Radiotipps für die Woche vom 13. bis 20. September 2015

Die Grenzgänger – Logbuch einer Notrettungsstation

Von Helmut Kopetzky

Sonntag, 13.09.2015, 18:05 Uhr, hr2

“Als Notarzt hat mein Nachbar Joachim fast täglich mit der Nachtseite des Lebens zu tun: Herzinfarkte, Verletzungen am Arbeitsplatz, Verkehrsunfälle. Mit Hubschrauber und Notarztwagen ist er oft länger als 24 Stunden unterwegs.”

“Von Beruf ist er ein Grenzgänger, sein Alltag ist die Zone zwischen Leben und Tod. Diesen Ausnahmezustand überlassen wir heute so gern den ‘Einsatzkräften’, den Fachleuten. Das Feature schildert ihren Alltag, begleitet Notärzte zum Einsatzort und Patienten bis in den Operationssaal und fragt auch nach, was aus Überlebenden geworden ist.”

Im September 2015 feiert der vielfach preisgekrönte Feature-Autor Helmut Kopetzky seinen 75. Geburtstag. Aus diesem Anlass wiederholen wir diese eindrucksvolle Dokumentation, die den schwierigen Arbeitsalltag in der Notfallmedizin beschreibt.

Angola – Schnäppchenjagd im ehemaligen Mutterland

Von Tilo Wagner

Freitag, 15.09.2015, 19:15 Uhr, DLF

Angola war bis 1975 portugiesische Kolonie. Im vergangenen Jahrzehnt hat das südwestafrikanische Land einen beispiellosen Wirtschaftsaufschwung erlebt, vor allem durch den Ölexport. Eine Führungsclique um Staatspräsident José Eduardo dos Santos bestimmt die angolanische Politik und hat gelernt, sich selbst zu bereichern. Das teils aus dubiosen Quellen stammende Kapital fließt auch nach Europa. Mit der Finanzkrise und dem Spardiktat der EU hat die angolanische Elite ihren Einfluss zum Beispiel in portugiesischen Banken, Medien und der Landwirtschaft ausgebaut. Zum ersten Mal in der Geschichte europäischer Kolonialmächte mischt eine ehemalige Kolonie in Wirtschaft, Finanzen und Politik seiner ehemaligen Herren mit. Teile der portugiesischen Führung scheinen dabei den kritischen Blick auf das angolanische Regime verloren zu haben. Angolanische Bürgerrechtler, die im Exil in Portugal leben, bekommen das zu spüren.

Der italienische Schriftsteller Cesare Pavese

Von Maike Albath

Freitag, 18.09.2015, 20.10 Uhr, DLF

Schnurgerade Straßen, rechtwinkelige Plätze, barocke Fassaden, am Horizont Fabrikschlote und die modernste Autofabrik Europas – das ist Turin Anfang der 30er-Jahre. Während Fiat neue Kleinwagen produzierte und Mussolini über die widerständige Arbeiterschaft der Industriestadt klagte, schrieb der 1908 geborene Student der Anglistik Cesare Pavese Gedichte über Alltagsgeschehnisse und machte Turin zu einem literarischen Ort.

Seine Schulfreunde Giulio Einaudi und Leone Ginzburg gründeten unterdessen einen Verlag. Ab 1934 verantworteten sie zwei Zeitschriften. Pavese wurde zum Entdecker Amerikas und steuerte Artikel über Dos Passos, Steinbeck und Sinclair Lewis bei. Der Einaudi-Verlag geriet bald in Konflikt mit dem Regime, Ginzburg und Pavese kamen ins Gefängnis. Die drei Freunde hielten an ihrem ehrgeizigen Programm fest, und nach dem Krieg schrieb Einaudi Kulturgeschichte. Der Verlag wurde zu einem Sammelbecken der literarischen und politischen Avantgarde.

Ein Land macht Picknick
Eritreas taumelnder Weg zu sich selbst

Von Kristine Kretschmer und Beatrice Möller

Samstag, 19.09.2015, 13:05 Uhr, Bayern 2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

In den ersten Jahren der Unabhängigkeit galt Eritrea als afrikanisches Musterland auf dem Weg in eine demokratische Zukunft. Davon ist nichts übrig geblieben. Heute ist das Land in Lethargie versunken und stellt mit Abstand die größte Gruppe unter den Flüchtlingen aus Afrika. Dabei herrschen in Eritrea weder Krieg noch Hungersnöte, sondern ein gefürchteter Diktator: Der gefeierte einstige Revolutionsführer Isayas Afewerki ist noch immer Regierungschef, ohne jemals gewählt worden zu sein. Die Verfassung ruht, ausländische Hilfsorganisationen wurden des Landes verwiesen, die Pressefreiheit abgeschafft, Regierungskritiker sitzen im Gefängnis. Wer kann, flieht Richtung Europa oder Israel. In der Diaspora herrschen massive Konflikte innerhalb der eritreischen Gemeinde.

Die einen, vor über 20 Jahren während des Befreiungskrieges nach Deutschland gekommen, haben sich hier längst etabliert und schwärmen von der alten ostafrikanischen Heimat. Die neuen Flüchtlinge haben ihr Leben riskiert, um einer Diktatur zu entkommen und fordern einen politischen Umschwung. Wo die beiden Gruppen aufeinander treffen, kommt es zu Streit und gewalttätigen Protesten. Zekarias Kebraeb, Oppositioneller der neuen Generation, Flüchtling, Blogger und erster Stipendiat der Deutschlandstiftung Integration führt durch ein Kaleidoskop der Erfahrungen, Stimmen und Stimmungen von Menschen, die in Eritrea gelebt haben oder heute noch dort leben.

Meth – die Droge zum Selbermachen
Keine Anleitung

Von Christian Lerch

Samstag, 19.09.2015, 18.05 Uhr, DR Kultur

Crystal Meth ist das Drogenproblem Nummer 1 in den USA – aber auch in Deutschland ist die Droge auf dem Vormarsch. Spätestens seit “Breaking Bad” weiß jedes Kind, dass sich die Droge aus handelsüblichen Erkältungsmitteln, Nagellack oder Blumendünger leicht selbst herstellen lässt.

Der Autor betrachtet dieses Phänomen und taucht ein in die Welt der Abhängigen. Zum Beispiel die von Roman in Brünn, Tschechien, der sich bei seinem ersten Versuch Meth herzustellen alle Haare verbrannt hat. Oder in die Welt Melissas in Seattle, USA. Sie hat gerade ihren Job in einem Antiquitätenladen verloren. Mit der Droge hat das nichts zu tun. Meint Melissa. Sie hat die Droge im Griff. Denkt sie.

Dr. C’s Conversationslexikon (1/4)

Eine ökonomische Radiofeature-Reihe mit und ohne Publikum
Teil 1: G wie Geld

Von Armin Chodzinski und Nis Kötting

Sonntag, 20.09.2015, 14.05 Uhr, SWR2

E wie Effizienz, G wie Geld, S wie Schulden, W wie Wachstum. Vier Buchstaben. Vier Begriffe. Über die sich reden ließe. Wenn man wüsste, was sie bedeuten. Dafür gab es früher Konversationslexika. Damit man wusste, worüber man redete. Jetzt gibt es Dr. C.

Dr. C. referiert, theoretisiert, exemplifiziert: Zitate, Thesen, Verweise, Quellen und Dokumente. Dr. C. denkt laut und live. Manchmal mag er verkrampft wirken, aber das kommt nur, weil er unbedingt verstanden werden will. Deshalb tanzt er manchmal sogar. Sogar so, dass man es hört.

Teil 1: Geld ist schön und demokratisch und eine grandiose Erfindung, aber eben auch ein Problem – nur was für eins? Wie so vieles scheint auch das Geld seine Deckung verloren zu haben und übrig bleiben allein Glaube oder Hoffnung … oder nichts.

 

Radiotipps für die Woche vom 24. bis 30. August 2015

Alte Deutsche, junge Thais
Im Deutschen Evangelischen Begegnungszentrum von Pattaya/Thailand

Von Erhard Lauer

Dienstag, 25.08.2015, 19.15 Uhr, DLF

Familien essen Kirschtorte, eine Reiseleiterin Sauerbraten, der deutsche Pfarrer plaudert mit einer einheimischen Nonne und ältere deutsche Herren unterhalten sich über die Geldgier ihrer jungen Thai-Bräute. Im Deutschen Evangelischen Begegnungszentrum des Touristenorts Pattaya treffen Welten aufeinander.
Die Stadt gilt als die Welthauptstadt der Sexpats. Auch tausende Deutsche leben mittlerweile hier. Nicht alle kommen mit dem mehr als nur bunten Treiben klar. In einer Hütte am Stadtrand liegt ein zuckerkranker, komatöser Deutscher, dem bereits beide Beine amputiert wurden – seine thailändische Lebensgefährtin möchte ihn “lieber daheim pflegen”, von seinem Konto hebt ein Unbekannter die deutsche Rente ab. Ein deutscher Rentner verfolgt solche mysteriösen Fälle mit seiner einheimischen Frau, die das Deutsche Evangelische Begegnungszentrum leitet. Am Nebentisch verabreden sich derweil andere Pensionäre zu einem luxuriösen Abendbuffet im Stadtzentrum.

