Radiotipps für die Woche vom 15. bis 21. Dezember 2014

Sperrzonen
Sinti und Roma in Frankreich

Von Ruth Jung

Dienstag, 16.12.2014, 19:15 Uhr, DLF

Es waren schockierende Bilder. Gewaltsam räumten Polizisten im Sommer 2010 die Unterkünfte von Roma-Familien in Frankreich. “Ein Vorgehen wie zur Zeit des Vichy-Regimes”, empörte sich damals EU-Kommissarin Viviane Reding. Die angekündigten Sanktionen indessen blieben aus.

Seither hat sich an der Lage der Roma wenig geändert. Und noch immer zählen sie zu den Vergessenen der Geschichte. Dass es noch bis 1946 Konzentrationslager eigens für “Tsiganes” gab, erwähnt kein Geschichtsbuch. In Montreuil-Bellay, wo das größte Lager war, erstritten Überlebende und ein couragierter Lokalhistoriker die Anerkennung als Gedenkstätte – eingeweiht im August 2010. Denn mittlerweile lässt sich ein Aufbruch ausmachen: Zunehmend selbstbewusster werden französische Roma, sie wollen Diskriminierung und Misere nicht länger hinnehmen.

Dieses Feature war nominiert für den Deutsch-Französischen Journalistenpreis.

Timbuktu Blues
Eine Stadt kämpft für ihre Kultur und gegen die Islamisten

Von Bettina Rühl

Mittwoch, 17.12.2014 Uhr, 22.03 Uhr, SWR2

Die historische Kulturstadt Timbuktu in Mali wird weiterhin von radikalen Islamisten bedroht. Im Frühjahr 2012 hatten islamistische Gruppen den gesamten Norden des Landes erobert, und auch Timbuktu besetzt, die Oase am südlichen Rand der Sahara.

Die zum al-Qaida-Netzwerk gehörenden Kämpfer zerstörten die meisten historischen Mausoleen und verbrannten Teile einer berühmten Manuskript-Sammlung, deren älteste Handschriften aus dem frühen 13. Jahrhundert stammen. Die meisten Manuskripte hatten die Bewohner allerdings heimlich gerettet.

Seit einer französischen Militärintervention im Frühjahr 2013 sind die Islamisten geschwächt, aber nicht geschlagen. In der Region Timbuktu nimmt die Zahl der Anschläge auf UN-Soldaten und andere Ziele wieder zu. Aus den internationalen Schlagzeilen bleibt Timbuktu verschwunden. Vor Ort kämpfen die Menschen weiter um ihre Kultur, und gegen den radikalen Islam.

Glaubensgemeinschaften
Himmelgrün – Muslimas in Deutschland

Von Heike Tauch

Freitag, 19.12.2014, 20:10 Uhr, DLF

“Kopftuch?! – Nicht zu viel davon, sonst krieg ich ‘nen Schreikrampf. Gegen das Thema bin ich allergisch!”, ruft Halima Krausen ins Mikrofon. Für die aus einer christlichen deutschen Familie stammende Imamin der Hamburger Blauen Moschee ist die Kopftuchfrage pure Ablenkung von wichtigeren Themen.

Durch solche Debatten sei die Glaubensgemeinschaft in die Defensive geraten, in der nur noch reagiert anstatt kreativ der gesellschaftliche Prozess mitgestaltet werde. Kopftuch on oder off? Für die porträtierten Muslimas ist das eine sehr persönliche Entscheidung. Die Frauen sind Anfang 20 bis Mitte 60 Jahre alt, in Deutschland aufgewachsen und sie gestalten hier ihr Leben. Selbstbewusst erzählen die interviewten Frauen von ihrer Entscheidung, ihren Glauben sichtbar zu machen bzw. es sein zu lassen, und von der Wirkung, die diese Entscheidung in unserer Gesellschaft mit sich bringt. “Sind wir schlechtere Menschen, wenn wir unser Haar bedecken?”, wird die Reporterin gefragt.

