Radiotipps für die Woche vom 15. bis 21. August 2016

Sippenhaft im Kinderheim Borntal
Nur langsam kommt die Erinnerung

Von Karl-Heinz Heinemann

Dienstag, 16.08.2016, 19:15 Uhr, DLF

Sieben Holzhäuser in einem weitläufigen, abgelegenen Tal im Harz, unweit der früheren deutsch-deutschen Grenze, waren einmal das Kinderkrankenhaus in Bad Sachsa. 1944 waren dort sämtliche Kinder der Attentäter des 20. Juli interniert. 1945 floh ein Dresdner Kinderarzt mit 146 Waisen des Bombenkriegs dorthin.

Später haben Diakonissen aus dem Sanatorium für tuberkulöse Kinder ein Kinderkrankenhaus gemacht. Nach der deutschen Vereinigung war es nicht mehr rentabel und wurde stillgelegt. Nun will ein holländischer Investor auf dem Gelände einen Ferienpark errichten. Bis in die 90er-Jahre wurde die Episode über die Kinder des 20. Juli beschwiegen. Dann kehrten die Kinder von damals zurück. Unterstützt von einer mutigen Bürgermeisterin stellte sich die Bevölkerung endlich der Vergangenheit.

Radio im Kalten Krieg
Der Laubfrosch hat die Farbe gewechselt

Von Angelika Perl und Peter Kainz

Mittwoch, 17.08.2106, 00:05 Uhr, DR Kultur

Als vor 60 Jahren, am 17. August 1956, die KPD in der Bundesrepublik Deutschland verboten wurde, ging der “Deutsche Freiheitssender 904” von einem geheimen Ort in Ost-Berlin auf Sendung.

Seine Durchsagen gaben immer wieder Anlass zu Spekulationen. Vier Jahre später folgte der “Deutsche Soldatensender 935” mit seinem Programm “gegen” die Bundeswehr. Beide Einrichtungen wurden von der DDR finanziert. Redakteure, Sprecher und Techniker erzählen aus dieser Zeit.

Autoren als Ratgeber
101 Wege, nicht zu schreiben

Von Julian Doepp

Freitag, 19.08.2016, 20:10 Uhr, DLF

“Ein Buch schreiben” steht auf Platz zwei aller im Internet geteilten Ziele, nach “Gewicht verlieren” und gefolgt von “Nichts mehr aufschieben”. Nicht wenige Autoren haben den Fallstricken des Schreibens ganze Bücher gewidmet: Mutmach-Essays, Werkstatt-Autobiografien, dokumentierte Verzweiflung und gute Ratschläge.

Inzwischen hat sich daraus fast ein eigenes Genre entwickelt – von Rilke über Hemingway bis zu Stephen King, von “Briefe an den jungen Dichter” bis Selfpublishing. Welche praktischen, wirksamen Ratschläge sich überhaupt finden, soll ein Selbstversuch klären.

Zur Seite stehen die deutsche Buchpreisträgerin Terézia Mora, die ihre Poetik jüngst an der Frankfurter Universität vorgetragen hat, und der Creative-Writing erfahrene Autor Benjamin Lytal, den die New York Times als “meisterlich” lobt. So ergibt sich aus Einblicken in den Alltag vor dem leeren Blatt und in die Strategien derer, die es geschafft haben, zugleich eine kleine Sozialstudie des Schriftstellerdaseins.

Offenes Archiv: Das Feature als Dokument seiner Zeit
Der Klang der Neuvermessung (4/6)
Herbergssuche
In den Winterquartieren der Stadtstreicher
Feature mit Originalton

