Radiotipps für die Woche vom 29. März bis 5. April 2015

Mittelamerikanischer Exodus
Wenn Kinder nur noch weg wollen

Von Erika Harzer

Dienstag, 31.03.2015, 19:15 Uhr, DLF

Sie kommen aus Guatemala, El Salvador und Honduras. Sie sind Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene und durchqueren alleine Mexiko. Eine mörderische Route, die sie nur mit viel Glück unversehrt hinter sich bringen können, ohne dabei in die Hände von Drogenkartellen, Entführern, Menschenhändlern oder auch der Migrationspolizei zu gelangen.

All die Gefahren halten sie nicht davon ab, sich auf den Weg zu machen. Zu Hunderten sitzen sie dicht gedrängt auf Dächern von Güterzügen und hoffen täglich aufs Neue, ihr Ziel zu erreichen. Die USA. Dort glauben sie, ein Leben leben zu können, dass ihnen mehr bietet, als der gewalttätige Alltag, den sie in ihren Heimatländern erlitten haben. Doch Präsident Obama erwägt angesichts des Ansturms Minderjähriger eine Gesetzesänderung, um diese Kinder schneller abschieben zu können. Die Heimatländer gelten nicht als Kriegsregionen und doch sind sie Ausgangspunkt des Exodus. Die Geschichte der Kinder einer vergessenen Region, die Geschichte einer humanitären Katastrophe.

Es brummt

Von Beate Mayer

Mittwoch, 01.04.2015, 00:05 Uhr, DR Kultur

Der mysteriöse Tiefton, den nur wenige Menschen hören können, ist ein Rätsel – weder Quelle noch Ursache sind bisher bekannt. Die Autorin Beate Mayer begab sich auf die Suche nach dem Brummton. Es wurde eine Reise in die Welt der tiefen Töne.

„Das Bett vibriert, das Kopfkissen brummt, das Herz rast und der Blutdruck erhöht sich. Es hört sich an, als brumme im Keller ein Kühlschrank.“ So beschreibt einer von 900 Brummton-Betroffenen in Deutschland sein Leiden, das ihm seit Jahren den Schlaf raubt.

Den mysteriösen Tiefton hören nur wenige Menschen. Das ist ein Rätsel, denn weder Quelle noch Ursache des Phänomens sind bisher bekannt. Wohl aber die Wirkung, die niederfrequente Töne auf den menschlichen Organismus haben, obwohl man sie nicht bewusst wahrnimmt.

Die Autorin begab sich auf die Suche nach dem Brummton. Aus der Recherche wurde eine Reise quer durch die Republik und in die Welt der tiefen Töne, die alles andere als ungefährlich ist.

Die Stadt, der Cop, die Fehlurteile
Justizskandal in New York

Von Simone Hamm

Mittwoch, 01.04.2015, 22.03 Uhr, SWR2

In den 80er-Jahren war New York die Hauptstadt der Kriminalität. Drogenhändler beherrschten die Straße, Morde waren an der Tagesordnung. Die Polizei brauchte dringend Erfolge und Detektive Louis Scarcella lieferte sie. Er brachte Mörder gleich dutzendweise auf die Anklagebank. Die Staatsanwälte glaubten ihm gerne, dass Augenzeugen gleich mehrere Morde gesehen haben wollten, fiel ihnen nicht auf und niemand fragte, warum etliche Angeklagte auf ihrer Unschuld beharrten. Sie wurden verurteilt und erhielten langjährige Haftstrafen. New York schien wieder sicher. Nach über 20 Jahren stellt sich heraus, dass viele unschuldig im Gefängnis saßen. Über 70 Fälle werden jetzt neu aufgerollt, die ersten Häftlinge wurden inzwischen freigelassen. Wie konnte es dazu kommen? Verurteilte kommen zu Wort, Anwälte, Politiker und Bürgerrechtler, die zu erklären versuchen, wie Fehlurteile in diesem Ausmaß überhaupt möglich waren. Es zeigt sich: Louis Scarcella ist nur Teil eines sehr viel größeren Problems.

Elser

Hörspiel von Fred Breinersdorfer

Freitag, 03.04., 20.03 Uhr, SWR2 Hörspiel am Sonntag

Es fehlten 13 Minuten, die die Weltgeschichte ändern und Millionen Menschenleben hätten retten können. Doch Adolf Hitler verließ die Kundgebung im Münchner Bürgerbräukeller an diesem 8. November 1939 zu früh. Er wollte schnellstens zurück nach Berlin, konnte aber nicht fliegen, weil Nebel herrschte. Erst im Sonderzug erreichte ihn und seine Paladine die Nachricht, dass der Ort, an dem sie noch kurz zuvor des ›Marschs auf die Feldherrenhalle‹ gedacht hatten, durch eine Bombenexplosion zertrümmert worden war.

»Wir alle sind wie durch ein Wunder dem Tode entronnen«, schrieb Goebbels in sein Tagebuch. Die Vorsehung habe den »Führer« gerettet. Er stehe, so pries die Propaganda, »unter dem Schutz des Allmächtigen« und werde erst sterben, »wenn seine Mission erfüllt ist«.