Nächste Etage: Erlösung
Eine religiöse Weltreise in sechs Stockwerken

Von Matthias Leitner

Samstag, 20.12.2014, 13.05 Uhr, Bayern 2, Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

“München ist die City of God”, ruft Joe Danqua, Pastor der versammelten Gläubigen aus Afrika. Wenige Sekunden zuvor hat er den heiligen Geist beschworen, jetzt weint vor ihm eine junge Frau und betet in Ekstase zu Jesus. Ein Stockwerk darüber beenden zeitgleich indische Sikh gerade ihr Sonntagsmahl, gemeinsames Essen ist essentieller Teil der Zeremonie. Egal welcher Religion man angehört, egal ob arm oder reich, ob Mann oder Frau, für jeden Gast haben die Sikh einen warmen Chai-Tee und würziges Daal.
Die Mitglieder von sieben verschiedenen Religionen beten in den sechs Stockwerken der Machtlfinger Straße 10 in München. Neben der afrikanischen Pfingstgemeinde und den Sikh bereiten sich auch afghanischen Sunniten, irakische Schiiten, Muslime aus dem Togo und Indonesien, sowie Engelsgläubige aus Südamerika zum Gebet vor. Begonnen hat alles damit, dass der ehemalige Imam der afghanischen Gemeinde, Sidigullah Fadai, einen Ort schaffen wollte, in dem verschiedene Religionen zusammenkommen, sich austauschen und friedlich koexistieren. Mittlerweile hat er das Haus wieder verlassen, nicht ganz freiwillig und enttäuscht über die Engstirnigkeit seiner eigenen Gemeinde. Das Feature “Nächste Etage: Erlösung” ist eine Weltreise in gerade einmal sechs Stockwerke, eine Reise von Indien bis Ghana, vom Irak bis nach Afghanistan, eine Reise ins religiöse Herzen Münchens, das Portrait eines chaotischen Mikrokosmos, vor allem aber der Menschen die täglich darin aus und eingehen.

BoNT
Oder: Die Krankheit, die es nicht gibt

Von Nora Bauer

Samstag, 13.12.2014, 18:05 Uhr, DR Kultur

BoNT steht für Botulinum Neurotoxin, ein Nervengift, Stoffwechselprodukt der Bakterienspezies Clostridium Botulinum. Die Autorin folgt seiner Spur.

Sie geht auf Bauernhöfe, wo seit einigen Jahren Hochleistungsmilchkühe erkranken – auch Menschen haben sich schon angesteckt. Sie besucht Veterinärmediziner und Toxikologen, die das Bakterium als Ursache vermuten: es wird mit der Nahrung aufgenommen, vermehrt sich im Darm und produziert dort sein tödliches Gift. Schließlich befragt sie Aufsichtsbehörden, denen der Verdacht auf chronischen Botulismus gemeldet wird. Doch für die Behörde existiert die Krankheit nicht. Auf einmal geht es nicht bloß um Kühe: Gärreste aus Biogasanlagen, die auf die Böden als Dünger ausgebracht werden, stehen im Verdacht, kontaminiert zu sein.

„Sei selber die Laterne“
Das schillernde, konsequente Leben und Werk des Widerstandskünstlers Fred Denger

Von Hannelore Hippe

Sonntag, 21.12.2014, 14.05 Uhr, SWR2

Niemand kennt Fred Denger, dabei hat er ein umfangreiches Lebenswerk hinterlassen. Als junger Mann kämpfte er in einer skurrilen Widerstandsgruppe gegen die Nazis, verfasste danach engagierte Dramen und schrieb zahlreiche Romane. Sein bekanntestes Theaterstück ist “Langusten”, das mit der großen Durieux Erfolge feierte. Dann machte er Karriere als Drehbuchautor: “Der Ölprinz” und “Der unheimliche Mönch”, Filme nach Karl May und Edgar Wallace. Bis er schließlich ins Wendland zog und zu einer Lichtgestalt der Anti-Atommüllbewegung wurde. Da hatte er bereits das Alte Testament in den Jargon des späten 20. Jahrhunderts übertragen. Den Erfolg seines “Großen Boss” erlebte er nicht mehr. Denn er fiel vorher besoffen die Treppe runter. Der Tod erlöste ihn auch von der Suche nach der richtigen Frau – nach zwölf Ehen. Hannelore Hippe erinnert mit Hilfe von Weggefährten Dengers an einen außergewöhnlichen Menschen.