Himmelsklänge
Reise durch die Orgellandschaft von Arp Schnitger

Von Dorothee Schmitz-Köster und Walter Weber

Mittwoch, 26.08.2015 um 00:05 Uhr, DR Kultur

Er war ein genialer Orgelbauer und ein guter Geschäftsmann dazu: Arp Schnitger (1648-1719) aus Golzwarden bei Bremen. 105 Instrumente stammen aus seiner Werkstatt, etwa 30 sind noch heute erhalten, Meisterwerke barocker Orgelbaukunst.
Walter Weber und Dorothee Schmitz-Köster sind durch Schnitgers Orgellandschaft zwischen Ostfriesland und Hamburg gereist, haben Kantoren und Orgelbauer, Organisten und Experten getroffen, ihrem Spiel zugehört, sich Orgeln von innen und außen zeigen lassen. Entstanden ist eine akustische Reise durch Arp Schnitgers Land der “Himmelsklänge”.

Forschungsgegenstand: Lästern
Über die unheimliche Kunst des heimlichen Sprechens

Von Georg Cadeggianini und Steffen Jan Seibel

Freitag, 28.08.2015, 201.0 Uhr, DLF

Wir tun es, überall: in der hohen Politik genauso wie unter Freunden, im Kreis der Professoren genauso wie auf der Tupperparty. Die Forschung spricht von unregulierter Lust und sozialem Kitt. Erst hier werde die eigene Identität zum Klingen gebracht. Dabei ist es alles andere als harmlos: Lästern vernichtet Karrieren, zerrüttet Freundschaften, ruiniert Projekte.
Während es fast überall Standards und Richtlinien gibt, für Straßenschilder und Beipackzettel, für Drehbücher und Sonntagsreden, haben wir so gut wie keine Verständigung über die Codes und Zwischentöne des gesprochenen Worts gefunden: Hat sich hinter unserem Rücken da eine eigene Textgattung entwickelt? Kann man Flurfunk wie Lyrik analysieren?
“Das Feature” wagt sich vor in den Wilden Westen der Sprache. Wir schneiden mit und stellen zur Rede, zerren geheime Funktionen und Strukturen ans Tageslicht; es wird um neue Regeln der oralen Kultur im Digitalzeitalter gehen, aber auch um abgekartete Allianzen, den Wert des Geheimnisses und nicht zuletzt: den Kitzel des Bösen.

Vier Schüsse in Missoula
Der Tod des Schülers Diren D.

Von Tom Schimmeck

Samstag, 29.08.2015 um 18:05 Uhr, DR Kultur

Am 27. April 2014 feuert der 29-Jährige Markus K. aus Missoula, Montana, in seiner Garage vier Schüsse auf den 17-Jährigen Diren D. aus Hamburg. Der Schütze hatte auf der Lauer gelegen. Er war sehr wütend. Stellte eine Falle.
Er wollte Räuber schnappen, die ihn Tage zuvor bestohlen hatten. Diren D. stirbt in der Garage von Markus K. “Deutscher Austauschschüler in den USA erschossen” titeln die Zeitungen.
Typisch Amerika? Manches ist typisch: Montanas schießfreudige Gesetze, die Waffenkultur. Die Stadt Missoula aber schämt sich zutiefst. Nachbarn und Mitschüler trauern, organisieren Mahnwachen. Rufen: “Das sind nicht wir!”
Eine Jury verurteilt Markus K. wegen vorsätzlichen Mordes. Der Richter verhängt 70 Jahre Haft.

Es sind Zimmer frei
Kroatien, ein Land auf Selbstsuche

Von Patrick Batarilo

Sonntag, 30.08.2015, 14.05 Uhr, SWR2

Brief an eine Dame in Chicago, die mich nach der deutschen Literatur von 1953 fragte

Von Alfred Andersch

Sonntag, 30.08.2015, 18.05 Uhr, hr 1954

In dieser siebten Folge unserer Feature-Reihe im Radiokultursommer berichtet Alfred Andersch einer Dame in Chicago vom Zustand der damals gegenwärtigen deutschen Literatur in der Bundesrepublik Deutschland. Eine starke Strömung dieser Literatur wird seiner Ansicht nach von folgenden Autoren repräsentiert: Wolfgang Koeppen, Georg Glaser, Heinrich Böll, Herbert Eisenreich, Rolf Schroers, Wolfdietrich Schnurre und Wolfgang Hildesheimer. Die neue Strömung in der Lyrik schlägt sich – so seine These – in den literarischen Produkten von Paul Celan, Ingeborg Bachmann und Wolfgang Weyrauch nieder. Ausschnitte werden aus Koeppens zeitkritischem Roman “Das Treibhaus” sowie aus Arno Schmidts Werk “Die Umsiedler”.

Radiotipps für die Woche vom 17. bis 23. August 2015

Muslimische Roma in Düsseldorf
Die Moschee am Bahndamm

Von Ulla Lachauer

Dienstag, 18.08.2015, 19:15 Uhr, DR Kultur

Seit 13 Jahren kommen sie hier zum Freitagsgebet zusammen – in einem Konfirmandensaal, den sie mit Koransuren und blauen Kacheln geschmückt haben. Iman Ajdini, ein junger Theologe aus dem mazedonischen Skopje, predigt in Romanes, der Muttersprache der Gemeindemitglieder. Die meisten sind in den 60er-Jahren als Gastarbeiter gekommen, Jugoslawen, wie es damals hieß.
Dass sie Roma und Muslime waren (aus Mazedonien, dem Kosovo, Serbien), haben sie lange verborgen. Erst mit dem Jugoslawienkrieg, der einen großen Exodus nach Westeuropa auslöste, war die Vergangenheit wieder da: Plötzlich standen muslimische Roma aus ihren Heimatorten vor der Tür, Nachbarn von einst, Verwandte. Nach und nach fanden sie in der neuen Heimat Deutschland zusammen.
Das Feature erzählt, wie diese Minderheit ihren Weg fand – den Glauben zu leben und Nachbarschaft mit den Christen nebenan, von ihrem Stolz, ohne Staatsgelder auszukommen, vom Alltag im Fastenmonat Ramadan und den aktuellen Debatten über den Islam.

UdK Berlin – Sound Studies
Kurzstrecke 40
Feature, Hörspiel, Klangkunst

Mittwoch, 19.08.2015, 00:05 Uhr, DR Kultur

Zusammenstellung: Barbara Gerland, Ingo Kottkamp, Marcus Gammel

In der aktuellen Ausgabe der Kurzstrecke präsentieren wir fünf Hörstücke über das Taxifahren von Studenten der Sound Studies (UdK Berlin):

Olhando pela janela
Von Giacomo Gianetta

Ein Schwank
Von Lukas Leonhard, Johannes Reich, Jan Fraune

The 1:1 Map
Von Edoardo Calgary, Chelsea Leventhal, Michael Tuttle

Mimeticardisaurowrum
Von Vera Buhß, Laura Aragoneses, Matteo Spanò

Kurz Kammer Quartett
Von Ilya Selikhov, Joen Szmidt, Weiju Shen

Willkommen in der Gegenwart
Frauen und Migranten retten das Theater

Von Jenny Hoch

Freitag, 21.08.2015, 20:10 Uhr, DR Kultur

Das deutsche Staats- und Stadttheater hat es sich zu lange in der Mehrheitsgesellschaft bequem gemacht. Es wird von Großregisseuren dominiert, meistens Männer über 50, die wie mittelständische Unternehmer agieren und von Subventionen leben. Die Folge: große Theatermüdigkeit, beginnende Musealisierung. Abhilfe soll nun die Öffnung schaffen.
Öffnung nach unten, zu theaterfernen Milieus; nach außen, zu ausländischen Theatermachern und Ästhetiken; nach innen, zu einer weiteren, am deutschsprachigen Theater bisher ebenfalls unterrepräsentierten Personengruppe, den Frauen. Es ist chic geworden, seinen Spielplan mit einem Stadt-, Flüchtlings- Migrationsprojekt aufzupolieren – aber kann das funktionieren?
Wir machen den Praxistest, besuchen unter anderem ein zukünftiges Flüchtlingshaus in München, das den Kammerspielen Realität beibringen soll, kochen persisch am Theater des Jahres in Berlin, messen den Rassismus-Level eines typischen Theatergängers und erfahren, warum Karin Beier, Intendantin des Hamburger Schauspielhauses, politisch korrekte Samthandschuhe im Umgang mit heiklen Themen ablehnt.

Scherentango
Die Friseurmeisterin Peggy Pohlers und ihr Seniorensalon

Samstag, 22.08.2015 um 18:05 Uhr, DR Kultur

Von Johanna Fricke

“Wenn ich könnte, würde ich nur noch Haare schneiden”, sagt Peggy Pohlers. Sie betreibt zwei Friseursalons in Leipziger Seniorenheimen: im Stadtteil Volkmarsdorf (bei den weniger Bemittelten) und in Gohlis (bei den besser Bemittelten). In beiden Salons hängt ein Schild: “Ich habe zu wenig Zeit, um mich zu beeilen.”
Peggy Pohlers braucht die Zeit, um Geschichten zu hören. Die Geschichte von der alten Dame, die süchtig nach Knackwürsten ist und sie unter ihrem Bett versteckt. Oder die Geschichte von der Tschechin, die ihre Nationalhymne gegen einen Topf Knoblauchsuppe tauschte. Und Peggy Pohlers hat auch selbst viel zu erzählen. Immerhin ist ihre Schwester Fußballweltmeisterin und ihr Mann, der Spediteur, ein verhinderter Künstler.

