Radiotipps für die Woche vom 7. bis 13. Dezember 2015

Die deutsche Asylbürokratie und ihre Folgen

Von Achim Nuhr

Dienstag, 8. Dezember 2015, 19.15 Uhr, DLF

Nach den Misshandlungen in Flüchtlingsheimen vor allem in NRW räumte der zuständige Innenminister Ralf Jäger im Herbst 2014 ein, dass man Standards aus dem Auge verloren habe. Inzwischen reisen immer mehr Flüchtlinge nach Deutschland und das gesamte Asylsystem steht auf dem Prüfstand.

Städte fühlen sich von Landesregierungen allein gelassen, die Länder vom Bund. Das Feature deckt an Beispielen grundsätzliche Systemfehler auf: Warum beherbergt z.B. die bettelarme Stadt Wuppertal viel mehr Asylbewerber als das viel größere Düsseldorf? Warum bekommt Düsseldorf trotz gleich hoher “Kopfpauschalen” viel mehr Geld erstattet? Und warum lobt “Pro Asyl” trotzdem Wuppertal, wo Flüchtlinge besser leben würden als in der reichen Landeshauptstadt?

Trotz neuer Standards stößt der Autor in einem abgelegenen Wald auf ein Heim, aus dem die meisten Flüchtlinge mit unbekanntem Ziel verschwunden sind – der Briefkasten quillt über vor Behördenpost. Woanders warten Verfolgte seit Jahren auf ihr erstes Behördengespräch. Ein Jobcenter torpediert wegen Sprachdefiziten eine Ausbildung, wie der betroffene Flüchtling auf Deutsch erzählt.

Ein Feature über Zustände in der deutschen Asylbürokratie.

Reihe Spielregeln
Peter Stein oder: Das Wort! Der Sinn! Die Tat!

Von Katharina Teichgräber

Mittwoch, 9. Dezember 2015, 00.05 Uhr, DR Kultur

Ganze Schauspielergenerationen beeinflusste Peter Stein durch die Art, wie er Stücke zusammen mit den Akteuren entwickelte. “Nachschöpferisch!”, sagt er dazu bescheiden.

Dem Autor so treu wie möglich! Dabei braucht er die Qualitäten eines Feldherrn bis die 10-stündige Fassung von ›Wallenstein‹ auf der Bühne ist oder nach zwei Monaten Durchproben, 15 Stunden täglich, der Dostojewski aufgeführt wird.

Peter Stein lebt in Italien auf dem eigenen Landgut, mit eigenem Theater und eigenem Ölivenöl: “San Pancrazio”! Zur Olivenernte lädt er Schauspieler und andere Liebhaber des Theaters ein. “Konzentriert arbeiten wir gemeinsam an einem Projekt.” Das ist die Steinsche Lebensform. Ob im Olivenhain oder im Theater.

Wie wollen wir wohnen?
Über solidarische Wohnprojekte

Von Jochen Rack

Mittwoch, 9. Dezember 2015, 22.03 Uhr, SWR2

Die Zahl der Single-Haushalte steigt seit Jahren, doch das Bedürfnis nach neuen Wohnformen jenseits althergebrachter WGs ebenso. “VinziRast-mittendrin” z.B. ist ein weltweit einzigartiges Wohnprojekt im 9. Wiener Bezirk. Hier wohnen und leben seit 2013 Studenten mit ehemals Obdachlosen zusammen. Die Architektur des umgebauten Biedermeierhauses öffnet sich bewusst in den urbanen Raum und schafft so Aufmerksamkeit und Verständnis für sonst abgedrängte soziale Randgruppen.

Ein weiteres Beispiel ist das Augsburger “Grandhotel Cosmopolis”, wo in einem ehemaligen Altenheim Asylbewerber und Hotelgäste zusammenwohnen. Angesichts der Flüchtlingsströme kann die intelligente Nutzung städtischer Resträume das Entstehen von Ghettos und menschenfeindlichen Containerdörfern verhindern und Integration ermöglichen. Das Feature stellt kollektive Wohnformen vor, in der die Idee des Miteinanders praktisch gelebt wird.

Wovon lebst du eigentlich?

Von Jörn Morisse und Rasmus Engler

Freitag, 11. Dezember, 20.10 Uhr, DLF

2007 erschien der Band “Wovon lebst du eigentlich? – Vom Überleben in prekären Zeiten”. Unter dem Motto: Unverblümte Fragen, klare Antworten interviewten die beiden Autoren Jörn Morisse und Rasmus Engler damals 20 Künstler und Kreative. Sie förderten dabei erstaunlich offene Antworten über deren finanzielle Verhältnisse zutage.

