Radiotipps für die Woche vom 25. – 31. August 2014

Hesitationsphänomene
Oder: Die deutsche Äh-Klasse

Von Helmut Berschin

Mittwoch, 27. August 2014, 00.05 Uhr, DR Kultur

“Über allen … äh …Gipfeln ist … ist praktisch Ruh und äh …” – in dieser Form würde das Goethegedicht zu einem Talk passen. Mit vielen Stockungen im Redefluss, linguistisch ausgedrückt: mit “Hesitationsphänomenen”.

Im Alltag überhören wir diese Formulierungsstörungen. Längeres druckreifes Sprechen erfordert Konzentration und Übung – es ist sozusagen eine sprachsportliche Leistung. In öffentlicher Rede ist diese Leistung selten geworden. Die Akteure stehen unter einem kommunikativen Dauerstress, der sprachlich nicht mehr flüssig, sondern nur noch hesitationsreich zu bewältigen ist. Die Sendung zeigt am Beispiel prominenter O-Töne den Unterschied zwischen rhetorischer Ober- und Äh-Klasse.

Große Radiostimmen: Anja Buczkowski
Ein akustisches Porträt

Samstag, 30. August 2014 13:05 Uhr, Bayern 2

Offenes Archiv: Das Feature als Dokument seiner Zeit (5/6)

Im Bayern2-Sommerradio öffnet der Bayerische Rundfunk sein Schallarchiv für herausragende Produktionen im 20. Jahrhundert. Diesen Sommer widmet sich die Reihe “Offenes Archiv – Das Feature als Dokument seiner Zeit” in sechs Ausgaben großen Radiostimmen.

Als in den 80er Jahren zum ersten Mal Autoradios auf den Markt kamen, die digitale Zusatzinforma tionen lieferten, verlangten Autohersteller noch einen Aufpreis für diese außergewöhnliche Technik. RDS – Radio Data System – heißt die Funktion bis heute und sie überträgt u.a. die Senderkennung. Allerdings erschließt sich ein profiliertes Programm auch ohne Blick auf das Daten-Terminal. Da reicht das bloße Hinhören. Sei es die unverwechselbare Musikfarbe oder sei es eine einmalige Grundmelodie der Sprecherinnen und Sprecher, die Orientierung schafft. Und hier kommt Anja Buczkowski ins Spiel. Für nahezu alle kulturorientierten Redaktionen des Bayerischen Rundfunks, Hörfunk wie Fernsehen, arbeitete sie an der Unverwechselbarkeit. Eine warme, streng akzentuierende Stimme, die sich einprägte, mal mit Wehmut überschattet, dann wieder heiter und unbeschwert. Selbst mit 80 Jahren konnte sie noch junge Frauen verkörpern, so stark war ihre Interpretationsmöglichkeit. Anja Buczkowski war eine der großen Stimmen des Bayerischen Rundfunks. So prägnant, dass sich jede digitale Senderkennung oder Stationsdurchsage mühelos erübrigte. Buczkowski begleitete über ein halbes Jahrhundert die bayerischen Hörerinnen und Hörer in den vielfältigsten Sendungen durch den Tag. Nach Ballett- und Schauspielausbildung in Wien und weiteren Stationen in Graz und Linz trat Anja Buczkowski in das Ensemble des Bayerischen Staatsschauspiel ein und entdeckte ihre Freude am Hörfunk. Die früheste Sendung, in der sie mitwirkte und die das Schallarchiv des Bayerischen Rundfunks aufbewahrt, ist das Hörspiel “Julius Cäsar”, produziert 1955. Sie sprach Portia, Gemahlin des Brutus. Es folgten unzählige Texte und Regiearbeiten, auch und gerade für dokumentarische Sendungen, dort wo nicht der große Star zum Vorschein kommt, dafür jedoch die Grundmelodie eines Programms geschaffen wird. [1867]

Bitte achten Sie nicht auf mein Lächeln

Von Irmgard Maenner und Jeannette Witte

Samstag, 30. August 2014, 18.05 Uhr, DR Kultur

Nach einem Schlaganfall findet sich Klara im eigenen Körper eingeschlossen. Bis auf ihr Augenlid ist sie völlig bewegungsunfähig, aber bei klarem Bewusstsein. Über sieben Monate besuchen die Autorinnen die junge Frau, die mit dem Locked-in-Syndrom lebt.

Wo sind die Brücken, über die ein in sich selbst gefangener Mensch den Kontakt zur Welt halten kann? Wie begegnet man jemandem, der weder sprechen noch gestikulieren kann, dem sogar die Mimik fehlt? Im Mittelpunkt des Features steht das Abenteuer der Kommunikation.

Die sieben Leben der Marina Abramovic
oder Der Körper als Kunstwerk

Von Nina Hellenkemper

Sonntag, 31. August 2014, 14.05 Uhr, SWR2

Ikone, Grenzgängerin, Radikale: Die serbische Performancekünstlerin Marina Abramovic fürchtet in ihren spektakulären Kunstaktionen weder Schmerz noch Tod und erzeugt maximale Spannung zwischen sich und dem Publikum. Sie geißelte sich mit Peitschen, Feuer, Eis oder legte Besuchern eine geladene Pistole zur freien Verfügung vor. Als erste lebende Künstlerin holte sie 850.000 Besucher ins Museum of Modern Art. 2014 will sie in Hudson/New York das “Marina Abramovic Institute” eröffnen. Besucher müssen sich vertraglich verpflichten, mindestens sechs Stunden zu bleiben, um dann im weißen Laborkittel – ohne Uhr und Handy – die “Abramovic-Methode” zu erlernen.

Norbert Elias im Gespräch mit Gert Kalow
Die historische Aufnahme

Sonntag, 31. August 2014, 18:05 Uhr, hr2

In dieser Sendung setzen wir unser Sommerprogramm mit ausgewählten Gesprächen der Reihe “Der Dialog” mit einem Gespräch zwischen dem damaligen hr-Redakteur Gert Kalow mit dem Soziologen, Kulturhistoriker und Psychologen Norbert Elias fort.

Der 1897 in Breslau geborene Elias studierte Medizin und Philosophie, promovierte bei Richard Hönigswald, wechselte dann aber zur Soziologie und wurde “inoffizieller Assistent” bei Karl Mannheim. 1933 musste er aus Deutschland über Paris nach England emigrieren, wo er zwischen 1954 und 1962 als Dozent für Soziologie an der Universität von Leicester arbeitete. Später übernahm er mehrere Gastprofessuren. Bekannt wurde Elias hauptsächlich durch sein Werk “Über den Prozess der Zivilisation”, das neben der Biographie des Soziologen in dieser Gesprächssendung behandelt wird. 1977 erhielt Norbert Elias den Theodor W. Adorno-Preis der Stadt Frankfurt am Main. Er starb am 1. August 1990 in seinem späteren Wohnort Amsterdam.