Teslanauten
Eine Reise auf den Gehirnströmen des Mannes, der das Licht eingeschaltet hat

Von Mithu Sanyal und Christian Ahlborn

Sonntag, 23.08.2015, 14.05 Uhr, SWR2

Wechselstrom, Generatoren und Transformatoren, Oszillatoren, Turbinen, Spulen und Ventile, drahtlose Energie und Nachrichtenübertragung. 112 Patente hat der Physiker, Ingenieur und Erfinder Nikola Tesla (1856 – 1943) angemeldet. Einige davon waren genial und epochal, andere eher verrückt und fantastisch. Doch was immer Tesla plante, stets umgab ihn eine magisch-mysteriös britzelnde Aura. Anfang des 20. Jahrhunderts war Tesla eine Art High-Tech-Popstar und Magnetfeld-Magier. Hatte er nicht auch eine Zeitmaschine entwickelt und behauptet, Kontakte zu Außerirdischen zu haben? Auf jeden Fall hat Tesla bis heute Fans und Anhänger, die von ihm elektrisiert sind.

Max Frisch

Orchideen und Aasgeier
Erlebnisse und Begegnungen in Mexiko

Sonntag, 23.08.2015, 18.05 Uhr, hr2 (hr 1953)

Nach den Träumen, die sich mit der Kriegsvergangenheit beschäftigten, gab es auch die Träume nach der fernen Welt, die sich einige wenige in den 1950er Jahren erfüllen konnten. Zu diesen gehörte der Schriftsteller Max Frisch, der in diesen Jahren zu den Autoren des Abendstudios zählte. In diesem Hörbild erzählt er von seiner Reise durch Mexiko. Neben persönlichen Erlebnissen gibt er tiefe Einblicke in die Vergangenheit des Landes, die geprägt ist von der Eroberung und Unterwerfung der Azteken. Darin verwoben sind zeitgenössische Musikstücke, die sowohl spanischen als auch indianischen Ursprungs sind.

Radiotipps für die Woche vom 10. bis 16. August 2015

Im Flüchtlingslager der Muslime in Myanmar

Von Dominik Müller

Dienstag, 11.08.2015, 19:15 Uhr, DLF

So weit das Auge reicht, ziehen sich die Behausungen der Rohingya, der größten muslimischen Minderheit im mehrheitlich buddhistischen Myanmar, in den Flüchtlingslagern im nördlichen Rakhine-Staat. In wackeligen Langhäusern mit Wänden aus Bambusmatten leben auf beengtem Wohnraum acht Familien. Sie haben es noch gut getroffen.

In diese Welt geboren, Jackpot – woanders gelandet, Schicksal?
Die besten Stücke vom Jenaer Hörspielwettbewerb

Dienstag, 11.08.2015, 19.20 Uhr, SWR2 Tandem

Woher kommen wir? Wieso startest du dort, wo du geboren wirst? Warum du – genau zu dieser Zeit, an diesem Ort, in dieser Familie, in diesem Palast, in dieser Gosse? Und dann? Was wird der Soundtrack deiner Welt? Wofür das alles? Wer würfelt dein Schicksal? Wohin führt dich dein Weg – eher schief als eben? Kannst du tun, was du willst? Was hat uns hierher verschlagen? Wieso gibt es da die vollen Supermärkte und dort den Krieg? Du wirst in die eine Ecke der Welt geboren, Jackpot, du bist woanders gelandet – Schicksal? Und wir fragen uns: Wie seht ihr das …?
Nach zwei Jahren Pause hat der summerfugl e.V. gemeinsam mit dem Lese-Zeichen e.V. den 6. Jenaer Hörspielwettbewerb ausgeschrieben, der am 8. August in Jena stattfindet, und unter dem Motto „Jackpot Schicksal“ steht.
Es werden vier Kurzhörspiele aus dem Wettbewerb vorgestellt:

SOS du Arschloch
Hörspiel von Elgin Hertel
Mit Elgin Hertel und Tom Peel
Regie und Produktion: Elgin Hertel
2. Preis beim Jenaer Hörspielfestival

Solange es regnet
Hörspiel von Sebastian Hocke
Mit Marie Luisa Kerkhoff und Richard Lingscheidt
Ton: Steffen Meyer und Sebastian Hocke
Montage: Andrej Tschitschil
Regie und Produktion: Sebastian Hocke

Der Laden
Hörspiel von Simone Müller
mit Martin Bertram, Lydia Fleischer, Sebastian Kowski und Michael Wächter
Regie und Produktion: Simone Müller
3. Preis beim Jenaer Hörspielfestival

Pablo lebt postmodern
Hörspiel von Mariola Brillowska
mit Karin Bechstein-Martins Garcia und Mariola Brillowska
Regie und Produktion: Mariola Brillowska

Bay Area Disrupted

Von Andreas Bick

Mittwoch, 12.08.2015 um 00:05 Uhr, DR Kultur

Die Bay Area rund um San Francisco ist eine der reichsten Regionen der Welt und das Mekka der Informationstechnologie. Doch Künstler werden heute von jungen Programmieren aus ihren Wohnungen verdrängt. Vier Musiker erzählen

“Niemand kann es weiter bringen als zu sich selbst”

Von Sophie Gruber

Freitag, 14.08.2015, 20.10 Uhr, DLF

Die Langeweile bekämpfen, sich disziplinieren, den eigenen Wortschatz bewahren, etwas tun, was man nie vorher getan hat und danach nie wieder tun wird: Es gibt viele Gründe, warum Andreas, Olaf und Benni, “Langsträfer” in der JVA Berlin-Tegel, ausgerechnet im Knast angefangen haben, eine Literaturgruppe zu besuchen.

Die Rolle der DDR in Namibias Unabhängigkeitskampf
Honeckers langer Schatten

Von Rosie Füglein

Samstag, 15.08.2015, 18.05 Uhr, DR Kultur

Nach mehr als einem Jahrhundert kolonialer Fremdherrschaft feiert Namibia als eines der letzten Länder Afrikas im März 1990 seine Unabhängigkeit.
Die DDR hat die “South-West Africa People’s Organisation” (SWAPO) über viele Jahre in ihrem Widerstandskampf unterstützt und eröffnet in der namibischen Hauptstadt Windhoek nun eine DDR-Botschaft. Sieben Monate später gibt es den ostdeutschen Staat nicht mehr.
“Die DDR war unser zweites Zuhause”, gibt Sam Nujoma, SWAPO-Gründer und erster Präsident des freien Namibia, auch 23 Jahre später noch zu verstehen. “Es war damals unser großes Glück, dass die sozialistischen Länder noch existierten, sonst hätte die Sache für uns auch anders ausgehen können.”
Wie sah die Unterstützung der DDR für die SWAPO aus und was ist von den damaligen Ideen im heutigen Namibia noch übrig?

Mit Bestien spielt man nicht
Flucht in die nächste Gesellschaft

Von Annette Brüggemann und Leonhard Koppelmann

Sonntag, 16.08.2015, 14.05 Uhr, SWR2

Krise. Krise. Krise. Die westlichen Demokratien werden durch den weltweiten Finanzkapitalismus erschüttert. Und der sieht alt aus. “Wir werden dominiert von toten Ideen, die wie Zombies sind”, meint der amerikanische Globalisierungskritiker Michael Hardt: “Es scheint, als gäbe es heutzutage nur zwei Möglichkeiten: Entweder akzeptierst du die Gesetze des freien Marktes oder du wirst vom Staat kontrolliert.” Und wenn man diese Alternative nicht hinnimmt? Wenn man beim Spiel mit den Bestien von Markt und Staat nicht mitmacht? Feature-Autoren spielen die Fiktion als Ernstfall durch. Und lassen Krisen-Überlebende die Flucht nach vorn antreten: auf Inseln der liquiden Demokratie, utopischen Terrains der Gemeinwohl-Ökonomie, der KaosPilots. Dort erkämpfen sie eine alternative Gesellschaft und zwingen die untoten Zombies überalterter Systeme in ihre Särge zurück.

Träume im Zwanzigsten Jahrhundert – Beiträge zum modernen Traumbewusstsein

Sonntag, 16. August 2015, 18:05 Uhr, hr2

In der fünften Folge unserer Reihe mit historischen Features und Hörbildern des Hessischen Rundfunks untersuchen die beiden österreichischen Schriftsteller Milo Dor und Reinhard Federmann die Träume der Menschen des Jahres 1953.
In Form szenischer Monologe beziehungsweise Dialoge beschreiben sie die Träume und suchen nach deren unterbewusstem Gehalt. Traummotive, so ihre Erkenntnis, sind menschliche Schicksale während des Zweiten Weltkrieges sowie individuelle Lebensentwürfe und deren kriegsbedingte Veränderung.

