Sperrzonen
Sinti und Roma in Frankreich
Von Ruth Jung
Dienstag, 16.12.2014, 19:15 Uhr, DLF
Es waren schockierende Bilder. Gewaltsam räumten Polizisten im Sommer 2010 die Unterkünfte von Roma-Familien in Frankreich. “Ein Vorgehen wie zur Zeit des Vichy-Regimes”, empörte sich damals EU-Kommissarin Viviane Reding. Die angekündigten Sanktionen indessen blieben aus.
Seither hat sich an der Lage der Roma wenig geändert. Und noch immer zählen sie zu den Vergessenen der Geschichte. Dass es noch bis 1946 Konzentrationslager eigens für “Tsiganes” gab, erwähnt kein Geschichtsbuch. In Montreuil-Bellay, wo das größte Lager war, erstritten Überlebende und ein couragierter Lokalhistoriker die Anerkennung als Gedenkstätte – eingeweiht im August 2010. Denn mittlerweile lässt sich ein Aufbruch ausmachen: Zunehmend selbstbewusster werden französische Roma, sie wollen Diskriminierung und Misere nicht länger hinnehmen.
Dieses Feature war nominiert für den Deutsch-Französischen Journalistenpreis.
Timbuktu Blues
Eine Stadt kämpft für ihre Kultur und gegen die Islamisten
Von Bettina Rühl
Mittwoch, 17.12.2014 Uhr, 22.03 Uhr, SWR2
Die historische Kulturstadt Timbuktu in Mali wird weiterhin von radikalen Islamisten bedroht. Im Frühjahr 2012 hatten islamistische Gruppen den gesamten Norden des Landes erobert, und auch Timbuktu besetzt, die Oase am südlichen Rand der Sahara.
Die zum al-Qaida-Netzwerk gehörenden Kämpfer zerstörten die meisten historischen Mausoleen und verbrannten Teile einer berühmten Manuskript-Sammlung, deren älteste Handschriften aus dem frühen 13. Jahrhundert stammen. Die meisten Manuskripte hatten die Bewohner allerdings heimlich gerettet.
Seit einer französischen Militärintervention im Frühjahr 2013 sind die Islamisten geschwächt, aber nicht geschlagen. In der Region Timbuktu nimmt die Zahl der Anschläge auf UN-Soldaten und andere Ziele wieder zu. Aus den internationalen Schlagzeilen bleibt Timbuktu verschwunden. Vor Ort kämpfen die Menschen weiter um ihre Kultur, und gegen den radikalen Islam.
Glaubensgemeinschaften
Himmelgrün – Muslimas in Deutschland
Von Heike Tauch
Freitag, 19.12.2014, 20:10 Uhr, DLF
“Kopftuch?! – Nicht zu viel davon, sonst krieg ich ‘nen Schreikrampf. Gegen das Thema bin ich allergisch!”, ruft Halima Krausen ins Mikrofon. Für die aus einer christlichen deutschen Familie stammende Imamin der Hamburger Blauen Moschee ist die Kopftuchfrage pure Ablenkung von wichtigeren Themen.
Durch solche Debatten sei die Glaubensgemeinschaft in die Defensive geraten, in der nur noch reagiert anstatt kreativ der gesellschaftliche Prozess mitgestaltet werde. Kopftuch on oder off? Für die porträtierten Muslimas ist das eine sehr persönliche Entscheidung. Die Frauen sind Anfang 20 bis Mitte 60 Jahre alt, in Deutschland aufgewachsen und sie gestalten hier ihr Leben. Selbstbewusst erzählen die interviewten Frauen von ihrer Entscheidung, ihren Glauben sichtbar zu machen bzw. es sein zu lassen, und von der Wirkung, die diese Entscheidung in unserer Gesellschaft mit sich bringt. “Sind wir schlechtere Menschen, wenn wir unser Haar bedecken?”, wird die Reporterin gefragt.
