Viele Menschen berichten über Schwierigkeiten beim Reden, über Angst vor dem Auftritt, über Lampenfieber. Die bisherigen Beiträge sollten zeigen, wie einige von ihnen damit umgegangen sind. Hier eine kurze Zusammenfassung.
Tipps zum Thema Lampenfieber
Es gibt äußerst nützliche Bücher zum Thema Lampenfieber. Lampenfieber von Claudia Spahn und Vom Lampenfieber zur Vorfreude von Irmtraud Tarr sind (neben Erklärungen zur Entstehung von Lampenfieber) voll von guten Übungen, die helfen, mit seinem Körper, seinen Gedanken und seinen Gefühlen anders umzugehen.
Solche Lehrbücher können vorbehaltlos empfohlen werden, auch wenn sie sich vor allem an Menschen in künstlerischen Berufen wenden.
Wir aber haben das Glück, dass wir als Amateure des Redens ein ganz anderes Ziel haben: Wir wollen uns zu unserem persönlichen Thema äußern. Das braucht nicht perfekt zu sein. Und das Publikum kommt nicht, um unsere Brillanz zu genießen, sondern um der Inhalte willen, die wir vertreten.
Sie wollen etwas Neues erfahren, sie wollen sich mit dir austauschen und auch selbst wahrgenommen werden. Eine Rede entsteht in der Zusammenarbeit von Rednerin und Publikum. Je zuversichtlicher du dir das sagst, desto leichter wirst du es haben.
Eine Rede ist ein Gemeinschaftsprodukt
Alfred Adler, Begründer der Individualpsychologie, hat sich an verschiedenen Stellen zum Thema Lampenfieber geäußert. Es ist für ihn ein Beispiel für eine fehlgeleitete Aufmerksamkeit auf die eigene Person statt auf den Austausch mit den anderen. Er beschreibt zum Beispiel
… ein Zeichen der intensiven Spannung, in die Menschen geraten, wenn sie nicht an die Sache, nicht an die anderen, sondern nur an ihren Triumph oder an ihre mögliche Niederlage denken. In dieser erhöhten Spannung entsteht als ein Zeichen unentwickelten Gemeinschaftsgefühls und allzusehr erhöhten Interesses für die eigene Person Lampenfieber. Und an dieser Stelle ergibt es sich auch, wie Mut, Selbstbewusstsein und optimistischer Ausblick nur bei Personen zu finden sind, die sich angeschlossen, heimisch, als ein Teil des Ganzen fühlen. Mut als eine Seite vollkommenen Gemeinschaftsgefühls!
Beim Reden vor Publikum ist es hilfreich, sich immer wieder bewusst zu machen, dass die Rede ein Gemeinschaftsprodukt von RednerIn und Publikum ist. Sorge dafür, dass möglichst bald etwas vom Publikum zurückkommt: ein Lachen, ein Zeichen des Nachdenkens, eine Antwort auf eine Umfrage… Dann machst du dir auch während des Redens bewusst, dass nicht alles von dir abhängt.
Du bringt Sicherheit mit
Hinzu kommt alles, was du vor dem Reden für deine Sicherheit tun kannst. Dazu gehören alle möglichen Arten des Übens (von Entspannungsübungen bis zum Training im freien Formulieren), die dir die Gewissheit geben, dass du über die Grundlagen des Redens verfügst.
Sicherheit bedeutet:
Ich bin inhaltlich kompetent.
Ich werde reden, weil ich etwas zur Sache zu sagen habe. In vielen Fällen werde ich hinzugezogen, weil ich mehr als andere weiß.
Ich bin technisch (sprachlich, sprecherisch körpersprachlich) kompetent:
Ich habe mich geübt in: freiem Formulieren, sprecherischer Gestaltung, Körperhaltung, Benutzung von Unterlagen, Bedienung der Technik.
Ich habe mich auf den aktuellen Fall vorbereitet:
Ich habe gut recherchiert, kenne Vorwissen und Erwartungen des Publikums, habe eine Gedächtnisstütze vorbereitet, die funktioniert usw.
Ich habe meine Aufregung im Griff:
Und wenn keine der Entspannungsübungen, die ich kenne, mehr helfen, dann weiß ich wenigstens eines: So aufgeregt, wie ich mich fühle, werde ich nicht wirken. Man sieht mir nicht alles an!
Also nochmals:
Beim Reden geht es um Inhalte, nicht um Perfektion in der Form.
Das Publikum ist mitbeteiligt. Schau hin, man wird mitdenken, wenn du dir Zeit lässt. Man wird dir helfen, wenn du stockst.
Kevin Kuhn
Der Schriftsteller Kevin Kuhn fasst die Erfahrungen zusammen, die er bei seinen Autorenlesungen gemacht hat.
Seine Hauptaufgabe: Augenhöhe mit dem Publikum herstellen. Als Autor fühlt man sich oft deplatziert – besonders, wenn man vom Veranstalter über den grünen Klee gelobt wird. Aber man versucht, weder in der Menge unterzugehen noch sich über sie zu erheben. Also geht es darum, in Kontakt zu treten:
Die Lesung beginnt damit, dass du den Raum betrittst, wo die meisten, eng oder nicht, nebeneinander sitzen. Am liebsten würdest du in der letzten Reihe abtauchen. Du fragst dich, warum du das überhaupt machst.
Auf der Bühne bemerkst du die Strahler und die in die Ferne rückenden Gesichter. Du brauchst die Gesichter, Reaktionen, um überhaupt anzukommen. Aber: du gibst dein Bestes, es kommen einleitende Sätze, die dich noch einen Tick weiter über das Podest erheben, du fliegst da förmlich vorne herum – musst einen Anker werfen.
Gute Anker sind zum Beispiel Anekdoten von der Anreise (Realität). Das kann diesen entstandenen Graben etwas zuschütten. Weil du jetzt nahbar wirst (eine Person, die von irgendwoher angereist ist und vom Regen, wie du sagst, überrascht wurde). Das gelingt aber nicht immer. Dann musst du allen Charme und auch Witz aufwenden, um irgendwie Anschluss zu finden.