Radiotipps für die Woche vom 26. Oktober bis zum 1. November 2015

Die Fotografin Xiao Hui Wang”
Das Wertvolle ist wie das Licht, man kann es nicht mitnehmen”

Von Astrid Nettling

Dienstag, 23.10.2015, 20:10 Uhr, DLF

15 Jahre hat die Fotografin Xiao Hui Wang in Deutschland gelebt, entscheidende Jahre, die ihr Leben geprägt haben. Ein Schwarz-Weiß-Foto aus dieser Zeit zeigt ein Gewirr von Eisenbahnschienen, die sich kreuzen, sich vereinigen, sich wieder gabeln und in der Ferne ins Unbekannte auseinanderlaufen. Rückblickend ist dies für sie ein Bild, das die Komplexität ihres Lebens symbolisiert.

Theater und Revolution – Judith Malina

Von Grace Yoon

Mittwoch, 28.10.2015, 00:05 Uhr, DR Kultur

Judith Malina wurde 1926 in Kiel geboren, am 10. April dieses Jahres ist sie gestorben. Grace Yoon hat sie zwei Jahre zuvor in New York besucht.
Die Mitbegründerin des legendären Living Theatre, der wahrscheinlich radikalsten und experimentierfreudigsten Theatergruppe des 20. Jahrhunderts, war überzeugte pazifistische Anarchistin. Sie studierte bei Erwin Piscator und arbeitete mit den wichtigsten Künstlern der Avantgarde. Sie hat Generationen von Künstlern inspiriert – engagiert, kämpferisch, rebellisch, eine wahre Mutter Courage. Mit 86 Jahren stand sie immer noch auf der Bühne.

Made with love in Spain
oder Vom politischen Umbruch in Spanien

Von Barbara Eisenmann

Mittwoch, 28.10.2015, 22.03 Uhr, SWR2

Von einer “neuen Politik”, vor allem von neuen kollektiven Arten, Politik zu machen, ist in den letzen Jahren in Spanien viel die Rede gewesen. Seit der Besetzung der Puerta del Sol in Madrid im Jahr 2011, aus der die Bewegung 15-M entstanden ist, hat das Land sich massiv repolitisiert. Die Gesellschaft, von der Margaret Thatcher behauptete, “there is no such thing as society”, hat sich in Reaktion auf die wirtschaftliche und politische Krise organisiert und will mitregieren. Im Zentrum stehen nicht neue Parteien, sondern die Frage, wie außerhalb von Parteien in selbstorganisierten, offenen, lokalen Plattformen institutionelle Politik gemacht werden kann. Die Kommunal- und Regionalwahlen im Mai 2015 haben diesen grundlegenden Stimmungswechsel deutlich sichtbar gemacht. Gewonnen haben basisdemokratische Kandidaturen in Madrid, Barcelona und an vielen anderen Orten im Land, die eine Vielzahl von gesellschaftlichen Akteuren versammeln und die von Podemos, der neuen linken Partei, nicht angeführt, sondern bloß unterstützt worden sind. Auf die Parlamentswahlen im Herbst 2015 darf man gespannt sein.

Jadal – Kontroverse Ein Zufluchtsort in Amman

Von Christoph Burgmer

Freitag, 27.10.2015, 19:15 Uhr, DLF

Jadal ist ein Haus im Zentrum von Amman. Es gibt ein kleines Café, eine Galerie und einige Räume für Sprachkurse und Workshops. Die Macher sind ehemalige Aktivisten des Arabischen Frühlings. Ihre Vision: Räume für Initiativen, Künstler und Aktivisten zur Verfügung zu stellen, ohne die inhaltliche Kontrolle durch den jordanischen Staat oder die Abhängigkeit von privaten Geldgebern.

