Radiotipps für die Woche vom 29. Februar bis 6. März 2016

Modezeichen roter Stern
Junge Linke in Russland

Von Antje Leetz

Dienstag, 01.03.2016, 19:15 Uhr, DLF

Seit dem Zerfall der UdSSR sind die Revolution von 1917, Marx und Sozialismus in Russland passé – dachte die Autorin. Aber ein leiser Zweifel blieb: Sie traf Menschen, die den Untergang der Sowjetunion bedauerten. Der Kapitalismus sei ungerecht und unsozial.

Bei manchen Jugendlichen entdeckte sie als Modezeichen den roten Stern. Von Linken aber vernahm sie nichts. Als sie aber vor Kurzem auf YouTube sah, wie eine junge Frau auf dem Petersburger Newski-Prospekt die “Internationale” sang, horchte sie auf: Da muss es noch etwas geben. Also ist die Idee von sozialer Gerechtigkeit in Russland doch nicht gestorben. In Moskau, Petersburg und Nischni Nowgorod traf sie auf eine junge linke Generation, die sich zu Marx, Trotzki und modernen sozialistischen Alternativen bekennt.

Medien in der Krise
Vertrauen ist gut …

Von Ulrich Teusch

Mittwoch, 02.03.2016, 00.05 Uhr, DR Kultur

Die “etablierten Medien” stecken in der Krise. Zeitungen und Rundfunkanstalten kämpfen um Werbekunden, Auflagen und Online-Klicks – da machen nun auch noch pauschale Vorwürfe von “Lügenpresse” und “Systemmedien” die Runde.

Teile des Publikums fühlen sich falsch informiert. Öffentliche und veröffentlichte Meinung driften auseinander – nicht nur in Deutschland, auch in anderen Ländern.

Immer mehr Menschen weichen auf “Alternativmedien” aus, nutzen die enormen Informationsmöglichkeiten des Internets und basteln sich ihr eigenes Weltbild.

Was kostet die Demokratie?
Die Koch-Brüder und der Wahlkampf in den USA

Von Tom Schimmeck

Mittwoch, 02.03.2016, 22.03 Uhr, SWR2

Niemand mischt massiver in der US-Politik mit als Charles und David Koch – je gut 40 Milliarden Dollar schwer. Sie investieren in ihnen genehme Politiker und Kampagnen, finanzieren Think Tanks und Institute und gründen neuartige Organisationen. Der Koch-gesteuerte Verein “Freedom Works” soll im Wahljahr 2016 über einen Propaganda-Etat von 889 Millionen Dollar verfügen. “Americans for Prosperity”, von den Kochs finanziert, unterhält Ableger in fast allen Bundesstaaten. Die Koch-Brüder herrschen über den Großkonzern Koch Industries, der Papierfabriken, Pipelines und Raffinerien betreibt. Politisch stehen sie am rechten Rand der Republikaner. Sie agitieren gegen “Obamacare”, sind für weitere Steuersenkungen und bestreiten den Klimawandel.

Reading, Thinking, Looking
Eine Begegnung mit der Schriftstellerin Siri Hustvedt

Von Janko Hanushevsky

Freitag, 04.03.2016, 20:10 Uhr, DLF

Wie sehen, wie erinnern, wie fühlen wir? Was bedeutet es, zu schlafen, zu träumen und zu sprechen? Es sind existenzielle Fragen, denen sich die Schriftstellerin Siri Hustvedt in ihrem essayistischen Werk widmet. Sie hat sich mit Neurowissenschaften, Philosophie, Psychoanalyse und Bildender Kunst auseinandergesetzt.

“Ich glaube nicht”, sagt sie, “dass man den Menschen aus der Perspektive einer einzigen Disziplin heraus verstehen kann.” Sich selbst bezeichnet sie als streunende Intellektuelle, kultiviert den Status der Außenseiterin, die zwischen den Disziplinen steht und nirgendwo dazugehört.

Hustvedt wurde 1955 in einer Kleinstadt in Minnesota geboren. Die Mutter war eine Immigrantin aus Norwegen, der Vater ein norwegischer Amerikaner. “Wir haben dazugehört und irgendwie auch nicht”. Schon am Anfang steht die Erfahrung des Fremdseins in der vertrauten Umgebung, die Sehnsucht nach dem “Anderswo”.

Als junge Frau wagt sie den Sprung nach New York. Dort lernt sie den unbekannten Dichter Paul Auster kennen, mit dem sie seit über 30 Jahren verheiratet ist.

Warum sie schreibt? “Ich bin angetrieben von einer tiefen Neugier, was es heißt, ein Mensch zu sein.”

Fünfzig Prozent Zukunft
Unser Leben mit der Huntington-Krankheit

Von Nina und Oliver Buschek

Samstag, 05.03.2016, 13.05 Uhr, BR2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Nina Buschek steckte mitten in ihrem Medizinstudium, als bei ihrer Mutter Chorea Huntington diagnostiziert wurde: Eine unheilbare Erkrankung des Gehirns, bei der die Patienten nach und nach die Kontrolle über ihre Körperbewegungen verlieren – oft zeigen sich zudem massive psychische Störungen. Die ersten Symptome treten meistens um das 40. Lebensjahr auf, im Durchschnitt führt Huntington nach 15 Jahren zum Tod.

