Ur-Geräusch. Eine Reise.
Von Waclaw und Jadwiga Stawny
Mittwoch, 19.3.2014, 00:05 Uhr, DR Kultur
Akustische Reise in das Bergdorf Soglio, wo Rainer Maria Rilke in seinen Aufzeichnungen ein “Ur-Geräusch” imaginierte.
Beim Anblick der Kronennaht in einem menschlichen Schädel fühlte sich Rainer Maria Rilke an ein Experiment erinnert, das der Lehrer im Unterricht anstellte. Dieser erzeugte mit einer Membran, einer starken Borste und Kerzenwachs so etwas wie Schallplattenrillen. Und ähnlich sieht auch die Kronennaht aus. Wenn man ihr Töne entlocken könnte, dann hätte man vielleicht ein Ur-Geräusch.
Diese Gedanken schrieb Rilke 1919 in der italienischen Schweiz nieder, im Dorf Soglio, das die Autoren besucht haben. Wegen seiner Abgeschiedenheit mag es noch so klingen wie zu Rilkes Zeiten.
Das Modell von Érpatak
Wie ein rechtsextremer Bürgermeister Ungarn verändert
Von Keno Verseck
Mittwoch, 19. März 2014, 22.03 Uhr SWR2
Érpatak, ein winziges Dorf im äußersten Nordosten Ungarns, plattes Land, keine Sehenswürdigkeiten, war bis 2005 ziemlich bedeutungslos, bis Mihály Zoltán Orosz zum Bürgermeister gewählt wurde, ein bekennender Rechtsextremer, Ordnungsfanatiker, Antisemit und Romahasser. Er führte im Dorf das “Modell von Érpatak” ein und etablierte es als verbindliches Wertemodell, dessen Regeln lauten: Ordnung, Arbeits- und Gemeinschaftssinn, nationale Brauchtumspflege. Wer die Regeln einhält, gehört zu den “Erbauern”, alle anderen sind “Zerstörer”, ihnen droht Ausgrenzung, sogar Vertreibung aus dem Dorf. Mit dem Modell hat der Bürgermeister seither in Ungarn Geschichte gemacht: Viele Gemeinden setzen es als Instrument zur Disziplinierung vor allem von Roma ein. Auch die Regierung von Viktor Orbán ließ sich davon inspirieren, als sie die gesetzliche Zwangsarbeit für Sozialhilfeempfänger einführte. Das Dorf wurde zu einem Ausgangspunkt für Ungarns autoritär-nationalistische Wende.
Wandlung
Das erste Amtsjahr von Papst Franziskus aus Sicht des Kirchenpflegers Stephan Alof
Von Franziska Storz und Rainer Schaller
Samstag, 22.März 2014, 13.05 Uhr, Bayern 2, Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr
Am 19. März 2014 feiert Jorge Mario Bergoglio seinen ersten Jahrestag als Papst Franziskus. Ein Mann, der im bescheidenen Gästehaus des Vatikans wohnt und im Hinblick auf die Flüchtlingstragödien im Mittelmeer die “Globalisierung der Gleichgültigkeit” beklagt. Es herrscht ein anderer Ton in Rom, seit der Argentinier das Pontifikat übernommen hat. Die Musik ist die gleiche geblieben. Sexualmoral, Familienbild, Wiederverheiratung von Geschiedenen, an keinem Dogma, das die katholischen Laien von ihrer Kirche immer weiter abdrängt, wurde bisher wirklich gerüttelt. Doch nie war die Hoffnung größer, dass die katholische Kirche sich wieder mehr auf die Gläubigen zubewegt. So auch in der Münchener Gemeinde St. Maximilian.
