Radiotipps für die Woche vom 2. bis 8. November 2015

Mahnwachen für den Frieden
Ein rechtes Projekt auf den Trümmern linker Fundamente

Von Rainer Link

Dienstag, 03.11.2015, 19:15 Uhr, DLF

Seit Beginn der Ukraine-Krise versammeln sich in ganz Deutschland jede Woche bunt zusammengewürfelte Gruppen, um für Frieden in Europa und gegen die Berichterstattung der sogenannten “Systemmedien” zu demonstrieren. Sie nennen sich Montagsmahnwachen und ähneln den Bemühungen um die Bildung einer Querfront am Ende der Weimarer Republik.

Diese Aktivisten eint das Feindbild USA, eine unkritische Nähe zum neuen russischen Antiliberalismus und die Empörung über soziale Ungerechtigkeit. Bei den Aktionen verbrüdern sich alte und neue Rechte mit ehemaligen Linken und völlig Desorientierten. Darunter Esoterikbewegte, Verschwörungstheoretiker, Warner vor Überfremdung oder der Sexualisierung der Gesellschaft, Homophobe und jede Menge Selbstdarsteller.

Sie verweigern konsequent den Kontakt zu herkömmlichen Medien. Stattdessen mobilisieren sie Öffentlichkeit über eigene professionelle Videoportale in den sozialen Netzwerken. Bei den Veranstaltungen dieser neuen Bewegung gilt das Prinzip des “Offenen Mikrofons”. So können auch Hetzbeiträge gegen Juden, Warnrufe vor der Überfremdung Deutschlands oder Lobreden auf das traditionelle deutsche Familienbild unbeanstandet verbreitet werden. Es gibt einzelne Schnittstellen zu eindeutig rechten Bewegungen wie Hogesa oder Pegida und auch zu russischen Auslandsmedien wie dem Sender Russia today.

Die Stasi war mein Eckermann oder: mein Leben mit der Wanze
Als Schriftsteller überwacht in Leipzig

Von Erich Loest

Mittwoch, 04.11.2015, 00:05 Uhr, DR Kultur

1990 wurden Erich Loest von ehemaligen Stasi-Mitarbeitern 300 Blatt Aktenkopien angeboten, die sich als echt erwiesen. Es waren Wanzen-Berichte, die jedes Wort festhielten, das im Hause Loest gesprochen worden war.

Darüber hinaus enthielt die Akte Beschlüsse, Telegramme, Spitzelberichte und immer wieder “Informationen”, die die Telefonüberwachung der Abteilungen 26A und 26B gesammelt hatte. Die Geheimdienstdossiers zeigen, wie skrupellos auch Kollegen und Freunde über Loest berichteten. Wir senden einen Querschnitt des ursprünglich dreiteiligen Features.

Die Zeit, die noch bleibt
Auf einer Palliativstation in Heidelberg

Von Reinhard Schneider

Mittwoch, 4.11.2015, 22.03, SWR2

Zwei Wochen lang begleitete der Autor rund um die Uhr Patienten, Angehörige und das Stationspersonal einer Palliativstation in Heidelberg. Irmgard B. führte einst ein kleines Flugunternehmen, jetzt liegt sie im Sterben und singt mit einer Musiktherapeutin alte Schlager. Im benachbarten Zimmer versucht Burkhard B. die Ärzte davon zu überzeugen, seinen nahenden Tod zu beschleunigen. Die Frau eines todkranken Orchestermusikers wirkt plötzlich wie gelöst, als sie erfährt, dass ihr Mann in wenigen Tagen sterben wird. Fast keiner der Patienten hat die 14 Tage überlebt. Es waren allerdings nicht nur Kummer und Leid, die der Autor hier erlebte, sondern zugleich Hoffnung und Trost. Sterben kann unter bestimmten Bedingungen gleichsam gelingen. Die Palliativmedizin sieht im Prozess des endgültigen Entschlummerns am Ende des Lebens durchaus Gemeinsamkeiten mit dessen Beginn, der Geburt: Beides bedarf menschlicher Anteilnahme, Hilfe und Zuwendung.

Kafka unchained. Der entfesselte Kafka

Ein Hörcomic von Malgorzata Zerwe und David Zane Mairowitz

Freitag, 06.11.2015, 20:15 Uhr, DLF

Kafka? Ist Kafka komisch, oder ist das Komische daran kafkaesk? Wird Kafka gerecht, wer seine Romane als Comic präsentiert? Kommt Kafka näher, wer dessen Texte vertont, gar als Rap darbietet? Und was sagen die Schulmeister dazu?

Drei namhafte Comic-Zeichner – der US-Amerikaner Robert Crumb, die Französin Chantal Montellier und der Tscheche Jaromír Švejdík – haben Kafka erfolgreich illustriert.

Eine Band aus Prag singt den Kafka, und der junge Schwabe Tobias Stoll erfreut seinen Deutschlehrer als “Kafka Rapper”. Vor 100 Jahren, im August 1914, begann Franz Kafka, den Roman “Der Prozess” zu schreiben. Anlass für den längst überfälligen Hörcomic! Für den entfesselten Kafka, befreit vom Vorurteil des Kafkaesken!

