Radiotipps für die Woche vom 11. bis 17. Januar 2016

Unbequeme Helfer
Die PKK und ihr Kampf gegen den IS

Von Marc Thörner

Dienstag, 12.01.2016, 19:15 Uhr, DLF

Selbstmordattentate, Selbstverbrennungen, Geiselnahmen, ein Personenkult, der an die dunkelsten Zeiten des Stalinismus erinnert – all das gehört zur Geschichte der PKK, der Kurdischen Arbeiterpartei. Nicht nur die Türkei, auch viele westliche Staaten stufen die PKK bis heute als Terrororganisation ein. Ist der Aufschwung nur ihrem militärischen Erfolg geschuldet?

Oder wirft sie ideologischen Ballast ab? Seit PKK-Truppen sich als die erfolgreichsten im Krieg gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) erweisen, wandelt sich das Bild, gewinnt sie Anhänger über nationale, ethnische und politische Grenzen hinweg.

Hat sie das Zeug, sich zu einem Katalysator des Säkularismus in der Region zu entwickeln, einer starken und mehrheitsfähigen Gegenkraft zum religiös begründeten Fanatismus?

Der Autor recherchiert in Erbil, im nordirakischen Einflussgebiet der PKK, den Kandil-Bergen und an den Kriegsfronten.

Take Me Home
Oder: Ist es überhaupt Gesang?

Von Michael Lissek

Mittwoch, 13.01.2016, 00.05 Uhr, DR Kultur

Jeden Sonntagabend singen sie in einer Bowling-Bahn in Berlin Karaoke: Dave, Willy, Jenny und viele andere. Country-Songs, Phil Collins, Barry Manilow, Silbermond. Doch was sie tun, ist mehr als Nachsingen.

Sie benutzen die Songs der anderen, um ihre persönlichen Geschichten zu erzählen: von toten Vätern, verhunzten Kindheiten, verlorenen Partnern, fehlendem Selbstwertgefühl, verlorener Heimat und von der Hoffnung – der Hoffnung etwas vermitteln zu können, was jenseits der eigenen Ausdrucksmöglichkeiten liegt. “Let’s just imitate the real, until we find a better one.” (The Notwist) Ihr Gesang ist ihre Erzählung. Die fremden Lieder sind ihre Geschichten.

Der Zaun
Ungarn macht die Grenzen dicht

Von Anna Frenyo

Mittwoch, 13.01.2016, 22.03 Uhr, SWR2

Ungarn ist nicht das einzige europäische Land, das seine Grenzen mit einem Zaun vor dem Flüchtlingszustrom zu schützen versucht. Die Vehemenz, mit welcher das Grenzöffner-Land von 1989 allerdings im Sommer 2015 vorging, macht es dennoch zu einem Sonderfall. In bloß zwei Monaten wurde der 175 km lange Zaun an der serbisch-ungarischen Grenze errichtet, Mitte Oktober folgte die 300 Kilometer lange grüne Grenze zu Kroatien. Die UNHCR warnt vor einer humanitären Katastrophe am Zaun, Naturschützer warnen vor Schäden in der Tierwelt. Wie konnte er überhaupt so schnell errichtet werden, wer hat ihn finanziert und woher kam der Maschen- und Stacheldraht eigentlich? Die Autorin hat sich auf beiden Seiten des Zaunes umgehört und erstaunliche Geschichten erfahren, von Häftlingen und Arbeitslosen, die für den Bau zwangsverpflichtet wurden, von ausländischer Unterstützung, von Flüchtlingen und freiwilligen Helfern, die er trennt.

Der syrische Exilschriftsteller Aboud Saeed
Von Damaskus bis Wikipedia

Von Thomas Böhm

Freitag, 15.01.2016, 20:10 Uhr, DLF

Die syrische Revolution machte aus dem 1983 geborenen Schmied und Schweißer Aboud Saeed einen Schriftsteller. Weil die Demonstrationen das Klima der Angst durchbrachen, das Syrien lähmte, begann Saeed auf Facebook seine Sicht der Dinge zu veröffentlichen.

Seine respektlosen Statusmeldungen, in denen er Privates, Revolutionäres, Alltägliches und Absurdes vermischt, erschienen in Deutschland unter dem Titel “Der klügste Mensch im Facebook” und brachten Saeed den Ruf eines “arabischen Bukowski” ein.