Nachts um halb elf in Baden-Baden – Im Flüchtlingsheim

Von Rudolf Linßen

Sonntag, 16.08.2015, 22.30 Uhr, SWR2 ARD Radiofestival 2015

Flüchtlingsheim Westliche Industriestraße. Die Außenscheinwerfer strahlen einen gelben Neubau an und erleuchten die angesetzten Container. Es ist laut. Hinter der Schallschutzmauer rauscht der Verkehr auf der B3, direkt dahinter liegt die viergleisige Schnellstrecke der Bundesbahn. Im Flüchtlingsheim leben derzeit 140 Menschen. Sie kommen aus dem Kosovo, aus Syrien, die meisten aus Schwarzafrika.
Seit Februar 2015 begleitet die Gruppe “Aktiv Brücke” die Flüchtlinge auf dem Weg in ein neues Leben. Die Baden-Badener helfen ihnen bei Behördengängen, beim Erlernen der deutschen Sprache und laden sie ein in ihren Alltag. So entsteht Nähe. Der 35-jährige Benjamin aus Nigeria singt beim Gesangsverein Concordia schon Solo. Ogunrinu, 26 Jahre und ebenfalls aus Nigeria, lernt Saxophon und der 26-jährige Bakary aus Liberia hat bei einem Zimmermann bereits ein Praktikum gemacht.
Eine Reportage über den abendlichen und nächtlichen Alltag der Menschen im Flüchtlingsheim Westliche Industriestraße in Baden-Baden.

 

Afghanistan hinter dem Schleier
Das Doppelleben der Golalai Habib

Von Ghafoor Zamani

Dienstag, 21.7., 19.15 Uhr, DLF

Golalai Habib, die in Afghanistan die Zeitung “Die Welt der Frauen” gründete und 2011 nach Deutschland floh, erzählt in diesem Feature von der Welt hinter dem Schleier: vom Spagat zwischen ihrem Kampf als Frauenrechtlerin und der eigenen Situation in der Familie, wo Männer die Entscheidungen treffen.
2014, so berichtet Amnesty International, sind in Afghanistan über 5.000 Frauen Opfer häuslicher Gewalt geworden. Nach dem neuen Gesetz, das das Privatleben von Männern und Frauen regelt, darf eine Frau das Haus z. B. nur verlassen, “wenn die Erde bebt oder das Haus brennt”.
Golalai Habib, die in den entlegenen Dörfern Afghanistans über die Rechte der Frauen diskutierte, konnte nach Deutschland flüchten. Aber an ihrer privaten Situation hat sich dadurch wenig geändert. Die Ketten der Ehre sind auch in Deutschland aus Stahl. Ghafoor Zamani hat Golalai über viele Jahre in Kabul und in Deutschland begleitet.

Refuse, Reduce, Reuse
Eine Momentaufnahme der Konsumalternativen

Von Johanna Olausson

Mittwoch, 22.07.2015, 00.05 Uhr, DR Kultur

Foodsharing, Kleidothek, Repair Café, Kleiderkreisel, Mundraub, Netcycler, Carzap, Ouishare, KoKonsum, Grabfruit, Zebramobil, Social Muscleclub, Original unverpackt, Nachbarschaftsauto, Foodsoft, Material Mafia, Kunst-Stoffe, Hanseatische Materialverwaltung, Free your stuff, Leihladen Leila, Bikesurf, Couchsurfing, Homeforhome, Fairleihen, Mundraub, Bookcrossing, Ticketteilen, Tandemploy.
“Wat ist denn dat?”, fragt der Müllwerker hinter dem Steuerrad. An seiner Seite sitzt eine von Alpträumen verfolgte junge Frau. Sie fahren in einem Müllauto zusammen irgendwo im 21. Jahrhundert herum und suchen nach Alternativen zur Wegwerfgesellschaft.

Das Damaskus-Erlebnis
Motive der Islam-Konversion

Von Manuel Gogos

Freitag, 24.07.2015, 20.10 Uhr, DR Kultur

Der Softrocker Cat Stevens schrieb Hippie-Hymnen wie “Morning Has Broken”, ehe er im Jahre 1977 auf wundersame Weise vor dem Ertrinken errettet wurde und ein Koran aus der Hand seines Bruders ihm die Augen öffnete, wem er dafür zu danken habe: nämlich Allah.
Paul-Gerhard Hübsch war ein Beatpoet und Acidhead, ehe er 1969 in der marokkanischen Wüste nackt auf die Knie fiel, die Hände gen Himmel reckte und ausrief: “Oh Allah, bitte reinige mich.” Nach seiner Konversion zum Islam nannte er sich Hadayatullah, “der von Gott Geleitete”, und verfasste als Imam von Frankfurt eine Biografie über Yusuf Islam – den Mann, der einmal Cat Stevens war. Sind Yusuf und Hadayatullah “Prototypen” jener zahlreichen Konvertiten aus Paris, London oder Bonn, die heute zu global operierenden Gotteskriegern mutieren?
Das Feature spürt den existenziellen Gründen von Islam-Konvertiten nach und problematisiert zugleich die hirnwäscheähnlichen Effekte von Massenkonversionen im Bannkreis salafistischer “Lies-mich”-Aktionen.

Blick nach Draußen
Südseeparadiese. Die Trauminseln Französisch Polynesiens

Von Dieter Mayer-Simeth

Samstag, 25.07.2015 13:05 Uhr , Bayern 2

Im Bayern 2-Sommerradio öffnet der Bayerische Rundfunk sein Schallarchiv. Die Reihe “Offenes Archiv – Das Feature als Dokument seiner Zeit” widmet sich in den fünf Ausgaben dieses Sommers dem “Blick nach Draußen”.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts prägen Sendereihen wie das “Offene Fenster” oder “Städte mit lockenden Namen” das Reise-Feature. Dieses soll nach dem Zweiten Weltkrieg mehr sein als ein vertonter Fernreiseprospekt. Ziel ist ein “Beitrag für die Gemeinschaft der Völker”. So postuliert es Anfang der 1960er-Jahre BR-Intendant Christian Wallenreiter: “Das Eigene über die Grenzen des Landes hinaustragen und das Fremde hereinholen.” Herausragende Autorenpersönlichkeiten mit einem besonderen Zugang zu Land und Leuten arbeiten für die eigens geschaffene Redaktion “Hörbild Ausland”, die das Genre pflegt. Aus Frankreich zum Beispiel berichtet Hubert von Ranke. Der Münchner Widerstandskämpfer hatte sich 1942 der Resistance von Charles de Gaulle angeschlossen. Aus diesem Blickwinkel begleitet er das Entstehen eines demokratischen Bayerns. In Italien ist Reinhard Raffalt nicht nur ein profunder Kritiker des Papstes, sondern genauso ein akustischer Vermittler der Kultur Roms und Italiens im Auftrag des Bayerischen Rundfunks.
Das Bayern2-Sommerradio stellt fünf Features vor, die den Wandel im “Blick nach Draußen” aufzeigen. Welche Radiomacher prägten unsere Wahrnehmung des Auslands in den vergangenen Jahrzehnten – und was heißt das für uns heute?
Den Auftakt bildet die weiteste Reise, die ein BR-Autor je unternommen hat: Zu Bayerns Antipoden, zu der Region und zu den Menschen auf der genau anderen Seite des Globus’. “Südseeparadiese. Die Trauminseln Französisch Polynesiens” (Samstag, 25. Juli 2015 – 13:05 Uhr). Dieter Mayer-Simeth widmet sich dem Mythos der 118 Inseln, dem der Maler Paul Gaugain wie der Chanson-Sänger Jacques Brel erlegen sind. Im Begleittext zur Ursendung heißt es: Vor knapp 250 Jahren von Seeleuten unserer Kultur entdeckt, erst einmal durch Syphilis und Seuchen entvölkert, dann durch Christentum, Kriege und französische Atombombentests “auf europäischen Kulturstandard gebracht”. Ohne das Wort “Kultur” vor sich herzutragen vermittelt diese großartige Erzählung von Dieter Mayer-Simeth en passent einen zeitgenössischen Kulturbegriff. Ein auch heute noch glaubwürdiger “Blick nach Draußen”.

Mehr Meer

Mit Wolfram Wessels

Sonntag, 26.07.2015, 14.05 Uhr, SWR2

Es gibt eine Hörspiel-Spur, es gibt eine Feature-Spur, eine Internet-Spur, eine Diskurs-, Musik- und Soundspur und alle Spuren führen zum Radio, ins world wide web und wieder zurück. Mehrspur entwickelt das Internetprojekt DOKUBLOG weiter, reflektiert den Stand aktueller Mediendebatten und das laufende Programm, mischt die Spuren und stellt neue Zusammenhänge her. Hörspiel- und Feature-Kritiken treffen auf Debatten über die Bedeutung des Radios, auf Berichte über nationale und internationale Trends und auf DOKUBLOG-Features und -Hörspiele. Prominente Autoren diskutieren und arbeiten mit weniger bekannten zusammen: Jeder ist nicht nur Radio-Reporter und Audiokünstler, sondern auch Kommentator, Rezensent, Essayist und kann sich über die Seite www.swr2.de/dokublog beteiligen. Sie ist Archiv und Produktionsplattform zugleich.

