Radiotipps für die Woche vom 17. bis 23. November 2014

Werkbank Dongguan
Lebenswege made in China

Von Mathias Bölinger

Dienstag, 18.11.2014, 19:15 Uhr, 20.10 Uhr, DLF

Der eine hat letztes Jahr drei Finger in einer Stahlpresse verloren. Die andere träumt vom schönen Leben und wohnt an Chinas verruchtestem Ort. Der Dritte hat Millionen investiert und sucht nach einem neuen Geschäftsmodell. Geschichten aus Dongguan, der chinesischen Industriestadt an der Grenze zu Hongkong.

Sie wurde bekannt als Werkbank der Welt. Überall läuft man in Turnschuhen von hier, jede zweite Computermaus wird in dieser Stadt hergestellt. Doch während der Weltfinanzkrise brach die Produktion ein. Fabriken schlossen, Arbeiter gingen – der Beginn vom Ende des Geschäftsmodells Billiglohn. Zugleich florierte ein neues Gewerbe. Dongguan wurde zu Chinas “Sexhauptstadt” – nirgends fand Prostitution so offen statt wie hier. Bis der Staat durchgriff.

Spitzelnde Freunde
Deutschland und der amerikanische Geheimdienst NSA

Von Thomas Gaevert und Söhnke Streckel

Mittwoch, 19.11.2014, 22.03 Uhr, SWR2

Spätestens seit den Enthüllungen von Edward Snowden ist die amerikanische National Security Agency, kurz NSA genannt, in aller Munde. Sorgsam abgeschirmt, ist dieser Geheimdienst hierzulande mit einem besonders großen technischen Aufgebot und starker Manpower vertreten. Obwohl Deutschland seit 1994 souverän ist, blieben die US-Streitkräfte und ihre Geheimdienste hier weiterhin stationiert. Sie können vom exterritorialen Boden ihrer Kasernen aus handeln, ohne dass die Bundesregierung einen nennenswerten Einfluss darauf hat.
Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 erklärte sich Deutschland mit den USA solidarisch, deren “Krieg gegen den Terror” uneingeschränkt zu unterstützen. Entsprechende Geheimverträge folgten. Seitdem führt die NSA unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung einen nachrichtendienstlichen Krieg auch von deutschem Boden aus. Die Aktivitäten des Geheimdienstes haben eine lange Tradition, die er nicht aufzugeben gedenkt.

Nuria und Daniel: zwei Madrileños in Berlin

Von Rilo Chmielorz

Freitag, 21.11.2014, 18.05 Uhr, DLF

Nuria und Daniel sind Anfang Januar 2013 zusammen mit Gus, ihrem Hund, nach Berlin gekommen. Daniel ist 38, Nuria 34 Jahre alt. Er ist promovierter Mathematiker. Sie hat schon vor vielen Jahren ihr Jura-Studium abgebrochen. In Madrid gab es keine Arbeit mehr.

Die Entscheidung, die krisengebeutelte Heimat zu verlassen, war nicht einfach, denn die spanischen Familienbande sind eng. In Deutschland hofft das Paar die Zukunft noch einmal neu planen und gestalten zu können.

Die Wahl fällt auf Berlin, nicht nur, weil hier seit zehn Jahren eine alte Freundin von Daniel wohnt, die den beiden immer wieder unter die Arme greift, sondern auch, weil Berlin Freiheit vom Familienzwang und niedrige Lebenshaltungskosten verheißt.

Wie gehen die beiden damit um? Was können sie in einem Jahr erreichen – außer Deutsch zu büffeln und von ihren Ersparnissen zu leben? Rilo Chmielorz hat Nuria und Daniel zwölf Monate lang begleitet.

Die sieben Leben der Marina Abramović
Der Körper als Kunstwerk

Von Nina Hellenkemper

Samstag, 22.11.2014, 13:05 Uhr, Bayern 2, Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Ikone, Grenzgängerin, Radikale: Die serbische Performancekünstlerin Marina Abramović fürchtet in ihren spektakulären Kunstaktionen weder Schmerz noch den Tod. Auch Lady Gaga zählt zu ihren Schülerinnen.
Sie geißelte sich mit Peitschen, Feuer, Eis oder legte Besuchern eine geladene Pistole zur freien Verfügung vor. Was Marina Abramovićs Arbeit bis heute prägt, ist die maximale Spannung, die sie zwischen sich und dem Publikum erzeugt. Als erste lebende Künstlerin holte sie 850.000 Besucher ins Museum of Modern Art. 2014 will sie in Hudson/New York das “Marina Abramovic Institute” eröffnen. Besucher müssen sich vertraglich verpflichten, mindestens sechs Stunden zu bleiben, um dann im weißen Laborkittel – ohne Uhr und Handy – die “AbramovićMethode” zu erlernen.