Nach einer Lesereise im Jahre 2013 bat er um Asyl, lebt und schreibt seither in Berlin. Thomas Böhm begleitet ihn durch die Stadt, in der Saeed “allen Hundesorten begegnete, die ich bisher nur aus Zeichentrickfilmen kannte”, von Drogensüchtigen überfallen wurde und “ein Stück Kreide sucht, um auf die Reste der Berliner Mauer zu schreiben: Wo sind die guten alten Zeiten geblieben?”

Abends nimmt Böhm neben Saeed Platz, als dieser die mal aufgebrachten, mal begeisterten Kommentare zu seinen Posts aus der arabischen Welt beantwortet und bei “Schwester Google” vorbeischaut, darauf wartend, dass sein Name in der Wikipedia erscheint.

Herr K.
Eine Affäre mit dem Sozialamt

Von Inge Braun

Samstag, 16.01.2016, 13.05 Uhr, BR2

Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Als Empfänger von staatlicher Grundsicherung im Alter müsste sich Herr K. auf existenziell sicherem Grund wähnen. Für ihn tut sich ein Abgrund auf. In die Rolle des Bittstellers beim Sozialamt gedrängt, fühlt er sich ungerecht behandelt. Als die Behörde Sozialleistungen von ihm zurückfordert, setzt er sich entschlossen zur Wehr. Der Fall eskaliert.
Das Feature dokumentiert die jahrelangen Auseinandersetzungen und gibt einen Einblick in das Leben eines Sozialrentners. Dabei wird auch das durch prekäre Beschäftigungsverhältnisse produzierte System von Altersarmut und Grundsicherungsabhängigkeit mit all seinen bürokratischen Regelungen und Restriktionen hinterfragt.

Kriegsalbum
Was die neuen Heimkehrer nach Hause bringen

Von: Jörg Lukas Matthaei, Milena Kipfmüller und Klaus Janek

Samstag, 16.01.2016, 18.05 Uhr, DR Kultur

Seit 1999 befindet sich Deutschland im Krieg – doch hier ist davon wenig zu spüren. “Kriegsalbum” sammelt die Erlebnisse gegenwärtiger Kriegsheimkehrer: von Soldaten, Journalisten, Mitarbeiterinnen von NGOs.

Sie geben Einblick in die realen Kriegsszenarien, die sich vor Ort brutaler darstellen, als es uns die bereinigten Nachrichtenbilder vorführen. Die Berichte treten in einen akustischen Dialog mit Berliner Alltagsgeräuschen: Partysounds vom Wochenende, Stimmen von Flüchtlingen, Fußballjubel in der Eckkneipe.

Zero Friction
Das Generische – Welt ohne Eigenschaften

Von Olaf Karnik und Volker Zander

Sonntag, 17.01.2016, 14.05 Uhr, SWR2

S, M, L, XL – die Gesichtslosigkeit internationaler Flughäfen inspirierte den niederländischen Architekten Rem Kohlhaas zu einem Buch, dessen Titel aus den Kürzeln für die Standardmaße der Standardkonsumwelt besteht – ob bei T-Shirts oder Popcorn-Tüten. 20 Jahre ist das her. Inzwischen gibt es ganze Städte, die nach Standardmaßen standardmäßig geplant werden – ohne Eigenschaften, ohne Identität, reibungsfrei und gleitfähig, allgemein und selbstverständlich. In New York wird “Normcore” als Modetrend ausgerufen. Gesichtslose Hotelketten wie “Motel One” erweisen sich als Lieblingsunterkünfte einer neuen Generation von Geschäftsleuten und Touristen. Räume und Waren ohne Profil. Schrecklich traditionslos. Und wunderbar ideologiefrei.

Angel Radio – Der Soundtrack der Erinnerungen

Von Michael Lissek

Sonntag, 18.01.2016, 18.05 Uhr, hr2

In der kleinen südenglischen Ortschaft Havant, im Hinterzimmer eines Antiquitätengeschäftes, existiert seit einigen Jahren ein Lokalradio, das sich Angel Radio nennt. Hier gehen ältere Radiobegeisterte auf Sendung: Bob, Tony, Jilly, Peter, Linda. Allesamt über 70 Jahre alt, und Margret ist 91. Die Moderatoren kümmern sich um ein Publikum, das nicht wesentlich jünger ist als sie selbst. Schelllackplatten knistern, man hört Folgen eines alten Kinder-Hörspiels, und die Hörer tauschen sich über ihre Erinnerungen aus. Ein Feature über die Magie des Radios und seine noch immer lebensspendende Kraft.