raoul Hausmann in seinem Bildatlas „Menschen des 20. Jahrhunderts“ nicht den Künstlern zu, sondern den Technikern und Erfindern. Er porträtiert ihn im selbst entworfenen, etwas groß geratenen Anzug.

Nach Dada wendet sich Hausmann der Optophonetik zu, seiner Theorie der Umwandlung von optischen in akustische Signale und wieder zurück. Um dies erreichen zu können, wird Hausmann zum Künstleringenieur. Zwei Patente sind auf seinen Namen angemeldet. Diese Wandlung, bei der die dadaistischen Prinzipien der Montage und Collage nicht verloren gehen, macht ihn zu einem der Vorläufer heutiger Medienkunst.

Im Exil lassen sich die technischen Experimente nicht weiterführen. Hausmann wendet sich jetzt der Fotografie zu, sowohl praktisch als auch theoretisch. Sein Versuch, die menschliche Wahrnehmungsfähigkeit zu erweitern, findet ein neues Feld. Seine Grundeinstellung verändert sich jedoch nicht. Sie besteht auch darin, laufend neue theoretische Gebäude zu errichten, um sie umgehend wieder einzureißen. Er bleibt ständig in Bewegung, wechselt furchtlos die Perspektiven und Gebiete und scheut den Selbstwiderspruch nicht. Auch am Ende war Dada.

Die Zeit, die noch bleibt
Auf einer Palliativstation in Heidelberg

Von Reinhard Schneider

Samstag, 13.02.2016 13:05 Uhr, Bayern 2, Wiederholung am Sonntag, 21:05 Uhr

Zwei Wochen lang begleitete der Autor rund um die Uhr Patienten, Angehörige und das Stationspersonal einer Palliativstation in Heidelberg. Irmgard B. führte einst ein kleines Flugunternehmen, jetzt liegt sie im Sterben und singt mit einer Musiktherapeutin alte Schlager. Im benachbarten Zimmer versucht Burkhard B. die Ärzte davon zu überzeugen, seinen nahenden Tod zu beschleunigen. Die Frau eines todkranken Orchestermusikers wirkt plötzlich wie gelöst, als sie erfährt, dass ihr Mann in wenigen Tagen sterben wird. Fast keiner der Patienten hat die vierzehn Tage überlebt. Es waren allerdings nicht nur Kummer und Leid, die der Autor hier erlebte, sondern zugleich Hoffnung und Trost. Sterben kann unter bestimmten Bedingungen gleichsam gelingen. Die Palliativmedizin sieht im Prozess des endgültigen Entschlummerns am Ende des Lebens durchaus Gemeinsamkeiten mit dessen Beginn, der Geburt: Beides bedarf menschlicher Anteilnahme, Hilfe und Zuwendung.

Schnelle Eingreiftruppe mit Musik
Die neuen Aufgaben der Bundeswehr-Orchester

Von Anja Kempe

Sonntag, 14.02.2016, 14:50 Uhr, SWR2

Die Trommeln, Flöten und Posaunen und die Knöpfe der Uniformen blitzen in der Sonne, die durch die Fenster des Probensaals fällt. Die Musikkorps der deutschen Streitkräfte üben für ihre Auftritte in Kriegs- und Krisengebieten. Sie sollen die einheimischen Bevölkerungen mit Musik unterhalten, in Afghanistan, Afrika und anderswo. Intern gilt das als strategischer Kampfeinsatz. Die gegenwärtigen Schlachten könnten nicht mehr allein mit Waffen geschlagen werden, heißt es. Doch wie interpretiert man in Timbuktu oder Kabul ein Platzkonzert mit Schlagzeugsolo, im militärischen Auftrag dargeboten von deutschen Musikfeldwebeln?

 

Radiotipps für die Woche vom 1. bis 7. Februar 2016

Im Gegenwind
Der weltweite Kampf um Lohn und bessere Arbeitsbedingungen

Von Caspar Dohmen

Dienstag, 2. Februar 2016, 19.15 Uhr, DLF

Gewerkschaften, die historisch eine wichtige Rolle bei der Einführung fundamentaler Sozial- und Arbeitsrechte spielten, sind heute fast überall schwach. Der Internationale Währungsfonds sieht eine zentrale Ursache der zunehmenden sozialen Ungleichheit in der Schwäche der Gewerkschaften. Was sind die Ursachen des Niedergangs?

Auf der Suche nach Antworten hat der Autor drei überzeugte Gewerkschafter getroffen: in Pakistan, El Salvador und in Deutschland. Ihre Geschichten zeigen, wie und warum der Kampf um Arbeitnehmerrechte weltweit immer schwieriger wird. Wer sich organisiert, verliert mancherorts seine Arbeit, landet auf schwarzen Listen oder riskiert sogar sein Leben.

Selbst in Europa gibt es Rückschritte. Ohne starke Gewerkschaften bleiben bessere Arbeitsbedingungen in der globalen Arbeitsteilung jedoch eine Illusion.

Pelle oder Panzer
Robert und Robert suchen einen Anzug

Von Beate Berger

Mittwoch, 3. Februar 2016, 00.05 Uhr, DR Kultur

Robert singt. Robert hat bald seinen ersten Auftritt. Robert braucht einen Anzug. Robert kennt sich mit Anzügen nicht aus. Deshalb fragt Robert Robert.

Robert ist der ehemalige Tanzlehrer von Robert. Robert und Robert ziehen los. Durch Kaufhäuser, Fachgeschäfte, Boutiquen. Robert und Robert sind nicht allein. Beate Berger geht mit. Und guckt und hört zu. Und macht sich mit anderen Frauen Gedanken. Was ist das für ein Kleidungsstück, ohne das der Mann nicht kann? Ist der Anzug Pelle oder Panzer? Ist er Bekleidung oder Verkleidung? Macht er den Mann erst zum Mann? Und wenn ja zu welchem?

Mein Essen bau ich selbst an
Das Modell Solidarische Landwirtschaft

Von Jan Schilling

Mittwoch, 3. Februar 2016, 22.03 Uhr, SWR2

Die Biolandwirtschaft steckt in der Krise. Allein in Mecklenburg-Vorpommern hat die Ökolandbau-Fläche 2014 um 6.000 Hektar abgenommen, obwohl der Umsatz bei Biolebensmitteln bundesweit gestiegen ist. Auch Biokonsumenten sind anspruchsvoller geworden, haben sich an gerade gewachsene Möhren gewöhnt. Großbetriebe können die liefern, Kleinbauern aber oft nicht. Sie setzen auf alternative Vermarktungsmodelle wie die Gemüsekiste oder den Hofladen. Die erwiesen sich als wenig erfolgreich: zu hohe Auflagen, zu wenig Abnehmer. Das Modell einer Solidarischen Landwirtschaft soll jetzt Abhilfe schaffen. Es entstand in den späten 80er-Jahren und gilt mittlerweile weltweit als Erfolgsmodell. In Deutschland gibt es rund 100 Höfe, die entsprechend wirtschaften. Meistens übernehmen von Kunden getragene Kooperativen die Verantwortung und die Finanzierung für mehrere Höfe. Sie ernten, holen die Lebensmittel ab und verteilen sie an die beteiligten Familien, die dafür einen regelmäßigen Beitrag zahlen. Ein kleiner Nebeneffekt: weniger Gemüse landet im Müll, weil auch krumme Möhren beim Kunden ankommen. Jan Schilling geht der Frage nach, ob Solidarische Landwirtschaft eine mögliche Antwort auf die Krise der Biolandwirtschaft und die Lebensmittelverschwendung ist oder doch nur ein Nischenmodell.

Bella Fromm
Von der Gesellschaftsreporterin in Berlin zur politischen Exilantin in New York

Von Nea Matzen und Jan Ehlert

Freitag, 5. Februar 2016, 20.10 Uhr, DLF

Zwar lebte die jüdische Journalistin Bella Fromm bis 1938 in Berlin, viel bekannter wurde sie allerdings in den USA. Als Exilantin verfasste sie ein Tagebuch, in dem sie den Aufstieg der Nationalsozialisten schilderte.

„Blood and Banquets. A Berlin Social Diary“ avancierte 1943 zum „New York Times“-Bestseller und war ein wichtiger Bestandteil der Anti-Nazi-Propaganda der Roosevelt-Regierung, die die Bevölkerung vom Kriegseintritt gegen Deutschland überzeugen sollte. Die Entstehungsgeschichte dieses Buchs wirft zugleich ein völlig neues Licht auf die politische Arbeit der Exilanten in den 40er-Jahren. Schon in Deutschland war Fromm eine bestens vernetzte Gesellschaftsreporterin, hatte im Berlin der Zwischenkriegszeit enge Beziehungen in Diplomaten- und Nazi-Kreise.

Das Feature erzählt eine Lebensgeschichte voller überraschender Wenden und liefert ungewöhnliche Einblicke in die jüngere Pressegeschichte. Unveröffentlichte Originaltexte aus dem Archiv in Boston, in dem ihr Nachlass aufbewahrt wird, und Radiointerviews mit US-Sendern aus den 40er-Jahren lassen das Bild einer deutsch-amerikanischen Karriere entstehen.

Unendlicher Spaß e. V.
Aufzeichnungen einer verhinderten Faschingsprinzessin

Von Elisabeth Veh

Samstag, 6. Februar 2014, 13.05 Uhr, Bayern 2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Wenn jedes Jahr am 11.11. die Faschingssaison offiziell eröffnet wird, laufen Training und Vorbereitungen in den bayerischen Faschingsvereinen schon längst auf Hochtouren. Die verzeichnen seit Jahren einen hohen Zulauf an aktiven Mitgliedern und Veranstaltungsbesuchern. Lustig sein hat Hochkonjunktur, auch oder gerade in Krisenjahren, und die Faschingsgesellschaft rangiert vor allem in den ländlichen Gegenden auf einer Ebene mit Freiwilliger Feuerwehr oder Fußballclub. Und macht dabei viel mehr als nur: Spaß. Vielmehr erinnert dieser Hofstaat um Prinzenpaar, Garde und Hofnarren, wie er jedes Jahr wieder in Dörfern und Kleinstädten vom Allgäu bis ins Fichtelgebirge ausgerufen wird, an die Idee von einer perfekten Gemeinschaft: Ernsthaftes Engagement ist ebenso gefordert wie Fleiß und Durchhaltevermögen, wenn Lustig-Sein ein Breitensport ist. Jeder kann etwas erreichen, hat sogar Aufstiegschancen, wenn er nur lang genug dabei ist. Und jeder zählt etwas, auch der, der in monatelanger Kleinstarbeit Umhänge-Orden anfertigt. Der Hofstaat im bayerischen Fasching funktioniert hierarchisch – und er funktioniert. Vielleicht ist er ja die Miniatur einer viel besseren Gesellschaft?