Georg Elser, der Attentäter, der die heraufziehende Katastrophe des Zweiten Weltkriegs früher als viele andere erkannt und durch Tyrannenmord hatte verhindern wollen, war dem Leiter der Kripo Arthur Nebe und Gestapo-Chef Heinrich Müller in Berlin überstellt worden. Nach brutalen Verhören gestand er schließlich. Doch die Nazis glaubten nicht, dass dieser einfache Schreiner aus dem schwäbischen Königsbronn allein gehandelt haben konnte. Sie hielten ihn für ein Werkzeug des englischen Geheimdienstes. Für einen Schauprozess ließ man Elser noch jahrelang im KZ am Leben. Erst kurz vor Kriegsende wurde er auf Befehl Hitlers in Dachau ermordet.

Das Hörspiel über den Hitler-Attentäter entstand in Abstimmung zwischen den Redaktionen Fernsehfilm und Hörspiel des Südwestrundfunks. Erfolgreich zusammengearbeitet hatten sie zuletzt beim großen »Rommel«-Film des SWR. Diesmal stand die Kino-Koproduktion »Elser« am Anfang, in der Oliver Hirschbiegel Regie führt. Drehbuchautor Fred Breinersdorfer schrieb für das Hörspiel eine neue, eigenständige Version. Seine wichtigste historische Quelle waren die Gestapo-Protokolle, die, bis auf wenige Ausnahmen, allerdings nicht den Wortlaut der Verhöre wiedergeben, sondern als Zusammenfassungen der Protokollanten in der Sprache der Nazis gehalten sind. Im Unterschied zum Film wählte Breinersdorfer vor allem die Innenperspektive Elsers, um den minutiös geplanten An-schlag und seine Hintergründe zu schildern. In Rückblenden, andrängenden Erinnerungen und im inneren Monolog werden die Überzeugungen und Motive, aber auch die Zweifel des Attentäters deutlich.

Auf dem Weg nach Çankiri
Der Komponist und der Völkermord

Von Daniel Guthmann

Freitag, 03.04.2015, 20:05 Uhr, DLF

Am 24. April 1915 werden in Konstantinopel mehr als 220 Armenier festgenommen und in den folgenden Tagen ins Landesinnere nach Çankiri deportiert. Der Vorwurf lautet: Hochverrat. Zu den prominenten Gefangenen gehört einer der berühmtesten armenischen Künstler: der Komponist und Priester Komitas Vardapet.

Die Verhaftungen bilden den Auftakt zum ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts. Zwischen 1915 und 1917 bringen die Türken schätzungsweise 1,5 Millionen Armenier im Osmanischen Reich um. Obwohl Komitas zu den Überlebenden der Deportationen gehört, zerbricht er aus Verzweiflung über das Leid seiner Nation.Die letzten 20 Jahre seines Lebens verbringt er in psychiatrischen Anstalten in Konstantinopel und Paris.

Das Feature erzählt mit Hilfe von Auszügen aus unveröffentlichten Originalquellen, Krankenakten und armenischen Zeitzeugenberichten, und macht deutlich, was der Leidensweg des Komponisten für die Armenier von heute bedeutet.

Die Liebe zum Standard
Feldforschungen in der Welt der Kaninchenzüchter

Von Jörn Klare

Samstag, 04.04.2015 um 18:05 Uhr

Jörn Klare war schon in fast aller Welt und an beinahe jedem Krisenherd. Jetzt aber führen ihn seine investigativen Recherchen in eine besonders exotische Welt: das Universum der deutschen Kaninchenzüchter.

Das Wenige, das man über sie weiß, stammt aus dem Lokalteil der Zeitung. Dort, wo angeblich jeder Reporter mal angefangen hat (um möglichst schnell weg- und weiterzukommen), erschließt sich dem Autor ein vielfältiger Kosmos mit komplexen Regeln und Gebräuchen.

Allen voran: der „Standard“, der buchstäblich Kaninchen haarklein festschreibt, was ein schönes Kaninchen von einem weniger schönen unterscheidet. Die Kleintierwelt als Großmetapher. Jörn Klare hat auch versucht, mit den Kaninchen selbst zu sprechen.

„Es muss doch schön sein“
Paul Kuhn – vom Wunderkind zur Jazzlegende

Von Nadja Mayer

Sonntag, 5. April 2015, 18:05 Uhr, hr2

Als die Alliierten während des zweiten Weltkriegs in der Normandie landeten, saß der Sechzehnjährige mit fünf Revuegirls in einem Schnellboot Richtung Brest, während über ihren Köpfen die Bomben flogen. Er spielte nach dem Krieg in den Clubs der GIs und auf dem ersten Deutschen Jazzfestival in Frankfurt am Main. Schon bald aber versprach er: „Ich spiele alles, was Sie hören möchten“ und sang mit weicher Stimme und ernster Miene vom „Mann am Klavier“. Es sollte die Hymne der Nachkriegsjahre werden. In den 1970er Jahren machte er das Tanzorchester des SFB zu einer Big Band von Weltruhm und fing noch einmal bei null an, als die Ära der Band jäh zu Ende ging.

Paul Kuhn, der mit seiner Musik immer lieber Menschen unterhalten, als Kritiker begeistern wollte, pflegte ein konsequentes Desinteresse an Einteilungen in E- und U-Musik, in Jazz und Schlager. „Es muss doch schön sein“, lautete sein Credo, mit dem er zumindest in den Feuilletons lange Zeit auf Unverständnis stieß. Erst spät kehrte er zu seinen musikalischen Wurzeln zurück und fand endlich auch als Jazzpianist gebührende Anerkennung. Das Feature zeichnet das facettenreiche Leben von Paul Kuhn nach, der 2013 im Alter von 85 Jahren gestorben ist.