Von Percy Adlon

Samstag, 20.08.2016, 13:05 Uhr, Bayern 2

“Der Mann mit dem Tonbandgerät”, so bezeichnet sich der Autor in diesem Originalton-Feature von 1974. Er verschmilzt sich poetisch mit seiner Technik. Nicht ein allwissender Erzähler oder ein subjektiv-dokumentarisches “Ich möchte mehr erfahren…” führt durch diese Sendung “mit Originalton”. Ende der 1960er Jahre erlebt das Originaltonfeature die Erhebung zur eigenständigen Form; befeuert auch durch die neue Qualität der Stereophonie. Die Aufnahme vor Ort, Interviews und Geräusche, versprechen – oder vermitteln zumindest – mehr Authentizität als geschriebene Texte eingesprochen im Studio. Der Hörfunk spielt damit seine akustischen Stärken in Konkurrenz zum Fernsehen aus, dessen Außendrehs einen ungleich höheren Aufwand erfordern. Während die Hörfunk-Originalton-Opern ihren Autor oft ganz zurücknehmen, unsichtbar bzw. unhörbar machen, wählt Percy Adlon für den BR einen anderen, zukunftsweisenden, Weg. Er verwandelt sich in ein wanderndes Mikrophon und nimmt damit die heutige ästhetische Entwicklung zum VJ – dem Video-Journalist – vorweg. Der VJ soll, ausgestattet mit miniaturisierten digitalen Gerätschaften, die Bandbreite aller möglichen Medien, von Audio bis Video abdecken. Percy Adlons Feature “Herbergssuche” ist hier eine hilfreicher Blick zurück, denn mit smarter Kamera wäre seine Sendung nicht zustande gekommen: Auf “Herbergssuche” sind Obdachlose und Außenseiter, die ihr Leben vor dem Radio-Mikrofon ausbreiten, gerade weil sie keine Kamera festhält und entblößt. “Der Mann mit dem Tonbandgerät” wird in seiner Beschränkung auf Radio zum sensiblen Begleiter auf Platte und zum vertrauenswürdigen Weggefährten zu geheimen Schlafplätzen.

Bauen im geteilten Berlin
Wettstreit in Stein und Beton

Von Reinhard Schneider

Samstag, 20.08.2016, 18:05 Uhr, DR Kultur

Nach dem Krieg gerät der Wiederaufbau Berlins durch die Teilung rasch zu einem städtebaulichen Wettkampf der Systeme. In der Stalinallee setzt Ostberlin die Paläste für Arbeiter mit großem Pomp in Szene. Sozialismus im XXL-Format.

Westberlin hat als Gegenmodell zunächst nur die unscheinbare Ernst-Reuter-Siedlung zu bieten.

Das Bauen und die Stadtplanung in der geteilten Stadt sind ideologisch aufgeladen: Architektur als Zeichen der Überlegenheit.

Dr. C’s Conversationslexikon (2/3)
Eine ökonomische Radiofeature-Reihe mit und ohne Publikum
S wie Schulden

Von Armin Chodzinski und Nis Kötting

Sonntag, 21.08.21016, 14:05 Uhr, SWR2

G wie Geld, S wie Schulden, W wie Wachstum. Drei Buchstaben. Drei Begriffe. Über die sich reden ließe. Wenn man wüsste, was sie bedeuten. Dafür gab es früher Konversationslexika. Damit man wusste, worüber man redete. Jetzt gibt es Dr. C. Dr. C. referiert, theoretisiert, exemplifiziert: Zitate, Thesen, Verweise, Quellen und Dokumente. Dr. C. denkt laut und live. Manchmal mag er verkrampft wirken, aber das kommt nur, weil er unbedingt verstanden werden will. Deshalb tanzt er manchmal sogar. Sogar so, dass man es hört.
Teil 2: Wer ist eigentlich jemals auf die Idee gekommen, dass man Schulden zurückzahlen muss? Eine ausgeglichene Bilanz? Selbst Finanzminister halten Schulden für wichtig. Die Mafia basiert auf Schulden und die ganze Existenz auf Schuld … irgendwo zwischen Moral und Kennzahl.

Der Rundfunk im Widerstand gegen Hitler
Teil 6: “We fight back”

Sonntag, 21. August 2016, 18:05 Uhr

Von Hans Sarkowicz

In den USA, wo während des Zweiten Weltkriegs zahlreiche deutsche Emigranten lebten, gab es mehrere kommerzielle Sender, die deutschsprachige Programme ausstrahlten.