Weil ich Luft zum Atmen brauche
Arabische Filmemacherinnen als Spiegel ihrer Gesellschaften

Von Rebecca Hillauer

Samstag, 6. Februar 2016, 18.05 Uhr, DR Kultur

Filmemacherinnen gehören seit jeher zu den Vorreiterinnen für Frauen- und Menschenrechte in der arabischen Welt. Sie sind auch Dokumentaristen des Arabischen Frühlings und seiner Nachwirkungen.

In Ägypten, wo inzwischen wieder das Militär regiert, hat die koptische Regisseurin Amal Ramsis ein Internationales Frauenfilmfestival initiiert. Ihre franko-tunesische Kollegin Nadia El Fani lebt offen lesbisch – nicht nur in Paris. Seitdem sie sich in einem ihrer Filme zudem als Atheistin outete, steht sie auf der Todesliste von Islamisten.

„Sei selber die Laterne“
Das schillernde, konsequente Leben und Werk des Widerstandskünstlers Fred Denger

Von Hannelore Hippe

Sonntag, 7. Februar 2016, 14.05 Uhr, SWR2

Niemand kennt Fred Denger, dabei hat er ein umfangreiches Lebenswerk hinterlassen. Als junger Mann kämpfte er in einer skurrilen Widerstandsgruppe gegen die Nazis, verfasste danach engagierte Dramen und schrieb zahlreiche Romane. Sein bekanntestes Theaterstück ist „Langusten“, das mit der großen Tilla Durieux Erfolge feierte. Dann machte er Karriere als Drehbuchautor: „Der Ölprinz“ und „Der unheimliche Mönch“, Filme nach Karl May und Edgar Wallace. Bis er schließlich ins Wendland zog und zu einer Lichtgestalt der Anti-Atommüllbewegung wurde. Da hatte er bereits das Alte Testament in den Jargon des späten 20. Jahrhunderts übertragen. Den Erfolg seines „Großen Boss“ erlebte er nicht mehr. Denn er fiel vorher besoffen die Treppe runter. Der Tod erlöste ihn auch von der Suche nach der richtigen Frau – nach zwölf Ehen.

Heinz Erhardt – ein Porträt

Von Karin Köbernick

Sonntag, 7. Februar 2016, 18:05 Uhr, hr2

An diesem Karnevalssonntag möchten wir an einen Komödianten erinnern, der fern allen Karnevalsklamauks als Komiker, Musiker, Komponist und Kabarettist die Menschen bis heute begeistert.

Aber die Autorin wirft auch einen Blick hinter die Kulissen des Komödianten mit der Hornbrille: Sie erzählt von Erhardts Jugend, dem Beginn seiner Karriere, seinen größten Erfolgen auf der Bühne, auf der er immer „noch´n Gedicht“ wusste, und von den raren Momenten, in denen er ganz privat war.

 

Radiotipps für die Woche vom 25. bis 31. Januar 2016

EPAs
Freihandelsabkommen zwischen Europa und Afrika

Von Nora Bauer

Dienstag, 26.01.2016, 19:15 Uhr, DLF

Welche Folgen hat der globale Handel? Für ein Land oder eine Region und die Menschen, die dort leben? Afrika ist am Außenhandelsvolumen Europas mit etwa 2 Prozent beteiligt. Das soll sich jetzt ändern. Die EU möchte mit den Staaten Afrikas Freihandelsabkommen abschließen, die „Economic partnership agreements“, kurz EPAs.

Während die Unterhändler der EU schon auf die enormen Rohstoffe und die endlosen Hektar afrikanischen Ackerbodens spekulieren, verweigern die Afrikaner ihre Unterschrift. Sie befürchten eine Überschwemmung ihrer Märkte mit europäischen Waren. Schon führen die Europäer im großen Stil Milchviehherden ein, um den afrikanischen Verbraucher an den fremden Geschmack von Käse, Quark und Latte Macchiato zu gewöhnen.

Befürworter der Abkommen erwarten eine Verdoppelung der Handelsvolumina in den kommenden zehn Jahren, Kritiker befürchten einen „run“ auf die Rohstoffe und eine „Europäisierung“ der Lebensgewohnheiten. Sie fordern Unterstützung für den Ausbau der heimischen Produktion, um die wirtschaftliche Entwicklung nicht zu blockieren und die Identität des Kontinents zu wahren.

Geschichten aus dem KitKatClub
Orgie, jede Woche

Von Christoph Spittler

Mittwoch, 27.01.2016, 00.05 Uhr, DR Kultur

Um den 1994 eröffneten KitKatClub in Berlin ist eine Szene von Clubs und Partycliquen entstanden, in der ganz unterschiedliche Milieus aufeinander treffen: der Operntenor im Babydoll und der rollstuhlfahrende Bodypainter, solariumsgebräunte Vorstadtpärchen und weißhaarige Althippies, schwule Bodybuilder und spießige Normalos.

Was hinterlässt es für Spuren, jedes Wochenende, jahrelang, abzutauchen in diese Welt aus Sex, Trance, ohrenbetäubender Musik und chemischen Katalysatoren?

Woher diese Sehnsucht nach der totalen Orgie?

Der Preis der Heilung

Von Nikolaus Nützel

Mittwoch, 27.01.2016, 22.03 Uhr, SWR2

Neue Arzneien, etwa gegen die chronische und lebensbedrohende Leberentzündung Hepatitis C, machen vielen Patienten Hoffnung auf Heilung. Allerdings nutzen die Hersteller den Patentschutz ihrer Medikamente, um Höchstpreise zu verlangen. So gilt ein neues Hepatitis-Präparat als teuerstes aller Zeiten. Die „1000-Dollar-Pille“ scheint erst der Anfang einer breiten Entwicklung, fürchten Fachleute. Wie sind die schwindelerregenden Preise der Pharmafirmen kalkuliert? Der Widerstand von Krankenkassen und Ärzten wächst gegen eine rein marktwirtschaftliche Logik im Gesundheitswesen. Hat die Gesundheitspolitik in einem renditeorientierten und globalen Markt überhaupt Handlungsspielräume? Es ist ein Machtkampf entbrannt, bei dem Patienten und Beitragszahler die Leidtragenden sein könnten.

Heteroptera
Die Wissenskünstlerin Cornelia Hesse-Honegger

Von Christine Nagel

Freitag, 29.01.2016, 20:10 Uhr, DLF

Cornelia Hesse-Honegger zeichnet und malt Insekten und Kleintiere. Weltweit bekannt wurde sie mit ihren Bildern von deformierten Wanzen, lateinisch: Heteroptera. Nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl machte sie über das Zeichnen Entdeckungen, die sie nicht mehr losließen. Sie dokumentierte verformte Beine, Fühler und Flügel, außergewöhnliche Farbmuster oder bizarre Auswüchse.

Bald bestätigte die Wissenschaft ihre vorsichtigen Schlüsse: Besonders die Niedrigstrahlung verursacht genetische Schäden, die erst in späteren Generationen sichtbar werden. Am 28.Oktober 2015 erhielt Cornelia Hesse-Honegger für ihr aufklärerisches Werk den Nuclear Free Future Award.

Ihre künstlerische Arbeit steht in der Tradition der metaphorischen Zeichnung. Dabei findet die Erkenntnis nach und aufgrund der Bildwerdung statt. Es lehrt das Sehen als „Erlangen von Einsicht“.

Whistleblowing in den USA
Heimat der Mutigen
Warum Edward Snowden fliehen musste

Von Dieter Wulf

Samstag, 30.01.2016, 18.05 Uhr, DR Kultur

Spätestens als im Juni 2013 Edward Snowden Hongkong Richtung Russland verließ, war klar: Zurück ins „Land der Freiheit, Heimat der Mutigen“, wie es in der amerikanischen Nationalhymne heißt, kehrt der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter voraussichtlich nicht.

Frühere Whistleblower sind sich einig: In den USA hätte Snowden keinen fairen Prozess zu erwarten. Der Autor spricht mit ehemaligen NSA-Mitarbeitern und Tipp-Gebern, Informanten und Menschenrechtsaktivisten, Wissenschaftlern und Snowden-Vertrauten sowie Mitarbeitern beim „Government Accountability Project“, der führenden Whistleblower-Schutz-Organisation.

Wir sind nur Passagiere
Das Leben des Ignace Isekemanga zwischen Hannover und Kinshasa

Von Andreas Kebelmann

Sonntag, 31.01.2016, 14.05 Uhr, SWR2

„Als meine Mutter mir gesagt hat, wir gehen zurück nach Afrika, hab ich gedacht: ich geh zurück in die Hölle.“ Ignace Isekemanga wurde 1987 als Drittjüngster von neun Geschwistern in Kinshasa geboren und kam mit einem Jahr nach Saarbrücken. Er wuchs in Deutschland auf, ging im Alter von 14 Jahren wieder in den Kongo, machte dort das Abitur, kehrte mit 19 zurück nach Deutschland und begann Politikwissenschaften in Hannover zu studieren, wo er heute lebt. „Ich habe immer das Gefühl, dass ich irgendwas für den Kongo machen muss. Das ist wie ein permanenter Druck.“ Zusammen mit Freunden gründete der 28-jährige Ignace Isekemanga die Musik-Band Bugaro International. „Einer unserer Träume ist, dass wir Konzerte im Kongo geben.“

 

Radiotipps für die Woche vom 11. bis 17. Januar 2016

Unbequeme Helfer
Die PKK und ihr Kampf gegen den IS

Von Marc Thörner

Dienstag, 12.01.2016, 19:15 Uhr, DLF

Selbstmordattentate, Selbstverbrennungen, Geiselnahmen, ein Personenkult, der an die dunkelsten Zeiten des Stalinismus erinnert – all das gehört zur Geschichte der PKK, der Kurdischen Arbeiterpartei. Nicht nur die Türkei, auch viele westliche Staaten stufen die PKK bis heute als Terrororganisation ein. Ist der Aufschwung nur ihrem militärischen Erfolg geschuldet?

