Storytelling, Teil 8: Der erzählerische Einstieg

Ein erzählerischer Einstieg

Wer in einer Küche steht und kocht, atmet oft ungesunde Stoffe ein, zum Beispiel Fette, die in der Bratpfanne verdampfen. Deshalb gibt es Dunstabzugshauben. Diese sollen die Stoffe an der Nase vorbei saugen und festhalten oder ins Freie befördern. Leider wirbeln Dunstabzugshauben auch weitere Problemstoffe auf, die aus Küchenmöbeln und Apparaten stammen. Das macht das Kochen gefährlich.

Das ist Stoff für einen kurzen Beitrag.

So, wie ich ihn hier zusammengefasst habe, präsentiert er sich argumentativ: Es gibt das Problem A. Dagegen setzt man die Lösung B ein. Leider entsteht dadurch das Problem C.

Der Autor, der das Thema SWR2 recherchiert hat, fängt seinen Beitrag dementsprechend an:

Sie zählt zur Grundausstattung jeder Küche: die Dunstabzugshaube. Beim Braten oder Kochen am Herd saugt sie den Küchendunst ab und erzeugt so ständig einen Luftstrom. (SWR 2 Impuls, 17.3.2014)

Er präsentiert also den Gegenstand. Darauf lässt er in einem O-Ton die Hauptperson des Beitrags, einen Chemiker, zu Wort kommen:

(O-Ton:) „Die Luft strömt um uns rum. Ein Teil landet in der Dunstabzugshaube, einen Teil atmen wir auch ein. Und dieser Teil, den wir einatmen, den sehen wir als Problem.“

Damit ist klar: Der Beitrag thematisiert ein Problem und dessen Lösung.  Das ist einer der gängigen Texttypen bei einem nicht tagesaktuellen Sachthema. Es entspricht dem Denken eines Wissenschaftlers, der schließlich im Zentrum des Beitrags steht. Es entspricht der Sache. Also ist alles o.k.

Es ginge aber auch etwas attraktiver, nämlich erzählerisch. Dabei soll nicht aus einer Problemlösung eine Erzählung werden. Aber die Erzählung kann zu Problemstellung hinführen.

Beispiel 1: Die Köchin

Praktisch auf der Hand liegt die Idee, aus dem geschilderten Sachverhalt eine Geschichte zu machen:

XY, Köchin im Hotel Adler in Wolfach, brät ein 400-Gramm-Steak. Es riecht nach Gewürzen und Fett. Die Dampfabzugshaube läuft auf Hochtouren… Usw.

Damit würde ein Einstieg entstehen, der im Hörer Interesse für Protagonistin XY weckt. Ob die Idee wirklich trägt, hängt genau von diesem Interesse ab. Wenn XY im Beitrag weiter eine Rolle spielt und man Weiteres über sie erfährt, kann ein derartiger erzählerischer Einstieg hilfreich sein. Wenn nicht, bleibt er ein reiner Lockvogel, dem man anmerkt, dass er ad hoc erfunden wurde.

Beispiel 2: Der Wissenschaftler

Eine interessante Erzählmöglichkeit enthält aber der Originalbeitrag selbst, gleich etwas später. Da heißt es nämlich:

Walter Vetter, Professor für Lebensmittelchemie an der Universität Hohenheim. Der Hochschullehrer ist besorgt, weil seine Arbeitsgruppe untersucht hat, welche Schadstoffe in der Küchenluft vorhanden sein können. Dabei stieß sie auf bedenkliche Flammschutzmittel…

Mit anderen Worten:

Lebensmittelchemiker Walter Vetter steht im Labor. Er untersucht, was alles Schädliches in der Küche herumschwirrt. Um das herauszufinden, geht er dorthin, wo sich die Schadstoffe am konzentriertesten sammeln: am Filter der Dunstabzugshaube. Er findet aromatische Kohlenwasserstoffe und Nitrosamine – all die üblichen Verdächtigen. Aber Vetter staunt nicht schlecht, als er auch auf Gifte stößt, die nichts mit den Nahrungsmitteln zu tun haben….

Der Autor ist auf eine Entdecker-Geschichte gestoßen. Er kann von einer Forschungsreise erzählen, die eine überraschende Wendung nimmt. Dies ergibt einen Einstieg aus der Perspektive der Forscher. Er hat den Vorzug, dass der Held im Beitrag ohnehin eine tragende Rolle spielen wird.

Ein erzählerischer Einstieg ist fast immer besser als ein Einstieg über eine Definition (in diesem Fall noch die Definition eines sehr vertrauten Gegenstands). Er funktioniert dann, wenn etwas Spezifisches geschildert wird (also kein 05.15-Beispiel, dem man sofort anmerkt, dass es erfunden ist). Er hat seine Berechtigung dann, wenn die Menschen und das Ereignis auch im Rest des Textes vorkommen.