Europäische Avantgarde

Von Alfred Andersch

Sonntag, 26.07.2015, 18.05 Uhr, hr2

In dieser zweiten Folge der Feature-Reihe des Radiokultursommers betrachtet Alfred Andersch die Zeiträume, die den Zusammenbrüchen Europas und dessen Werten folgten, insbesondere die Nachkriegszeiten nach 1918 und nach 1945. Andersch macht sich auf die Suche nach einer neuen Avantgarde, die den Grundstein für die Zukunft Europas legen könnte. Dabei zitiert er Beispiele aus den Werken avantgardistischer Autoren wie Arthur Koestler, Denis de Rougement, Ignazio Silone, Vercors, Albert Camus, Jean Paul Sartre, Simone de Beauvoir, Andre Malraux, Erich von Kahler, Emanuel Mounier und Eugen Kogon.

 

Radiotipps für die Woche vom 12. bis 19. Juli 2015

Tea-Party in Frankreich
Der Kulturkampf um die Homoehe

Von Hans Woller

Dienstag, 14.07.2015, 19:15 Uhr, DLF

Europa rieb sich die Augen: Ausgerechnet in Frankreich führte im Jahr 2013 ein Gesetzentwurf über die gleichgeschlechtliche Ehe zu einer gigantischen Protestbewegung. Eine Koalition aus Wertkonservativen, traditionalistischen Katholiken und rechtsextremen Splittergruppen beherrschte in einer von Hysterie geprägten Stimmung die öffentliche Diskussion. Sie agierten, als würde die gleichgeschlechtliche Ehe das Ende der Familie, ja der westlichen Zivilisation bedeuten und wurden dabei zusehends radikaler. Gleichzeitig hat sich in dieser Atmosphäre die Zahl auch gewaltsamer homophober Übergriffe im Land fast verdoppelt.

Das Gesetz ist jetzt seit über einem Jahr verabschiedet und mehr als 7.000 gleichgeschlechtliche Ehen wurden seitdem geschlossen. Doch die ultrakonservativen Kräfte der Protestbewegung gegen die Homoehe agieren weiter – gegen Abtreibung, Genderdiskurs, künstliche Befruchtung, Leihmutterschaft oder Sterbehilfe.

Abecedarium Bestiarium
Affinitäten in Tiermetaphern

Von Antonia Baehr und Sabine Ercklentz

Mittwoch, 15.07.2015, 00.05 Uhr, DR Kultur

D steht für Dodo, N steht für die Nordafrikanische Kuhantilope oder S für die Steller’sche Seekuh: Antonia Baehr hatte ihre Freund/innen eingeladen, kurze Stücke für sie zu schreiben, die auf einem ABC ausgestorbener Tiere basieren.

Hinter jedem Buchstaben verbirgt sich eine Radio-Miniatur, die sich mit dem jeweiligen nicht mehr existenten Tier verbunden fühlt.

Der Spaziergang von Buchstabe zu Buchstabe führt auch in die Bibliothek der Philosophin und Kuratorin A.S. Bruckstein Çoruh. All das bringt die Miniaturen des Abecedariums in bewegliche Konstellationen und blättert Affinitäten in Tiermetaphern auf.

Der Hass der Buddhisten
Verfolgte Muslime in Myanmar

Von Dominik Müller

Mittwoch, 15.07.2015, 22.03 Uhr, SWR2

Nach Jahren der Militärdiktatur ist das Land zum weltweiten Vorzeigeprojekt geworden: Wahlen und Marktöffnung sorgen angeblich für Demokratie und Menschenrechte. Aber wie passt dazu, dass muslimische Minderheiten, besonders die 1,3 Millionen Angehörigen der Rohingya sich massiv bedroht fühlen? Buddhistische Mönche warnen vor einer “schleichenden Islamisierung” ihres Landes und fordern dazu auf, Muslime gesellschaftlich zu isolieren. Fundamentalisten ziehen mordend durchs Land, verbrennen Dörfer und zerstören Moscheen. Die Regierung entzieht Muslimen das Wahlrecht und schränkt ihre Mobilität und Berufswahl ein. Die Oppositionspolitikerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi schweigt. Und der Westen belässt es bei humanitärer Hilfe und lauwarmen Ermahnungen. Welche Interessen verfolgt er und um welchen Preis? Für den Herbst sind Wahlen angekündigt. Das Feature ergründet, was in dem Land vorgeht.

Visionär Buckminster Fuller
Nachrichten vom Raumschiff Erde

Von Michael Langer

Freitag, 17.07.2015, 20.10 Uhr, DLF

Steuernummer, Name, Beruf … ? Souveräne Staaten, so R. B. Fuller, verlangten Auskunft auf lächerliche Fragen. Wo wohnen Sie? Wann wurden Sie geboren? Buckys Antwort: “Ich bin unsterblich. Ich schaue alle Jubellichtjahre mal vorbei, mal hier, mal dort. Gerade bin ich Passagier des Raumschiffs Erde, das mit 60.000 Meilen pro Stunde unterwegs ist irgendwo im Sonnensystem … Aber warum fragen Sie?”

Richard Buckminster Fuller (1895 – 1983) war Architekt und Ingenieur, Designer, Forscher und Erfinder. So gut wie vergessen ist sein Dymaxion Car, berühmt sind noch heute seine Geodätischen Kuppeln. Begriffe wie Synergie und Nachhaltigkeit, die inzwischen zu Phrasen verkommen sind, hat er entscheidend mitgeprägt. Fuller dachte global, vierdimensional, ganzheitlich und entwickelte kosmische Perspektiven. Eine Fundgrube sind nach wie vor seine späten Schriften, in denen er etwa zur allgemeinen Systemtheorie, zur regenerativen Landschaft oder auch zur integralen Funktion des Menschen Stellung nimmt. Der Titel des Buches, das 1969 erschien, lautet: “Bedienungsanleitung für das Raumschiff Erde”.

Feuer unterm Melting Pot
New Orleans – zehn Jahre nach Katrina

Von Jonathan Fischer

Samstag, 18.07.2015, 13:05 bis 14:00 Uhr, Bayern2

Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

August 2015. Als in Folge von Hurrikan Katrina die maroden Deiche nachgaben, schien der letzte Tag von New Orleans gekommen: Eine Hafenstadt, aus der einst der Jazz gekommen war, die die kreolische Küche hervorgebracht hatte, stolz war auf ihre üppigen Mardi Gras-Umzüge, ihre Voodoo-Tradition, ihre Brassbands und Umzüge, die die Menschen selbst zum Begräbnis tanzen ließ. Die multikulturelle Metropole, Symbol für den Melting Pot Amerikas, drohte mitsamt ihrer Kultur unterzugehen.
Während 80 Prozent der Stadt noch unter Wasser standen, tobte bereits der Kampf um ihre Zukunft: Politiker in Washington schlugen vor, die Stadt für immer aufzugeben, während lokale Geschäftsleute ein New Orleans ohne die armen Schwarzen herbeiredeten. Katrina machte alle Probleme der Stadt wie unter einem Vergrößerungsglas sichtbar: Rassismus, Rekord-Kriminalität, Korruption, miserable Schulen und eine Kluft zwischen Arm und Reich, die die Stadt und ihre Bewohner spaltet.
Zehn Jahre nach Katrina aber zeigt sich New Orleans lebendiger denn je. Beim Wiederaufbau hat sich New Orleans größtes Kapital bewährt: Seine Kultur. Nicht nur brüstet sich die Stadt mit mehr Restaurants, Musikclubs und Straßenfestivals als je zuvor, boomt der Tourismus wie zuletzt vor Katrina; auch alte Traditionen feiern ein Comeback. In der noch immer zu zwei Drittel schwarzen Stadt haben sich viele neue Brassbands formiert, die Mardi Gras Indians erleben eine nie gekannte Wertschätzung, ja selbst Voodoo findet neue Anhänger. Musiker und Künstler aus ganz Amerika zieht es in diesen neuen Melting Pot.
Hinter der touristischen Fassade aber tobt ein täglicher Überlebens-Kampf: Wie soll das neue New Orleans aussehen? Wer schafft Gerechtigkeit im Häuserkampf der Gentrifizierung? Wird New Orleans einmalige Kultur überleben? Und wie funktioniert der Schmelztiegel heute?
Jonathan Fischer (Musikjournalist und Feature-Autor aus München) hat die Stadt durchstreift, Brassbands und Predigern zugehört, mit Stadtplanern, Hotelmanagern, Musikern, Club-Besitzern und Bürgerrechtsaktivisten gesprochen.

Schule, chillen, Schlagzeug spielen
Kinder in Deutschland erzählen

Von Wiebke Köplin, Massimo Maio und Margot Overath

Samstag, 18.07.2015, 18.05 Uhr, DR Kultur

Sieben Mädchen und fünf Jungen zwischen sechs und dreizehn Jahren: Sie leben in Hoch- und Einfamilienhäusern, bei “den besten Eltern der Welt” oder auch mal beim Kindernotdienst. Sie essen Döner, Weißbrot mit Nutella, seltener Äpfel oder Salat.

Sie bekommen Taschengeld: fünf Euro in der Woche oder fünf Euro im Jahr und ihr Leben dreht sich um die Schule. Doch da gibt es auch noch Fußball, Musik, abhängen im Schülerladen oder auf der Straße. Kinder erzählen.