Oder wirft sie ideologischen Ballast ab? Seit PKK-Truppen sich als die erfolgreichsten im Krieg gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) erweisen, wandelt sich das Bild, gewinnt sie Anhänger über nationale, ethnische und politische Grenzen hinweg.

Hat sie das Zeug, sich zu einem Katalysator des Säkularismus in der Region zu entwickeln, einer starken und mehrheitsfähigen Gegenkraft zum religiös begründeten Fanatismus?

Der Autor recherchiert in Erbil, im nordirakischen Einflussgebiet der PKK, den Kandil-Bergen und an den Kriegsfronten.

Take Me Home
Oder: Ist es überhaupt Gesang?

Von Michael Lissek

Mittwoch, 13.01.2016, 00.05 Uhr, DR Kultur

Jeden Sonntagabend singen sie in einer Bowling-Bahn in Berlin Karaoke: Dave, Willy, Jenny und viele andere. Country-Songs, Phil Collins, Barry Manilow, Silbermond. Doch was sie tun, ist mehr als Nachsingen.

Sie benutzen die Songs der anderen, um ihre persönlichen Geschichten zu erzählen: von toten Vätern, verhunzten Kindheiten, verlorenen Partnern, fehlendem Selbstwertgefühl, verlorener Heimat und von der Hoffnung – der Hoffnung etwas vermitteln zu können, was jenseits der eigenen Ausdrucksmöglichkeiten liegt. „Let’s just imitate the real, until we find a better one.“ (The Notwist) Ihr Gesang ist ihre Erzählung. Die fremden Lieder sind ihre Geschichten.

Der Zaun
Ungarn macht die Grenzen dicht

Von Anna Frenyo

Mittwoch, 13.01.2016, 22.03 Uhr, SWR2

Ungarn ist nicht das einzige europäische Land, das seine Grenzen mit einem Zaun vor dem Flüchtlingszustrom zu schützen versucht. Die Vehemenz, mit welcher das Grenzöffner-Land von 1989 allerdings im Sommer 2015 vorging, macht es dennoch zu einem Sonderfall. In bloß zwei Monaten wurde der 175 km lange Zaun an der serbisch-ungarischen Grenze errichtet, Mitte Oktober folgte die 300 Kilometer lange grüne Grenze zu Kroatien. Die UNHCR warnt vor einer humanitären Katastrophe am Zaun, Naturschützer warnen vor Schäden in der Tierwelt. Wie konnte er überhaupt so schnell errichtet werden, wer hat ihn finanziert und woher kam der Maschen- und Stacheldraht eigentlich? Die Autorin hat sich auf beiden Seiten des Zaunes umgehört und erstaunliche Geschichten erfahren, von Häftlingen und Arbeitslosen, die für den Bau zwangsverpflichtet wurden, von ausländischer Unterstützung, von Flüchtlingen und freiwilligen Helfern, die er trennt.

Der syrische Exilschriftsteller Aboud Saeed
Von Damaskus bis Wikipedia

Von Thomas Böhm

Freitag, 15.01.2016, 20:10 Uhr, DLF

Die syrische Revolution machte aus dem 1983 geborenen Schmied und Schweißer Aboud Saeed einen Schriftsteller. Weil die Demonstrationen das Klima der Angst durchbrachen, das Syrien lähmte, begann Saeed auf Facebook seine Sicht der Dinge zu veröffentlichen.

Seine respektlosen Statusmeldungen, in denen er Privates, Revolutionäres, Alltägliches und Absurdes vermischt, erschienen in Deutschland unter dem Titel „Der klügste Mensch im Facebook“ und brachten Saeed den Ruf eines „arabischen Bukowski“ ein.

Nach einer Lesereise im Jahre 2013 bat er um Asyl, lebt und schreibt seither in Berlin. Thomas Böhm begleitet ihn durch die Stadt, in der Saeed „allen Hundesorten begegnete, die ich bisher nur aus Zeichentrickfilmen kannte“, von Drogensüchtigen überfallen wurde und „ein Stück Kreide sucht, um auf die Reste der Berliner Mauer zu schreiben: Wo sind die guten alten Zeiten geblieben?“

Abends nimmt Böhm neben Saeed Platz, als dieser die mal aufgebrachten, mal begeisterten Kommentare zu seinen Posts aus der arabischen Welt beantwortet und bei „Schwester Google“ vorbeischaut, darauf wartend, dass sein Name in der Wikipedia erscheint.

Herr K.
Eine Affäre mit dem Sozialamt

Von Inge Braun

Samstag, 16.01.2016, 13.05 Uhr, BR2

Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Als Empfänger von staatlicher Grundsicherung im Alter müsste sich Herr K. auf existenziell sicherem Grund wähnen. Für ihn tut sich ein Abgrund auf. In die Rolle des Bittstellers beim Sozialamt gedrängt, fühlt er sich ungerecht behandelt. Als die Behörde Sozialleistungen von ihm zurückfordert, setzt er sich entschlossen zur Wehr. Der Fall eskaliert.
Das Feature dokumentiert die jahrelangen Auseinandersetzungen und gibt einen Einblick in das Leben eines Sozialrentners. Dabei wird auch das durch prekäre Beschäftigungsverhältnisse produzierte System von Altersarmut und Grundsicherungsabhängigkeit mit all seinen bürokratischen Regelungen und Restriktionen hinterfragt.

Kriegsalbum
Was die neuen Heimkehrer nach Hause bringen

Von: Jörg Lukas Matthaei, Milena Kipfmüller und Klaus Janek

Samstag, 16.01.2016, 18.05 Uhr, DR Kultur

Seit 1999 befindet sich Deutschland im Krieg – doch hier ist davon wenig zu spüren. „Kriegsalbum“ sammelt die Erlebnisse gegenwärtiger Kriegsheimkehrer: von Soldaten, Journalisten, Mitarbeiterinnen von NGOs.

Sie geben Einblick in die realen Kriegsszenarien, die sich vor Ort brutaler darstellen, als es uns die bereinigten Nachrichtenbilder vorführen. Die Berichte treten in einen akustischen Dialog mit Berliner Alltagsgeräuschen: Partysounds vom Wochenende, Stimmen von Flüchtlingen, Fußballjubel in der Eckkneipe.

Zero Friction
Das Generische – Welt ohne Eigenschaften

Von Olaf Karnik und Volker Zander

Sonntag, 17.01.2016, 14.05 Uhr, SWR2

S, M, L, XL – die Gesichtslosigkeit internationaler Flughäfen inspirierte den niederländischen Architekten Rem Kohlhaas zu einem Buch, dessen Titel aus den Kürzeln für die Standardmaße der Standardkonsumwelt besteht – ob bei T-Shirts oder Popcorn-Tüten. 20 Jahre ist das her. Inzwischen gibt es ganze Städte, die nach Standardmaßen standardmäßig geplant werden – ohne Eigenschaften, ohne Identität, reibungsfrei und gleitfähig, allgemein und selbstverständlich. In New York wird „Normcore“ als Modetrend ausgerufen. Gesichtslose Hotelketten wie „Motel One“ erweisen sich als Lieblingsunterkünfte einer neuen Generation von Geschäftsleuten und Touristen. Räume und Waren ohne Profil. Schrecklich traditionslos. Und wunderbar ideologiefrei.

Angel Radio – Der Soundtrack der Erinnerungen

Von Michael Lissek

Sonntag, 18.01.2016, 18.05 Uhr, hr2

In der kleinen südenglischen Ortschaft Havant, im Hinterzimmer eines Antiquitätengeschäftes, existiert seit einigen Jahren ein Lokalradio, das sich Angel Radio nennt. Hier gehen ältere Radiobegeisterte auf Sendung: Bob, Tony, Jilly, Peter, Linda. Allesamt über 70 Jahre alt, und Margret ist 91. Die Moderatoren kümmern sich um ein Publikum, das nicht wesentlich jünger ist als sie selbst. Schelllackplatten knistern, man hört Folgen eines alten Kinder-Hörspiels, und die Hörer tauschen sich über ihre Erinnerungen aus. Ein Feature über die Magie des Radios und seine noch immer lebensspendende Kraft.

Radiotipps für die Woche vom 7. bis 13. Dezember 2015

Die deutsche Asylbürokratie und ihre Folgen

Von Achim Nuhr

Dienstag, 8. Dezember 2015, 19.15 Uhr, DLF

Nach den Misshandlungen in Flüchtlingsheimen vor allem in NRW räumte der zuständige Innenminister Ralf Jäger im Herbst 2014 ein, dass man Standards aus dem Auge verloren habe. Inzwischen reisen immer mehr Flüchtlinge nach Deutschland und das gesamte Asylsystem steht auf dem Prüfstand.

Städte fühlen sich von Landesregierungen allein gelassen, die Länder vom Bund. Das Feature deckt an Beispielen grundsätzliche Systemfehler auf: Warum beherbergt z.B. die bettelarme Stadt Wuppertal viel mehr Asylbewerber als das viel größere Düsseldorf? Warum bekommt Düsseldorf trotz gleich hoher „Kopfpauschalen“ viel mehr Geld erstattet? Und warum lobt „Pro Asyl“ trotzdem Wuppertal, wo Flüchtlinge besser leben würden als in der reichen Landeshauptstadt?