Zum einen hatten sie die Deutsch-Amerikaner im Blick, zum anderen hofften sie über die starke Kurzwelle auch Hörer in Deutschland zu erreichen. Daneben wurde nach dem Kriegseintritt der USA ein staatlicher Sender ins Leben gerufen, der als “Stimme Amerikas” deutsche Hörer mit dem amerikanischen Standpunkt bekannt machen sollte. Über die “Stimme Amerikas” sprachen bekannte deutsche Emigranten wie die Wagner-Enkelin Friedelind Wagner oder der Theologe Paul Tillich.

 

Radiiotipps für die Woche vom 8. bis 14. August 2016

Ego shooter
Der Krieg der Söhne

Hörspiel von Barbara Kenneweg

Dienstag, 08.08.2016, 00:05 Uhr, DR Kultur

Battlefield, Doom, Call of Duty – sie rufen Legionen zu den Waffen und vor die Bildschirme. Inzwischen verbringen ganze Generationen von männlichen Halbwüchsigen ihre Freizeit mit Egoshootern vor dem Computer.

Die Eltern sind zunehmend machtlos gegen die Lust am “Zocken” und reagieren irritiert und verunsichert: Was ist normale Abgrenzung gegen die Erwachsenen und was führt zur Wesensveränderung?

Das Hörspiel erforscht in Spiel- und Dokumentarszenen die virtuellen Kriegszonen der Kinder- und Jugendzimmer.

Tapir im Birkenwald
Selbst gemachtes Leben

Von Gabi Schaffner

Freitag, 12.08.2016, 20:10 Uhr, DLF

Ist es Volkskunst, Wahnsinn oder Methode? Am 23. Januar 2016 starb der finnische Videodokumentarist Erkki Pirtola. Mehr als 30 Jahre seines Schaffens widmete er einer Kunstrichtung, die in den Tiefen der finnischen Wälder und Tundren ein einzigartiges Dasein fristet.

Der Begriff ITE, kurz für “Itse Tehti Elämä” – selbst gemachtes Leben – fasst Kunst und Leben, Mensch und Natur in eine Formel, die sich in außergewöhnlichen und oft surrealen Kunstwerken manifestiert. ITE ist billiges Blech oder geflochtene Birkenrinde, ITE ist trashig und transzendental zugleich, ITE ist von Aliens inspiriert oder vom Geist der Vorfahren, ITE kann ein Möbel sein, ein Löffel, ein Tapir aus Metall im Birkenwald oder eine einzelne, durch den Raum gespannte Saite.

Gelegs Reise
Wie tibetische Flüchtlingskinder in die Schweiz kamen

Von Nathalie Nad-Abonji

Samstag, 13.08.2016, 18:05 Uhr, DR Kultur

Es ist eine Reise in die eigene Vergangenheit, auf die sich der Tibeter Geleg Chodak begibt: von Basel nach Dharamsala in Indien. 1964, als Siebenjähriger, wurde er von dort zu Pflegeeltern in die Schweiz gebracht.

Zwischen 1960 und 1964 vermittelte der Industrielle Charles Aeschimann 158 tibetische Kinder an Schweizer Familien. Geleg und die anderen Kinder kamen aus einem Heim in Dharamsala. Dort befindet sich seit 1960 der Sitz der tibetischen Exilregierung.