Ursache der Krankheit ist eine vererbbare Genmutation. Das bedeutet für die Kinder der Erkrankten: Sie tragen ein 50-prozentiges Risiko, dass die Krankheit eines Tages auch sie selbst trifft. Ein Gentest kann Klarheit schaffen, so dass die Betroffenen vor schwerwiegenden Entscheidungen stehen: Wollen sie erfahren, ob ihnen eine leidvolle Zukunft und ein früher Tod bevorstehen? Und wie beeinflusst die Diagnose die Familienplanung?

Gemeinsam mit ihrem Mann erzählt die Autorin die Geschichte ihrer Familie, von schweren Entscheidungen wie der, Kinder zu bekommen, und dem Abwägen zwischen Ungewissheit und womöglich fataler Sicherheit. Sie stellen sich zwingenden Fragen der Humangenetik, treffen ein Ehepaar, das schon seit Jahren mit der Huntington-Erkrankung des Mannes leben muss, und den amerikanischen Neurowissenschaftler Jeff Carroll, dessen Mutter an Huntington gestorben ist – und der gleichzeitig zu den prominentesten Forschern auf diesem Feld zählt. Seine Hoffnungen sind derzeit groß wie nie zuvor: Dank der enormen gentechnischen Fortschritte der letzten Jahre könnte die Entwicklung eines wirksamen Medikaments tatsächlich bevorstehen. Doch für die Träger des Gens läuft die Zeit.

Flucht nach Europa
Kinder von Sodom und Gomorrha

Von Jens Jarisch

Samstag, 05.03.2016, 18.05 Uhr, DR Kultur

Sodom und Gomorrha ist ein Armutsviertel in Accra, der Hauptstadt von Ghana. Tausende Kinder kommen hierher. Ihr Traum heißt Europa. Für die meisten geht er nicht in Erfüllung. Der Autor spricht mit ihnen und geht der Herkunft des Elektroschrotts nach.

Ein Mädchen, das eigentlich in die Schule gehen sollte, verkauft von morgens bis abends Trinkwasser. Um sie herum zerschlagen Jungen, von denen der kleinste sechs Jahre alt ist, gebrauchte Computermonitore und andere Elektrogeräte mit bloßen Händen.

Dann zünden sie die Schrotthaufen an. Wenn alle Kunststoffe verbrannt sind, bleibt Kupfer übrig.

Fukushima 3.11
Der Stoff für Kunst in Japan

Von Barbara Geschwinde

Sonntag, 06.03.2016, 14.05 Uhr, SWR2

Erdbeben, Tsunami und Super-Gau – die Dreifachkatastrophe von Fukushima jährt sich am 11. März zum fünften Mal. Radioaktive Strahlung sieht man nicht, riecht man nicht, schmeckt man nicht. Nach der Schockstarre von 3.11, wie Japaner die Katastrophe von Fukushima nennen, beginnen japanische Künstler mit der Aufarbeitung. Toshio Hosokawa etwa komponiert ein in Salzburg uraufgeführtes tönendes Memorial auf das Gedicht “Klage” von Georg Trakl. Der Psychiater Kuro Tanino schreibt für das Theater Krefeld-Mönchengladbach das Stück “Käfig aus Wasser” über einen Mann, der durch die Gefahr der unsichtbaren Strahlung paranoid wird. Fukushima 3.11 ist für die Kunstszene in Japan bis heute ein Thema.

Caroline von Schelling und Dorothea von Schlegel:
Porträt zweier Salonièren des 18. Jahrhundert

Von Margareta Bloom-Schinnerl

Sonntag, 6. März 2016, 18:05 Uhr, hr2

Anlässlich des internationalen Frauentags am 8. März möchten wir an zwei Salonièren des 18. Jahrhunderts erinnern. Caroline und Dorothea sind klug und gebildet, begnadete Briefschreiberinnen, mehrfach verheiratet und scheren sich wenig um die Normen der Gesellschaft.

Caroline wurde 1763 in Göttingen als Professorentochter und Dorothea 1764 in Berlin als Tochter des berühmten Aufklärers Moses Mendelssohn geboren. Vor ihnen liegt ein ebenso leidenschaftliches wie skandalumwittertes Leben, das geprägt ist durch die Salonkultur des 18. Jahrhunderts, durch den engen Umgang mit Dichtern und Philosophen, durch Freundschaftsbünde, Frühromantik und Französische Revolution.

Bittere Ereignisse pflastern ihren Lebensweg, aber auch Sternstunden. Ende des 18. Jahrhunderts treffen sie aufeinander und leben für eine Weile zusammen in Jena in einer Wohngemeinschaft mit den Schlegel-Brüdern. Die Autorin folgt den Spuren der beiden außergewöhnlichen Frauen, die für ihr unkonventionelles Leben einen hohen Preis zahlen mussten.