Trotz neuer Standards stößt der Autor in einem abgelegenen Wald auf ein Heim, aus dem die meisten Flüchtlinge mit unbekanntem Ziel verschwunden sind – der Briefkasten quillt über vor Behördenpost. Woanders warten Verfolgte seit Jahren auf ihr erstes Behördengespräch. Ein Jobcenter torpediert wegen Sprachdefiziten eine Ausbildung, wie der betroffene Flüchtling auf Deutsch erzählt.

Ein Feature über Zustände in der deutschen Asylbürokratie.

Reihe Spielregeln
Peter Stein oder: Das Wort! Der Sinn! Die Tat!

Von Katharina Teichgräber

Mittwoch, 9. Dezember 2015, 00.05 Uhr, DR Kultur

Ganze Schauspielergenerationen beeinflusste Peter Stein durch die Art, wie er Stücke zusammen mit den Akteuren entwickelte. „Nachschöpferisch!“, sagt er dazu bescheiden.

Dem Autor so treu wie möglich! Dabei braucht er die Qualitäten eines Feldherrn bis die 10-stündige Fassung von ›Wallenstein‹ auf der Bühne ist oder nach zwei Monaten Durchproben, 15 Stunden täglich, der Dostojewski aufgeführt wird.

Peter Stein lebt in Italien auf dem eigenen Landgut, mit eigenem Theater und eigenem Ölivenöl: „San Pancrazio“! Zur Olivenernte lädt er Schauspieler und andere Liebhaber des Theaters ein. „Konzentriert arbeiten wir gemeinsam an einem Projekt.“ Das ist die Steinsche Lebensform. Ob im Olivenhain oder im Theater.

Wie wollen wir wohnen?
Über solidarische Wohnprojekte

Von Jochen Rack

Mittwoch, 9. Dezember 2015, 22.03 Uhr, SWR2

Die Zahl der Single-Haushalte steigt seit Jahren, doch das Bedürfnis nach neuen Wohnformen jenseits althergebrachter WGs ebenso. „VinziRast-mittendrin“ z.B. ist ein weltweit einzigartiges Wohnprojekt im 9. Wiener Bezirk. Hier wohnen und leben seit 2013 Studenten mit ehemals Obdachlosen zusammen. Die Architektur des umgebauten Biedermeierhauses öffnet sich bewusst in den urbanen Raum und schafft so Aufmerksamkeit und Verständnis für sonst abgedrängte soziale Randgruppen.

Ein weiteres Beispiel ist das Augsburger „Grandhotel Cosmopolis“, wo in einem ehemaligen Altenheim Asylbewerber und Hotelgäste zusammenwohnen. Angesichts der Flüchtlingsströme kann die intelligente Nutzung städtischer Resträume das Entstehen von Ghettos und menschenfeindlichen Containerdörfern verhindern und Integration ermöglichen. Das Feature stellt kollektive Wohnformen vor, in der die Idee des Miteinanders praktisch gelebt wird.

Wovon lebst du eigentlich?

Von Jörn Morisse und Rasmus Engler

Freitag, 11. Dezember, 20.10 Uhr, DLF

2007 erschien der Band „Wovon lebst du eigentlich? – Vom Überleben in prekären Zeiten“. Unter dem Motto: Unverblümte Fragen, klare Antworten interviewten die beiden Autoren Jörn Morisse und Rasmus Engler damals 20 Künstler und Kreative. Sie förderten dabei erstaunlich offene Antworten über deren finanzielle Verhältnisse zutage.

Nicht zuletzt dadurch hat das Buch in der Szene einigen Nachhall erzeugt. Denn auf einmal wusste jeder, dass der so erfolgreich wirkende Galerist Ralf Krüger eine Zeit lang auf Sozialhilfe angewiesen war und der Künstler Jakobus Siebels schon zufrieden war, wenn er am Ende des Tages 20 Euro in der Tasche hatte.

Während Wolfgang Herrndorf, der sein Leben unter anderem mithilfe eines Jobs bei der Deutschen Post finanzieren musste, gestand: „Selten hat mich irgendetwas so glücklich gemacht wie dieser Gehaltsscheck am Ende des Monats.“ Jetzt, die Digitalisierung vieler Lebensbereiche, der Streit ums geistige Eigentum, der Kunstmarktboom und die weitere Prekarisierung später, besuchen die Autoren die Protagonisten von einst erneut und fragen nach.

Was hat sich verändert? Wo sind die prekären Künstler heute gelandet? Wie viel Geld haben sie heute in der Tasche und wie denken sie über die Entwicklung der vergangenen Jahre?

Deutsches Wintermärchen Marokko

Von Rosie Füglein

Samstag, 12.12.2015 13.05 Uhr, Bayern2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Festschmaus
Kalbsembryonenverkostung

Von Christoph Theiler

Samstag, 12. Dezember 2015, 18.05 Uhr, DR Kultur

Embryonen in der Haute Cuisine – ein exklusives Vergnügen, das einige mutige Esser unternommen haben. Eine Frischzellenkur für verwöhnte Gaumen auf Basis des Wiener Schnitzels. Die Sendung erzählt von einer Reise, die bei der Kalbsembryonengewinnung beginnt, über die Entwicklung verschiedener Verarbeitungsmethoden führt und beim finalen Menüplan endet.

Christoph Theiler lädt ein in die Welt ausgefallener Spezialitäten: Embryonenschinken mit kandierten Zitronen oder Kalbsaugen auf Placentaparfait. Im Rahmen dieses Experiments wird über Schlachtethos, Lebensmittelhygiene, Tierschutz, Landwirtschaft, Gentechnik und Gourmettempel diskutiert.

Waswaswas wowowo bistbistbist dududu?
Mein Anrufbeantworter oder Eine kleine Geschichte des Abhörens

Von Florian Felix Weyh

Sonntag, 13. Dezember 2015, 13.05 Uhr, SWR2

Mehr als 20 Jahre lang lagen sie in der Schublade: kleine Mikrocassetten, die einst im Anrufbeantworter steckten mit mal witzigen, mal hilflosen, mal virtuosen Kommunikationsversuchen. Florian Felix Weyh bewahrte sie auf und hat nun etwas zu erzählen: die Geschichte des Anrufbeantworters von der ersten drei Zentner schweren Telefonaufzeichnungsanlage bis zum heutigen gewichtslosen „Servicemerkmal Mailbox“. Gespeichert, abgehört und – manchmal – weitergeflüstert wird immer noch. Und immer noch redet man mit dem AB wie mit einem alten Freund – oder Feind. Denn manchmal wird besinnungslos geschimpft, gedroht, geflucht. Selbst Bundespräsidenten sind davor nicht gefeit …

Einmal hat mein Mann mir zu Weihnachten einen Besen geschenkt – Die Schriftstellerin Grace Paley

Sonntag, 13. Dezember 2015, 18.05 Uhr, hr2

Von Manuela Reichart

„Grace Paley gehört zu einer seltenen Gattung von Schriftstellern mit einer Stimme, wie niemand sonst sie hat: komisch, traurig, bescheiden, energisch, genau“, schwärmte einst Susan Sontag von der – 2007 gestorbenen, in Amerika hoch angesehenen – Autorin.

Geboren wurde Grace Paley als Tochter jüdischer Einwanderer 1922 in New York, berühmt mit ihren Kurzgeschichten, in denen – fast immer aus weiblicher Perspektive – von den „kleinen Widrigkeiten des Lebens“ erzählt wird. Sie war engagierte Feministin und Friedensaktivistin, eine der prägenden Autorinnen der amerikanischen Frauenbewegung in den 70er Jahren.
Ihre Short Stories werden gegenwärtig (in neuen deutschen Übersetzungen) wiederentdeckt und damit eine literarische Stimme, die stets dem gesprochenen Wort, dem Klang der Sprache auf der Spur war und die absurden Wendungen des Alltags ins Zentrum rückte: „Einmal hat mir mein Mann zu Weihnachten einen Besen geschenkt. Das war nicht recht. Niemand kann mir erzählen, er hätte es nett gemeint.“

 

Radiotipps für die Woche vom 29. November bis 6. Dezember 2015

Wie Akram Aylisli vom lebenden Klassiker zum Volksfeind wurde

Von Ernst von Waldenfels

Dienstag, 1.12.2015, 19.15 Uhr DLF

Eine Novelle hat sein ganzes Leben verändert. Akram Aylisli, aserbaidschanischer Schriftsteller prangerte die Verehrung eines zu Recht verurteilten Militärs nach seiner Rückkehr an. Seither ist er Volksfeind Nr. 1 in dem kaukasischen Staat.

2004 hackte ein aserbaidschanischer Leutnant namens Ramil Safarow einem armenischen Offizier mit einer Axt den Kopf ab. Es geschah bei einem NATO-Lehrgang in Ungarn. Angeblich hatte der Armenier im Beisein von Safarow einem anderen Armenier irgendetwas zugeflüstert und dabei gegrinst.

2012 kehrte Safarow nach langer Haft in Ungarn nach Aserbaidschan zurück, wo man ihn unter dem Jubel des Volkes mit Ehrungen überschüttete und sofort beförderte. Doch für einen Mann war dies unerträglich. Es war der schon über 70 Jahre alte Schriftsteller und lebende Klassiker der aserbaidschanischen Literatur Akram Aylisli. Als Reaktion gab er eine Novelle zur Veröffentlichung frei, die von der Vernichtung der Armenier in der Türkei und den antiarmenischen Pogromen in Aserbaidschan Ende der 1980er-Jahre handelt. Womit er über Nacht zum Volksfeind Nr. 1 wurde.

Seine Bücher wurden verbrannt, Frau und Kinder verloren die Arbeit, er selbst wurde mit Verstümmelung bedroht und im Parlament wurde angeregt, seine Gene auf armenische „Verunreinigung“ untersuchen zu lassen. Das Feature wurde im Juni mit dem renommierten Radiopreis des Osteuropa-Netzwerks „n-ost“ ausgezeichnet.

