Radiotipps für die Woche vom 20. bis 26. April 2014

Im Käfig
Hans Uhlmanns Aufzeichnungen während der Haft 1934/35

Von Carmela Thiele

Dienstag, 21.04.2015, 19:15 Uhr, DLF

“Vorbereitung zum Hochverrat”, lautete die Anklage, die Hans Uhlmann 1934 für eineinhalb Jahre ins Gefängnis Berlin-Tegel brachte. Der Künstler war einer von 60.000 Kommunisten, die damals festgenommen wurden. Um dem Haftalltag zu entfliehen, führte der Bildhauer ein Tagebuch, dem er seine Zukunftspläne, seine Empfindungen und Beobachtungen anvertraute.

Karge Kost und mangelnde Bewegung machten den noch jungen Mann mürbe, aber auch empfindlich für die Metamorphosen des Lichts, den Wandel der Jahreszeiten und die Kakophonie dieses Ortes, den er “Käfig” nannte. Angeregt durch seine Lektüre, zu der Autoren wie Jean Cocteau zählten, erlebte er die Gefangenschaft als surreale Szenerie. Gedanken zu einer neuen Plastik aus Metall gehen über in Erinnerungen an die grausamen Wochen der Gestapo-Haft, poetische Passagen stehen neben erstaunlich klaren Einschätzungen der politischen Lage. Getarnt als französische Studien überdauerte das Tagebuch die NS-Zeit.

Der Makel – Ein deutsch-jüdisches Familienstück

Von Andreas Müller

Mittwoch, 22.04.2015, 00:05 Uhr, DR Kultur

“1994, im Alter von 67 Jahren, offenbarte mir meine Mutter, dass mein Großvater nicht mein Großvater ist. Ein anderer Mann hätte die Großmutter mit ihrem Kind “über Nacht” verlassen. Ein weißer Fleck in der Geburtsurkunde: Vater unbekannt.

Vielleicht hätte ich es dabei belassen, wäre da nicht noch lange Zeit dieses Flüstern meiner Mutter geblieben, wenn wir darüber sprachen, und wäre da nicht das Datum seines Verschwindens: 1933, Ziel Palästina.

Im Januar 2011, nach 17-jähriger Suche, erhielt ich aus England eine E-Mail, lapidar überschrieben: “Welcome to the family!” Meine Mutter hatte eine Cousine in London und eine Halbschwester in Israel. Wie würden sie sich begegnen?”

Raubgräber

Von Günther Wessel

Mittwoch, 22.04.2015, 22.03 Uhr, SWR2

Ägypten wird geplündert. Metertief führen ungesicherte Stollen in Wüstengräber. Kinder kriechen hinein, bringen Nachschub für den internationalen Antikenmarkt. Auf sechs bis acht Milliarden Euro pro Jahr schätzen Fahnder den Umsatz aus dem Verkauf illegal erlangter Kulturgüter weltweit. Tendenz steigend. Nur mit Drogen und Waffen wird noch mehr Geld gemacht. Die Gier der Sammler, Grabräuber und Händler zerstört nicht nur die Vergangenheit von Völkern, sondern finanziert auch Terrornetzwerke wie den IS. Hehler schaffen das Raubgut ins Ausland und schließlich nach Westeuropa: nach London, Brüssel oder München. Auktionshäuser, Privatleute, Galerien oder Internethändler verkaufen die Ware mit gefälschten Zertifikaten weiter. Vor allem in Deutschland kann der Markt ungehindert florieren.

Nicht kampflos sterben!
Jüdischer Widerstand im weißrussischen Gedächtnis

Von Johannes Kirsten

Freitag, 24.04.2015, 20:10 Uhr, DLF

Im offiziellen weißrussischen Geschichtsbild nehmen die heldenhaften Partisanen im Kampf gegen die Nazibesatzung einen zentralen Platz ein. Was wenig bekannt ist: Zwei Partisanenverbände bestanden aus gläubigen Juden. Nirgendwo sonst in dieser Zeit gab es einen vergleichbaren jüdischen Widerstand.

Allein die Bielski-Brüder schleusten 1.200 Menschen aus den Gettos und formierten mit ihnen im Naliboki-Wald ein geheimes Schtetl, ein funktionierendes Gemeinwesen, von dem aus ihre Einheiten operierten. Jack Kagan und Michail Treijster wurden als Kinder von den Bielskis gerettet und schlossen sich ihren Aktionen an. Heute erzählen sie gegen den Verlust des historischen Gedächtnisses an. Unterstützung finden sie dabei von jungen Autoren, die ihrerseits als Partisanen agieren: Als P-ART-isanen der Kunst unterlaufen sie den Partisanenmythos der Regierung Lukaschenko.

„Und es brennt mein Herz tagelang“

Von Daniel Guthmann und Stepan Gantralyan

Samstag, 25.04.2015, 18.05 Uhr, DR Kultur

Die Erinnerung an Jeghische Tscharenz (1897–1937) hat für die Armenier eine besondere Bedeutung. Tscharenz wird nicht nur als Begründer der modernen armenischen Dichtung verehrt, sondern zugleich als ein Märtyrer der armenischen Nation.

In seiner Lebensgeschichte und in seinen Werken spiegelt sich das tragische Schicksal des armenischen Volkes in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Eine Geschichte, die mit dem Völkermord an den Armeniern beginnt und im stalinistischen Terror der 30er-Jahre gewaltsam endet. Bis Mitte der 50er-Jahre galt der Dichter als verfemt. Selbst seine Tochter Anahit konnte nur schwer in Erfahrung bringen, wer ihr Vater war.

Im Widerstand zu Hause sein?
Eine Erkundung zur Kritik als Lebensform

Von Angelika Brauer

Sonntag, 26.04.2015, 14.05 Uhr, SWR2

Die Dramen der Vergangenheit, die Schieflagen der Gegenwart, die Kluft zwischen Arm und Reich – jeder weiß Bescheid. Man kann sich empören, solidarisieren, als Wutbürger auf die Straße gehen und sein Nein demonstrieren. Ist dieser spontane Widerstand – anlassbezogen, zielgerichtet und so schnell, dass er verschwindet, bevor er ökonomisch vereinnahmt wird – nicht der einzige, der heute überhaupt noch zur Freiheit der Selbstbestimmung passt? Eine prinzipielle Frage. Mit Antworten von Philosophen und Künstlern.