Radiotipps für die Woche vom 1. bis 7. Februar 2016

Im Gegenwind
Der weltweite Kampf um Lohn und bessere Arbeitsbedingungen

Von Caspar Dohmen

Dienstag, 2. Februar 2016, 19.15 Uhr, DLF

Gewerkschaften, die historisch eine wichtige Rolle bei der Einführung fundamentaler Sozial- und Arbeitsrechte spielten, sind heute fast überall schwach. Der Internationale Währungsfonds sieht eine zentrale Ursache der zunehmenden sozialen Ungleichheit in der Schwäche der Gewerkschaften. Was sind die Ursachen des Niedergangs?

Auf der Suche nach Antworten hat der Autor drei überzeugte Gewerkschafter getroffen: in Pakistan, El Salvador und in Deutschland. Ihre Geschichten zeigen, wie und warum der Kampf um Arbeitnehmerrechte weltweit immer schwieriger wird. Wer sich organisiert, verliert mancherorts seine Arbeit, landet auf schwarzen Listen oder riskiert sogar sein Leben.

Selbst in Europa gibt es Rückschritte. Ohne starke Gewerkschaften bleiben bessere Arbeitsbedingungen in der globalen Arbeitsteilung jedoch eine Illusion.

Pelle oder Panzer
Robert und Robert suchen einen Anzug

Von Beate Berger

Mittwoch, 3. Februar 2016, 00.05 Uhr, DR Kultur

Robert singt. Robert hat bald seinen ersten Auftritt. Robert braucht einen Anzug. Robert kennt sich mit Anzügen nicht aus. Deshalb fragt Robert Robert.

Robert ist der ehemalige Tanzlehrer von Robert. Robert und Robert ziehen los. Durch Kaufhäuser, Fachgeschäfte, Boutiquen. Robert und Robert sind nicht allein. Beate Berger geht mit. Und guckt und hört zu. Und macht sich mit anderen Frauen Gedanken. Was ist das für ein Kleidungsstück, ohne das der Mann nicht kann? Ist der Anzug Pelle oder Panzer? Ist er Bekleidung oder Verkleidung? Macht er den Mann erst zum Mann? Und wenn ja zu welchem?

Mein Essen bau ich selbst an
Das Modell Solidarische Landwirtschaft

Von Jan Schilling

Mittwoch, 3. Februar 2016, 22.03 Uhr, SWR2

Die Biolandwirtschaft steckt in der Krise. Allein in Mecklenburg-Vorpommern hat die Ökolandbau-Fläche 2014 um 6.000 Hektar abgenommen, obwohl der Umsatz bei Biolebensmitteln bundesweit gestiegen ist. Auch Biokonsumenten sind anspruchsvoller geworden, haben sich an gerade gewachsene Möhren gewöhnt. Großbetriebe können die liefern, Kleinbauern aber oft nicht. Sie setzen auf alternative Vermarktungsmodelle wie die Gemüsekiste oder den Hofladen. Die erwiesen sich als wenig erfolgreich: zu hohe Auflagen, zu wenig Abnehmer. Das Modell einer Solidarischen Landwirtschaft soll jetzt Abhilfe schaffen. Es entstand in den späten 80er-Jahren und gilt mittlerweile weltweit als Erfolgsmodell. In Deutschland gibt es rund 100 Höfe, die entsprechend wirtschaften. Meistens übernehmen von Kunden getragene Kooperativen die Verantwortung und die Finanzierung für mehrere Höfe. Sie ernten, holen die Lebensmittel ab und verteilen sie an die beteiligten Familien, die dafür einen regelmäßigen Beitrag zahlen. Ein kleiner Nebeneffekt: weniger Gemüse landet im Müll, weil auch krumme Möhren beim Kunden ankommen. Jan Schilling geht der Frage nach, ob Solidarische Landwirtschaft eine mögliche Antwort auf die Krise der Biolandwirtschaft und die Lebensmittelverschwendung ist oder doch nur ein Nischenmodell.

Bella Fromm
Von der Gesellschaftsreporterin in Berlin zur politischen Exilantin in New York

Von Nea Matzen und Jan Ehlert

Freitag, 5. Februar 2016, 20.10 Uhr, DLF

Zwar lebte die jüdische Journalistin Bella Fromm bis 1938 in Berlin, viel bekannter wurde sie allerdings in den USA. Als Exilantin verfasste sie ein Tagebuch, in dem sie den Aufstieg der Nationalsozialisten schilderte.