Leiser Regen auf der Autobahn

Von Lionel Quantin

Mittwoch, 2.12.2015, 00.05 Uhr, DR Kultur

In meiner Kindheit stand jeden Sommer die große Fahrt nach Alicante an, mit Zwischenhalt an der spanischen Grenze bei der schwermütig dreinschauenden Großmutter. Vor dem Einschlafen lauschten wir dem Rauschen der Autos, die unweit von ihrem Gebäude vorbeifuhren. Am nächsten Tag ging die Fahrt weiter, die Autobahn war ohne Ende: „Wie viele Kilometer sind’s noch?“

Auf den Rücksitzen die Badetücher als Sonnenschutz oben in die Scheiben geklemmt; Halt auf Raststätten, wo man unter dem Wellblech der Auto-Unterstände in der Gluthitze erstickte; die Musik, nie laut genug, um gegen den Motorenlärm anzutönen; das lange helle Asphaltband, das sich in einem weißen Himmel verlor; das riesige schwarze Werbeschild in Stierform, das auf einem Hügel das Ende der Reise ankündigte. Was bleibt von diesen Autobahnerinnerungen, heute, in Deutschland, das andere Strecken bietet, ein anderes Anderswo? Sie verbergen sich hinter anderen Stimmen, anderen Geschichten, anderen Klängen, anderen Horizonten.

Żurawlów probt den Aufstand
Ein polnisches Dorf im Streit mit der Fracking-Industrie

Von Martin Sander

Mittwoch, 2.12.2015, 22.03 Uhr, SWR2

Kaum ein Land in Europa hat so auf Schiefergas gesetzt wie Polen in den vergangenen Jahren. Experten wollten in Ostpolen riesige Vorkommen ausgemacht haben, in Warschau feierte man die künftige Unabhängigkeit von Gazprom. Westliche Energiekonzerne spekulierten auf Gewinn und viele Menschen in der Provinz auf gut bezahlte Arbeitsplätze. Die Einwohner von Żurawlów aber waren von Beginn an zutiefst skeptisch. „Wir lassen uns nicht noch einmal vertreiben!“, lautete eine Parole, die auf die Zwangsumsiedlungen der Bewohner im Zweiten Weltkrieg anspielt. Eigensinnig widerständisch verbündeten sich katholische Patrioten mit international versierten Aktivisten. Nach Monaten des Protests verschwand das Gerät vom Testfeld – nachts, spurlos, ohne Erklärung. Ein alter Bauwagen, das Winterquartier der Protestler, ist stehen geblieben – nicht nur als Museum des Widerstands, sondern auch für den Fall, dass Chevron wiederkommen sollte.

„Wahnsinn! Kunst und Leben mit bipolarer Störung

Von Sascha Verlan und Almut Schnerring

Freitag, 4.12.2015, 20.10 Uhr, DLF

Kaum feierte er seine ersten Erfolge, war der Rapper Flowin Immo aus der Szene schon wieder verschwunden. „Bipolare Störung“ – so die Diagnose, mit der er sich eine Weile in die Einöde zurückzog, um dort sein nächstes Album zu produzieren.

Obwohl Sebastian Schlösser mit 27 Jahren als Shootingstar der deutschen Theaterszene galt, verzichtete er doch auf seine Stelle als Regisseur am Hamburger Schauspielhaus. Sein Innerstes nach Außen zu kehren, was zum Schauspielberuf dazugehört, davon hatte er in seinen manisch-depressiven Zuständen schon genug.

Auch Naema Gabriel, die gerne Künstlerin geworden wäre, entschied sich gegen diesen Lebensweg – die Krankheit der Mutter hielt sie davon ab, zu groß war die Angst, wie sie an einer bipolaren Störung zu erkranken. Und die bildende Künstlerin Gertrude ist zwar bereit, über ihre „bipolare Begabung“ zu sprechen, da ihr aber schon zu viele Künstler mit ihrer psychiatrischen Diagnose Werbung machen, möchte sie in dieser Sendung anonym bleiben.

Tatsächlich: Weit verbreitet ist der Eindruck, ein bisschen Wahnsinn fördere die Kreativität. Von vielen Künstlerinnnen und Künstlern der Vergangenheit wird im Nachhinein vermutet, dass sie eine bipolarer Störung hatten, bei manchen entsteht der Eindruck, sie sei sogar die Voraussetzung für ihre Kunst, dass erst das Leiden diesen besonders klarsichtigen Blick auf unsere gesellschaftlichen Verhältnisse möglich macht. Was sagt das aus über unser Verhältnis zu Kunst und Leben in Zeiten, in denen die Grenzen von Normalität und Gesundheit immer enger gezogen werden, in denen der Konformitätsdruck weiter steigt?

Im Rausch der Veränderung
Der Theatervisionär Matthias Lilienthal

Von Christine Hamel

Samstag, 05.12.2015,13:05 Uhr, Bayern 2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Sein Markenzeichen: Baggy Jeans, sattgelbes T-Shirt, graue Kapuzenjacke. Seine Berufung zum Intendanten der Münchner Kammerspiele: ein Paukenschlag. Dass ihn die Leute manchmal für den Hausmeister halten, findet Matthias Lilienthal lustig. Es gibt nicht viele Menschen, die so beiläufig und nachdrücklich Unruhe stiften können wie der Berliner Theatermacher, der ab Herbst 2015 die Nachfolge von Johan Simons in München antritt. Lilienthal bringt große Namen mit: Nicolas Stemann, Simon Stone, Rabih Mroué oder Christopher Rüping. Sie alle stehen für den Versuch, das Bild einer alternativen Welt, einer anderen Dimension von Zeit und Bewusstsein sichtbar zu machen. Mit Matthias Lilienthal werden die Kammerspiele zu Kammer 1/2/3, zu einem Kunstcluster und „urbanen Theaterlabor“, in dem gesellschaftliche Gruppen in Bewegung gebracht werden sollen. Große Pläne, viel Arbeit. Wie viel Fahrt werden Lilienthals Kammerspiele aufnehmen?
Christine Hamel hat den Intendanten, der selbst nicht inszeniert, über mehrere Monate bei seinen Vorbereitungen für die erste Spielzeit in München begleitet. Ihr Feature portraitiert einen ebenso hartnäckigen wie begnadeten Theatervisionär, den manche als Stadttheaterschreck fürchten und andere als Avantgardisten verehren.

Verschwunden
Die Frau auf dem Eis

Von Rikke Houd

Samstag, 5.12.2015, 18.05 Uhr, DR Kultur

Die junge dänische Krankenpflegerin Karen Roos wurde 1932 in das ferne Ostgrönland entsandt – als erste und einzige medizinische Fachkraft für die damalige dänische Kolonie. In der dünn besiedelten Gegend war sie weitgehend auf sich selbst gestellt, für die Versorgung von Kranken musste sie oft weite Strecken zurücklegen.

Nach einem halben Jahr verschwand sie, die einzige Spur von ihr blieben Fußabdrücke im Schnee, die an den Rand des Eises führten, und ein Tagebuch, aus dem die letzten Seiten herausgerissen waren.

Über 80 Jahre später macht sich Rikke Houd auf die Reise, um die Hintergründe dieses Verschwindens erneut zu untersuchen.

P = ϕ (A, B, γ)
Ein Schuldenwiderstandsoratorium

Von Barbara Eisenmann und Frieder Butzmann

Sonntag, 6.12.2015, 14.05 Uhr, SWR2

Von einem neuen Zeitalter wollen wir erzählen: von globalen Schulden und globalem Widerstand. Es tauchen auf: Großgläubiger, die Finanzmärkte, der verschuldete Mensch und sein Widerstand und eine finanzmathematische Formel, in der eine Schuldenkrise nicht vorgesehen war. Wir werden die Stimme der Schuldner hören.

Amerikanische Hypothekendarlehensnehmer, Mikrokreditnehmerinnen in Indien, griechische Billiglöhner, zwangsgeräumte Spanierinnen. Die Finanzmärkte brauchen sie. Denn Schulden sind Geld.

Wir werden die Stimme der Gläubiger hören, deren Geschäft Kredite, Hypothekendarlehen, Kreditversicherungen und immer neue schuldenbasierte Finanzprodukte sind.

Wir werden die Stimme der Politiker als Vertreter der Gläubiger hören, die die Bedingungen für den neuen Schuldenkapitalismus geschaffen haben, den sie jetzt um jeden Preis retten wollen. Wir werden sie alle hören in einem Oratorium von Schulden, Schuld und Widerstand.

„Wir alle irren!“ –
Das undogmatische Kabarett des Hanns Dieter Hüsch

Von Rainer Prätorius

Sonntag, 6.12.2015, 18.05 Uhr, hr2

Hanns Dieter Hüsch starb vor genau 10 Jahren am 6. Dezember 2005.
Von seinen 80 Lebensjahren hatte er über 50 auf der Bühne verbracht.
Sein Kabarett war immer ganz nah am Menschen – und zutiefst menschenfreundlich. Sein einzigartiger Stil hinterließ nachhaltige Spuren im deutschen Kabarett. Eine Hommage zum 90. Geburtstag von Hanns Dieter Hüsch. Mit Künstlern, die ihm auch persönlich nahestanden. Darunter Dieter Nuhr, Konstantin Wecker und Rüdiger Hoffmann.

 

Radiotipps für die Woche vom 9. bis 14. November 2015

Südafrika, der Klimawandel und die Rolle Deutschlands

Von Birgit Morgenrath

Dienstag, 10.11.2015, 19:15 Uhr, DLF

Mitten in einer der landschaftlich schönsten Regionen Südafrikas verpesten Hunderte aktive und stillgelegte Kohlebergwerke sowie Kohlekraftwerke die Umwelt. Tausende Menschen ziehen jährlich nach Witbank und hoffen dort auf Arbeit. Sie leben in provisorischen Siedlungen inmitten der Halden – wo jedes Lebewesen die schmutzig graue Farbe der Kohle annimmt.
Die Umgebung ist verwüstet. Saure Grubenwässer gelangen ins Grundwasser und in die Flüsse. Ganze Flusssysteme sind im wasserarmen Südafrika akut gefährdet. Seit Jahren protestieren Bürgerinitiativen und NGOs gegen diese Zustände. Aber die Regierung beschließt lediglich umweltfreundliche Programme und bleibt ansonsten untätig. Auch Deutschland bezieht Steinkohle aus Südafrika. Darum fordern hierzulande umweltbewusste Bürger von den Stromkonzernen mehr Transparenz im Rohstoffsektor und „saubere“ Lieferketten.

