Radiotipps für die Woche vom 21. bis 27. Juli 2014

Bis die Hunde uns finden
Reiseberichte von illegalen Grenzüberschreitungen

Von Eberhard Petschinka und Herbert Lauermann

Mittwoch, 23. Juli 2014, 00.05, DR Kultur

Auch im Februar 2014 stürmten wieder 200 Afrikaner den Zaun bei spanischen Exklave Melilla, der Europa von Afrika trennt. Sie erreichten das gelobte Land, Tausende andere bezahlen für ihren Traum mit dem Leben.

Die meisten aber werden gefasst und zurückgeschickt. Dramatische Geschichten ereignen sich auch an der österreichisch-tschechischen Grenze, an den französischen und italienischen Küsten. Viele Menschen riskieren ihr Leben, meist haben sie alles verkauft, um die Schlepper bezahlen zu können. Drei Migranten erzählen drei ›Reisegeschichten‹, die einer Odyssee quer durch Kontinente, Bürokratien-Dschungel und Warteräume gleichen.

Den Hals nicht vollkriegen
Eine akustische Maßregelung in zwölf Bildern

Von Thomas Palzer

Samstag, 26. Juli 2014, 13.05 Uhr, BR2

Gier, Unersättlichkeit und Wachstumswahn scheinen die Gegenwart zu dominieren – zusammen mit dem Gegenteil: dem Neid und der Magersucht. Die Finanzmärkte sind entfesselt, Großprojekte laufen aus dem Ruder, Big Data füttert Allmachtsphantasien. Während Wirtschaft, Forschung und Fortschritt ständig dabei sind, Grenzen zu überschreiten und das für gut zu heißen, bedeutet Mäßigung, die eigenen Grenzen anzuerkennen.
Immer mehr Menschen werden immer ärmer und stehen einer kleinen Schicht gegenüber, die ihrerseits immer reicher wird. Aber wozu ist Reichtum gut? Und wie viel ist genug? Ist ein Leben, das sich selbst genügt, ein gutes Leben? Wann ist das menschliche Maß wieder im Gleichgewicht.
Heute wird alles gemessen: das Glück; das Gewicht des Universums; die Tiefe des Schlafes; die Geschwindigkeit beim Joggen und die Streckenlänge, die man gelaufen ist; die Zeit, die man pro Woche am Computer verbringt; der Puls; der Feinstaubgehalt in der Luft; das Gewicht der Bakterien die unseren Darm besiedeln; usw. Und obwohl alles gemessen wird, haben wir immer öfter den Eindruck, dass das richtige Maß verloren gegangen ist. Aber was ist das richtige Maß? Und was bedeutet es, wenn einst gesagt worden ist, der Mensch sei das Maß aller Dinge? Hat die Maßlosigkeit ihre Wurzel nicht in der menschlichen Natur?
In diesem Feature halten wir uns streng an Aristoteles und sammeln wie dieser Meinungen. Und zwar an dem Ort, an dem wir leben, in unserer unmittelbarer Umgebung. Ethos heißt nämlich: Aufenthalt, Ort des Wohnens. Wir befragen Menschen, die mit Maß und Maßlosigkeit täglich konfrontiert sind; einen Mann, der mit Kondomen reich geworden ist und heute viel in Kunst und Bildung investiert – und eine Postbotin, die Post an reiche und arme Haushalte austeilt. Ein Taxifahrer, der den Mauerkircher-Stand bevorzugt, zwei Blumenbinderinnen, eine Service-Kraft u.a.
Wann ist nach Meinung all dieser Menschen das Maß voll? Wann ist es genug?
Und wann wäre es notwendig, dass wir uns mäßigen?

Brauch ich!
Das Messie-Syndrom

Von Dorothea Massmann

Samstag, 26. Juli 2014, 18.05 Uhr, DR Kultur

Zugemüllte Wohnungen, verdreckte Küchen, Berge schmutziger Kleidung, Batterien leerer Flaschen – das sind die Fernsehbilder, mit denen Messies gerne vorgeführt werden. Doch solche Extremfälle sind nur die Spitze des Eisbergs. Wo hört das Sammeln auf und wo fängt das Horten an? Wann wird das Horten zur Sucht – und wer sind die Süchtigen?

Drei Messies haben sich getraut und Feature-Autorin Dorothea Massmann in ihre Wohnung gelassen. Und während Schriftsteller Jens Sparschuh empathisches Verständnis für Sammelwütige zeigt, steht die Autorin fassungslos vor der tragischen Hinterlassenschaft einer Unbekannten.