“Blood and Banquets. A Berlin Social Diary” avancierte 1943 zum “New York Times”-Bestseller und war ein wichtiger Bestandteil der Anti-Nazi-Propaganda der Roosevelt-Regierung, die die Bevölkerung vom Kriegseintritt gegen Deutschland überzeugen sollte. Die Entstehungsgeschichte dieses Buchs wirft zugleich ein völlig neues Licht auf die politische Arbeit der Exilanten in den 40er-Jahren. Schon in Deutschland war Fromm eine bestens vernetzte Gesellschaftsreporterin, hatte im Berlin der Zwischenkriegszeit enge Beziehungen in Diplomaten- und Nazi-Kreise.

Das Feature erzählt eine Lebensgeschichte voller überraschender Wenden und liefert ungewöhnliche Einblicke in die jüngere Pressegeschichte. Unveröffentlichte Originaltexte aus dem Archiv in Boston, in dem ihr Nachlass aufbewahrt wird, und Radiointerviews mit US-Sendern aus den 40er-Jahren lassen das Bild einer deutsch-amerikanischen Karriere entstehen.

Unendlicher Spaß e. V.
Aufzeichnungen einer verhinderten Faschingsprinzessin

Von Elisabeth Veh

Samstag, 6. Februar 2014, 13.05 Uhr, Bayern 2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Wenn jedes Jahr am 11.11. die Faschingssaison offiziell eröffnet wird, laufen Training und Vorbereitungen in den bayerischen Faschingsvereinen schon längst auf Hochtouren. Die verzeichnen seit Jahren einen hohen Zulauf an aktiven Mitgliedern und Veranstaltungsbesuchern. Lustig sein hat Hochkonjunktur, auch oder gerade in Krisenjahren, und die Faschingsgesellschaft rangiert vor allem in den ländlichen Gegenden auf einer Ebene mit Freiwilliger Feuerwehr oder Fußballclub. Und macht dabei viel mehr als nur: Spaß. Vielmehr erinnert dieser Hofstaat um Prinzenpaar, Garde und Hofnarren, wie er jedes Jahr wieder in Dörfern und Kleinstädten vom Allgäu bis ins Fichtelgebirge ausgerufen wird, an die Idee von einer perfekten Gemeinschaft: Ernsthaftes Engagement ist ebenso gefordert wie Fleiß und Durchhaltevermögen, wenn Lustig-Sein ein Breitensport ist. Jeder kann etwas erreichen, hat sogar Aufstiegschancen, wenn er nur lang genug dabei ist. Und jeder zählt etwas, auch der, der in monatelanger Kleinstarbeit Umhänge-Orden anfertigt. Der Hofstaat im bayerischen Fasching funktioniert hierarchisch – und er funktioniert. Vielleicht ist er ja die Miniatur einer viel besseren Gesellschaft?

Weil ich Luft zum Atmen brauche
Arabische Filmemacherinnen als Spiegel ihrer Gesellschaften

Von Rebecca Hillauer

Samstag, 6. Februar 2016, 18.05 Uhr, DR Kultur

Filmemacherinnen gehören seit jeher zu den Vorreiterinnen für Frauen- und Menschenrechte in der arabischen Welt. Sie sind auch Dokumentaristen des Arabischen Frühlings und seiner Nachwirkungen.

In Ägypten, wo inzwischen wieder das Militär regiert, hat die koptische Regisseurin Amal Ramsis ein Internationales Frauenfilmfestival initiiert. Ihre franko-tunesische Kollegin Nadia El Fani lebt offen lesbisch – nicht nur in Paris. Seitdem sie sich in einem ihrer Filme zudem als Atheistin outete, steht sie auf der Todesliste von Islamisten.