Fremde Stimmen
Über die Uneigentlichkeit und Unheimlichkeit des Sprechens

Von Inke Arns und Ingo Kottkamp

Mittwoch, 11.11.2015, 00:05 Uhr, DR Kultur

Sie rufen bis zur Erschöpfung. Sie lösen sich von Urheber und Quelle. Sie stammen von Toten, die mit Lebenden im Duett singen. Der Mensch klingt wie eine Maschine, Barbie wie Ken, der Bordcomputer wie ein sanfter Freund.
Sie rufen bis zur Erschöpfung. Sie lösen sich von Urheber und Quelle. Sie stammen von Toten, die mit Lebenden im Duett singen. Der Mensch klingt wie eine Maschine, Barbie wie Ken, der Bordcomputer wie ein sanfter Freund.
Stimmen, die von Künstlern inszeniert und imaginiert sind, machen nicht nur das Fremde im Vertrauten, das Monströse im Alltäglichen hörbar, sie werfen auch immer wieder die Frage auf: Wer spricht da eigentlich?
Das Feature entsteht im Zusammenhang mit der Ausstellung „His Master’s Voice: Von Stimme und Sprache“ im Hartware MedienKunstVerein Dortmund.

Die Welt verbessern?
Über langfristige Folgen von Entwicklungsprojekten

Von Ulli Schauen

Mittwoch, 11.11.2015, 22.03 Uhr, SWR2

487 Entwicklungs-Projekte wurden auf der Weltausstellung in Hannover im Jahr 2000 als empfehlenswerte „Expo-Projekte“ präsentiert. Doch waren sie nachhaltig und haben langfristig etwas bewirken können? 15 Jahre nach der Weltausstellung macht sich der Autor auf, alle zwölf in Kenia liegenden „Expo-Projekte“ zu besuchen, von der privat organisierten Straßenkinderhilfe in Nairobi bis zur international koordinierten Rettung des Ökosystems Viktoriasee, vom Kampf für die Landrechte der Massai bis zur Hilfe für Kleinbauern in Westkenia. Was ist noch sichtbar, was hat positive Folgen gehabt und vielleicht Nachfolgeaktionen erzeugt? Welche Fehler lassen sich beobachten? Welchen Einfluss haben ökonomische Realität und grassierende Korruption genommen? Und haben die Geberländer ihre politischen Vorstellungen durchzusetzen versucht?

Städel – Der Soundwalk
Durchs Museum in acht Tracks

Freitag, 13.11.2015, 20:10 Uhr, DLF

Von Schorsch Kamerun, Beißpony, Mark Schröppel, Jim Avignon, Die Buben im Pelz, Frau Kraushaar, Johannes Kreidler, Gabi Schaffner

Das Städel feiert in diesem Jahr sein 200-jähriges Bestehen. Der Deutschlandfunk gratuliert mit einem Audioguide. Darin mixen Künstler wie Schorsch Kamerun oder Beißpony die aktuellen Audioguides des Städels zu neuen Tracks.

Durchsagen des Sicherheitspersonals, Klänge aus der Vergangenheit, wahre und halbwahre Geschichten rund um die Kunst, das Haus und der mit ihm verbundenen Menschen sind zu hören. Am Ende entsteht ein eigener Soundwalk, der den Besucher auf einer eigenwilligen Route durch die Sammlung führt.

Der Audioguide wird so selbst zu einem kollektiven Kunstwerk, das mit der Wahrnehmung von Zeit und Raum spielt und zugleich als imaginative Klangreise im Radio funktioniert.

Die Eröffnung des Städel-Soundwalks findet am 6.11.2015 im Städel Museum statt. Im Rahmen der gemeinsamen Veranstaltung „Deutschlandfunk zu Gast im Städel Museum“ wird unter anderem Audioguide DJ Jim Avignon zu hören und zu sehen sein.

Das Feature beruht auf einem Soundwalk, den der Deutschlandfunk in Kooperation mit dem Städel Museum in Frankfurt am Main realisiert hat. Für diesen akustischen Rundgang haben acht Künstler ihren Weg durch das Museum als Soundtrack inszeniert.

Der brennt!
Das Fanal des Kaveh Yazdani

Von Egon Koch

Samstag, 14.11.2015 13:05 bis 14:00 Uhr, BR2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Wenn sich jemand öffentlich verbrennt, gilt das zumeist als Protest gegen gesellschaftspolitische Zustände. Die Qual der Selbstverbrennung wird der Qual des empfundenen Unrechts gleich gestellt. Trifft das auch auf den Fall von Kaveh Yazdani zu?
Im Februar 2014 steht mitten in Tübingen ein Mann in Flammen und stirbt an den Folgen seiner Verletzungen. Wer ist er gewesen? Weshalb hat sich der Exil-Iraner derart qualvoll getötet? Wollte er mit seiner Selbstverbrennung ein politisches Zeichen setzen? Wenn ja, weshalb dann ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als er nach 10 Jahren als Flüchtling in Deutschland endlich eine Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitserlaubnis bekommt? Seine Freunde, sein Mitbewohner, sein Anwalt und vor allem der Mann, der Kaveh Yazdani brennen sah, sie alle suchen nach Antworten für das Unbegreifliche.

Kopfpauschale –
Die deutsche Asylbürokratie und ihre Folgen

Von Achim Nuhr

Sonntag, 15. November 2015, 18:05 Uhr, hr2

Über 200 Feldbetten stehen in der Neuwerker Sporthalle (Nordrhein-Westfalen), wo kurzfristig ankommende Asylbewerber untergebracht werden sollen.

Nach den Misshandlungen in Flüchtlingsheimen vor allem in NRW räumte der zuständige Innenminister Ralf Jäger im Herbst 2014 ein, dass man „Standards aus dem Auge verloren“ habe. Dann reisten immer mehr Flüchtlinge nach Deutschland, und inzwischen steht das gesamte Asylsystem auf dem Prüfstand.

Städte fühlen sich von Landesregierungen allein gelassen, die Länder vom Bund. Das Feature deckt an Beispielen grundsätzliche Systemfehler auf: Warum beherbergt z.B. die bettelarme Stadt Wuppertal viel mehr Asylbewerber als das viel größere Düsseldorf? Warum bekommt Düsseldorf trotz gleich hoher „Kopfpauschalen“ viel mehr Geld erstattet? Und warum lobt Pro Asyl trotzdem Wuppertal, wo Flüchtlinge besser leben würden als in der reichen Landeshauptstadt? Trotz neuer „Standards“ stößt der Autor in einem abgelegenen Wald auf ein Heim, aus dem die meisten Flüchtlinge mit unbekanntem Ziel verschwunden sind – der Briefkasten quillt über vor Behörden-Post. Woanders warten Verfolgte seit Jahren auf ihr erstes Behördengespräch. Ein Jobcenter torpediert wegen „Sprachdefiziten“ eine Ausbildung, wie der betroffene Flüchtling auf Deutsch erzählt. Ein Feature über Zustände in der deutschen Asylbürokratie.

 

Radiotipps für die Woche vom 2. bis 8. November 2015

Mahnwachen für den Frieden
Ein rechtes Projekt auf den Trümmern linker Fundamente

Von Rainer Link

Dienstag, 03.11.2015, 19:15 Uhr, DLF

Seit Beginn der Ukraine-Krise versammeln sich in ganz Deutschland jede Woche bunt zusammengewürfelte Gruppen, um für Frieden in Europa und gegen die Berichterstattung der sogenannten „Systemmedien“ zu demonstrieren. Sie nennen sich Montagsmahnwachen und ähneln den Bemühungen um die Bildung einer Querfront am Ende der Weimarer Republik.

Diese Aktivisten eint das Feindbild USA, eine unkritische Nähe zum neuen russischen Antiliberalismus und die Empörung über soziale Ungerechtigkeit. Bei den Aktionen verbrüdern sich alte und neue Rechte mit ehemaligen Linken und völlig Desorientierten. Darunter Esoterikbewegte, Verschwörungstheoretiker, Warner vor Überfremdung oder der Sexualisierung der Gesellschaft, Homophobe und jede Menge Selbstdarsteller.

Sie verweigern konsequent den Kontakt zu herkömmlichen Medien. Stattdessen mobilisieren sie Öffentlichkeit über eigene professionelle Videoportale in den sozialen Netzwerken. Bei den Veranstaltungen dieser neuen Bewegung gilt das Prinzip des „Offenen Mikrofons“. So können auch Hetzbeiträge gegen Juden, Warnrufe vor der Überfremdung Deutschlands oder Lobreden auf das traditionelle deutsche Familienbild unbeanstandet verbreitet werden. Es gibt einzelne Schnittstellen zu eindeutig rechten Bewegungen wie Hogesa oder Pegida und auch zu russischen Auslandsmedien wie dem Sender Russia today.

Die Stasi war mein Eckermann oder: mein Leben mit der Wanze
Als Schriftsteller überwacht in Leipzig

Von Erich Loest

Mittwoch, 04.11.2015, 00:05 Uhr, DR Kultur

1990 wurden Erich Loest von ehemaligen Stasi-Mitarbeitern 300 Blatt Aktenkopien angeboten, die sich als echt erwiesen. Es waren Wanzen-Berichte, die jedes Wort festhielten, das im Hause Loest gesprochen worden war.

Darüber hinaus enthielt die Akte Beschlüsse, Telegramme, Spitzelberichte und immer wieder „Informationen“, die die Telefonüberwachung der Abteilungen 26A und 26B gesammelt hatte. Die Geheimdienstdossiers zeigen, wie skrupellos auch Kollegen und Freunde über Loest berichteten. Wir senden einen Querschnitt des ursprünglich dreiteiligen Features.