Den Autoren zur Seite stehen weiterhin: ein Kafkaologe aus dem Senegal, der Leiter des Stuttgarter Literaturhauses, ein Kafka-Biograf – und am Rande: ein gewisser Franz Kafka – aus Salzburg!

Exil im eigenen Land
Myanmar aus der Sicht einer Rohingya-Familie

Von Mandy Fox

Samstag, 07.11.2015, 18:05 Uhr, DR Kultur

U Kyaw Hla Aung und seine Familie sind Rohingya. Sie leben im Westen Myanmars, wo nur selten ein Tourist hinkommt. Die Regierung bezeichnet die Rohingya als illegale Immigranten aus Bangladesh.

Der Familienvater, der 74-Jährige U Aung, setzt sich als Anwalt und Aktivist seit vielen Jahren für ein friedliches Miteinander ein. Mehrmals saß er als politischer Gefangener im Gefängnis. Auch seine Familie ist täglichen Repressionen ausgesetzt. Drei seiner Söhne haben deswegen das Land verlassen.

Das Feature erzählt die Geschichte des Landes Myanmar aus der Sicht dieser Familie und versucht zu verstehen, wie und warum ethnische Konflikte geschürt und instrumentalisiert werden.

Voodoo der Rückkehr
Hans Christoph Buch und Dany Laferrière und Haiti

Von Egon Koch

Sonntag, 08.11.2015, 14.05 Uhr, SWR2

Haiti 2015: Fünf Jahre nach dem Erdbeben und kurz nach dem Tod des Ex-Diktators “Baby Doc” Duvalier. Seit 2011 ist der Komponist und Sänger Michel Martelly Präsident. Immer noch aber ist Haiti das Armenhaus Amerikas mit der geringsten Lebenserwartung, entmündigt durch den französischen Kolonialismus, die US-amerikanische Besatzung, Blauhelmsoldaten und geschäftstüchtige Hilfsorganisationen. Dany Laferrière und Hans Christoph Buch sind Schriftsteller und Antipoden. Der eine ist Haitianer und lebt seit 1976 im kanadischen Exil. Der andere ist Deutscher und reist seit den 80er-Jahren immer wieder in das karibische Land, wo bis zum Erdbeben das Haus seines Großvaters stand. Aus unterschiedlichen Blickwinkeln schildern die beiden, dass Haiti mehr ist als das Land des Elends, der alleinerziehenden Mütter und von Gewalt, Drogen und Korruption.

Jegliches hat seine Zeit
DDR-Schauspieler und –Regisseure vorn und nach der Wende

Ein Feature von Ulrich Teusch

Sonntag, 08.11.2015, 18.05 Uhr, hr2

Manfred Krug, Armin Mueller-Stahl, Angelica Domröse, Jutta Hoffmann – viele bekannte DDR-Schauspielerinnen und Schauspieler, auch Regisseure wie Egon Günther, haben ihrem Staat schon vor der Wende den Rücken gekehrt und sind in den Westen gegangen. Andere, wie Uwe Kockisch, Jaecki Schwarz oder der Regisseur Andreas Dresen, blieben bis zum Ende und konnten auch im wiedervereinten Deutschland ihre Karriere fortsetzen. Viele andere jedoch, unter ihnen etliche herausragende Künstler, haben den Umbruch 1989/90 nicht unbeschadet überstanden. Die Engagements blieben aus. Einstige Stars und Publikumslieblinge mussten sich mehr schlecht als recht durchschlagen, haben den Beruf gewechselt oder sich verbittert zurückgezogen. Im Westen des Landes sind sie kaum bekannt, ihre großen Filme drohen in Vergessenheit zu geraten. Im Feature von Ulrich Teusch erzählen DDR-Schauspieler und -Regisseure ihre Geschichte(n), berichten von ihrer künstlerischen Arbeit, auch von ihren politischen Erfahrungen vor und nach der Wende. Ein Blick zurück – ohne Zorn, ohne „Ostalgie“ und stets getragen von der Hoffnung, dass nicht alles vergebens war.

Myanmar
Oder wie wir versuchten einen Vogel zu kaufen, um ihn freizulassen

Von Wiebke Keuneke

Samstag, 07.11.2015, 13.05 Uhr, RBB/BR 2015
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Myanmar, was ist das genau? Ein Land, in dem Buddhismus als Staatsreligion festgeschrieben ist und das mit Moslemhetze Schlagzeilen macht. Ein Land, in dem eine 70-Jährige Präsidentin werden soll und wie ein Popstar gefeiert wird. Ein Land, in dem es 135 unterschiedliche Ethnien gibt und in dem Dollarscheine nur gebügelt angenommen werden. Ein Land, in dem Touristen mit einem Heißluftballon über spektakuläre Pagodenlandschaften fahren und dabei geneigt sind, Armut mit Ursprünglichkeit zu verwechseln. Zwei Frauen reisen durch Myanmar, eine arbeitet fürs deutsche Radio, die andere ist hier geboren, ausgewandert und kehrt jetzt zurück, um für ausländische Medien über Myanmar zu berichten.