“Sei selber die Laterne”
Das schillernde, konsequente Leben und Werk des Widerstandskünstlers Fred Denger

Von Hannelore Hippe

Sonntag, 7. Februar 2016, 14.05 Uhr, SWR2

Niemand kennt Fred Denger, dabei hat er ein umfangreiches Lebenswerk hinterlassen. Als junger Mann kämpfte er in einer skurrilen Widerstandsgruppe gegen die Nazis, verfasste danach engagierte Dramen und schrieb zahlreiche Romane. Sein bekanntestes Theaterstück ist “Langusten”, das mit der großen Tilla Durieux Erfolge feierte. Dann machte er Karriere als Drehbuchautor: “Der Ölprinz” und “Der unheimliche Mönch”, Filme nach Karl May und Edgar Wallace. Bis er schließlich ins Wendland zog und zu einer Lichtgestalt der Anti-Atommüllbewegung wurde. Da hatte er bereits das Alte Testament in den Jargon des späten 20. Jahrhunderts übertragen. Den Erfolg seines “Großen Boss” erlebte er nicht mehr. Denn er fiel vorher besoffen die Treppe runter. Der Tod erlöste ihn auch von der Suche nach der richtigen Frau – nach zwölf Ehen.

Heinz Erhardt – ein Porträt

Von Karin Köbernick

Sonntag, 7. Februar 2016, 18:05 Uhr, hr2

An diesem Karnevalssonntag möchten wir an einen Komödianten erinnern, der fern allen Karnevalsklamauks als Komiker, Musiker, Komponist und Kabarettist die Menschen bis heute begeistert.

Aber die Autorin wirft auch einen Blick hinter die Kulissen des Komödianten mit der Hornbrille: Sie erzählt von Erhardts Jugend, dem Beginn seiner Karriere, seinen größten Erfolgen auf der Bühne, auf der er immer “noch´n Gedicht” wusste, und von den raren Momenten, in denen er ganz privat war.

 

Radiotipps für die Woche vom 25. bis 31. Januar 2016

EPAs
Freihandelsabkommen zwischen Europa und Afrika

Von Nora Bauer

Dienstag, 26.01.2016, 19:15 Uhr, DLF

Welche Folgen hat der globale Handel? Für ein Land oder eine Region und die Menschen, die dort leben? Afrika ist am Außenhandelsvolumen Europas mit etwa 2 Prozent beteiligt. Das soll sich jetzt ändern. Die EU möchte mit den Staaten Afrikas Freihandelsabkommen abschließen, die “Economic partnership agreements”, kurz EPAs.

Während die Unterhändler der EU schon auf die enormen Rohstoffe und die endlosen Hektar afrikanischen Ackerbodens spekulieren, verweigern die Afrikaner ihre Unterschrift. Sie befürchten eine Überschwemmung ihrer Märkte mit europäischen Waren. Schon führen die Europäer im großen Stil Milchviehherden ein, um den afrikanischen Verbraucher an den fremden Geschmack von Käse, Quark und Latte Macchiato zu gewöhnen.

Befürworter der Abkommen erwarten eine Verdoppelung der Handelsvolumina in den kommenden zehn Jahren, Kritiker befürchten einen “run” auf die Rohstoffe und eine “Europäisierung” der Lebensgewohnheiten. Sie fordern Unterstützung für den Ausbau der heimischen Produktion, um die wirtschaftliche Entwicklung nicht zu blockieren und die Identität des Kontinents zu wahren.

Geschichten aus dem KitKatClub
Orgie, jede Woche

Von Christoph Spittler

Mittwoch, 27.01.2016, 00.05 Uhr, DR Kultur

Um den 1994 eröffneten KitKatClub in Berlin ist eine Szene von Clubs und Partycliquen entstanden, in der ganz unterschiedliche Milieus aufeinander treffen: der Operntenor im Babydoll und der rollstuhlfahrende Bodypainter, solariumsgebräunte Vorstadtpärchen und weißhaarige Althippies, schwule Bodybuilder und spießige Normalos.

Was hinterlässt es für Spuren, jedes Wochenende, jahrelang, abzutauchen in diese Welt aus Sex, Trance, ohrenbetäubender Musik und chemischen Katalysatoren?

Woher diese Sehnsucht nach der totalen Orgie?

