Radiotipps für die Woche vom 7. bis 13. März 2016

Szenen einer russisch-deutschen Ehe
Die Geschichte ist nicht zu Ende

Von Tita Gaehme

Dienstag, 08.03.2016, 18.15 Uhr, DLF

Im hohen Alter reist der deutsche Architekt Reimar K. mit Freunden nach Russland, sie bauen in Pskow ein Kinderheim. Ein Geschenk an die Stadt. Er betrachtet es als Wiedergutmachung, als Aktion der Versöhnung.

Er wollte als Freund in das Land zurückkommen, in das er als 18-Jähriger mit der Wehrmacht einmarschiert war, in dem er sowjetische Kriegsgefangenschaft erlebte. Aus der Arbeitsbeziehung mit der Dolmetscherin Swetlana F. entwickelte sich eine Liebe, eine Ehe. Swetlana, die nie ausreisen wollte, entschloss sich 2008, in Deutschland zu leben. Seitdem wächst ihre Abneigung gegen “das Deutsche”.

Dabei geht es weniger um die alltägliche Abnutzung eines individuellen Gefühls, ihre Ressentiments sind fundamentale Kategorien ihres Denkens. Sie besteht auf ihrer Wahrnehmung des Missverhältnisses zwischen der russisch erlittenen Gewalt und der deutschen Akzeptanz von eigener Schuld. Das Politische überlagert das Private. Reimar K. hofft auf die Rückkehr ihres Vertrauens.

Japan nach der Dreifachkatastrophe Souteigai – Jenseits der Vorstellung

Von Malte Jaspersen

Mittwoch, 09.03.2016, 00:05 Uhr, DR Kultur

Malte Jaspersen lebt seit über zwanzig Jahren in Kyoto. Wie hat die Katastrophe im März 2011 das Leben seiner Familie und seiner Bekannten beeinflusst?

Nach der Dreifachkatastrophe von Erdbeben, Tsunami und Kernschmelze reiste er durchs Land. Er sprach mit Helfern, die Unvorstellbares gesehen haben, mit Eltern aus Fukushima, die versuchen, ihre Kinder vor Radioaktivität zu schützen, mit Anti-AKW-Aktivisten, Priestern und Wiederaufbauspezialisten.

Seit Kurzem gehört zu seinem Hausrat ein Geigerzähler.

Auf Leben oder Tod
Die Konkurrenz der Transplanteure um Organe

Von Martina Keller

Mittwoch, 09.03.2016, 22.03 Uhr, SWR2

Wartelisten todkranker Patienten wurden manipuliert und Regeln zur Vergabe der raren Spenderorgane vielfach gebrochen. Die Ursachen: falsche Anreize, lasche Kontrollen und die erbitterte Konkurrenz der Transplanteure um die Organe. Der ehemalige Chef der Transplantationschirurgie der Universitätsklinik Göttingen musste sich über 2 Jahre vor dem Landgericht Göttingen für sein Verhalten verantworten, wurde aber letztlich wegen unklarer Rechtslage freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls Revision eingelegt. Denn nicht nur in Göttingen, auch in München, Berlin und Leipzig soll systematisch getäuscht und manipuliert worden sein. Der größte Skandal in der Geschichte der deutschen Transplantationsmedizin ist noch nicht ausgestanden.

Grass’ letzte Besuche in Gdańsk
Oskar und Günter auf der Parkbank

Von Małgorzata Żerwe

Samstag, 11.03.2016, 20.10 Uhr, DLF

Plac Wybickiego, einst Neumarkt, ist ein stiller Platz in einem Wohnviertel von Gdańsk. Am Rand steht eine Bronzebank, auf der sitzt Oskar Matzerath, der Blechtrommler. Lange hat er vergeblich auf seinen Meister gewartet. Zuerst wollte Grass nicht in Bronze gegossen werden.

Dann, als seine SS-Zugehörigkeit bekannt geworden war, wollten die Gdañsker Grass nicht mehr – am liebsten nirgendwo in der Stadt. Obwohl – die deutschen Touristen kommen auch wegen Grass nach Danzig. Im Oktober 2015 nimmt er tatsächlich neben Oskar Platz, in Bronze.

Die Autorin Małgorzata Żerwe ist gespannt, was dann passiert. Sie beobachtet die Bronzebank seit Jahren aus ihrem Küchenfenster und begleitete Günter Grass als Reporterin von Radio Gdañsk, wann immer er in den letzten 15 Jahren vor seinem Tod in seiner Geburtsstadt auftauchte.

Die Ergebnisse hören sich an, wie die Geschichte um die Bank, wie die deutsch-polnischen Beziehungen: Höflich, aber leicht angespannt.

Psychotrauma Flucht – Die Zeit heilt nicht alle Wunden
Ein Feature über junge Geflüchtete damals und heute

Von Gabriele Knetsch

Samstag, 12.03.2016, 13:05 Uhr, Bayern 2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Wie Masees Vater von den Taliban getötet wurde, will er niemandem sagen. Auf jeden Fall raubt die Erinnerung an seine Familie dem 17-Jährigen den Schlaf, lässt ihn in Panik ausbrechen – und lenkt den ehrgeizigen Jungen von seinem derzeit wichtigsten Ziel ab: den Hauptschulabschluss in Deutschland zu schaffen.