Der Fall M
Mutmaßungen über ein gefundenes Diktiergerät

Von Stella Luncke und Josef Maria Schäfers

Sonntag, 19.07.2015, 19.05 Uhr, SWR2

Ein Diktiergerät mit einer Mikrokassette. Ein kurioser Fund mit einer seltsamen Aufnahme: Ein Mann erzählt von einer rätselhaften Frau, die er nur “M” nennt. Angeblich arbeitet sie undercover für die Polizei. Aber was, wie und warum? Soldatin in Israel soll sie auch gewesen sein und Immobilienmaklerin und irgendwie mit der Mafia verbandelt … Kann man das glauben? Auf jeden Fall kann man Experten zur Tonbandkassette befragen: Kriminaltechniker, Tontechniker, Profiler, Phonetiker, Psychologen … Was hören und entdecken sie in einer anonymen Stimme, die eine unglaubliche Geschichte erzählt? Und was entdecken sie hinter der Geschichte? Das Feature über ein gefundenes Diktiergerät ist auch ein Feature über Analyse und Spekulation, über Neugier und Mutmaßung.

Alfred Andersch: Herr Wieland und die Grundrechte / Abendstudio – ein intellektuelles Ghetto?

Sonntag, 19. Juli 2015, 18:05 Uhr, hr2

Im diesjährigen ARD-Radiofestival möchte hr2-kultur mit einer Reihe von Features und Hörbildern an die Anfänge des Hessischen Rundfunks erinnern, der mit seinem Vorläufer “Radio Frankfurt” in diesem Jahr 70 Jahre lang besteht.

Die Reihe beginnt mit einer Sendung von Alfred Andersch, dem Schriftsteller, der in den Anfangsjahren das “Abendstudio” des hr leitete. In Form szenischer Dialoge erläutert er die Themen Grundrechte, Demokratie und Parlamentarismus in der damals neu entstandenen Bundesrepublik. Im Anschluss kommen Auszüge aus einem Essay von Alfred Andersch, der 1973 eine kritische Rückschau auf sein “Abendstudio” hielt.

 

Radiotipps für die Woche vom 6. bis 12. Juli 2015

Berlin-Schöneweide
Nazifrei durch Stadtentwicklung

Von Ursula Rütten

Dienstag, 07.07.2015, 19.15 Uhr, DLF

Schöneweide, einst eines der größten innerstädtischen Industriegebiete Europas, ist ein Berliner Stadtteil, mit dem sich seine Bewohner jahrzehntelang zu Recht voller Stolz identifizierten. Mit der Wende gingen rund 30.000 Arbeitsplätze verloren. Industriebrache und soziale Brache wurden der Humus für eine bis vor wenigen Jahren auffällige Neonazi-Szene.

Besonders raumgreifend im Vorfeld des S-Bahnhofs in Niederschöneweide. Lange musste sich die Bevölkerung gedulden, bis Sanierungskonzepte von Bezirk und Land den Weg für neue Lebensinhalte und Zukunftsperspektiven ebneten. Bis den braunen Platzhirschen Paroli geboten werden konnte. Als Kraftakt auf einer breiten zivilgesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Basis. Mit Milieuschutz für die ansässige Bevölkerung. Als “Leuchtturm” gilt die Ansiedlung der Hochschule für Technik und Wirtschaft. Von vielen Seiten kommen heute Impulse und Konzepte, der einstigen Bastion von Innovation und Erfindergeist erneut ein überregionales Alleinstellungsmerkmal zu verschaffen.

Innen und Dazwischen
Ich lasse Hellseherinnen in mich hineinblicken

Von Wibke Bergemann

Mittwoch, 08.07.2015, 00.05 Uhr, DR Kultur

Gibt es Menschen mit medialen Fähigkeiten, die in ihrem Gegenüber lesen können? Und wenn ja, was sehen sie dort? Die Autorin glaubt eigentlich nur, was sie sieht.

Aber Neugier und der Wunsch nach Orientierung führen sie zu einer medialen Heilerin, einer Schamanin und schließlich zu einer Wahrsagerin. Kosmos, Trommeln und Karten werden befragt. Sie bekommt eine Ahnung von der Macht des Rituals, begegnet ihrem Vorleben, und ihr wird angeboten, in den Gedanken des eigenen Ehemanns zu lesen. Die Sitzungen bringen ein paar Überraschungen zutage, die sie schließlich trotz aller Skepsis nicht mehr kalt lassen.

Preisträger-Hördokumentation des 2. dokKa Festivals

Mittwoch, 08.07.2015, 22.03, SWR2

Verschiedenen Formen des Dokumentarischen ist das deutschlandweit einzige Dokumentarfestival in Karlsruhe gewidmet. Neben Filmen, dokumentarischen Installationen und performances werden auch Hördokumentationen präsentiert und mit den Autoren, Filmemachern und Künstlern öffentlich diskutiert. Eine unabhängige Jury wählt aus jeder Sparte die beste Produktion aus. Den DokKa-Preis für die beste Hördokumentation des Festivals erhielt Margot Overath für ihr Feature: “Oury Jalloh. Die widersprüchlichen Wahrheiten eines Todesfalls”. Das Gespräch zu der Produktion finden Sie auf www.dokublog.de zum nachhören.

Flow
Mein Leben im Fluss

Von Susanne Franzmeyer

Samstag, 11.07.2015, 18.05 Uhr, DR Kultur

Jeder kennt diesen Zustand: Man geht voll und ganz in einer Tätigkeit auf, vergisst darüber die Zeit, egal, ob bei der Arbeit oder bei einer Freizeitbeschäftigung. Sind wir im Flow, empfinden wir Zufriedenheit und Glück – und sind dabei zu enormen Leistungen fähig.

Aber was, wenn bei uns Stillstand herrscht, wenn wir uns im Kreis drehen und blockiert sind? Wir können uns noch so sehr anstrengen – mit Erwartungsdruck und Ungeduld sind alle Versuche zum Scheitern verurteilt, wieder in den Flow zu kommen. Was im Leben treibt uns eigentlich an und wo bleibt dabei das Glück?

Was kann passieren, wenn uns ein Ziel wichtiger wird, als der Weg dorthin? Weshalb quälen wir uns oft so? Und warum ist vielleicht alles viel einfacher, als wir denken?

Guten Tag auf Polnisch

Von Lisbeth Jessen

Sonntag, 12.07.2015, 14.05 Uhr SWR2

Park Avenue in Manhattan. Wer hier lebt, hat es geschafft. Ann Elizabeth wohnt in einem ehemaligen Aparthotel im 24. Stock. Ihre Großmutter war 1936 mit zwei Söhnen aus Deutschland emigriert, und die Söhne hatten sich in den USA neu erfunden. Seit dem Zweiten Weltkrieg aber sprach niemand in der Familie mehr von dem Gut in Oberschlesien, woher sie eigentlich stammten. Nach dem Tod der Großmutter wird ein Koffer mit alten Familienfotos geöffnet, der die Familiengeheimnisse zum Vorschein bringt. Ann wird sich ihrer jüdischen Ursprünge bewusst und reist nach Dobrodzien, das früher Guttentag hieß. Das frühere Familiengut steht jetzt zum Verkauf.

„Jetzt bin ich der Tod geworden, der Zerstörer der Welten“ – 70 Jahre Atombombe

Von Andreas Horchler

Sonntag, 12.07.2015, 18.05 Uhr, hr

Am 16. Juli 1945, morgens früh um 05:30 Uhr, zündeten Wissenschaftler des Atomlabors in Los Alamos die erste Plutonium-Bombe. Das Testareal in der Wüste von New Mexico südlich von Albuquerque nannten die Männer rund um Robert Oppenheimer „Trinity“. Schon drei Wochen später befahl Präsident Truman den Einsatz der Atombomben in Hiroshima und Nagasaki. Der Zweite Weltkrieg endete, doch im kalten Krieg bauten vor allem die USA und die Sowjetunion tausende weitere Atomwaffen. 70 Jahre nach dem „Trinity“-Test gehen Wissenschaftler des Think Tanks Brookings Institution von mehr als 4500 US-Atomwaffen aus. Hinzu kommen ausgemusterte, aber noch nicht abgebaute Sprengkörper. Trotz Abrüstung, trotz des Horrors der Bomben von Hiroshima und Nagasaki setzt das US-Militär auf sein atomares Potential. In Los Alamos, dem Ort des geheimen „Manhattan Projects“ zur Entwicklung der Atombombe von 1942-1945 wird auch heute noch militärische Forschung betrieben, auch Atomforschung. Für die Mehrheit der Amerikaner stellen Atomwaffen heute eher eine Garantie für Amerikas Supermachtstellung als eine Bedrohung der Menschheit dar. ARD-USA-Korrespondent Andreas Horchler reist nach New Mexico, Texas und Washington und geht der Fährte der Bombe nach, die die Welt veränderte. Er fragt Historiker, Politiker, Wissenschaftler und Bürger nach dem Erbe der Atombombe, der nuklearen Abschreckung, dem Widerstand gegen Nuklearwaffen und der moralischen Stellung Amerikas in der Abrüstungsdebatte. Wie sprechen aus Japan stammende Amerikaner über die Atombombe, wie die Afroamerikaner?

 

Radiotipps für die Woche vom 29. Juni bis 5. Juli 2015

Die Welt verbessern?

Von Ulli Schauen

Dienstag, 30.06.2015, 19.15 Uhr, DLF

487 Entwicklungsprojekte wurden auf der hannoverschen Weltausstellung 2000 als empfehlenswerte Expoprojekte präsentiert. Doch waren sie nachhaltig und haben langfristig etwas bewirken können?