 

Hörfunktipps für die Woche vom 8. bis 14. Dezember 2014

Themenwoche “Ware Welt”
TTIP – Transatlantischer Traum oder der Ausverkauf der Demokratie

Von Peter Kreysler

Dienstag, 09.12.2014, 19.15 Uhr, DLF

Im Frühjahr 2013 wurden der EU-Lobby-Expertin Pia Eberhardt von einer unbekannten Quelle geheime Dokumente eines EU-Verhandlungsmandats zugespielt. Es ging um geheime Details des geplanten Freihandelsabkommens TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) zwischen den USA und der EU.

Zur Debatte steht eine lange Wunschliste von Konzernlobbyisten und Finanzinstituten: die Lockerung der Lebensmittelsicherheit, laxere Umwelt- und Chemiestandards, Arbeitsschutzbestimmungen des Arbeitsrechts, staatlicher Schutz für Bildung und Kultur. Kurz: es geht um die Ökonomisierung aller Lebensbereiche, der gesamten Daseinsvorsorge. Sonderschiedsgerichte, besetzt von global agierenden Anwaltskanzleien, sollen den “Investitionsschutz multinationaler Unternehmer” garantieren.

Rechtsstaatliche Errungenschaften sowie nationale Rechtsstandards zählen dann nicht mehr. Politiker versprechen Wachstum und Arbeitsplätze. Doch die Zahl der Kritiker wächst, die öffentliche Stimmung droht zu kippen, während der Propagandaapparat der Lobbyisten auf vollen Touren läuft.

Tag der Verkäuferinnen

Von Lisa Kristwaldt

Mittwoch, 10.12.2014, 00.05 Uhr, DR Kultur

Hinter der munteren Betriebsamkeit eines Kaufhauses steckt ein durchorganisierter, festgelegter Arbeitsablauf.

Verkäuferinnen und leitende Angestellte berichten in Lisa Kristwaldts Originalton-Sendung von ihrem Arbeitsalltag: von den strengen Hierarchien und den genauen Vorschriften für die durchzuführenden Tätigkeiten, von den verordneten Pausen, den schmerzenden Beinen und dem ersehnten und verdienten Feierabend.

Passagen aus Emile Zolas Roman “Das Paradies der Damen” erzählen parallel dazu die Geschichte der jungen Verkäuferin Denise im Paris des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Daneben singt der NDR-Chor die Vorschriften für Selbstkassierer und Auszüge aus der Warenhausbetriebsordnung.

Anwalt der Verlorenen
Der Kampf des Clive Stafford Smith

Von Peter F. Müller und Michael Mueller

Mittwoch, 10.12.2014, 22.03 Uhr, SWR2

Seit Jahrzehnten kämpft Clive Stafford Smith gegen die Fehlurteile der US Justiz, gegen staatliche Folter, gegen die Willkür des sog. war on terror. So wie im Fall von Kris Maharaj, der seit 27 Jahren unschuldig in Florida im Gefängnis sitzt für einen Doppelmord, den er nicht begangen hat. Oder der Fall Noor Khan, der seinen Vater bei einem Drohnen-Angriff auf eine Dorfversammlung in Pakistan verlor und mit Hilfe von Clive Stafford Smith eine Verurteilung der USA vor dem obersten pakistanischen Gericht erreichte. Das Feature erzählt vom unermüdlichen Kampf eines Besessenen, einem Mann für hoffnungslose Fälle, für den die Menschenrechte das höchste Gut darstellen.

Themenwoche “Ware Welt”
Wohin mit der ganzen Musik?