Der Erste Weltkrieg-Ortung
Vermessung eines Militärstandorts

Von Kathrina Edinger und Eduard Stürmer

Sonntag, 27. Juli 2014, 14.05 Uhr , SWR2

Stetten am kalten Markt im Landkreis Sigmaringen auf der Schwäbischen Alb. 3500 Einwohner und ein Truppenübungsplatz: der Heuberg. Seit 100 Jahren ist das Militär für die Ortsbewohner Nachbar, Arbeitgeber und Kundschaft. 1914 sind es badische Truppeneinheiten, ab 1933 SA, Wehrmacht und SS. Auch ein KZ befindet sich auf dem Areal. Nach 1945 übernehmen französische Truppen das Gelände, heute ist der Heuberg einer der wichtigsten Standorte der Bundeswehr. Der Ort lebt mit dem Militär. Und er lebt vom Militär. Vergangenheitsbewältigung oder Geschichtsaufarbeitung finden kaum statt. Obwohl es Dokumente, Archive und Zeitzeugen gibt. Und Hobbyhistoriker – halb Betroffene, halb Beobachter. Wer ist man? Wo steht man? Worauf gründet man? Beim Versuch, sich selbst zu verorten, werden die Identitäts-Grenzen unscharf. “Ortung” unternimmt den Versuch einer Positionsbestimmung – zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

 

Ernst Jünger im Gespräch mit Julien Hervier

Sonntag, 27. Juli 2014, 18:05 Uhr, hr2-kultur: Die historische Aufnahme

 

In den folgenden Wochen wiederholt der HR in seinem Sommerprogramm ausgewählte Gespräche aus der Reihe “Der Dialog”, die im Hessischen Rundfunk in den 1970er und 1980er Jahren aufgenommen wurden.

Die Reihe beginnt einem Gespräch zwischen dem Schriftsteller Ernst Jünger, der 1895 in Heidelberg geboren wurde und 1998 starb. Jünger, der sich in seinen frühen Werken deutlich gegen die Weimarer Republik ausgesprochen hatte, wurde nicht nur durch Essays und phantastische Romane bekannt, sondern vor allem durch seine Kriegstagebücher “In Stahlgewittern”. In diesem Gespräch mit Julien Hervier, Professor für Komparatistik und Übersetzer und Herausgeber vieler Werke Ernst Jüngers ins Französische, erzählt Ernst Jünger aus seinem Leben.

 

Radiotipps für die Woche vom 14. bis 20. Juli 2014

Haut-Nah
Schnitt/Stelle/Körper/Seele

Von Ursula Rütten

Mittwoch, 16.6.2014, 0.05 Uhr, DR Kultur

Viel Hand wird an die Haut gelegt als Hülle zwischen Innen und Außen. Es regieren Nadel, Klinge, Laser, Farbe, Silikon und Geld. Längst sind Manipulationen am Körper nicht nur rituelle Praktiken von Stammeskulturen und gesellschaftlichen Außenseitern. Auch in unserer Gesellschaft wollen viele mittels schmerzhafter Veränderungen am eigenen Körper ihr Selbst optimieren.

Moderne Primitive? Verstörte Seelen? Suchen sie den ultimativen Kick im Reich der Sinne? Die Haut als Hauptdarsteller dieser Sendung horcht nach innen und außen, hin- und hergerissen zwischen Tattoo-Studios, Body-Modification und Modediktat.

Kreuzberg von oben.
Ein Versuch über Geld und Moral

Von Lorenz Rollhäuser

Mittwoch, 16.7.2014, 22.03, SWR2

Er lebte bis dahin eher bescheiden. Um Geld ging es ihm nicht. Doch dann erbte er. Obwohl er Erben eigentlich immer ungerecht fand. Er kaufte sich eine große Wohnung. Nun schaut er auf seinen Kiez herab, den sich immer weniger Menschen leisten können. Und er stellt sich Fragen: Wer bin ich jetzt? Auf welcher Seite stehe ich? Darf ich mein unverdientes Privileg einfach genießen? Oder schulde ich etwas? Er sucht Antworten und findet neue Fragen.
Das Feature wurde auf dem 1. Dokumentarfestival Karlsruhe, DokKa als beste Hördokumentation ausgezeichnet

Nach Hause telefonieren.
Call-Shop Stories

Von Martina Schulte und Andreas Becker

Samstag, 19.7.2014, 18.05 Uhr, DR Kultur

“My business is Heimweh”, sagt Melku. Der Äthiopier hat einen Telefonladen: Empfangstheke, Kühlschrank und Spielautomat, Internet-Terminals und sechs Telefonkabinen – Albanien 35 Cent, Kuba 80 Cent die Minute.