15 Jahre nach der Weltausstellung macht sich der Autor auf, alle zwölf in Kenia liegenden Expoprojekte zu besuchen, von der privat organisierten Straßenkinderhilfe in Nairobi bis zur international koordinierten Rettung des Ökosystems Viktoriasee, vom KWas ist noch sichtbar, was hat positive Folgen gehabt und vielleicht Nachfolgeaktionen erzeugt? Welche Fehler lassen sich beobachten? Welchen Einfluss haben ökonomische Realität und grassierende Korruption genommen? Und haben die Geberländer ihre politischen Vorstellungen durchzusetzen versucht?ampf für die Landrechte der Massai bis zur Hilfe für Kleinbauern in Westkenia.

Die Welt des Erotikfilmers Russ Meyer
The smell of female

Von Tom Noga

Mittwoch, 01.07.2015, 00.05 Uhr, DR Kultur

Es geht um Undergroundkultur. Um Weltkriegsveteranen und ihre Netzwerke. Um die Sex Pistols. Um den Geist der 50er-Jahre. Es geht um Gesellschaft, Neurosen und Prüderie. Um Travestie und Groteske. Um Sex und Gewalt.

Um die feinen Unterschiede zwischen “campy”, “cheesy” und “quirky”. Um Geschlechterkampf, Filmkunst und Improvisation. Oder geht es vielleicht doch nur um riesige Brüste?

Jenseits der Trivialisierung des Tötens
Über Krieg, Geschichte und Trauma

Von Heike Brunkhorst und Roman Herzog

Mittwoch, 01.07.2015, 22.03 Uhr, SWR2

Die Entgrenzung extremer Gewalt in unseren Gesellschaften trifft zugleich auf deren Trivialisierung. Woher kommt diese Eskalation des Folterns und Tötens in der Realität wie in den Medien? Und was macht sie mit Menschen, die ihr ausgesetzt sind? Janine di Giovanni berichtet seit über 20 Jahren von immer brutaleren Kriegen. Erst im gewöhnlichen Alltagsleben ist sie zusammengebrochen. Ein israelischer Scharfschütze hat an gezielten Tötungen mitgewirkt. Er hat sein Schweigen gebrochen, doch er leidet bis heute unter den psychischen Folgen. Und die Psychoanalytiker Françoise Davoine und Jean-Max Gaudillière verfolgen seit 40 Jahren die Weitergabe von Traumata über Generationen hinweg. Gewalt ist das Fundament unserer Kultur, so ihr Fazit. Aber statt Angst und Schrecken zu verbreiten und gleichzeitig Gewalt immer weiter zu banalisieren, sollte es heute darum gehen, eine neue Art von Gemeinschaft zu schaffen, die sowohl die Kultur des Mordens als auch die Trivialisierung des Tötens hinter sich lässt.

Eine Reise zum Dichter Philippe Jaccottet
Die Sonne auf der weißen Mauer vormittags um elf

Von Burkhard Reinartz

Freitag, 03.07.2015, 20.10 Uhr, DLF

Der Westschweizer Dichter Philippe Jaccottet gehört zu den wichtigsten französischsprachigen Lyrikern und Übersetzern der Gegenwart. Der heute 90-Jährige begann unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg unter dem Eindruck der Katastrophe zu dichten. Leicht und beinahe beiläufig schreibt Jaccottet seit mehr als 50 Jahren über fast das Gleiche.
Blumen, Flüsse, Berge, das brennende Rot der Kirschblüte im Abendlicht. Eindrücke von Wanderungen in seiner südfranzösischen Wahlheimat, die er mit Betrachtungen über die Möglichkeiten der Poesie und des Lebens verbindet. Burkhard Reinartz ist den Wegen Jaccottets im Departement Drome nachgegangen und hat ihn in seinem Heimatort Grignan besucht. Der Dichter spricht über die Prägungen der Kindheit, seine Arbeit als Schriftsteller und die Begrenzungen des Alters. Die Äußerungen Jaccottets verbinden sich mit dem Klang der südfranzösischen Natur, Gedanken des Autors und Zitaten aus dem Werk des Dichters. “Die Welt ohne Unterlass beobachten, scharfen Auges und doch wie absichtslos; niemals aber mich zu flüchten aus dieser Welt

Wie ich Putin den Rücken kehrte
Junge Russen und ihre Suche nach einer neuen Zukunft

Von Anastasia Gorokhova

Samstag, 04.07.2015, 13.05 Uhr, BR2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Ist das Kunst oder kann das weg?
Von Kartoffelchips, Teppichmessern und einem Hund mit rosa Pfote

Von Martina Keller

Samstag, 04.07.2015, 18.05 Uhr, DR Kultur

Was tun, wenn die Röhren für eine Video-Installation von Nam June Paik nicht mehr aufzutreiben sind? Oder ein Kunstwerk mit Kartoffelchips zu gammeln beginnt? Neue Chips kaufen oder ab damit auf den Müll?

Der Umgang mit moderner Kunst wirft komplizierte Fragen auf. Sind Werke für die Ewigkeit geschaffen? Falls nicht: Wann stirbt ein Kunstwerk?

Die Autorin macht sich auf nach Manhattan zu einem Lagerhaus mit geheimer Adresse, nach Amsterdam zu einem durch eine Teppichmesserattacke verletzten Gemälde und zum Ufer des Rheins – denn auch Vierbeiner, deren Leben der Kunst gewidmet sind, müssen mal raus.

Viva Fluxus
Mein Leben mit Vostell

Von Rilo Chmielorz

Sonntag, 05.07.2015, 14.05 Uhr, SWR2

40 Jahre lang war Mercedes Guardado de Vostell die Frau an der Seite des Künstlers und Fluxus-Mitbegründers Wolf Vostell. Fluxus wollte die Grenze zwischen Kunst und Leben aufheben. Man wohnte im Atelier, und auch im Privaten wurden die Grenzen fließend. Als sich Mercedes und Wolf 1958 in Guadalupe kennenlernten, war Wolf ein unbekannter Maler und Mercedes eine junge Lehrerin. Hals über Kopf folgte sie ihm nach Köln. Sie war für Wolf Vostell Muse, Mutter, Modell, engste Mitarbeiterin, Museumsgründerin, Familienunternehmerin. Obwohl inzwischen schon 81 Jahre alt, ist sie immer noch die künstlerische Direktorin des Museo Vostell Malpartida und hält das bewegte Erbe lebendig.

Die Welt verbessern
Über langfristige Folgen von Entwicklungsprojekten

Von Ulli Schauen

Sonntag, 05.07.2015, 18.05 Uhr, hr

487 Entwicklungsprojekte wurden auf der hannoverschen Weltausstellung 2000 als empfehlenswerte „Expo-Projekte“ präsentiert. Doch waren sie nachhaltig und haben langfristig etwas bewirken können? 15 Jahre nach der Weltausstellung macht sich der Autor auf, alle zwölf in Kenia liegenden „Expo-Projekte“ zu besuchen, von der privat organisierten Straßenkinderhilfe in Nairobi bis zur international koordinierten Rettung des Ökosystems Viktoriasee, vom Kampf für die Landrechte der Massai bis zur Hilfe für Kleinbauern in Westkenia. Was ist noch sichtbar, was hat positive Folgen gehabt und vielleicht Nachfolgeaktionen erzeugt? Welche Fehler lassen sich beobachten? Welchen Einfluss haben ökonomische Realität und grassierende Korruption genommen? Und haben die Geberländer ihre politischen Vorstellungen durchzusetzen versucht?

 

 

Radiotipps für die Woche vom 22. bis 28. Juni 2015

Utopia Ser Verde
In den Stadtgärten von Roberto Burle Marx in Sao Paulo

Von Carsten Probst

Montag, 22.06.2015, 00:05 Uhr, DR Kultur

Am Tag vor seiner Pensionierung unternimmt der alte Gärtner Falon einen letzten Rundgang durch “seinen” Park, den Ibirapuera-Park in Sao Paulo. Er berichtet von der Verwandlung, die der Park durch die harte Realität der Megacity erfahren hat.

“Ibira” zählt zu den Schöpfungen des Landschaftsarchitekten Roberto Burle Marx Anfang der 1950er Jahre und ist ähnlich berühmt wie sein Flamengo-Park in Rio de Janeiro.

Auf der Suche nach der letzten Natur-Utopie des 20. Jahrhunderts, gebildet aus der bedrohten Pflanzenvielfalt des Amazonaswaldes, folgt das Feature Klängen und Stimmen und stillen wie dröhnenden Atmosphären dieser einstmals grünen Inseln im Häusermeer.

25 Bilder die Sekunde und ein Leben
Der Animationsfilmer Heinrich Sabl

Von Barbara Leitner

Mittwoch, 24.06.2015, 00:05 Uhr, DR Kultur

Die Digitalisierung der Medien sei für sein Leben entscheidender als der Mauerfall, sagt der ostdeutsche Animationsfilmer Heinrich Sabl. Vor 15 Jahren begann er mit kleinem Budget an einem Langfilm zu arbeiten: “Memory Hotel” – eine deutsche Nachkriegsgeschichte.

Die Puppen und Kulissen, jeder Augenschlag und jede Geste wird von Hand gestellt und analog fotografiert, 25 Bilder pro Sekunde.