Von Matthias Mainz

Freitag, 12.12.2014, 20.10 Uhr, DLF

Im Sommer 2013 sitzt der Kölner Musiker Matthias Mainz im Grant Avenue Studio in Hamilton, Ontario, in dem zuvor Größen wie U2, Johnny Cash, Brian Eno und Jon Hassel produziert hatten. Morgens holt ihn eine Limousine ab und zum ersten Mal in der Karriere des studierten, bepreisten und stipendiengeförderten Künstlers scheint alles so, wie er es sich als Student vorgestellt hatte.

Doch nichts kann darüber hinwegtäuschen, dass es schwer verkäufliche improvisierte Musik ist, und dass die Aufnahme vor dem Hintergrund tiefgreifender Umwälzungen in der Musiklandschaft stattfindet. Seit Musik jeder Epoche im Internet kostenlos zu haben ist, wird damit immer weniger Geld verdient. Auch das Publikum hat sich verändert. Und die Hochschulen bilden nach wie vor Generationen junger Musiker mit dem Künstlerideal des 19. Jahrhunderts aus.

Matthias Mainz reflektiert über seine Gegenwart: Hat meine Musik einen eigenen Wert, oder nur dann, wenn sie andere wichtig und teuer erscheinen lassen? Er hat die Stimmen wohlmeinender Coaches im Ohr, die behaupten, mit ihren Methoden werde er effizienter, produktiver, erfolgreicher und glücklicher, befragt Kollegen, Kulturmanager und -förderer, um herauszufinden, wie es die anderen machen und wo die Zukunft liegen kann.

Aus den Augen, aus dem Sinn
Deutscher Atommüll in Russland

Von Laura Döing und Olga Kapustina

Samstag, 13.12.2014, 13:05 Uhr , Bayern 2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Die Suche nach einem geeigneten Endlager für hochradioaktive Abfälle in Deutschland beginnt wieder von vorne. Im Geheimen wurde bereits nach Optionen im Ausland gesucht, auch in Russland. Obwohl der Export offiziell politisch nicht erwünscht ist – Spuren gibt es dennoch: Vertrauliche Kostenpläne eines deutschen Energiekonzerns, die Ersparnisse durch den Export aufzeigen, russische Ministeriumspapiere, die mit den zahlungskräftigen Kunden aus Deutschland kalkulieren. Das Feature folgt diesen Spuren in Deutschland und Russland. Sie führen bis an den Zaun der geschlossenen Stadt Krasnojarsk-26, einem Zentrum der russischen Atomindustrie und in die Vorstandsetage der deutschen EnBW in Karlsruhe.

„Schimpfen Sie, aber schreiben Sie meinen Namen richtig“
Die Selbstinszenierungen des Herrn Professor Girtler

Von Carina Pesch

Sonntag, 14.05 Uhr, SWR2

Roland Girtler gilt als Österreichs bekanntester und umstrittenster Soziologe. Ein Medienstar. Ein Enfant Terrible. Ein wissenschaftlicher Performer. Und ein Selbstinszenierungskünstler, der gegen die vermeintlich graue Theorie das eigene intensivfarbige Leben setzt. Sein Publikum ist begeistert. Oder empört. Es schimpft und lobt. In Girtlers Forschungen dreht sich alles um Menschen am Rande der Gesellschaft: Polizisten und Gauner, Obdachlose, Prostituierte – zu allen findet er spielend Zugang. Wie schafft er das? Carina Pesch gibt dem Professor eine akustische Bühne. Vorhang auf für eine Selbstinszenierung – mit skurrilen Szenen, bissigen Momenten und gespaltenen Zuschauerreaktionen.

Wir verstehen Russisch, aber wir verstehen nicht Russland –
Eine Reise in die Westukraine

Von Hanne Kulessa

Sonntag, 14. Dezember 2014, 18:05 Uhr, hr2-kultur

Anfang September vereinbarten Kiew und Moskau eine Waffenruhe für die Ostukraine. Eine Woche zuvor, Ende August, wurden Sätze von Wladimir Putin zitiert, die einen erschauern ließen: “Wenn ich will, kann ich Kiew in zwei Wochen erobern” und: er möchte daran erinnern, dass Russland eine der mächtigsten Nuklearmächte sei.

