Wie du dein Seminar ohne Aufwand optimierst: Einige “Don’ts” und “Dos”

Tu folgende Dinge, und du bringst dein Seminar echt in Gefahr:

Fang ohne Vororientierung an! – Ignoriere Motivation und Vorwissen der Teilnehmer! – Benutze Kernbegriffe, ohne sie zu definieren! – Erzähle von deinem unermüdlichen Kampf für das Gute! – Mach deine Konkurrenten schlecht! – Setze Pausen an, die nicht ausreichen, um aufs Klo zu gehen! – Rede, rede, rede und verzichte darauf, die Leute zu beteiligen! – Führe Zweiergespräche mit einzelnen Teilnehmern! – Lass dich zu Diskussionen über Nebensachen verleiten! – Mach den Abschluss ohne Rückblick und Feedback!

Oder positiv gewendet: Beherzige die folgenden Regeln

Hier dieselben Regeln nochmals, aber ausführlicher und positiv formuliert.

Ausgangspunkt: Beobachtungen bei einem Seminar von 2 Tagen.
Publikum: Knapp 50 Personen mit einer gewissen Vorbildung. Sie sind zum Teil von weit her gefahren und kennen einander zum Teil.
Ort: Saal in einer ländlichen Wirtschaft. Die TeilnehmerInnen sitzen an vier Tischen parallel aufgestellten Tischen. Für den Seminarleiter ist an der Stirnseite ein Tisch quergestellt. Darüber an der Wand eine Leinwand, an der Decke ein Beamer.

1. An den Beginn gehört eine Vororientierung

Die SeminarteilnehmerInnen brauchen eine Struktur, an der sie sich in den folgenden Tagen orientieren können. Die ist im besten Fall verbal und visuell. Verbal ist es eine kurze Information über Zweck und Ablauf. Visuell ist es ein Programm, das sie vor sich auf dem Tisch oder auf einer Tafel an der Wand haben – irgendwie: Nicht das Medium ist entscheidend, sondern die Verfügbarkeit. Als Teilnehmer will ich jederzeit sehen können, wo wir uns befinden und wie lange es noch gehen wird.

2. Gib der Gruppe eine Chance, sich zu finden

Zeig ein Interesse daran, wer alles da ist. Bei 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern kannst du nicht mit einer Vorstellungsrunde einsteigen; aber du kannst immer etwas dazu beitragen, dass die Einzelnen (1) sich nicht isoliert fühlen und (2) merken, dass du sie ernst nimmst.

Das ist auch bei großen Gruppen möglich:

  • Frage nach Herkunft, Motivation, Vorwissen oder anderen Merkmalen (Handzeichen!), die nicht zu persönlich sind, aber so, dass sich jeder wenigstens in einem findet.
  • Fordere sie zu einem kurzen Gespräch untereinander (z.B. mit dem Tischnachbarn) auf. Beende es durch eine kurze Umfrage (oder eine andere Handlung, die etwas daraus ins Plenum einbringt).
  • Informiere selbst über die Zusammensetzung der Gruppe, so dass sich jeder genannt fühlt.

3. Definiere Kernbegriffe, auch wenn sie fast alle schon kennen

Klar, dass du immer an etwas anknüpfst, was die Leute schon wissen. Aber unterschätze nicht die Bandbreite dieses Vorwissens. Wenn ein Begriff zentral ist, muss er definiert werden, auch wenn das dir persönlich unnötig scheint. Schreib den Begriff an und sag, was er bedeutet.

4. Behandle das Thema, nicht dich selbst

Natürlich ist es toll, dass du eine tolle Ausbildung, jahrzehntelange Erfahrung und viele Erfolge aufzuweisen hast. Das wird aus der Qualität deines Seminars erkennbar. Manchmals kannst du nicht anders, als es zu erwähnen. Aber wenn das zur Hauptsache eines Statements wird, wirst du einfach langweilig.

5. Zitiere positiv

Natürlich gibt es zu deinem Thema Gegenmeinungen und Gegner. Und natürlich musst du dazu Stellung beziehen. Aber wenn das den Hauptteil deiner Argumentation einnimmt, verringert das deine Glaubwürdigkeit. Zitiere dafür vor allem Kolleginnen und Kollegen, die deine Position stärken.

6. Wähle eine Struktur, die an die Lernsituation angepasst ist

Ein Programm besteht nicht nur aus Information, sondern auch aus Erholung von der Information. Je nach Methodik sind Pausen nach 30, 45, 60 oder 90 Minuten sinnvoll. Diese können von vornherein geplant werden und im Programm auftauchen. Es können aber auch zusätzliche Pausen notwendig werden. Wer sein Publikum im Blick hat, merkt das. Wer sich beim Dozieren ganz vergisst, kann hin und wieder fragen. (“Braucht ihr eine Pause?”)

7. Wechsle die Methoden

Man kann zwar eine Woche lang Frontalunterricht durchziehen; aber ein Wechsel in der Methode (und damit in der Beteiligung der TeilnehmerInnen) bringt mehr. Es gibt Dinge, die man diskutiert haben muss, um sie zu verstehen. Es gibt Dinge, die man selbst erarbeitet haben muss, um sie umsetzen zu können.

8. Hab immer die ganze Gruppe im Blick

Fall 1: Eine Teilnehmerin in der vordersten Reihe stellt eine Frage. – Du gehst intuitiv auf sie zu und antwortest, als ob es nur euch beide etwas anginge.
Fall 2: Zu einem Thema fällt dir ein Erlebnis ein, das du mit einem der Anwesenden hattest. – Du sprichst ihn direkt an und machst mehrere Anspielungen, die keiner der anderen versteht.
Das sind Beispiele dafür, dass man als Dozent den Gesprächskreis einengt, im schlimmsten Fall sogar die meisten TeilnehmerInnen ausschließt. Wichtig ist, das Thema immer für alle verständlich zu machen: Fall 1: Wiederhole die Frage für alle. Gehe eher ein paar Schritte zurück, um nonverbal alle einzubeziehen. – Fall 2: Erzähle allen, was sie wissen müssen, um die Geschichte zu verstehen. Sprich vom Teilnehmer eher in der dritten Person, als nur das “Du” zu verwenden und damit unbeabsichtigt eine private Situation zu kreieren.

9. Komm immer wieder auf den Roten Faden zurück

Einen Tag zu reden, ohne abzuschweifen, fällt vielen schwer. Aber erinnere dich daran, dass die Leute für etwas anderes gezahlt haben, als dafür, von deinen persönlichen Vorlieben, deinen politischen Ansichten oder deinen Kindheitserinnerungen zu erfahren. Es ist ohne weiteres möglich, mittendrin zu unterbrechen und zum Thema zurückzukehren.

10. Mach einen Schluss, der allen etwas bringt (auch dir)

Für den Abschluss eines Seminars muss genügend Zeit eingeplant sein. Setz dir zum Ziel, dass – bevor man auseinandergeht – für alle Anwesenden zumindest ein Ergebnis formuliert wurde. Dieses sollte für die TeilnehmerInnen, aber auch für dich informativ sein. Für die TeilnehmerInnen ist es ein Lehrsatz, eine Anregung zur weiteren Arbeit oder eine Bewertung der Veranstaltung. Für dich ist es ein Feedback, das dir einigermaßen verlässlich zeigt, was es für sie gebracht hat. Das bedeutet im besten Fall, dass nicht nur du sprichst, sondern auch die ihre Zeit für das Seminar geopfert haben.