Die Tunnelgräber

Von Kai-Uwe Kohlschmidt

Samstag, 22.11.2014, 18:05 Uhr, DR Kultur

Nach dem Bau der Mauer war der Weg in den Westen von einem Tag auf den anderen versperrt, Familien getrennt, Liebende auseinandergerissen und Lebenslinien unterbrochen.

Auf der Suche nach einem Ausweg wurde der Untergrund Berlins zum Schauplatz spektakulärer Rettungsaktionen. Über 90 Fluchttunnel sind in den Jahren zwischen 1961 und 1964 in und um Berlin gegraben worden. Die Strapazen waren ungeheuer und die Gefahren groß. Alle, die bei den Unternehmungen mitmachten, taten dies unter Einsatz ihres Lebens. Die Montage aus Zeitzeugenaussagen, O-Tondokumenten, Unterlagen der MfS-Tunnelkartei und Spielszenen erzählt über den Erfolg des Tunnels 29 sowie die Tragödie um den Tunnel 57.

Liebe, Tod und Teufel
Acht Schauspielstudenten proben das Sterben und fühlen sich dabei sehr lebendig

Von Andreas Kebelmann und Robert Schmidt

Sonntag, 23.11.2014, 14.05 Uhr, SWR2

“Ich hatte mal ‘ne Zeit große Angst vorm Tod und jetzt geh’ ich eigentlich gar nicht mehr davon aus, dass ich sterbe. Also ich hab’s eigentlich nicht vor.” Sie sind Anfang 20 und üben das Sterben: acht Schauspielstudierende der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover. Auf der Bühne gibt es kaum ein Drama ohne Tod und auf die Bühne wollen sie. Aber wie lernt man die Rolle eines Sterbenden? Und welche Rolle spielt der Tod in ihrem Leben, welche Erfahrungen gibt es da? In diesem Feature treffen Leben und Tod aufeinander, auf der Bühne wie im Leben. Im Text wie im Dialog, in der Vorspielrolle und beim Arzt, am Morgen danach und beim Gastspiel in der Provinz. Bei jedem Erfolg und Misserfolg. Der Tod als Hinwendung zum Leben?

Die Philharmonie des kleinen Mannes: Über Leben auf dem Rummelplatz

Von Christian Blees

Sonntag, 23. November 2014, 18:05 Uhr, hr2

Der Rummelplatz als Tummelplatz der Gefühle fasziniert die Menschen schon seit langem. So gesellten sich bereits im Mittelalter zu den üblichen Handelsmärkten auch Gaukler, Artisten und Guckkastenbetreiber. Später kamen Betreiber von Karussells, Schaukeln und Riesenrädern hinzu.

Inzwischen sorgen immer aufwändigere Achterbahnen und Hightech-Karussells für Nervenkitzel. Dabei wird das Überleben für die Rummelplatz-Betreiber zunehmend schwieriger. Zum einen ist die Zahl der Volksfeste in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren um knapp ein Viertel zurückgegangen. Zum anderen sehen sich die Schausteller an vielen Orten von den Behörden benachteiligt. Nicht nur die Umweltzone, sondern auch hohe Standgebühren sowie Energiekosten machen ihnen zu schaffen. Indem die Betroffenen eine offizielle Bewerbung der deutschen Volksfeste und Weihnachtsmärkte zum “immateriellen Kulturerbe” bei der Unesco eingereicht haben, versprechen sie sich eine bessere Wahrnehmung des Gewerbes und eine höhere Wertschätzung seitens der Politik. Das Feature wirft einen unterhaltsamen und informativen Blick hinter die Kulissen des Gewerbes.

 

Radiotipps für die Woche vom 10.- 16. November 2014

Das Herrhausen-Attentat “Wir wissen definitiv, wer die Täter waren”

Rekonstruktion einer Spurenverwischung

Von Paul Kohl

Dienstag, 11.11.2014, 19:15 Uhr, Deutschlandfunk

Der Autor Paul Kohl wurde in diesem Jahr mit dem renommierten Axel-Eggebrecht-Preis ausgezeichnet. Kohl rekonstruiert, wie von den Ermittlungsbehörden falsche Fährten gelegt wurden, und fragt, welche Interessen hinter dieser Spurenverwischung gestanden haben könnten.