Trotz des Krieges in der Ostukraine fand in Czernowitz zum fünften Mal das “Internationale Lyrik Festival Meridian” statt. “Russland will uns unsere Kultur nehmen, wir halten mit Kultur dagegen”, sagte der Schriftsteller Juri Andruchowytsch, der zu den Initiatoren des Festivals gehört. Im Westen die Poesie, im Osten die immer wieder durchbrochene Waffenruhe. Eindrücke von einer Reise zwischen Kultur und Politik.

 

Radiotipps für die Woche vom 1. – 7. Dezember 2014

Die Helgoland im Süden, Hilfsgüter im Norden
Deutschlands Beteiligung am Vietnamkrieg

Von Jan Schilling

Mittwoch, 03.12.2014, 20.03 Uhr, SWR2

Für die USA stand in diesem Krieg nichts weniger als die freie Welt auf dem Spiel. Deswegen forderte Präsident Johnson Truppen von den Verbündeten, auch von Deutschland. Doch Kanzler Erhard trickste, sagte Unterstützung zu, schickte aber keine Soldaten in den Dschungel, sondern die MS Helgoland, ein vom Vergnügungsdampfer rasch zum schwimmenden Krankenhaus umgebautes Schiff, besetzt mit Ärzten und Schwestern aus der BRD. Aber die Solidarität mit Vietnam einte die Menschen auf beiden Seiten der Mauer. Die DDR unterstützte derweil den kommunistischen Norden nach Kräften mit Hilfsgütern und Millionenzahlungen. Während die MS Helgoland inzwischen als Kreuzfahrtschiff vor Galapagos verkehrt, erinnern sich in Deutschland die Veteranen an ihren einstigen Einsatz.

Unsichtbare Konfession
Ohne Gott in Deutschland

Von Gaby Mayr

Freitag, 05.12.2014, 20:10 Uhr, DLF

Papst Franziskus ist ein Medienstar. Sämtliche Kabinettsmitglieder haben bei ihrer Vereidigung Gottes Hilfe angerufen. Die Banken arbeiten mit Hochdruck, damit zum 1. Januar 2015 auch wirklich von allen Kirchenmitgliedern eine Zusatzsteuer auf Kapitalerträge eingezogen werden kann, so wie es das Gesetz vorschreibt.

Ist Deutschland ein christlicher Gottesstaat – nicht mit Gotteskriegern natürlich, sondern dank dezenter Allgegenwart des Christentums, kirchlichem Lobbyismus und einer parteiübergreifenden Nähe der Politik zu den Kirchen?

Eine erstaunliche Nähe, sinken doch die Mitgliederzahlen der beiden großen Kirchen stetig. In Städten liegen sie unter 50 Prozent, in den neuen Bundesländern bilden die Gläubigen eine Minderheit. Die Nichtgläubigen/Nichtkirchenmitglieder sind in Deutschland mittlerweile die größte “Konfession”.

Aber die Millionen, die ohne Gott leben, treten nicht organisiert auf – weil Gott für die meisten von ihnen einfach kein Thema ist. Auch das erleichtert den Kirchen, ihre Sicht der Welt von Sterbehilfe bis Ethikunterricht durchzusetzen.

Zaatari
Gebrauchsanleitung eines Flüchtlingslagers

Von Monika Kalcsics

Samstag, 06.12.2014, 13.05 Uhr, Bayern 2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Das Flüchtlingslager Zaatari der Vereinten Nationen in Jordanien ist das zweitgrößte Flüchtlingslager weltweit. Es liegt im Norden des Landes an der Grenze zu Syrien, wo seit 3 Jahren Bürgerkrieg herrscht. 2012 wurde das Lager errichtet. Damals kamen pro Nacht 1500 Menschen an. Mittlerweile ist das Lager Zaatari die fünftgrößte Stadt Jordaniens. 100.000 Menschen leben auf 530 Hektar Land. Eine logistische Herausforderung für die UNO und die Dutzenden Hilfsorganisationen, die im Lager tätig sind. Das “Handbook for Emergencies” der Flüchtlingsagentur UNHCR dient als Leitfaden für weltweite Einsätze. Doch jedes Lager hat seine eigene Geschichte.
In Zaatari blüht der Handel. Es soll 2000 Geschäfte geben. Die meisten drängeln sich auf einer Straße, die ausgerechnet Champs-Elysées heißt. Auch eine Zweigstelle einer internationalen Supermarktkette hat aufgemacht. Dort gehen die Flüchtlinge mit Einkaufswagen ihre Gutscheine einlösen, statt sich in langen Schlangen für die Nahrungsmittelausgabe anzustellen. Derzeit kostet das Lager der internationalen Gemeinschaft täglich 500.000 US Dolla

