Radiotipps für die Woche vom 20. bis 26. Oktober 2014

Psychopharmaka “Ich will ein Geständnis”
Medikamentenversuche an Kindern in der Schweiz

Von Charly Kowalczyk

Dienstag, 21.10.2014, 19:15 Uhr, DLF

Zufällig finden sich in verschiedenen Vormundschaftsakten Patientenprotokolle der psychiatrischen Klinik Münsterlingen im Kanton Thurgau. Ehemalige Zöglinge aus Kinderheimen und Pflegefamilien müssen nun feststellen, dass in den 60er- und 70er-Jahren an ihnen Tabletten getestet wurden – Psychopharmaka.

Niemand hatte es ihnen gesagt. Als Kinder hatten sie im Heim des katholischen Klosters Fischingen oder in Pflegefamilien gelebt. Geliefert wurden die Pillen vom Basler Konzern Ciba, heute Novartis. An den Folgen der Versuche leiden die Betroffenen bis heute, sagen sie, an extremem Bluthochdruck, an Panikattacken und ständigen Kopfschmerzen.

Wie war es möglich, dass man an diesen Kindern experimentieren konnte? Wer ist verantwortlich, trägt Sorge für die Folgen? Und heute? Kümmern sich Pharmakonzerne um ethische Standards, wenn sie in Indien, Rumänien oder Argentinien Arzneimittel testen? Unter welchen Umständen sind solche Tests überhaupt vertretbar?

Stimme der Stimmlosen
Community Radios in Indonesien

Von Mandy Fox

Mittwoch, 22.10.2014, 0.05 Uhr, DR Kultur

Sie warnen vor Vulkanausbrüchen, gründen Schulen, organisieren Krankenbesuche, geben Tipps für die Ernte. Lokalradios sind in Indonesien ein unverzichtbares Kommunikationsmittel.

Schließlich verteilt sich das Land auf über 17.000 Inseln. Gesendet wird aus Hinterzimmern oder von unterwegs, die Sender sind mobil. Gehört wird zu Hause oder bei der Arbeit auf dem Feld. Warum? Weil es das einzige Medium für Bildung und Information in den oft abgelegenen Siedlungen ist. Die Lokalradios könnten die Demokratisierung des Landes vorantreiben. Der Regierung sind sie allerdings häufig ein Dorn im Auge, weil sie zu selbstständig, zu selbstbewusst agieren.

Nazi-Netzwerk NSU

Von Ralf Homann und Thies Marsen

Mittwoch, 21. Oktober 2014, 22.03 Uhr, SWR2

“Der NSU war nach dem Ergebnis der Ermittlungen […] stets eine singuläre Vereinigung aus drei Personen”, sagt der Generalbundesanwalt. Doch Strategie und Taten des Nationalsozialistischen Untergrunds waren alles andere als isoliert und einzigartig. Rechte Terrorakte gab es in der Vergangenheit in ganz Europa und den USA. Folgt man den Spuren des Terrors, stößt man immer wieder auf das nationalsozialistische Netzwerk “Blood & Honour”. Zum harten Kern zählten – laut Ermittlern – auch die späteren NSU-Terroristen Uwe Mundlos, Uwe Bönhardt und Beate Zschäpe. Doch Vernetzungen spielen bei der Aufarbeitung der NSU-Morde kaum eine Rolle. Stattdessen verfolgen die Behörden lediglich die “erweiterte Einzeltätertheorie”. Werden die terroristischen Gefahren von rechts schon wieder unterschätzt?

Rien ne va plus
Warum sich der Boulevardreporter Günter Stampf das Leben nahm

Von Rosvita Krausz

Freitag, 24.10.2014, 20:10 Uhr, DLF

Günter Stampf galt in der Medienbranche als Naturtalent. Charismatisch, hoch intelligent, gut aussehend. Mit 23 war der Österreicher, Ressortleiter der Zeitschrift “Bunte”, mit 24 Chefreporter bei “Bild”, zwei Jahre später kehrte er als stellvertretender Chefredakteur zur “Bunte” zurück – für 450.000 Mark Jahresgehalt.

Dann wechselte er zum Fernsehen. 1994 erreichte er als stellvertretender Chefredakteur von Thomas Gottschalks RTL-Late-Night-Show bis zu drei Millionen Zuschauer täglich. 2002 gründete er seine eigene Firma Stampfwerk. Sendungen wie “Das Leben der Superreichen”, “Megaman”, “Boat of Love”, “Der Amoklauf von Erfurt”, “Urteil Mord”, “Die World Awards” mit Präsident Michael Gorbatschow und “Der Kannibale von Rothenburg” hat er produziert. Dazu kam Werbung für Banken.

Günter Stampf arbeitete wie ein Besessener. “Ich gehe die Extrameile” war seine Devise. Nach oben schien es keine Grenze zu geben. Aber dann kam die Weltwirtschaftskrise. Auf seine Berater, er solle rechtzeitig auf die Flaute reagieren, hörte er nicht. Es war ihm doch bislang in seinem Leben alles geglückt. Warum war Günter Stampf, der mit geschäftlichem Stress souverän umgehen konnte, plötzlich am Ende?

miles and more
Rücktrittsdramaturgien in der Politik

Von Helgard Haug und Heike Haug

Samstag, 25.10.2014, 18.50 Uhr, DR Kultur

“Nach zehn Jahren Bundestag sind Sie für das normale Leben nicht mehr resozialisierbar”, sagte Wolfgang Bötsch (CDU) vor seinem Ausscheiden aus dem Bundeskabinett. Rücktritte sind Konstanten im politischen Geschäft.

Sie sind selten das Ergebnis inhaltlicher Überzeugungen, eher der erzwungene kathartische Akt, mit dem das politische System auf angeheizte Skandale reagiert. Die oft kläglichen Abgänge sind meist perfekt inszeniert. Welchen Mustern und Ritualen sie folgen und welchen Beitrag Medien, Öffentlichkeit und Parteifreunde dabei leisten, zeigt dieses Feature.

Das Deutsch und sein Twäng

Von Henrik von Holtum

Sonntag, 22. Oktober 2014, 14.05 Uhr, SWR 2

Kkkkkrrrrrrff – chpfchpfchpf – schschschtttt – grwmpstrl. Welchen Klang hat die deutsche Sprache? Welche Kontur und welche Kultur? Wie wird Deutsch von Nicht-Deutschen wahrgenommen? Als Gurgeln, Krächzen, Röcheln? Ist es das, was Charlie Chaplin in “Der große Diktator” persifliert hat? Oder ist das nur das böse Hitlerdeutsch als Sonderfall? Es gibt andere Sonderfälle: das Grönemeyer-Deutsch, das sich kaugummiartig dehnt und biegt, als wolle es lieber Englisch sein, das Heino-Deutsch, das aus jedem Vokal eine Gymnastikübung für den Mundraum macht. Es gibt einen speziellen Nachrichtenton und einen bestimmten Werbeton, es gibt Kampfdeutsch und Schmeicheldeutsch. Und dann auch noch die weichgelutschten Dialekte … Hat all das irgendeine Gemeinsamkeit, einen Ton – nennen wir ihn “Twäng” – der für die gesprochene deutsche Sprache typisch ist? So wie das “Twäng” der Gitarre eines Johnny Cash definitiv anders klingt als das “Twäng” eines Reinhard Mey, wenn er in die Saiten greift? Henrik von Holtum horcht dem Klang des Deutschen nach.