Die Zeit, die noch bleibt
Auf einer Palliativstation in Heidelberg

Von Reinhard Schneider

Mittwoch, 4.11.2015, 22.03, SWR2

Zwei Wochen lang begleitete der Autor rund um die Uhr Patienten, Angehörige und das Stationspersonal einer Palliativstation in Heidelberg. Irmgard B. führte einst ein kleines Flugunternehmen, jetzt liegt sie im Sterben und singt mit einer Musiktherapeutin alte Schlager. Im benachbarten Zimmer versucht Burkhard B. die Ärzte davon zu überzeugen, seinen nahenden Tod zu beschleunigen. Die Frau eines todkranken Orchestermusikers wirkt plötzlich wie gelöst, als sie erfährt, dass ihr Mann in wenigen Tagen sterben wird. Fast keiner der Patienten hat die 14 Tage überlebt. Es waren allerdings nicht nur Kummer und Leid, die der Autor hier erlebte, sondern zugleich Hoffnung und Trost. Sterben kann unter bestimmten Bedingungen gleichsam gelingen. Die Palliativmedizin sieht im Prozess des endgültigen Entschlummerns am Ende des Lebens durchaus Gemeinsamkeiten mit dessen Beginn, der Geburt: Beides bedarf menschlicher Anteilnahme, Hilfe und Zuwendung.

Kafka unchained. Der entfesselte Kafka

Ein Hörcomic von Malgorzata Zerwe und David Zane Mairowitz

Freitag, 06.11.2015, 20:15 Uhr, DLF

Kafka? Ist Kafka komisch, oder ist das Komische daran kafkaesk? Wird Kafka gerecht, wer seine Romane als Comic präsentiert? Kommt Kafka näher, wer dessen Texte vertont, gar als Rap darbietet? Und was sagen die Schulmeister dazu?

Drei namhafte Comic-Zeichner – der US-Amerikaner Robert Crumb, die Französin Chantal Montellier und der Tscheche Jaromír Švejdík – haben Kafka erfolgreich illustriert.

Eine Band aus Prag singt den Kafka, und der junge Schwabe Tobias Stoll erfreut seinen Deutschlehrer als „Kafka Rapper“. Vor 100 Jahren, im August 1914, begann Franz Kafka, den Roman „Der Prozess“ zu schreiben. Anlass für den längst überfälligen Hörcomic! Für den entfesselten Kafka, befreit vom Vorurteil des Kafkaesken!

Den Autoren zur Seite stehen weiterhin: ein Kafkaologe aus dem Senegal, der Leiter des Stuttgarter Literaturhauses, ein Kafka-Biograf – und am Rande: ein gewisser Franz Kafka – aus Salzburg!

Exil im eigenen Land
Myanmar aus der Sicht einer Rohingya-Familie

Von Mandy Fox

Samstag, 07.11.2015, 18:05 Uhr, DR Kultur

U Kyaw Hla Aung und seine Familie sind Rohingya. Sie leben im Westen Myanmars, wo nur selten ein Tourist hinkommt. Die Regierung bezeichnet die Rohingya als illegale Immigranten aus Bangladesh.

Der Familienvater, der 74-Jährige U Aung, setzt sich als Anwalt und Aktivist seit vielen Jahren für ein friedliches Miteinander ein. Mehrmals saß er als politischer Gefangener im Gefängnis. Auch seine Familie ist täglichen Repressionen ausgesetzt. Drei seiner Söhne haben deswegen das Land verlassen.

Das Feature erzählt die Geschichte des Landes Myanmar aus der Sicht dieser Familie und versucht zu verstehen, wie und warum ethnische Konflikte geschürt und instrumentalisiert werden.

Voodoo der Rückkehr
Hans Christoph Buch und Dany Laferrière und Haiti

Von Egon Koch

Sonntag, 08.11.2015, 14.05 Uhr, SWR2

Haiti 2015: Fünf Jahre nach dem Erdbeben und kurz nach dem Tod des Ex-Diktators „Baby Doc“ Duvalier. Seit 2011 ist der Komponist und Sänger Michel Martelly Präsident. Immer noch aber ist Haiti das Armenhaus Amerikas mit der geringsten Lebenserwartung, entmündigt durch den französischen Kolonialismus, die US-amerikanische Besatzung, Blauhelmsoldaten und geschäftstüchtige Hilfsorganisationen. Dany Laferrière und Hans Christoph Buch sind Schriftsteller und Antipoden. Der eine ist Haitianer und lebt seit 1976 im kanadischen Exil. Der andere ist Deutscher und reist seit den 80er-Jahren immer wieder in das karibische Land, wo bis zum Erdbeben das Haus seines Großvaters stand. Aus unterschiedlichen Blickwinkeln schildern die beiden, dass Haiti mehr ist als das Land des Elends, der alleinerziehenden Mütter und von Gewalt, Drogen und Korruption.

Jegliches hat seine Zeit
DDR-Schauspieler und –Regisseure vorn und nach der Wende

Ein Feature von Ulrich Teusch

Sonntag, 08.11.2015, 18.05 Uhr, hr2

Manfred Krug, Armin Mueller-Stahl, Angelica Domröse, Jutta Hoffmann – viele bekannte DDR-Schauspielerinnen und Schauspieler, auch Regisseure wie Egon Günther, haben ihrem Staat schon vor der Wende den Rücken gekehrt und sind in den Westen gegangen. Andere, wie Uwe Kockisch, Jaecki Schwarz oder der Regisseur Andreas Dresen, blieben bis zum Ende und konnten auch im wiedervereinten Deutschland ihre Karriere fortsetzen. Viele andere jedoch, unter ihnen etliche herausragende Künstler, haben den Umbruch 1989/90 nicht unbeschadet überstanden. Die Engagements blieben aus. Einstige Stars und Publikumslieblinge mussten sich mehr schlecht als recht durchschlagen, haben den Beruf gewechselt oder sich verbittert zurückgezogen. Im Westen des Landes sind sie kaum bekannt, ihre großen Filme drohen in Vergessenheit zu geraten. Im Feature von Ulrich Teusch erzählen DDR-Schauspieler und -Regisseure ihre Geschichte(n), berichten von ihrer künstlerischen Arbeit, auch von ihren politischen Erfahrungen vor und nach der Wende. Ein Blick zurück – ohne Zorn, ohne „Ostalgie“ und stets getragen von der Hoffnung, dass nicht alles vergebens war.

Myanmar
Oder wie wir versuchten einen Vogel zu kaufen, um ihn freizulassen

Von Wiebke Keuneke

Samstag, 07.11.2015, 13.05 Uhr, RBB/BR 2015
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Myanmar, was ist das genau? Ein Land, in dem Buddhismus als Staatsreligion festgeschrieben ist und das mit Moslemhetze Schlagzeilen macht. Ein Land, in dem eine 70-Jährige Präsidentin werden soll und wie ein Popstar gefeiert wird. Ein Land, in dem es 135 unterschiedliche Ethnien gibt und in dem Dollarscheine nur gebügelt angenommen werden. Ein Land, in dem Touristen mit einem Heißluftballon über spektakuläre Pagodenlandschaften fahren und dabei geneigt sind, Armut mit Ursprünglichkeit zu verwechseln. Zwei Frauen reisen durch Myanmar, eine arbeitet fürs deutsche Radio, die andere ist hier geboren, ausgewandert und kehrt jetzt zurück, um für ausländische Medien über Myanmar zu berichten.

 

Radiotipps für die Woche vom 26. Oktober bis zum 1. November 2015

Die Fotografin Xiao Hui Wang“
Das Wertvolle ist wie das Licht, man kann es nicht mitnehmen“

Von Astrid Nettling

Dienstag, 23.10.2015, 20:10 Uhr, DLF

15 Jahre hat die Fotografin Xiao Hui Wang in Deutschland gelebt, entscheidende Jahre, die ihr Leben geprägt haben. Ein Schwarz-Weiß-Foto aus dieser Zeit zeigt ein Gewirr von Eisenbahnschienen, die sich kreuzen, sich vereinigen, sich wieder gabeln und in der Ferne ins Unbekannte auseinanderlaufen. Rückblickend ist dies für sie ein Bild, das die Komplexität ihres Lebens symbolisiert.

Theater und Revolution – Judith Malina

Von Grace Yoon

Mittwoch, 28.10.2015, 00:05 Uhr, DR Kultur

Judith Malina wurde 1926 in Kiel geboren, am 10. April dieses Jahres ist sie gestorben. Grace Yoon hat sie zwei Jahre zuvor in New York besucht.
Die Mitbegründerin des legendären Living Theatre, der wahrscheinlich radikalsten und experimentierfreudigsten Theatergruppe des 20. Jahrhunderts, war überzeugte pazifistische Anarchistin. Sie studierte bei Erwin Piscator und arbeitete mit den wichtigsten Künstlern der Avantgarde. Sie hat Generationen von Künstlern inspiriert – engagiert, kämpferisch, rebellisch, eine wahre Mutter Courage. Mit 86 Jahren stand sie immer noch auf der Bühne.

Made with love in Spain
oder Vom politischen Umbruch in Spanien

Von Barbara Eisenmann

Mittwoch, 28.10.2015, 22.03 Uhr, SWR2

Von einer „neuen Politik“, vor allem von neuen kollektiven Arten, Politik zu machen, ist in den letzen Jahren in Spanien viel die Rede gewesen. Seit der Besetzung der Puerta del Sol in Madrid im Jahr 2011, aus der die Bewegung 15-M entstanden ist, hat das Land sich massiv repolitisiert. Die Gesellschaft, von der Margaret Thatcher behauptete, „there is no such thing as society“, hat sich in Reaktion auf die wirtschaftliche und politische Krise organisiert und will mitregieren. Im Zentrum stehen nicht neue Parteien, sondern die Frage, wie außerhalb von Parteien in selbstorganisierten, offenen, lokalen Plattformen institutionelle Politik gemacht werden kann. Die Kommunal- und Regionalwahlen im Mai 2015 haben diesen grundlegenden Stimmungswechsel deutlich sichtbar gemacht. Gewonnen haben basisdemokratische Kandidaturen in Madrid, Barcelona und an vielen anderen Orten im Land, die eine Vielzahl von gesellschaftlichen Akteuren versammeln und die von Podemos, der neuen linken Partei, nicht angeführt, sondern bloß unterstützt worden sind. Auf die Parlamentswahlen im Herbst 2015 darf man gespannt sein.