Kinder kandiert
Wie die Nahrungsmittelindustrie den Nachwuchs verführt und warum sie niemand dabei stört

Von Tom Schimmeck

Samstag, 06.12.2014, 18.05 Uhr, DLF

Essen ist Belohnung, Lust, Trost und ein gutes Geschäft. Mit Milliardenetats bewerben Hersteller von Softdrinks, Fastfood und Süßigkeiten ihre Produkte.

„Wir sind wie Götter und können genauso werden“
Die Hippies und der Cyberspace

Von Martina Groß

Sonntag, 08.12.2014, 14.50 Uhr, SWR2

Auf dem Cover der ersten Ausgabe des “Whole Earth Catalogs” prangte ein Foto der Erde, aufgenommen aus dem All. Wir sitzen alle in einem Boot, war die Botschaft. Im Katalog fanden sich Anleitungen zum Bau geodätischer Kuppeln und elektronischer Rechenmaschinen neben Literatur von Buckminster Fuller bis Gregory Bateson. Apple-Gründer Steve Jobs verglich die Rolle des Katalogs mit Google, bevor es Google gab. Für Zehntausende von Aussteigern, die Ende der 60er-Jahre in den USA aufs Land zogen und Kommunen gründeten, war der Katalog wie eine Bibel. Und die Verkündigung lautete: Zur Veränderung von Mensch und Gesellschaft bedarf es keiner politischen Aktionen, sondern neuer Technologien. Manche haben diesen Glauben bis heute nicht verloren …

Begleitet von lieben Tieren, lustigen Helden und Online-Spielen rücken die Verlockungen im Kinderzimmer ein. Schon Kleinkinder erkennen das “M” von McDonald’s. Zehnjährige haben bereits Hunderte Marken im Kopf. Wissenschaftler fordern im Kampf gegen die “globale Fettleibigkeits-Epidemie” Werbeverbote und Sondersteuern. Die Lobby der Konzerne hält mit Macht dagegen. Politiker propagieren mehr Bewegung und hoffen auf freiwillige Selbstbeschränkungen der Hersteller: nach Einschätzung von Experten eine süße Illusion.

Feinde wie wir –
Jugend auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs

Von Helmut Kopetzky

Sonntag, 7. Dezember 2014, 18:05 Uhr, hr2-kultur

Sommer 1914. Väter übergeben ihre Söhne an das Vaterland zu treuen Händen. Und die kriegsberauschte Jugend singt, marschiert davon und lässt sich totschießen, vor Langemark in Belgien, bei Gallipoli in der Türkei, in der Schlacht bei Tannenberg, an der Drina.

Die meisten dieser jungen Männer sind kaum den Konfirmandenanzügen entwachsen, und sie haben wenig Ähnlichkeit mit “Stahlnaturen” und “Jongleuren des Todes”. Viele dieser jungen Helden – die jüngsten “Freiwilligen” sind 14 Jahre alt – sind eher soldatisch verkleidete Schuljungen: frisches Blut für die Schlachtfelder, zum baldigen Verbrauch bestimmt. Sie glauben den großmäuligen Ersatzvätern aus Schule, Politik und Militär, die ihnen Blitzsiege versprechen, und sie bezahlen dafür mit dem Tod oder grausamer Verstümmelung. Bei der Produktion des Features “Feinde wie wir” wirkten fünf Studierende der Hochschule für Musik und Theater Hannover mit. Sie wurden im Studio angeleitet von Autor und Regisseur Helmut Kopetzky.