Der Preis der Heilung

Von Nikolaus Nützel

Mittwoch, 27.01.2016, 22.03 Uhr, SWR2

Neue Arzneien, etwa gegen die chronische und lebensbedrohende Leberentzündung Hepatitis C, machen vielen Patienten Hoffnung auf Heilung. Allerdings nutzen die Hersteller den Patentschutz ihrer Medikamente, um Höchstpreise zu verlangen. So gilt ein neues Hepatitis-Präparat als teuerstes aller Zeiten. Die “1000-Dollar-Pille” scheint erst der Anfang einer breiten Entwicklung, fürchten Fachleute. Wie sind die schwindelerregenden Preise der Pharmafirmen kalkuliert? Der Widerstand von Krankenkassen und Ärzten wächst gegen eine rein marktwirtschaftliche Logik im Gesundheitswesen. Hat die Gesundheitspolitik in einem renditeorientierten und globalen Markt überhaupt Handlungsspielräume? Es ist ein Machtkampf entbrannt, bei dem Patienten und Beitragszahler die Leidtragenden sein könnten.

Heteroptera
Die Wissenskünstlerin Cornelia Hesse-Honegger

Von Christine Nagel

Freitag, 29.01.2016, 20:10 Uhr, DLF

Cornelia Hesse-Honegger zeichnet und malt Insekten und Kleintiere. Weltweit bekannt wurde sie mit ihren Bildern von deformierten Wanzen, lateinisch: Heteroptera. Nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl machte sie über das Zeichnen Entdeckungen, die sie nicht mehr losließen. Sie dokumentierte verformte Beine, Fühler und Flügel, außergewöhnliche Farbmuster oder bizarre Auswüchse.

Bald bestätigte die Wissenschaft ihre vorsichtigen Schlüsse: Besonders die Niedrigstrahlung verursacht genetische Schäden, die erst in späteren Generationen sichtbar werden. Am 28.Oktober 2015 erhielt Cornelia Hesse-Honegger für ihr aufklärerisches Werk den Nuclear Free Future Award.

Ihre künstlerische Arbeit steht in der Tradition der metaphorischen Zeichnung. Dabei findet die Erkenntnis nach und aufgrund der Bildwerdung statt. Es lehrt das Sehen als “Erlangen von Einsicht”.

Whistleblowing in den USA
Heimat der Mutigen
Warum Edward Snowden fliehen musste

Von Dieter Wulf

Samstag, 30.01.2016, 18.05 Uhr, DR Kultur

Spätestens als im Juni 2013 Edward Snowden Hongkong Richtung Russland verließ, war klar: Zurück ins “Land der Freiheit, Heimat der Mutigen”, wie es in der amerikanischen Nationalhymne heißt, kehrt der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter voraussichtlich nicht.

Frühere Whistleblower sind sich einig: In den USA hätte Snowden keinen fairen Prozess zu erwarten. Der Autor spricht mit ehemaligen NSA-Mitarbeitern und Tipp-Gebern, Informanten und Menschenrechtsaktivisten, Wissenschaftlern und Snowden-Vertrauten sowie Mitarbeitern beim “Government Accountability Project”, der führenden Whistleblower-Schutz-Organisation.

Wir sind nur Passagiere
Das Leben des Ignace Isekemanga zwischen Hannover und Kinshasa

Von Andreas Kebelmann

Sonntag, 31.01.2016, 14.05 Uhr, SWR2

“Als meine Mutter mir gesagt hat, wir gehen zurück nach Afrika, hab ich gedacht: ich geh zurück in die Hölle.” Ignace Isekemanga wurde 1987 als Drittjüngster von neun Geschwistern in Kinshasa geboren und kam mit einem Jahr nach Saarbrücken. Er wuchs in Deutschland auf, ging im Alter von 14 Jahren wieder in den Kongo, machte dort das Abitur, kehrte mit 19 zurück nach Deutschland und begann Politikwissenschaften in Hannover zu studieren, wo er heute lebt. “Ich habe immer das Gefühl, dass ich irgendwas für den Kongo machen muss. Das ist wie ein permanenter Druck.” Zusammen mit Freunden gründete der 28-jährige Ignace Isekemanga die Musik-Band Bugaro International. “Einer unserer Träume ist, dass wir Konzerte im Kongo geben.”

 

Radiotipps für die Woche vom 11. bis 17. Januar 2016

Unbequeme Helfer
Die PKK und ihr Kampf gegen den IS

Von Marc Thörner

Dienstag, 12.01.2016, 19:15 Uhr, DLF

Selbstmordattentate, Selbstverbrennungen, Geiselnahmen, ein Personenkult, der an die dunkelsten Zeiten des Stalinismus erinnert – all das gehört zur Geschichte der PKK, der Kurdischen Arbeiterpartei. Nicht nur die Türkei, auch viele westliche Staaten stufen die PKK bis heute als Terrororganisation ein. Ist der Aufschwung nur ihrem militärischen Erfolg geschuldet?

