Ein bunter Haufen mit einem gemeinsamen Ziel (Teamkommunikation, Teil 2)

Teamarbeit in extremis: Du arbeitest konzentriert vor dich hin, versuchst zu retten, was zu retten ist. Nur vergisst du dabei die anderen Teammitglieder. Damit es anders geht, braucht es nicht nur eingeübte Kommunikation, sondern eine gute Atmosphäre im Team. Wer Vertrauen zu den Mitarbeitenden hat, wer sich nicht ungerechtfertigt kontrolliert führt, wer weiß, dass die anderen in der Lage sind, mitzudenken und zu helfen, wird gerade auch in Krisensituationen in Kontakt bleiben und offener kommunizieren.

Ein Team hat dann einen Sinn, wenn es die verschiedenen Kompetenzen der Teammitglieder nutzen kann – und seien es auch sehr simple Kompetenzen wie das Bereitstellen eines Werkzeugs oder die Beobachtung von Werten auf einer Anzeige.

Mehrere Personen arbeiten Hand in Hand

Definiert wird der Begriff Team meistens als Gruppe von Personen, die sich von anderen Gruppen dadurch unterscheidet, dass ihre Mitglieder auf ein gemeinsames Ziel hin arbeiten, und zwar in gegenseitiger Abhängigkeit: Jeder ist auf die Mitarbeit der anderen angewiesen [Keyton 2021, 25],

Teams sind ein Gegenstand soziologischer und psychologischer Forschung, und es ist klar, dass nicht alle Erkenntnisse für alle Arten von Teams gelten. Denn wenn man z.B. ein Team im OP eines Krankenhauses mit einem Fußballteam vergleicht, ist klar, dass nicht nur die Zusammensetzung, sondern auch die Art, miteinander zu arbeiten und dabei zu kommunizieren, von Fall zu Fall verschieden ist.

Verschiedene Kompetenzen ergänzen sich

Beim Team im engeren Sinne unterscheiden sich die Mitglieder durch ihre Spezialkompetenzen. Sie haben sich nach einer gemeinsamen Grundausbildung in verschiedene Richtungen spezialisiert oder kommen überhaupt aus unterschiedlichen Fächern, was meistens die Bedingung ist, dass die Gesamtleistung erbracht werden kann.

Am Universitätskrankenhaus Eppendorf arbeiten insgesamt 131 Ärztinnen und Ärzte und 460 Pflegekräfte in der Intensivmediizin. Die Fachärztinnen und Fachärzte kommen von der Anästhesiologie, der Inneren Medizin, der Neurologie, der Allgemeinmedizin, der Nephrologie, der Kardiologie, der Chirurgie. Weitere Kompetenzen betreffen Hygiene oder Transplantation. Die Pflegerinnen und Pfleger haben zum großen Teil eine Fachweiterbildung in Anästhesie und Intensivmedizin. Dazu kommen ApothekerInnen, Logopädinnen, Ergotherapeutinnen und SpezialistInnen für Technik und Administration. [Vgl. auch Ervin et al. 2018]

Wenn fast 600 Personen in einer Klinik arbeiten, ist absehbar, dass sich die personelle Zusammensetzung eines einzelnen Teams von Tag zu Tag ändern kann. Man muss sich also immer wieder auf andere Kolleginnen und Kollegen einlassen. Dabei hat ein Mitglied des Teams die Führung inne. In den allermeisten Situationen ist es für die gemeinsame Arbeit entscheidend, dass ein Teamleader den Takt angibt.

Zusammenarbeit über Teamgrenzen hinweg

Zur Teamkommunikation gehört auch, dass das Team oder einzelne Mitglieder mit Vertretern anderer Teams Kontakt aufnehmen und auf deren Hilfe angewiesen sind. Offenheit nach außen ist essentiell für viele Teams. Wie die Kommunikation mit anderen Teams funktioniert, ist von Fall zu Fall verschieden. Es kann darum gehen, eine Fachfrau von außen um Hilfe zu bitten, Informationen von einer weiteren Abteilung aus dem eigenen Betrieb einzuholen, einen Patienten oder Lieferanten an ein anderes Team weiterzureichen usw.

Stress

Typisch für den Alltag in der Intensivmedizin ist der emotionale und physische Stress der Mitglieder [Keyton 2021, 25] Zeitdruck ist nur einer der Faktoren, die Stress auslösen. Ein anderer ist das Wissen darüber, dass es um Leben und Tod geht, oder die Unsicherheit, die mit einem überraschenden oder seltenen Krankheitsbild einhergeht.