 

 

Radiotipps für die Woche vom 24. – 28. November 2014

Hippies und Cyberspace
“Wir sind wie Götter und wir können genauso gut werden”

Von Martina Groß

Dienstag, 25.11.2014, 19:15 Uhr, DLF

Auf dem Cover der ersten Ausgabe des “Whole Earth Catalogs” prangte ein Foto der Erde, dem Spaceship Earth, aufgenommen aus dem All. Der Katalog versprach Zugang zu Werkzeugen und Ideen. Anleitungen zum Bau geodätischer Kuppeln fanden sich neben elektronischen Rechenmaschinen und Literatur von Norbert Wiener bis Buckminster Fuller.

Apple-Gründer Steve Jobs verglich die Rolle des Katalogs mit Google, bevor es Google gab. Für Zehntausende von Aussteigern, die Ende der 60er-Jahre in den USA aufs Land zogen und Kommunen gründeten, war der Katalog wie eine Bibel. Und die Verkündigung lautete: Zur Veränderung von Mensch und Gesellschaft bedarf es weniger politischer Aktionen denn neuer Technologien. Manche haben diesen Glauben bis heute nicht verloren.

Neue Heimat Salafismus

Von Paul Elmar Jöris und Irene Geuer

Mittwoch, 26.11.2014, SWR2

Plötzlich trägt sie Kopftuch, muss nicht mehr selbst über ihre Zukunft entscheiden. Auch die jungen Männer finden, was ihnen ansonsten in Deutschland fehlt: ein festes Ziel! Kämpfen für den Glauben – im Irak, in Syrien und anderswo. Der Salafismus entwickelt sich in Deutschland zur neuen Jugenddroge. Die Zahl der Anhänger steigt täglich, auch bei jungen Christen, die dafür zum Islam konvertieren müssen. Die Verfassungsschützer rechnen im Sommer 2014 mit 6.000 Salafisten in Deutschland. Hilfsorganisationen wissen: Wer sich einmal dieser radikalen Glaubensrichtung verschrieben hat, ist so gut wie verloren. Wie gelingt es den Salafisten, immer mehr junge Menschen von ihrer Sache und ihrer Gewaltbereitschaft zu überzeugen. Wie gehen die Sicherheitsbehörden mit dem Phänomen um? Hat Deutschland die kampfbereiten Anhänger bereits verloren?

Zwischen Hochkultur und Problembezirk
Szenensprünge mit dem türkischen Rapper Kutlu Yurtseven

Von Almut Schnerring und Sascha Verlan

Freitag, 28.11.2014, 20:10 Uhr, DLF

An manchen Tagen hat Kutlu Yurtseven mit fünf Szenen gleichzeitig zu tun: Morgens arbeitet er als Sozialarbeiter in Kölner Problembezirken. Abends spielt er in einem Theaterstück über den Anschlag gegen Migranten in der Kölner Keupstraße im Schauspiel Köln.

Zwischendurch trifft er die Väter seiner Problemfälle im türkischen Kulturverein, um zwischen den Einwanderern der unterschiedlichen Generationen zu vermitteln. Außerdem steht er seit über 20 Jahren mit seiner Hip-Hop-Gruppe “Microphone Mafia” auf der Bühne. Mindestens so lange engagiert er sich auch politisch, kämpft gegen Rassismus auf der einen und Abschottung auf der anderen Seite.

Yurtseven muss viele Sprachen beherrschen: Nicht nur Türkisch und Deutsch, sondern auch die Sprache der Jugend und die ihrer Eltern, die Sprache der Musik und den Duktus der Sozialpädagogen genauso wie den der Kommunalpolitiker und Theaterliebhaber. So springt er zwischen den Szenen, übersetzt, hilft, vermittelt; und er kann spannende Einblicke liefern in die unterschiedlichen Szenen mit ihren je eigenen Konflikten und Vorurteilen.