Offenes Archiv: Das Feature als Dokument seiner Zeit
Der Klang der Neuvermessung (3/6)
Die Bundesrepublik – der ungeliebte Freund
Über das Deutschlandbild der Franzosen

Von Dieter Mayer-Simeth

Samstag, 13.08.2016, 13:05 Uhr, Bayern 2

Zu den historischen technischen Experimenten im Hörfunk gehörte der Zweikanalton. Hörerinnen und Hörer des Bayerischen Rundfunks konnten das neue Verfahren am 25. Februar 1984 zum ersten Mal nutzen. Vorher kam er gelegentlich beim Fernsehen zum Einsatz. Beim Zweikanalton wird ein Stereo-Kanal für den Originalton, der andere für die deutsche Synchronisation verwendet. Steht der Balance-Regler des Stereo-Empfängers auf Mitte, ist das Original-Interview leise von links zu hören, die deutsche Übersetzung laut von rechts. Wollen Sprachkundige das Original in all seinen Nuancen erfassen, drehen sie den Balance-Regler nach links, wer nur die Übersetzung hören will, dreht den Regler nach rechts. Für altmodischen Mono-Empfang sei die Sendung allerdings nur bedingt geeignet, heißt es in der Pressemeldung zur Sendung 1984. Diese war keineswegs als technische Spielerei gedacht, sondern ließ die Technik dem Inhalt folgen. Über ein Jahr lang hatte Dieter Mayer-Simeth in Frankreich Stimmen zum Thema Deutschland gesammelt. Es ging ihm dabei um das Deutschlandbild des Durchschnittsfranzosen, sozusagen von Madame et Monsieur Tout-le-Monde, nicht um die immer wieder zitierten sogenannten Deutschlandexperten. Der Zweikanalton bot also einen echten Mehrwert für an sprachlichen Nuancen Interessierte. Und auch ästhetisch eine überzeugende Lösung für eine Sendung, in der die Anderen über die ihnen Anderen reden.

Dr. C’s Conversationslexikon (1/3)
Eine ökonomische Radiofeature-Reihe mit und ohne Publikum
G wie Geld

Von Armin Chodzinski und Nis Kötting

Sonntag, 14.08.2016, 14:05 Uhr, SWR2

G wie Geld, S wie Schulden, W wie Wachstum. Drei Buchstaben. Drei Begriffe. Über die sich reden ließe. Wenn man wüsste, was sie bedeuten. Dafür gab es früher Konversationslexika. Damit man wusste, worüber man redete. Jetzt gibt es Dr. C. Dr. C. referiert, theoretisiert, exemplifiziert: Zitate, Thesen, Verweise, Quellen und Dokumente. Dr. C. denkt laut und live. Manchmal mag er verkrampft wirken, aber das kommt nur, weil er unbedingt verstanden werden will. Deshalb tanzt er manchmal sogar. Sogar so, dass man es hört

Teil 1: Geld ist schön und demokratisch und eine grandiose Erfindung, aber eben auch ein Problem – nur was für eins? Wie so vieles scheint auch das Geld seine Deckung verloren zu haben und übrig bleiben allein Glaube oder Hoffnung … oder nichts.

(Teil 2, Sonntag, 21. August, 14.05 Uhr)

Geheime Sender – Der Rundfunk im Widerstand gegen Hitler

Teil 5 – „Wir sprechen im Namen des deutschen Volkes“

Die deutschen Kriegsgefangenen- und Emigrantensender in der Sowjetunion

Von Hans Sarkowicz

Sonntag, 14.08.2016, 18.05 Uhr, HR2

Die Sowjetunion war für die deutschen Kommunisten das Land der Verheißung, als Adolf Hitler 1933 die Macht übernahm. Funktionäre und einfache Parteimitglieder emigrierten in die Sowjetunion und versuchten von dort aus Kontakt mit ihren Parteigenossen in Deutschland zu halten. Das ging zum einen über den deutschsprachigen Dienst von Radio Moskau und zum anderen über Rundfunksender, die speziell für deutsche Emigranten eingerichtet worden waren. Hinzu kam nach der Kapitulation der 6. deutschen Armee bei Stalingrad der Sender des Nationalkomitees Freies Deutschland, das von kriegsgefangenen deutschen Offizieren und Soldaten gegründet worden war. Das Abhören dieser Sender war in Deutschland mit hohen Haftstrafen bedroht. Trotzdem begaben sich viele in diese Gefahr, weil sie ihre Hoffnungen auf die Sowjetunion und die sowjetische Armee setzten.