Oder wirft sie ideologischen Ballast ab? Seit PKK-Truppen sich als die erfolgreichsten im Krieg gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) erweisen, wandelt sich das Bild, gewinnt sie Anhänger über nationale, ethnische und politische Grenzen hinweg.

Hat sie das Zeug, sich zu einem Katalysator des Säkularismus in der Region zu entwickeln, einer starken und mehrheitsfähigen Gegenkraft zum religiös begründeten Fanatismus?

Der Autor recherchiert in Erbil, im nordirakischen Einflussgebiet der PKK, den Kandil-Bergen und an den Kriegsfronten.

Take Me Home
Oder: Ist es überhaupt Gesang?

Von Michael Lissek

Mittwoch, 13.01.2016, 00.05 Uhr, DR Kultur

Jeden Sonntagabend singen sie in einer Bowling-Bahn in Berlin Karaoke: Dave, Willy, Jenny und viele andere. Country-Songs, Phil Collins, Barry Manilow, Silbermond. Doch was sie tun, ist mehr als Nachsingen.

Sie benutzen die Songs der anderen, um ihre persönlichen Geschichten zu erzählen: von toten Vätern, verhunzten Kindheiten, verlorenen Partnern, fehlendem Selbstwertgefühl, verlorener Heimat und von der Hoffnung – der Hoffnung etwas vermitteln zu können, was jenseits der eigenen Ausdrucksmöglichkeiten liegt. “Let’s just imitate the real, until we find a better one.” (The Notwist) Ihr Gesang ist ihre Erzählung. Die fremden Lieder sind ihre Geschichten.

Der Zaun
Ungarn macht die Grenzen dicht

Von Anna Frenyo

Mittwoch, 13.01.2016, 22.03 Uhr, SWR2

Ungarn ist nicht das einzige europäische Land, das seine Grenzen mit einem Zaun vor dem Flüchtlingszustrom zu schützen versucht. Die Vehemenz, mit welcher das Grenzöffner-Land von 1989 allerdings im Sommer 2015 vorging, macht es dennoch zu einem Sonderfall. In bloß zwei Monaten wurde der 175 km lange Zaun an der serbisch-ungarischen Grenze errichtet, Mitte Oktober folgte die 300 Kilometer lange grüne Grenze zu Kroatien. Die UNHCR warnt vor einer humanitären Katastrophe am Zaun, Naturschützer warnen vor Schäden in der Tierwelt. Wie konnte er überhaupt so schnell errichtet werden, wer hat ihn finanziert und woher kam der Maschen- und Stacheldraht eigentlich? Die Autorin hat sich auf beiden Seiten des Zaunes umgehört und erstaunliche Geschichten erfahren, von Häftlingen und Arbeitslosen, die für den Bau zwangsverpflichtet wurden, von ausländischer Unterstützung, von Flüchtlingen und freiwilligen Helfern, die er trennt.

Der syrische Exilschriftsteller Aboud Saeed
Von Damaskus bis Wikipedia

Von Thomas Böhm

Freitag, 15.01.2016, 20:10 Uhr, DLF

Die syrische Revolution machte aus dem 1983 geborenen Schmied und Schweißer Aboud Saeed einen Schriftsteller. Weil die Demonstrationen das Klima der Angst durchbrachen, das Syrien lähmte, begann Saeed auf Facebook seine Sicht der Dinge zu veröffentlichen.

Seine respektlosen Statusmeldungen, in denen er Privates, Revolutionäres, Alltägliches und Absurdes vermischt, erschienen in Deutschland unter dem Titel “Der klügste Mensch im Facebook” und brachten Saeed den Ruf eines “arabischen Bukowski” ein.

Nach einer Lesereise im Jahre 2013 bat er um Asyl, lebt und schreibt seither in Berlin. Thomas Böhm begleitet ihn durch die Stadt, in der Saeed “allen Hundesorten begegnete, die ich bisher nur aus Zeichentrickfilmen kannte”, von Drogensüchtigen überfallen wurde und “ein Stück Kreide sucht, um auf die Reste der Berliner Mauer zu schreiben: Wo sind die guten alten Zeiten geblieben?”