Handelseinig

Von Gabriele Knetsch

Samstag, 29.11., 18.05 Uhr, DR Kultur

Im Adventsmonat geht es in einer Feature-Reihe um die schöne, bunte Warenwelt – und ihre Schattenseiten. Wie buhlt die Lebensmittelindustrie um Kinder? Welche Alternativen gibt es zum Wegwerfen? Oder auch: Warum erkranken immer mehr Hochleistungskühe?

Westliche Unternehmen wie Quelle, Aldi, Kaufhof und C&A haben jahrelang die Arbeitskraft von DDR-Häftlingen genutzt, die unter inakzeptablen Bedingungen und wegen fadenscheiniger Anschuldigungen im Gefängnis waren. Bis heute sind die meisten Firmen, die von Zwangsarbeit in der DDR profitierten, nicht zu einer historischen Aufarbeitung bereit, geschweige denn zu Entschädigungen.

 

Radiotipps für die Woche vom 23. bis 29. September 2014

 

Der relative Wert des Schönen
Vom Kampf um eine urbane Idylle

Von Tita Gaehme

Dienstag, 23.09.2014, 19:15 Uhr, DLF

“Am beschaulichen Meyerinckplatz lässt sich die Geburt des enragierten und erzürnten Bürgers beobachten”, sagt Michael Naumann, ehemals sozialdemokratischer Staatsminister für Kultur und Medien, jetzt bürgerbewegt im eigenen Wohnviertel.

Anwohner kämpfen in Berlin-Charlottenburg um ihren Kiez, in dem Lebenszusammenhänge jahrzehntelang fast störungsfrei gewachsen sind. Urbane Kultur hat hier in der erhaltenen Architektur der Jahrhundertwende einen Erinnerungsraum, gleichzeitig einen lebendigen Ideal-Ort: im Zentrum der Metropole, mit der sozialen Wärme eines idyllischen Dorfes. Wo so viel Widerspruch ist, wird der Kampf für ein altes Kino gegen einen Bio-Supermarkt zum Lernprozess für direkte Demokratie.

Dunkelkammer Psychiatrie

Von Wolfram Wessels

Mittwoch, 24.09.2014, 22.03 Uhr

In den vergangenen Jahren sind immer mehr Menschen in geschlossene Psychiatrien eingewiesen worden. In Deutschland entscheiden Richter darüber auf der Grundlage psychiatrischer Gutachter. Ob Allgemeinpsychiatrie oder Forensik – hinter Mauern und Zäunen verbirgt sich eine abgeschottete Welt. Der Autor recherchiert in den schwer einsehbaren Zonen formalrechtlich korrekter Verhältnisse. Er blickt hinter die Fassade einer fragwürdigen Normalität und fragt nach alltäglichen Grenzüberschreitungen und schweren Grundrechtsverletzungen. Amtliche und wissenschaftliche Akteure konfrontiert er mit ihren Rollen in diesem System aus Zwang und Sicherheit, das Bürger vielleicht zu oft als Risiko und Gefahr für die Allgemeinheit behandelt.

Traumtagebuch oder Die Kunst, nicht zu denken
Mit Rousseau auf der Petersinsel

Von Tobias Lehmkuhl

Sonntag, 28.09.2014, 14.50 Uhr, SWR2

Er wurde mit Steinen beworfen und flüchtete auf die Petersinsel im Bieler See. Hier verlebte er die schönste Zeit seines Lebens. Müßig lag er im Kahn und ließ die sanften Wogen durch seine Hand gleiten. Oder er lief botanisierend durch das Wäldchen, das sich auf einem Hügel erhob. Dann musste der Philosoph Jean-Jacques Rousseau auch von hier wieder fort. Doch was ist von ihm geblieben? Was wissen die Bieler noch von ihm? Wie beantworten sie heute die Fragen, die Rousseau sich vor 250 Jahren gestellt hat? Vor allem aber: Ist es möglich, an den Ufern des Sees das Denken hinter sich zu lassen und ins Träumen zu geraten? Einen jener Momente zu erleben, die Rousseau in seinen “Träumereien eines einsamen Spaziergängers” so inständig beschwört? Tobias Lehmkuhl hat das Experiment gewagt. Einheimische haben ihm dabei geholfen.