In der Begründung heißt es: “Aussagen und Argumente werden unaufgeregt in eine präzise Sprache gefasst, sorgfältig Gegenargumenten gegenübergestellt und dramaturgisch geschickt verwoben. Dabei bleibt die Haltung des Autors zu seinem Thema nie verborgen. Der gedankliche Freiraum, der durch die sorgfältige Montage aller Elemente entsteht, lässt jedoch auch Platz für die eigene Meinungsbildung des Hörers, denn Paul Kohl will nicht die Wahrheit verkünden, er will durch Information aufklären.”

Das gilt so auch für Kohls Recherchen zum 1989 verübten und bis heute nicht aufgeklärten Attentat auf den damaligen Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen.

Kurzstrecke 31 Feature, Hörspiel, Klangkunst

Zusammenstellung: Jan Rohlf, Barbara Gerland Ingo Kottkamp

Mittwoch, 12.11.2014,0.05 Uhr, DR Kultur

Was hört man zwischen den Stühlen? Kann Radio auch anders? Heute schon mal kurz gefasst? Deutschlandradio Kultur sucht fortlaufend Neuproduktionen zwischen Feature, Hörspiel und Klangkunst.

In der aktuellen Ausgabe unserer Sendereihe finden Sie unter anderem:

Und irgendwo laichten die Lachse
Kann man sagen, wie ein Mensch war, bevor er gestorben ist?
Von Nicolai Busch

„Wir wollen keine Asylantenheime!”
Manchmal lohnt es sich, zweimal hinzusehen.
Von Nadine Bonengel

Unwritten
Eine Komposition von hunderten von Schreibgeräuschen (von der Feder bis zur Tastatur, vom Radiergummi bis zum Schredder), angereichert mit Gästen (eine Fliege, ein Wolf) und ergänzt um Akkordeon und Bassklarinette.
Von Martin Daske

Der Spezialist ist Autist

Von Anja Kempe

Mittwoch, 12. 11. 2014, 18.05 Uhr, SWR2 Feature

Die IT-relevanten Märkte werden sich in den nächsten zehn Jahren verdoppeln, und tausende Spezialisten in den Bereichen Softwareentwicklung, Netzwerktechnologie und Datenbank-Management fehlen. Google und Microsoft suchen daher fieberhaft nach Autisten und ihren herausragenden Fähigkeiten auf diesen Gebieten.
In der Anerkennung und Förderung sogenannter Asperger-Autisten ist die Schweiz heute weltweit führend. Eine Stiftung bildet sie zu Diplom-Informatikern aus. Auch der größte deutsche Softwarehersteller SAP beschäftigt seit 2014 Autisten. Die Autorin Anja Kempe hat sie besucht.

Die persische Gattin
Von der Herausforderung, im Iran zu heiraten

Von Renata Borowczak

Freitag, 14.11.2014, 20:10 Uhr, Deutschlandfunk

Anna heiratet in Deutschland schlicht und standesamtlich Ahmed, einen Iraner. Dann fährt sie mit ihm in sein Geburtsland, um die Verwandten kennen zu lernen. Sie wird als Ahmeds Ehefrau mit Respekt und Zuneigung behandelt. Doch auf einer Erkundungsreise durch den Iran muss Anna feststellen, dass ihre deutsche Heiratsurkunde nicht zählt.

Nicht einmal ein gemeinsames Hotelzimmer darf sie mit Ahmed beziehen, ohne die Rezeptionistin zu gefährden. Anna und Ahmed müssten nach hiesiger Sitte heiraten – vor einem Mullah. Aber dann könnte Anna ohne das Einverständnis ihres Mannes nicht mal das Land wieder verlassen. Obwohl Ahmed seit über 40 Jahren in Deutschland lebt, wird Anna bei diesem Gedanken mulmig zumute.

Und überhaupt: Wie lebt es sich eigentlich als persische Gattin? Anna lässt sich von den Frauen ihrer neuen Familie erzählen – besonders ihre Schwiegermutter, eine lebendige Dame von 84 Jahren, erweist sich als wahre Scheherezade.

Liebe, die um Abschied weiß
Vom Leben mit Alzheimer

Von Karla Krause

Samstag, 15.11.2014, 18.05 Uhr, DR Kultur

Der alte Mann starrt auf ein Foto von seiner Hochzeit – und erinnert sich an nichts. Eine alte Frau erzählt immer wieder von dem Walzer, den sie mit dem Geliebten tanzte. Einem anderen ist der Name seiner Krankheit entfallen.