Die neoromanische Kirche an der Isar ragt mächtig in den Himmel. In ihrem Schatten liegt das Glockenbachviertel, Heimat der Künstler und homosexuellen Szene sowie der neokonservativen Hipster-Familien, die gerne am Sonntag in lebendig-inszenierte Gottesdienste gehen (inklusive DJ und Bobby-Car-Weihe) und danach ums Eck auf eine traditionelle Weißwurst. Kirchenpfleger Stephan Alof ist – zumindest im katholischen Sinne – alles andere als ein Vorzeigeschaf. Er führt als Gastronom die Großmarktspelunke “Zur Gruam” und eine Table-Dance Bar am Münchener Schlachthof. Aus seiner Homosexualität hat er nie ein Geheimnis gemacht. Gemeinsam mit dem progressiven Gemeindepfarrer Rainer Maria Schießler eckt er mal in Rom und mal im eigenen Gemeinderat an. Denn eine Frage eint die bunte, katholische Truppe, die “Menschenfischer vom Glockenbachviertel”, mit dem Papst: Wie viel Fortschritt verträgt die katholische Kirche? Ein Jahr lang haben wir die ungewöhnlichste Kirchengemeinde Münchens begleitet und u.a. Kirchenpfleger Alofs Fürbitten gesammelt – und forschen jetzt nach: Welchen Einfluss haben das Lächeln und die symbolhaften Gesten des Papstes Franziskus auf den Gemeindealltag? Haben sich die in den Papst gesetzten Hoffnungen erfüllt? Oder wird sich Papst Benedikt in die Schlange der enttarnten Hoffnungsträger einreihen müssen, gleich hinter Barack Obama?
“Da geriet ich in Furcht” – Mächtige Begegnungen
Von Andrea Marggraf
Sonntag, 23. März 2014, 14.05 Uhr, SWR2
Wir sollten einmal die Masken abnehmen. Was würden wir sehen? Den Schafskopf, diesen uralten unverwüstlichen? Vielleicht. Schurke oder Engel, beides ist möglich. Die Weichen werden früh gestellt. Entscheidend ist letztlich, wer herrscht und wer wird beherrscht. So werden einige bereits als Direktor geboren, andere kommen zu Macht wie die Jungfrau zum Kinde. Sagen sie. Was macht den Mächtigen zum Mächtigen? Welche Mechanismen greifen auf dem Weg nach oben? Und was für eine Chance hat die Demokratie, diese Mechanismen zu durchbrechen? Eine Annäherung an ein Phänomen, das die Menschen seit Jahrtausenden beherrscht.
Dunkle Lage, keine Aussicht – wir kaufen trotzdem
Von Caroline Michel
Sonntag, 23. März 2014, 18:05 Uhr, hr2-Kultur
Für das„Traumhaus in Toplage“wurde schon vor zehn Jahren viel Geld hingeblättert. Mittlerweile aber werden in den citynahen Vierteln von München, Berlin und Köln selbst marode Dachböden zum Selbstausbau als „Rohdiamanten“ angeboten.
Und nach wenigen Tagen ist das Betongold verkauft. Lärm, unattraktive Lage, Baumängel … alles kein Problem mehr. Woher kommt die plötzlich aufkeimende Lust der Deutschen am Eigenheim? Liegt es wirklich an den niedrigen Kreditzinsen? An den Versprechungen, nur mit dem Kauf einer Immobilie könne man der drohenden Inflation trotzen und den Euro-Skeptikern, die den großen Zusammenbruch prophezeien, ein Schnippchen schlagen? Oder werden wir zu Zockern, die einfach darauf hoffen, dass sich die Preise noch einmal verdoppeln, wie in einigen Straßen in Berlin-Kreuzberg schon geschehen?
Shoppen in China
Afrikanische Händler in Guangzhou
Von Lorenz Rollhäuser
Sonntag, 23. März 2014, 18.05 Uhr, DR Kultur
Die Handelsachsen verschieben sich: Europa war gestern. Heute kaufen afrikanische Händler containerweise in China, sie leben dort in stetig wachsenden Kolonien.
Jules ist Kongolese. Seit 20 Jahren lebt er in Guangzhou und fühlt sich längst wie ein schwarzer Chinese. Nice dagegen will nicht in China leben. Sie fliegt nur viermal pro Jahr zum Einkaufen ein. Seit etwa zehn Jahren hat sich in der südchinesischen Industriemetropole eine stetig wachsende Kolonie afrikanischer Händler gebildet. Hinzu kommen Zigtausende Handelsreisende, die hin und her jetten, um containerweise Waren einzukaufen.
Denn es gibt hier alles, was in Afrika gebraucht wird: Baumaterialien und Autoersatzteile, Kleidung und Computer. Die Handelsreisenden sind aus dem Kongo, aus Mali oder Nigeria. Die einen werden reich, bei den anderen reicht es gerade zum Überleben. Doch in einem sind sie sich einig: China ist gut für sie und gut für Afrika.