Melkus Kunden sind selten Deutsche, meist Zugewanderte und nicht alle besitzen gültige Papiere. Die Telefonkabinen sind der direkte Draht in die Heimat: Liebesgeflüster, Geldgeschäfte, Treueschwüre.

Die Autoren haben über Monate hinweg das Vertrauen der regelmäßigen Call-Shop-Besucher gewonnen und durften ihre Telefongespräche aufzeichnen.

 

This is not a love song
Die Geschichte von Nora Forster und Ari Up

Von Lorenz Schröter

Samstag, 19.7.2014, 13.05 Uhr, BR2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Eine betörend schöne, blonde, junge Deutsche inmitten der brodelnden Londoner Clubszene der 70er Jahre. Vertraute von Jimi Hendrix, Freundin des Gitarristen und ersten Sex Pistols-Produzenten Chris Spedding, spätere Mrs. John Lydon, frühe Förderin von Punk-Musikern, darunter Joe Strummer. Er gibt ihrer Tochter, Ariane Gitarren-Unterricht. Als Ari Up wird diese später zur legendären Sängerin der Punk-Reggae-Band „The Slits“. Doch wie kam Nora Forster, die Tochter eines schwerreichen und erzkonservativen Zeitungsbesitzers aus Schwaben, elegante Marlene-Dietrich-Erscheinung, in die Mitte des damaligen Musik-Geschehens? Wie wurde sie zur femme fatal der Punk-Szene und warum entwickelte sie sich zur rätselumwobenen Sphinx?
Lorenz Schröter begibt sich auf die Spuren dieser ungewöhnlichen Frau und trifft zwischen Stuttgart und Kingston auf ehemalige Punk-Musiker, Rechtsanwälte in Berlin, obskure Schlagerstars in Bielefeld, noch mehr berühmte Punk-Musikerinnen und zwei Rasta-Zwillinge – deren Stief-Großvater Jonny Rotten kommt übrigens nur am Rande vor. Und die Protagonistin selbst? Sie schweigt. Meist.

Das schönste Kino der Welt.
Der größte Traum des Abraham Tuschinski

Von Lou Brouwers

Sonntag, 20.7.2014, 14.05 Uhr, SWR2

Der 17-jährige Abram Tuszynski entflieht wie viele polnische Juden zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Pogromstimmung und dem langen Arm von Zar Nikolaus II. Er träumt davon, in Amerika ein neues Leben als Schneider anzufangen. In Rotterdam muss er einige Wochen auf ein Schiff warten und entdeckt in der Stadt eine Attraktion: die bewegte Fotografie. Also bleibt er, nennt sich fortan Abraham Tuschinski und steigt ins Kinogeschäft ein. 1921 eröffnet er in Amsterdam einen wahren Tempel der Cinematografie: das Theater Tuschinski. Bis zu seiner Deportation nach Auschwitz zeigt Tuschinski alle wichtigen Kinofilme seiner Zeit. Der Kinopalast existiert noch heute: das schönste Kino der Welt.

Stauffenberg – eine deutsche Biographie

Von Michael Marek

Sonntag, 20. Juli 2014, 18:05 Uhr, hr2

Der 20. Juli 1944, vor genau 70 Jahren, ist zum Symbol für den Widerstand gegen das NS-Regime geworden. Untrennbar verbunden ist damit der Name des Attentäters: Claus Schenk Graf von Stauffenberg.

Aus dem hitlertreuen Offizier wird während des Krieges ein überzeugter Regimegegner. Am 20. Juli 1944 zündet Stauffenberg im “Führerhauptquartier” eine Bombe, um Hitler zu töten. In seinem Feature zeichnet Michael Marek den Ablauf der “Operation Walküre” anhand von Original-Dokumenten, Zeitzeugen- und Historikerinterviews nach und schildert den Lebensweg Stauffenbergs.

 

Radiotipps für die Woche vom 7. bis 13. Juli 2014

 

Affentheater in Epidauros
Verklungene Lautsphären – Über die akustische Wahrnehmung der Welt

Von Helmut Kopetzky

Mittwoch, 9. Juli 2014, 00.05 Uhr, DR Kultur

Ein physikalisches Wunder ist die Akustik des Amphitheaters von Epidauros auf dem Peloponnes. Fremdenführer werfen Münzen auf einen Stein und wenn es still ist, hört man das “Kling” noch in der obersten Sitzreihe. Leider folgt eine Besuchergruppe der nächsten und der Lärm löscht das Soundmirakel wieder aus.