Himmel auf Erden
Vollkommenheit, Sport und Shitstorm

Von Thomas Palzer

Samstag, 31.10.2015, 13:05 Uhr, Bayern 2

Ende des 18. Jahrhunderts schrieb der Historiker Edward Gibbon in seiner “History of the Decline and Fall of the Roman Empire”: “Die Entwicklung eines übermäßigen, obsessiven Interesses an Sport und Berühmtheiten war einer der Faktoren des Kollapses der größten Zivilisation, die die Menschheit je gekannt hat.”
Steht die westliche Gesellschaft vor dem kulturellen Kollaps, weil die Diagnose auch auf die Gegenwart zutrifft? Wir bewegen uns jedenfalls in einer Welt, in der Sport als Körperoptimierung zur Obsession geworden ist. Erleben wir gerade die Übergangsphase von einer Welt des Geistes zu einer, in der der Körper unser Sein fest im Griff hat? Unerbittlich streben wir nach Vollkommenheit, weder für uns noch andere lassen wir Gnade gelten. Tatsächlich aber spült uns jede weitere Optimierungswelle unglücklicher an den Strand zurück, als sie uns davor hinaus aufs Meer gezogen hat. Wir erkennen, dass sich offenbar alles abschaffen lässt, nur eines nicht: die menschliche Unvollkommenheit. In unserem Narzissmus gekränkt, delegieren wir den Genuss an den Celebrity, der an unserer statt die Vollkommenheit zu personifizieren hat. Aber wehe, er wird von einem Paparazzi beim Rauchen erwischt: Dann ist ihm der Shitstorm sicher.
Thomas Palzer lässt in seiner Sendung Selbstoptimierer und Quantified Selfer, Leidtragende und Paranoide zu Wort kommen. Sowie den Philosoph Robert Pfaller, der konstatiert, dass die reichsten Bevölkerungen der Welt es verlernt haben, die Frage zu stellen, wofür es sich zu leben lohnt. Und der Sportsoziologe Günter Gebauer fragt, was in Anbetracht der allumfassenden Fußballmanie mit dem Land los ist. Verblöden wir zwischen Brot und Spielen?

Erich Loest die Probleme
Der Schriftsteller und seine “fast zweite Heimat” Osnabrück

Von Jan Decker

Samstag, 31.10.2015, 18:05 Uhr, DR Kultur

Die barocke Fülle deutscher Abendbrottische hat wohl keiner so schön beschrieben wie Erich Loest. Jenseits von Knackern und Brot konnte Loest, der im Februar 2016 90 Jahre alt geworden wäre, durchaus ungenießbar sein. Bärbeißig. Schonungslos direkt.
Wie kam der bekennende Sachse Erich Loest in der Friedensstadt Osnabrück zurecht, seinem ersten Wohnsitz nach der Ausreise aus der DDR, und zwischen 1981 und 1987 seine “fast zweite Heimat”? Was trieb ihn überhaupt in die “Weltprovinz” Osnabrück? Und in welchem Licht erscheint der Ur-Leipziger Loest, wenn man seinen Transit-Ort in Westniedersachsen in den Mittelpunkt der Betrachtungen rückt?

Nordkoreaner in Südkorea – Alltag nach der Flucht

Von Johannes Nichelmann

Sonntag, 1. November 2015, 18:05 Uhr

Eine junge Südkoreanerin trifft zum ersten Mal in ihrem Leben einen Nordkoreaner. Beim Cappuccino erfährt sie, dass der junge Mann vor einigen Jahren unter Lebensgefahr nach Südkorea geflohen ist.
Die Frau ist erstaunt über den südkoreanischen Personalausweis des Mannes. Denn immerhin kommt er aus einem Staat, mit dem sich Südkorea im Kriegszustand befindet. Etwa 30.000 Nordkoreaner leben in Südkorea. So drei Fabrikarbeiterinnen, die einen Teil ihres Gehaltes sparen, um es heimlich einmal im Jahr Verwandten im Norden zu schicken. Ein älterer Mann sendet per Kurzwelle ein Radioprogramm in seine ehemalige Heimat. Ein Kunststudent will seine Herkunft eigentlich geheim halten, doch kann er sich künstlerisch nicht ausdrücken, wenn er seine Geschichte verschweigen muss.
Für Flüchtlinge aus Nordkorea gibt es im Süden ein eigenes Wort, das wie ein Stigma wirkt: Saeteomin. Es sind Menschen, die zwischen zwei verfeindete Systeme geraten sind. Das Radiofeature begleitet sie auf ihrer Gratwanderung zwischen Integration und Isolation im Alltag in Seoul.