Um unter solchen Bedingungen gut kommunizieren zu können, sind gut eingespielte Abläufe und Interaktionen wesentlich. Dazu gehören auch gut funktionierende Kommunikationsweisen. Leider hat in der Ausbildung von MedizinerInnen die Kommunikation einen geringen Stellenwert, auch wenn ein „longitudinales Mustercurriculum Kommunikation in der Medizin“ an einigen Universitäten eingeführt oder erprobt wurde.

Literaturhinweise

ERVIN, Jennifer N. et al. (2018): Teamwork in the Intensive Care Unit. American Psychologist 2018, Vol. 73, No. 4, p. 468–477

KEYTON, Joann (2022): Defining Groups. In:
BECK, Stephenson J., KEYTON, Joann, POOLE, Marshall Scott (2022): The Emerald Handbook of Group and Team Communication Research. Bingley: Emerald, p. 25-32.

Wenn es kritisch wird, werden sie stumm.

Pilotinnen und Copiloten arbeiten im Team. Wie sie miteinander umgehen, ist für die Sicherheit zentral. In den 1990er-Jahren wurde gerade das zum Thema, als nach Ursachen für Flugzeugabstürze geforscht wurde. Man untersuchte die Tonaufnahmen ihrer Gespräche: Was wurde in den letzten Minuten vor dem Crash im Cockpit gesagt? Und durchgehend ergab sich die Tendenz: Wenn die Situation kritisch wurde, hörten die Piloten auf zu reden. Sie arbeiteten fieberhaft vor sich hin, ließen aber die Person daneben, nicht daran teilhaben. Obwohl sie ja mitarbeitete und ebenso intensiv versuchte, das Unglück zu vermeiden. Daraus wurde eine wichtige Fortbildungsmaßnahme: die Cockpit-Crew dazu zu bringen, in kritischen Situationen weiter zu kommunizieren.

Dass das nicht nur auf Pilotenteams zutrifft, ist leicht zu ahnen. Studien belegen, dass es in einem anderen risikoreichen Arbeitsfeld ähnlich ist: auf den Intensivstationen von Krankenhäusern. Eine Krise tritt ein, und der leitende Arzt tut alles Menschenmögliche, um die Patientin zu retten. Aber er hört auf, den Mitarbeitenden zu sagen, was er tut bzw. was sie tun sollen. Auch das ist eine Art Automatismus, der nur durch Übung verschwindet.

Vom Flugzeug ins Krankenhaus

Stationen für Intensivmedizin gibt es seit den 1950er-Jahren. Seither wurde das Fach entwickelt und perfektioniert. Ein bestimmender Faktor in der Arbeit der IntensivmedizinerInnen ist der Zeitdruck. Und wer unter Zeitdruck arbeitet, überlegt nicht lange, wie mit KollegInnen und Mitarbeitenden am besten zu reden ist. Und dennoch ist die Kommunikation entscheidend dafür, dass die gemeinsame Arbeit im Team funktioniert. Einer von vielen Tipps stammt aus der Praxis großer Fluggesellschaften, die verhindern wollten, dass aus Krisen durch fehlende Kommunikation verheerende Unglücksfälle wurden. Sie nennen das Verfahren, das die PilotInnen einüben, „Flying by voice“. Und genaus das wird heutzutage auch dem medizinischen Personal in Krankenhäusern empfohlen: Sprich weiter, wenn es kritisch wird!

Teamkommunikation

Dies ist ein erster Beitrag zum Thema „Teamkommunikation“. Er ist entstanden als Resultat einer Recherche, die ich für einen Vortrag vor ÄrztInnen und PflegerInnen hielt. Ihr Arbeitsfeld in der Intensivmedizin war für mich neu. Aber Gespräche mit ihnen und die Lektüre von Dutzenden von Forschungsarbeiten zum Thema zeigten mir: Es ist ein faszinierendes Thema. Mit wenig Aufwand kann die Kommunikation in der Intensivstation verbessert werden. Und: Was dort schiefläuft bzw. verbessert werden kann, gilt auch für viele andere Berufsfelder.

Literaturhinweise

BRINDLEY, Peter and REYNOLDS; Stuart F. (2008): Improving verbal communication in critical care medicine. Journal of Critical Care (2011) 26, 155–159.

DENNIS, D., CALHOUN, A., KHANNA, R., KNOTT, C., van HEERDEN, P.V. (eds) (2023): Stories from ICU Doctors. Cham: Springer.