Auf seiner zweieinhalb Jahre dauernden Flucht ging Mohammed, 17 Jahre alt, aus Kabul viele Tausend Kilometer zu Fuß, fuhr mit Bussen und Lastwagen. Mehrere Monate verbrachte der Jugendliche in Gefängnissen; er überlebte einen Schiffbruch und Folter.

“Ich kann jeden einzelnen Schritt dieser Menschen nachvollziehen”, sagt Richard Sucker, der vor 71 Jahren als “minderjähriger Flüchtling” aus Breslau floh. Aber auch: “Ich bin neidisch auf die Flüchtlinge von heute, denn uns hat damals niemand geholfen.”

Ulrike Gräf, heute 82, aus Feldafing sieht in ihren Träumen noch immer die Brandleichen aus dem bombardierten Dresden: “Ich möchte helfen, weil die Flüchtlinge heute das gleiche durchmachen wie wir damals”.

Neu ist der Umgang mit Fluchttraumatisierten nicht. Viele deutsche Familien haben selbst Fluchtgeschichten erlebt. Die einstigen Vertriebenen haben ihre Erinnerungen jahrelang verdrängt – um im Alltag zu funktionieren. Die heutigen Bilder von Menschen auf der Flucht erwecken die Erinnerungen jedoch zu neuem Leben.

Über eine Million Flüchtlinge kamen 2015 nach Deutschland, darunter zahlreiche minderjährige Flüchtlinge. Wie viele von ihnen schwer traumatisiert sind wie Maseeh oder Mohammed, weiß man bislang noch nicht. Eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass jeder zweite Flüchtling im Heimatland und auf der Flucht so Schlimmes erlebt hat, dass er als seelisch schwer belastet gilt. Wie aber wird es gelingen, hunderttausende traumatisierte Menschen in die deutsche Gesellschaft zu integrieren? Welche Gemeinsamkeiten gibt es mit den Flüchtlingen unserer eigenen Geschichte? Kann man heute aus den Erfahrungen von früher lernen? Und wie beeinflussen die eigenen Fluchterfahrungen der Deutschen ihre Einstellung zu den Flüchtlingen von heute?

Der mittelamerikanische Exodus
Wenn Kinder nur noch weg wollen

Von Erika Harzer

Samstag, 12.03.2016, 18:05 Uhr, DR Kultur

Sie kommen aus Guatemala, El Salvador und Honduras. Sie sind Kinder oder Jugendliche und durchqueren Mexiko. Eine mörderische Route, bei der sie viel Glück brauchen, um nicht in die Hände von Drogenkartellen, Entführern, Menschenhändlern oder der Migrationspolizei zu fallen.

Zu Hunderten sitzen sie dicht gedrängt auf Dächern von Güterzügen und hoffen ihr Ziel zu erreichen: Die USA. Doch Präsident Obama erwägt angesichts des Ansturms Minderjähriger eine Gesetzesänderung, um diese Kinder schneller abschieben zu können. Die Geschichte einer humanitären Katastrophe.

Jozi-Stories
Das Johannesburg der Künstler

Von Gaby Mayr und Günter Beyer

Sonntag, 13.03.2016, 14.05 Uhr, SWR2

“Die Stadt ist meine Muse”, sagt Billie Zangewa, die aus Malawi nach Johannesburg kam und mit ihrer Textilkunst international Erfolg hat. Jo’burg, Kosename Jozi, ist allerdings eine herbe Göttin der Kunst. Die einst radikale Trennung der Gesellschaft und des öffentlichen Raums ist immer noch Hintergrund und Gegenstand künstlerischer Reflexion. Der Schriftsteller Ivan Vladislavic, aus einer irisch-kroatischen Familie stammend, siedelt seine Geschichten unter den kleinen weißen Leuten im Johannesburger Stadtteil Troyeville an. Niq Mhlongo schreibt über den Ort, an dem er aufgewachsen ist: Soweto. Die Fotografin Lebohang Kganye erzählen in ihren Collagen Geschichten von apartheidgeschädigten Familien. Ihr Kollege Muntu Vilakazi porträtiert die Glitzerwelt der schwarzen Aufsteiger. Und William Kentridge, der wohl bekannteste Künstler in Johannesburg? Versteht sich als überzeugter Bürger der Stadt, ist aber selten dort anzutreffen …

Elefantenjagd – Waffen gegen Elfenbein

Von Bettina Rühl

Sonntag, 13. März 2016, 18:05 Uhr, hr2

Der Schmuggel von Elfenbein ist hoch lukrativ. Wilderer erlegen in Afrika Zehntausende von Elefanten. Zu ihren “Geschäftspartnern” gehören auch afrikanische Milizen und Terrorgruppen.

In China kostet Roh-Elfenbein bis zu 1800 Dollar pro Kilo. 2002 waren es nur 100 Dollar. Eine Geldquelle auch für islamistische Terrorgruppen wie die somalische Shabaab-Miliz, die Al Qaida nahe steht. Die Elefantenjagd ist brutal effektiv: Die Wilderer sind gut organisiert, benutzen oft militärische Waffen, manchmal sogar Kampfhubschrauber. In Gefahr sind nicht nur die Tiere. Die massive Präsenz internationaler Kartelle destabilisiert auch die ohnehin schwachen Staaten der Region, warnen die Vereinten Nationen.