Nicht zuletzt dadurch hat das Buch in der Szene einigen Nachhall erzeugt. Denn auf einmal wusste jeder, dass der so erfolgreich wirkende Galerist Ralf Krüger eine Zeit lang auf Sozialhilfe angewiesen war und der Künstler Jakobus Siebels schon zufrieden war, wenn er am Ende des Tages 20 Euro in der Tasche hatte.

Während Wolfgang Herrndorf, der sein Leben unter anderem mithilfe eines Jobs bei der Deutschen Post finanzieren musste, gestand: “Selten hat mich irgendetwas so glücklich gemacht wie dieser Gehaltsscheck am Ende des Monats.” Jetzt, die Digitalisierung vieler Lebensbereiche, der Streit ums geistige Eigentum, der Kunstmarktboom und die weitere Prekarisierung später, besuchen die Autoren die Protagonisten von einst erneut und fragen nach.

Was hat sich verändert? Wo sind die prekären Künstler heute gelandet? Wie viel Geld haben sie heute in der Tasche und wie denken sie über die Entwicklung der vergangenen Jahre?

Deutsches Wintermärchen Marokko

Von Rosie Füglein

Samstag, 12.12.2015 13.05 Uhr, Bayern2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Festschmaus
Kalbsembryonenverkostung

Von Christoph Theiler

Samstag, 12. Dezember 2015, 18.05 Uhr, DR Kultur

Embryonen in der Haute Cuisine – ein exklusives Vergnügen, das einige mutige Esser unternommen haben. Eine Frischzellenkur für verwöhnte Gaumen auf Basis des Wiener Schnitzels. Die Sendung erzählt von einer Reise, die bei der Kalbsembryonengewinnung beginnt, über die Entwicklung verschiedener Verarbeitungsmethoden führt und beim finalen Menüplan endet.

Christoph Theiler lädt ein in die Welt ausgefallener Spezialitäten: Embryonenschinken mit kandierten Zitronen oder Kalbsaugen auf Placentaparfait. Im Rahmen dieses Experiments wird über Schlachtethos, Lebensmittelhygiene, Tierschutz, Landwirtschaft, Gentechnik und Gourmettempel diskutiert.

Waswaswas wowowo bistbistbist dududu?
Mein Anrufbeantworter oder Eine kleine Geschichte des Abhörens

Von Florian Felix Weyh

Sonntag, 13. Dezember 2015, 13.05 Uhr, SWR2

Mehr als 20 Jahre lang lagen sie in der Schublade: kleine Mikrocassetten, die einst im Anrufbeantworter steckten mit mal witzigen, mal hilflosen, mal virtuosen Kommunikationsversuchen. Florian Felix Weyh bewahrte sie auf und hat nun etwas zu erzählen: die Geschichte des Anrufbeantworters von der ersten drei Zentner schweren Telefonaufzeichnungsanlage bis zum heutigen gewichtslosen “Servicemerkmal Mailbox”. Gespeichert, abgehört und – manchmal – weitergeflüstert wird immer noch. Und immer noch redet man mit dem AB wie mit einem alten Freund – oder Feind. Denn manchmal wird besinnungslos geschimpft, gedroht, geflucht. Selbst Bundespräsidenten sind davor nicht gefeit …

Einmal hat mein Mann mir zu Weihnachten einen Besen geschenkt – Die Schriftstellerin Grace Paley

Sonntag, 13. Dezember 2015, 18.05 Uhr, hr2

Von Manuela Reichart

“Grace Paley gehört zu einer seltenen Gattung von Schriftstellern mit einer Stimme, wie niemand sonst sie hat: komisch, traurig, bescheiden, energisch, genau”, schwärmte einst Susan Sontag von der – 2007 gestorbenen, in Amerika hoch angesehenen – Autorin.

Geboren wurde Grace Paley als Tochter jüdischer Einwanderer 1922 in New York, berühmt mit ihren Kurzgeschichten, in denen – fast immer aus weiblicher Perspektive – von den “kleinen Widrigkeiten des Lebens” erzählt wird. Sie war engagierte Feministin und Friedensaktivistin, eine der prägenden Autorinnen der amerikanischen Frauenbewegung in den 70er Jahren.
Ihre Short Stories werden gegenwärtig (in neuen deutschen Übersetzungen) wiederentdeckt und damit eine literarische Stimme, die stets dem gesprochenen Wort, dem Klang der Sprache auf der Spur war und die absurden Wendungen des Alltags ins Zentrum rückte: “Einmal hat mir mein Mann zu Weihnachten einen Besen geschenkt. Das war nicht recht. Niemand kann mir erzählen, er hätte es nett gemeint.”