Nächste Etage: Erlösung
Eine religiöse Weltreise in sechs Stockwerken
Von Matthias Leitner
Samstag, 20.12.2014, 13.05 Uhr, Bayern 2, Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr
“München ist die City of God”, ruft Joe Danqua, Pastor der versammelten Gläubigen aus Afrika. Wenige Sekunden zuvor hat er den heiligen Geist beschworen, jetzt weint vor ihm eine junge Frau und betet in Ekstase zu Jesus. Ein Stockwerk darüber beenden zeitgleich indische Sikh gerade ihr Sonntagsmahl, gemeinsames Essen ist essentieller Teil der Zeremonie. Egal welcher Religion man angehört, egal ob arm oder reich, ob Mann oder Frau, für jeden Gast haben die Sikh einen warmen Chai-Tee und würziges Daal.
Die Mitglieder von sieben verschiedenen Religionen beten in den sechs Stockwerken der Machtlfinger Straße 10 in München. Neben der afrikanischen Pfingstgemeinde und den Sikh bereiten sich auch afghanischen Sunniten, irakische Schiiten, Muslime aus dem Togo und Indonesien, sowie Engelsgläubige aus Südamerika zum Gebet vor. Begonnen hat alles damit, dass der ehemalige Imam der afghanischen Gemeinde, Sidigullah Fadai, einen Ort schaffen wollte, in dem verschiedene Religionen zusammenkommen, sich austauschen und friedlich koexistieren. Mittlerweile hat er das Haus wieder verlassen, nicht ganz freiwillig und enttäuscht über die Engstirnigkeit seiner eigenen Gemeinde. Das Feature “Nächste Etage: Erlösung” ist eine Weltreise in gerade einmal sechs Stockwerke, eine Reise von Indien bis Ghana, vom Irak bis nach Afghanistan, eine Reise ins religiöse Herzen Münchens, das Portrait eines chaotischen Mikrokosmos, vor allem aber der Menschen die täglich darin aus und eingehen.
BoNT
Oder: Die Krankheit, die es nicht gibt
Von Nora Bauer
Samstag, 13.12.2014, 18:05 Uhr, DR Kultur
BoNT steht für Botulinum Neurotoxin, ein Nervengift, Stoffwechselprodukt der Bakterienspezies Clostridium Botulinum. Die Autorin folgt seiner Spur.
Sie geht auf Bauernhöfe, wo seit einigen Jahren Hochleistungsmilchkühe erkranken – auch Menschen haben sich schon angesteckt. Sie besucht Veterinärmediziner und Toxikologen, die das Bakterium als Ursache vermuten: es wird mit der Nahrung aufgenommen, vermehrt sich im Darm und produziert dort sein tödliches Gift. Schließlich befragt sie Aufsichtsbehörden, denen der Verdacht auf chronischen Botulismus gemeldet wird. Doch für die Behörde existiert die Krankheit nicht. Auf einmal geht es nicht bloß um Kühe: Gärreste aus Biogasanlagen, die auf die Böden als Dünger ausgebracht werden, stehen im Verdacht, kontaminiert zu sein.
„Sei selber die Laterne“
Das schillernde, konsequente Leben und Werk des Widerstandskünstlers Fred Denger
Von Hannelore Hippe
Sonntag, 21.12.2014, 14.05 Uhr, SWR2
Niemand kennt Fred Denger, dabei hat er ein umfangreiches Lebenswerk hinterlassen. Als junger Mann kämpfte er in einer skurrilen Widerstandsgruppe gegen die Nazis, verfasste danach engagierte Dramen und schrieb zahlreiche Romane. Sein bekanntestes Theaterstück ist “Langusten”, das mit der großen Durieux Erfolge feierte. Dann machte er Karriere als Drehbuchautor: “Der Ölprinz” und “Der unheimliche Mönch”, Filme nach Karl May und Edgar Wallace. Bis er schließlich ins Wendland zog und zu einer Lichtgestalt der Anti-Atommüllbewegung wurde. Da hatte er bereits das Alte Testament in den Jargon des späten 20. Jahrhunderts übertragen. Den Erfolg seines “Großen Boss” erlebte er nicht mehr. Denn er fiel vorher besoffen die Treppe runter. Der Tod erlöste ihn auch von der Suche nach der richtigen Frau – nach zwölf Ehen. Hannelore Hippe erinnert mit Hilfe von Weggefährten Dengers an einen außergewöhnlichen Menschen.