Alzheimer hat viele Gesichter. Das Vergessen bis zur Umnachtung zieht sich über viele Jahre hin. Auch für den Angehörigen eine Tortur. Doch es gibt Versuche, das Leben mit der Krankheit erträglicher zu gestalten, den langen Abschied gemeinsam zu bewältigen.

Das Feature erhielt 2003 den Katholischen Medienpreis, 2004 den Robert Geisendörfer Preis und den Deutschen Sozialpreis.

Merav heiratet
Ein ganz persönlicher Nahostkonflikt

Von Florian Fricke

Samstag, 15.11.2014,13:05 Uhr , Bayern 2 ,Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Merav, Anfang 40, Jüdin bulgarischer Abstammung, aufgewachsen in Italien und Israel, hat geheiratet. Endlich, jubeln Freunde und Verwandte, denn sie war lange Zeit Single.

Zur Hochzeit konnten und wollten allerdings nicht alle ihrer Freunde kommen, denn sie konnte per Gesetz nicht in Israel stattfinden – Meravs Bräutigam ist nichtjüdischer Deutscher. Nun leben sie bei ihm, aber immer noch pendelt Merav zwischen Tel Aviv und Frankfurt. Sie besucht regelmäßig ihren Vater, arbeitet für ASSAF, einer NGO in Tel Aviv, die sich für afrikanische Flüchtlinge in Israel einsetzt. Sie ist Anhängerin des linken Fußballvereins Hapoel Tel Aviv, engagiert sich bei den Hash House Harriers und liebt Bier. Jerusalem allerdings hasst sie.

Merav ist auf der politischen Landkarte Israels weit links aufgestellt – und doch kann sie über ein Thema nicht wirklich sprechen: über Palästinenser. Araber bleiben bis heute in der Wahrnehmung der israelischen Gesellschaft vor allem eins: Feinde, die zu Terroristen werden können. Warum dies so ist, und wie sich Israel in Richtung einer “totalitären Demokratie” entwickeln konnte, will dieses Feature anhand einer sehr persönlichen Auseinandersetzung ergründen.

Lage, Lage, Lage
Auf Monopoly-Straßen von 1936 durch Berlin

Von Egon Koch

Sonntag, 15.11.2014, 14.05 Uhr, SWR2

Als das Monopoly-Spiel 1936 in Deutschland eingeführt wurde, gab es nur Berliner Straßennamen auf dem grünen quadratischen Spielfeld: vom ärmeren Nordwesten Moabits bis zum teuersten Grundstück: der Insel Schwanenwerder am Wannsee. Dort wohnte Propagandaminister Joseph Goebbels, der nicht als reichsreichster Bewohner einer Spitzenpreisimmobilie gelten wollte – und das Spiel noch im Jahr seines Erscheinens wieder verbot. 1953 kam ein neues Monopoly mit bundesdeutschen Allerweltsstraßennamen auf den Markt. Das alte Spiel wurde nie wieder aufgelegt. Autor Egon Koch spielt es jetzt noch einmal: Von “Los” geht er durch die alten Monopoly-Straßen und Bahnhöfe und ins Gefängnis – “nur zum Besuch”. Er entdeckt, wo das Spiel noch heute Wirklichkeit wird. Und wo in der heutigen Wirklichkeit das Spiel aufhört: bei Wohnungs- und Mietpreisen, bei Spekulation und Bankrott. Sei kein Spielverderber – lautet der Appell an die Toleranz. Wenn aber bereits das Spiel verdorben ist?

Von der Zumutung höchster Ansprüche“
Alfred Andersch und die Anfänge des Frankfurter Abendstudios

Von Hans Sarkowicz

Sonntag, 16. November 2014, 18:05 Uhr, hr2-kultur

1948 begründete der Schriftsteller Alfred Andersch im Hessischen Rundfunk das “Abendstudio”, das sich zentralen Fragen der Nachkriegszeit widmete. Die Sendungen des “Abendstudios” wurden in einer noch fernsehlosen Zeit von vielen Menschen gehört.

Andersch setzte sich mit den Folgen der NS-Diktatur ebenso auseinander wie mit der Avantgarde des Denkens und der Literatur. Bis zu seinem Ausscheiden Ende 1953 präsentierte Andersch das, was in den zwölf Jahren unter Hitler verboten oder unterdrückt worden war. Gleichzeitig begleitete er die Entwicklung der jungen Demokratie in Deutschland mit kritischer Sympathie. Das Feature stellt das damalige Programm in Original-Ausschnitten vor und lässt den vor 100 Jahren geborenen und 1980 verstorbenen Andersch auch selbst zu Wort kommen.