Aber schon vor Erfindung des Massentourismus war die Klang-Umwelt keinesfalls heil. Mit Hilfe des kanadischen Sound-Pioniers R. Murray Schafer und eigener Recherchen versucht der Autor die Rekonstruktion akustischer Räume aus einer Zeit, als wir Geräusche noch nicht beliebig ein- und wieder ausschalten konnten – als das Leben noch live war.

Moderne Kassandras
Forscher suchen bei Rückversicherern nach den Katastrophen von Morgen

Von Caspar Dohmen

Mittwoch, 9. Juli 2014, 22.03 Uhr, SWR2

Die Versicherer blicken bei der Kalkulation von Risiken gewöhnlich zurück und füttern mathematische Modelle mit statistischen Daten. So kalkulieren sie mögliche Szenarien von Erdbeben, Epidemien oder Massenkarambolagen auf Autobahnen. Blind ist diese Methode jedoch, wenn es um neue Risiken geht. Um diese Gefahren aufzuspüren, beschäftigen große Rückversicherer Forscher, die Szenarien für die Zukunft entwerfen. Sie beschäftigen sich mit dem möglichen Einfluss von Sonnenstürmen auf die Stromversorgung genauso wie mit dem Einfluss politischer Veränderungen auf die Wirtschaft oder den Folgen der Nanotechnologie. Diese winzigen Teilchen gelten als eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts, verursachen möglicherweise aber auch Krankheit und Tod bei Beschäftigten und Konsumenten. Für die Versicherungswirtschaft sind ihre modernen Kassandras überlebensnotwendig, denn wer Risiken falsch einschätzt, geht pleite.

 

Kreisverbrecher im falschen Krieg
Der Fall Charles Taylor

Von David Hecht

Sa, 12. Juli, 18.05, DR Kultur

In Liberia tobte in den 1990er-Jahren ein brutaler Bürgerkrieg, für den Charles Taylor als Rebellenführer und später als Präsident mitverantwortlich war. Er wurde verhaftet und vor einen internationalen Gerichtshof gestellt.

50 Jahre Haft lautete 2012 das Urteil für den 65-jährigen Taylor – doch nicht für die Gräueltaten, die in seinem Land verübt wurden, sondern wegen “Beihilfe” zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit im benachbarten Sierra Leone. Alle Prozessbeteiligten hatten Berufung eingelegt, doch 2013 wurde das Urteil bestätigt.

Der Autor dieses Features war der erste Pressesprecher des Sondergerichtshofs für Sierra Leone.

Grandhotel für Alle!

Von Marianne Weil

Samstag, 12. Juli 2014, 13.05, DR Kultur
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

In Bayern gibt es ein einzigartiges Projekt: Eine basisdemokratisch organisierte Gruppe von Künstlern und anderen Aktivisten in Augsburg renoviert ein leerstehendes Haus, nennt es Grandhotel Cosmopolis und lädt Hotelgäste und Asylbewerber ein, mit ihnen unter einem Dach zu leben. In der Bar gibt es Kaffee, Kuchen und Bier. Im Keller finden Konzerte statt. Demnächst eröffnet eine Bürgerküche mit Gerichten aus aller Welt. Die Flüchtlinge sind nicht in Baracken am Stadtrand abgeschoben. Die Augsburger können das exotische Gemisch gefahrlos erkunden. Das Projekt ist inzwischen berühmt geworden, doch es findet nicht im luftleeren Raum statt. Die Idee stößt an die Mauern der europäischen Flüchtlingspolitik. Die Autorin hat sich mehrfach im Grandhotel einquartiert, erst auf der Baustelle, dann in einem realen Hotelzimmer.

 

Ein undramatisch Ding?
Über die Kunst, lange und glücklich verheiratet zu sein

Von Astrid Nettling

Sonntag, 13. Juli 2014, 18:05 Uhr, hr2-kultur

 

Dass die Ehen im Himmel geschlossen und auf Erden vollzogen werden, ist eine Binsenweisheit. Bundesweit werden mehr als ein Drittel aller Ehen irgendwann einmal wieder geschieden.

 

Umfragen belegen, dass trotzdem die lebenslange Liebe wie die lebenslange Ehe immer noch und immer wieder die Sehnsucht und das Ziel von Männern wie Frauen darstellt. Wie aber wird aus diesem Wunsch eine geglückte Wirklichkeit? Das erkundete die Autorin in diesem Feature und befragte dazu Psychologen, Philosophen und lang verheiratete Paare.