Jadal – Kontroverse Ein Zufluchtsort in Amman

Von Christoph Burgmer

Freitag, 27.10.2015, 19:15 Uhr, DLF

Jadal ist ein Haus im Zentrum von Amman. Es gibt ein kleines Café, eine Galerie und einige Räume für Sprachkurse und Workshops. Die Macher sind ehemalige Aktivisten des Arabischen Frühlings. Ihre Vision: Räume für Initiativen, Künstler und Aktivisten zur Verfügung zu stellen, ohne die inhaltliche Kontrolle durch den jordanischen Staat oder die Abhängigkeit von privaten Geldgebern.

Himmel auf Erden
Vollkommenheit, Sport und Shitstorm

Von Thomas Palzer

Samstag, 31.10.2015, 13:05 Uhr, Bayern 2

Ende des 18. Jahrhunderts schrieb der Historiker Edward Gibbon in seiner „History of the Decline and Fall of the Roman Empire“: „Die Entwicklung eines übermäßigen, obsessiven Interesses an Sport und Berühmtheiten war einer der Faktoren des Kollapses der größten Zivilisation, die die Menschheit je gekannt hat.“
Steht die westliche Gesellschaft vor dem kulturellen Kollaps, weil die Diagnose auch auf die Gegenwart zutrifft? Wir bewegen uns jedenfalls in einer Welt, in der Sport als Körperoptimierung zur Obsession geworden ist. Erleben wir gerade die Übergangsphase von einer Welt des Geistes zu einer, in der der Körper unser Sein fest im Griff hat? Unerbittlich streben wir nach Vollkommenheit, weder für uns noch andere lassen wir Gnade gelten. Tatsächlich aber spült uns jede weitere Optimierungswelle unglücklicher an den Strand zurück, als sie uns davor hinaus aufs Meer gezogen hat. Wir erkennen, dass sich offenbar alles abschaffen lässt, nur eines nicht: die menschliche Unvollkommenheit. In unserem Narzissmus gekränkt, delegieren wir den Genuss an den Celebrity, der an unserer statt die Vollkommenheit zu personifizieren hat. Aber wehe, er wird von einem Paparazzi beim Rauchen erwischt: Dann ist ihm der Shitstorm sicher.
Thomas Palzer lässt in seiner Sendung Selbstoptimierer und Quantified Selfer, Leidtragende und Paranoide zu Wort kommen. Sowie den Philosoph Robert Pfaller, der konstatiert, dass die reichsten Bevölkerungen der Welt es verlernt haben, die Frage zu stellen, wofür es sich zu leben lohnt. Und der Sportsoziologe Günter Gebauer fragt, was in Anbetracht der allumfassenden Fußballmanie mit dem Land los ist. Verblöden wir zwischen Brot und Spielen?

Erich Loest die Probleme
Der Schriftsteller und seine „fast zweite Heimat“ Osnabrück

Von Jan Decker

Samstag, 31.10.2015, 18:05 Uhr, DR Kultur

Die barocke Fülle deutscher Abendbrottische hat wohl keiner so schön beschrieben wie Erich Loest. Jenseits von Knackern und Brot konnte Loest, der im Februar 2016 90 Jahre alt geworden wäre, durchaus ungenießbar sein. Bärbeißig. Schonungslos direkt.
Wie kam der bekennende Sachse Erich Loest in der Friedensstadt Osnabrück zurecht, seinem ersten Wohnsitz nach der Ausreise aus der DDR, und zwischen 1981 und 1987 seine „fast zweite Heimat“? Was trieb ihn überhaupt in die „Weltprovinz“ Osnabrück? Und in welchem Licht erscheint der Ur-Leipziger Loest, wenn man seinen Transit-Ort in Westniedersachsen in den Mittelpunkt der Betrachtungen rückt?

Nordkoreaner in Südkorea – Alltag nach der Flucht

Von Johannes Nichelmann

Sonntag, 1. November 2015, 18:05 Uhr

Eine junge Südkoreanerin trifft zum ersten Mal in ihrem Leben einen Nordkoreaner. Beim Cappuccino erfährt sie, dass der junge Mann vor einigen Jahren unter Lebensgefahr nach Südkorea geflohen ist.
Die Frau ist erstaunt über den südkoreanischen Personalausweis des Mannes. Denn immerhin kommt er aus einem Staat, mit dem sich Südkorea im Kriegszustand befindet. Etwa 30.000 Nordkoreaner leben in Südkorea. So drei Fabrikarbeiterinnen, die einen Teil ihres Gehaltes sparen, um es heimlich einmal im Jahr Verwandten im Norden zu schicken. Ein älterer Mann sendet per Kurzwelle ein Radioprogramm in seine ehemalige Heimat. Ein Kunststudent will seine Herkunft eigentlich geheim halten, doch kann er sich künstlerisch nicht ausdrücken, wenn er seine Geschichte verschweigen muss.
Für Flüchtlinge aus Nordkorea gibt es im Süden ein eigenes Wort, das wie ein Stigma wirkt: Saeteomin. Es sind Menschen, die zwischen zwei verfeindete Systeme geraten sind. Das Radiofeature begleitet sie auf ihrer Gratwanderung zwischen Integration und Isolation im Alltag in Seoul.

 

Radiotipps für die Woche vom 19. bis 25. Oktober 2015

Die Kunst des „change-ringing“
Seitensprünge im Glockenturm

Von Regina Leßner

Mitwoch, 21.10.2015, 00:05 Uhr, DR Kultur

Die 600-jährige englische Tradition, Kirchengeläute von Hand zum Klingen zu bringen, ist bis heute ungebrochen.

„Der Seitensprung ist ein Schritt entgegen dem normalen Lauf beim einfachen Jagen“, so lautet einer der vielen nur dem Kenner zugänglichen Sätze im historischen Lehrbuch über die Kunst des Wechselläutens (change ringing). Diese 600-jährige englische Tradition, Kirchengeläute von Hand zum Klingen zu bringen, findet bis heute begeisterte Akteure in mehr als 5000 Gotteshäusern auf der Insel. Und Ringing Societies bilden immer neue Glöckner aus. In den Läutestuben der Stadt York ist die Autorin dabei, wenn mit Rad und Seil nach dem überlieferten und bis ins bizarre Detail ausgetüftelten Regelwerk geläutet wird. Sie versucht sich selbst als Glöcknerin und bekommt einen Hinweis auf den legendären Krimi „The Nine Tailors“ (Der Glocken Schlag) von Dorothy L. Sayers. Von Anfang bis zum Ende ist er rätselhaft mit dem Wechselläuten verknüpft. Und tödlich.

Switch off Shanghai!
Vorbereitungen für den Cyberkrieg

Von Tom Schimmeck

Mittwoch, 21.10.2015, 22.03 Uhr, SWR2

Kommt der „Cyberwar“, der elektronische Krieg? Wird er Kommunikation und Finanzsysteme, Produktion, Verkehr und die Energieversorgung ganzer Nationen lahmlegen? Die Planungen der Militärs für den „Cyberwar“ sind längst im Gange. Hacker sind ihre neuen Generäle. Schon heute greifen sie in staatlichem Auftrag die Computersysteme ausländischer Regierungen und Konzerne an. Ihr Ziel: Spionage und Sabotage. Die USA fürchten „Hackereinheiten“ aus China, die ihre hoch vernetzte militärische und industrielle Infrastruktur lahmlegen könnten. Im Oktober 2014 erklärte FBI-Chef James Comey, China führe bereits einen „aggressiven Cyberkrieg“ gegen die USA, der das Land jährlich Milliarden koste. Das „US Cyber Command“ hat seit 2011 den Befehl zur „proaktiven Verteidigung“ der Nation. Und auch Konzerne hacken längst zurück.

Systemwechsel
Nordkoreaner in Südkorea

Von Johannes Nichelmann

Samstag, 24.10.2015, 18:05 Uhr, DR Kultur

Eine junge Südkoreanerin trifft zum ersten Mal in ihrem Leben einen Nordkoreaner. Beim Cappuccino erfährt sie, dass der junge Mann vor einigen Jahren unter Lebensgefahr geflohen ist. Sie ist überrascht: Er hat einen südkoreanischen Personalausweis, obwohl er aus einem Staat kommt, mit dem sich Südkorea im Kriegszustand befindet.

Ein älterer Mann sendet per Kurzwelle ein Radioprogramm in seine ehemalige Heimat. Ein Kunststudent will seine Herkunft geheim halten, doch er kann nicht künstlerisch arbeiten, wenn er seine Geschichte verschweigen muss. Etwa 30 000 Nordkoreaner leben in Südkorea. Für Flüchtlinge aus Nordkorea gibt es im Süden ein eigenes Wort, das wie ein Stigma wirkt: Saeteomin, d.h. „Mensch aus Nordkorea, der an einem neuen Wohnplatz sein Leben wieder anfängt“.

Das Feature begleitet diese Menschen auf ihrer Gratwanderung zwischen Integration und Isolation im Alltag in Seoul.

„Ich bluffe nie!“
Die Minimalisierung des Glücksfaktors

Von Annett Krause und Matthias Hilke

Sonntag, 25.10.2105, 14.05 Uhr, SWR2

Er denkt, dass ich denke, dass er denkt … – So geht das. Beim Poker. Poker gilt in Deutschland als Glücksspiel. Weshalb es nicht ohne weiteres erlaubt ist. Aber wenn man damit Geld verdient, meldet sich das Finanzamt trotzdem. Und wenn man Geld verliert? Der Poker-Protagonist in diesem Feature bleibt jedenfalls lieber anonym. Er ist jung und er lebt in Berlin. Bei einem Pokerturnier in Las Vegas hat er einmal viel gewonnen. Sehr viel. Jetzt will er bei einem Turnier in Prag gewinnen. Möglichst viel. Ob ihm das gelingt? Mit Glück? Oder doch mit Geschick? Oder muss er weiterträumen – von einer Karriere als Poker-Professor an einer Fakultät, die noch erfunden werden muss?