Abends nimmt Böhm neben Saeed Platz, als dieser die mal aufgebrachten, mal begeisterten Kommentare zu seinen Posts aus der arabischen Welt beantwortet und bei “Schwester Google” vorbeischaut, darauf wartend, dass sein Name in der Wikipedia erscheint.

Herr K.
Eine Affäre mit dem Sozialamt

Von Inge Braun

Samstag, 16.01.2016, 13.05 Uhr, BR2

Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Als Empfänger von staatlicher Grundsicherung im Alter müsste sich Herr K. auf existenziell sicherem Grund wähnen. Für ihn tut sich ein Abgrund auf. In die Rolle des Bittstellers beim Sozialamt gedrängt, fühlt er sich ungerecht behandelt. Als die Behörde Sozialleistungen von ihm zurückfordert, setzt er sich entschlossen zur Wehr. Der Fall eskaliert.
Das Feature dokumentiert die jahrelangen Auseinandersetzungen und gibt einen Einblick in das Leben eines Sozialrentners. Dabei wird auch das durch prekäre Beschäftigungsverhältnisse produzierte System von Altersarmut und Grundsicherungsabhängigkeit mit all seinen bürokratischen Regelungen und Restriktionen hinterfragt.

Kriegsalbum
Was die neuen Heimkehrer nach Hause bringen

Von: Jörg Lukas Matthaei, Milena Kipfmüller und Klaus Janek

Samstag, 16.01.2016, 18.05 Uhr, DR Kultur

Seit 1999 befindet sich Deutschland im Krieg – doch hier ist davon wenig zu spüren. “Kriegsalbum” sammelt die Erlebnisse gegenwärtiger Kriegsheimkehrer: von Soldaten, Journalisten, Mitarbeiterinnen von NGOs.

Sie geben Einblick in die realen Kriegsszenarien, die sich vor Ort brutaler darstellen, als es uns die bereinigten Nachrichtenbilder vorführen. Die Berichte treten in einen akustischen Dialog mit Berliner Alltagsgeräuschen: Partysounds vom Wochenende, Stimmen von Flüchtlingen, Fußballjubel in der Eckkneipe.

Zero Friction
Das Generische – Welt ohne Eigenschaften

Von Olaf Karnik und Volker Zander

Sonntag, 17.01.2016, 14.05 Uhr, SWR2

S, M, L, XL – die Gesichtslosigkeit internationaler Flughäfen inspirierte den niederländischen Architekten Rem Kohlhaas zu einem Buch, dessen Titel aus den Kürzeln für die Standardmaße der Standardkonsumwelt besteht – ob bei T-Shirts oder Popcorn-Tüten. 20 Jahre ist das her. Inzwischen gibt es ganze Städte, die nach Standardmaßen standardmäßig geplant werden – ohne Eigenschaften, ohne Identität, reibungsfrei und gleitfähig, allgemein und selbstverständlich. In New York wird “Normcore” als Modetrend ausgerufen. Gesichtslose Hotelketten wie “Motel One” erweisen sich als Lieblingsunterkünfte einer neuen Generation von Geschäftsleuten und Touristen. Räume und Waren ohne Profil. Schrecklich traditionslos. Und wunderbar ideologiefrei.

Angel Radio – Der Soundtrack der Erinnerungen

Von Michael Lissek

Sonntag, 18.01.2016, 18.05 Uhr, hr2

In der kleinen südenglischen Ortschaft Havant, im Hinterzimmer eines Antiquitätengeschäftes, existiert seit einigen Jahren ein Lokalradio, das sich Angel Radio nennt. Hier gehen ältere Radiobegeisterte auf Sendung: Bob, Tony, Jilly, Peter, Linda. Allesamt über 70 Jahre alt, und Margret ist 91. Die Moderatoren kümmern sich um ein Publikum, das nicht wesentlich jünger ist als sie selbst. Schelllackplatten knistern, man hört Folgen eines alten Kinder-Hörspiels, und die Hörer tauschen sich über ihre Erinnerungen aus. Ein Feature über die Magie des Radios und seine noch immer lebensspendende Kraft.