2007 ist der Film nahezu fertig. Lediglich einzelne Sequenzen will Heinrich Sabl noch flüssiger gestalten. In der digitalen Produktionslogik wäre das in wenigen Schritten vollbracht, aber Sabl misstraut den “Pixel-Fabriken”. Die Verleiher werden nervös, der Film ist seit Jahren angekündigt, alle Mittel sind ausgeschöpft und auch Heinrich bewegt sich am Rande seiner Kräfte.

Wer teilt, verliert
Über Chancen und Risiken der “Sharing Economy”

Von Caroline Michel

Mittwoch, 24.06.2015, SWR2

Sind die preiswerten Putzhilfen, Taxifahrer und Übernachtungsmöglichkeiten, die dank der Vernetzung über Internet und Smartphone schon heute für jeden verfügbar sind, der erste Schritt zu einer neuen, nachhaltigen Gesellschaftsordnung, in der alle alles teilen und es trotzdem – oder eben gerade deswegen – allen besser geht? Oder wird hier im Gegenteil der Grundstein für ein System der schrittweisen Enteignung, Überwachung und Ausbeutung gelegt? Das wissen selbst die Protagonisten der “Sharing Economy” nicht so genau. Ein Feature über idealistische Uber-Taxifahrer, schicksalsergebene Helpling-Putzkräfte, umtriebige Plattform-Betreiber und ratlose Wirtschaftswissenschaftler.

Für solche Patrioten sind wir die Pest
Junge Kiewer Kreative und der Kampf um die Ukraine

Von Julia Solovieva

Sontag, 28.06.2015, 14.05 Uhr, SWR2

Die Eventmanagerin Marina hat mitten in Kiew ein Hilfswerk für die Flüchtlinge aus dem Osten der Ukraine aufgebaut. Die Drehbuchautorin Miriam sammelt Medikamente, Lebensmittel und warme Kleidung für die Armee. Der Manager, Blogger und freiwillige Soldat Ewgen kandidiert für das ukrainische Parlament. Junge Leute und Majdan-Aktivisten – zwischen Krieg und Frieden zerrissen – setzen sich für ihre Zukunft in einer neuen Ukraine ein. Sie fühlen sich ihrem Land stark verbunden, grenzen sich aber von den “Bilderbuchpatrioten mit dickem Bauch, Schmalz in der Stimme und der ukrainischen Hymne auf dem Mobiltelefon” ab. “Für solche Patrioten”, sagt die Designerin Marianne, “sind wir wie die Pest”.

 

Radiotipps für die Woche vom 15. bis 21. Juni 2015

Geschichten von Zauderern
Mach es morgen

Von Susanne Franzmeyer

Mittwoch, 17.06.2015, 00:05 Uhr, DR Kultur

“Wir kennen alle die Situation: Wir wollen früh um 9.00 Uhr am Schreibtisch sitzen und mit der Arbeit beginnen und befinden uns um 9.05 Uhr in der Küche und nachdem wir dort einen Joghurt gegessen haben, fangen wir an, den Abwasch zu machen”, weiß Psychologe Hans-Werner Rückert.

Er kennt die Ursachen für dieses Verhalten und berät Aufschieber, u.a. Studenten der FU Berlin. Vom Kick durch Last-Minute-Abgaben bis hin zum Verfehlen wichtiger Lebensziele – Aufschieber aller Altersstufen und Berufsgruppen können davon ein Lied singen.

Das tut auch Sängerin Susius, deren Song “Mach es morgen” als roter Faden durch das Feature leitet. Nach zehn Jahren Trödelei will sie endlich ihr Album herausbringen. Aber der wichtigste Song dafür wird und wird nicht fertig …

Silicon Blues
Im Hinterhof eines Mythos

Von Tom Schimmeck

Mittwoch, 19.06.015, 22.03 Uhr, SWR2

Das Silicon Valley ist die Pilgerstätte der Hightech-Jünger, ein Magnet für Talente aus aller Welt. Eingeklemmt zwischen Pazifik und San Francisco Bay, liegt die Heimat von Apple, Intel, Google, von Hewlett-Packard, Oracle, Facebook und etlichen weiteren Technologiefirmen – und von knapp drei Millionen Menschen. Während die Hard- und Softwarefirmen Spitzengehälter zahlen, fallen die Einkommen der weniger noblen Jobs. Wer als Lehrer, Verkäufer, Busfahrer oder Maurer arbeitet, kann sich ein Leben im superteuren Silicon Valley kaum mehr leisten, die Zahl der “working poor” wächst. Auch die Zahl der Obdachlosen nimmt zu. Der soziale Abstieg kommt mitunter rasant: Eine Trennung, eine Firmenpleite oder ein Unfall können auch einen Aktienmillionär über Nacht zum Sozialfall machen. In den Hinterhöfen des Valley finden sich immer mehr Asyle und Ausgabestellen für Essen und Kleidung. Die Schlangen sind lang für die, die im Schatten des amerikanischen Traums leben.

“Das Taxi macht keinen Stich mehr …”
Abgesang auf einen ehemals ehrenwerten Beruf

Von Ralf Homann

Samstag, 20.06.2015, 13:05 bis 14:00 Uhr , Bayern

Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Gut 50.000 Taxis bieten sich jeden Tag in Deutschland den Fahrgästen an, in der Großstadt wie in dürftig besiedelten Landstrichen. Bei fast zwei Dritteln steuert der Chef selbst und träumt vom guten Auftrag, dem möglichst fetten “Stich”. In den Städten jedoch stellen sich dem mittlerweile harten Konkurrenzkampf zunehmend nur noch große Betriebe. Der Taxifahrer ist eine öffentliche Figur, dessen Verhalten auch öffentlich diskutiert und bewertet wird. Dabei ist der einst ehrenwerte Beruf zunehmend ins Gerede gekommen. Vom schnellen Weg in die Selbstständigkeit, von der Freiheit auf der Straße und der Arbeitszeiten oder vom Klischee des Philosophiestudenten am Steuer scheint nicht viel geblieben zu sein. Die Einführung des Mindestlohnes offenbarte: Entlohnung und Arbeitsbedingungen der knapp 200.000 angestellten Fahrer spotten jeder Beschreibung; die Einwagen-Betriebe überleben nur durch Selbstausbeutung am Rande des Existenzminimums. Und seit neuem setzen der Branche schicke Apps und internationale Konzerne zu. Die Rede ist abwechselnd von der Fahrermafia, dem Genossenschaftsklüngel oder einem Taxi-Monopol. Gänzlich verschwunden ist das Bewusstsein, dass Taxis zum öffentlichen Personennahverkehr gehören wie Busse und Bahnen.

Das Feature montiert das Mikrofon ans Steuerrad und sammelt Taxi-Storys vom gesetzlich-regulierten Niedergang der Helden am Standplatz.

Bosnien-Blues
Nigel Osborne und die Kinder des Krieges

Von Karla Krause

Samstag, 20.06.2015, 18:05 Uhr, DR Kultur

Zu Beginn der 90er-Jahre wird das belagerte Sarajevo aus den Bergen ringsum Tag und Nacht beschossen. Die Bürger der Stadt leben in Panik. Nahrung und Wasser werden knapp.

Mit einer Gruppe couragierter Musiker sammelt der britische Komponist Nigel Osborne die verstörten Kinder ein, er trommelt, singt und tanzt mit ihnen in Kellern und Luftschutzräumen gegen Hunger und Angst. Er trainiert junge Leute, um mit ihnen die Arbeit auch nach dem Krieg fortzusetzen: in Pula, Mostar, Sarajevo und im gepeinigten Srebrenica. In einer immer noch gespaltenen Gesellschaft gelingen beim gemeinsamen Musizieren erste Schritte vom Nebeneinander zum Miteinander.

Der Kapitän segelt nach Amazon

Von Serotonin

Sonntag, 21.06.2015, 14.05 Uhr, SWR2

Das ist doch heutzutage ganz einfach, wenn man ein Buch veröffentlichen möchte. Wenn es kein Verlag will, tut man’s eben selber. Self-Publishing lautet die Verheißung: Skript hochladen und warten, dass es runtergeladen wird. Der Internet-Buchriese Amazon bietet dafür ein eigenes Portal – und verspricht schönste Renditen. Denn kein Lektor, kein Agent und kein Verlag kassieren mit. Und die potentielle Leserschaft-Community ist eine globale. Welcher Buchhändler kann das bieten? In den Bestsellerlisten für e-books rangiert Selbstpubliziertes auf den Spitzenplätzen. (Naja, die Bücher kosten ja auch nur 99 Cent bis höchstens 3,99 Euro.) Ist das eine Option für Schriftsteller? Das Autorenduo Serotonin probiert es aus. Am eigenen Werk. Sie versuchen, einen – ihren! – ambitionierten historischen Abenteuerroman in die Lesewelt zu setzen. Protagonist ist ein Kapitän. Welche Irrfahrt wird er machen?

“Du kannst dir nicht selber gute Nacht sagen“ –
Über Einsamkeit und Alleinsein

Von Astrid Nettling

Sonntag, 21.06.2015, 18.05 Uhr, hr2

Niemand ist gegen Einsamkeit gefeit. Doch nicht jeder, der allein ist, fühlt sich einsam. Alleinsein kann wohltuend sein: den eigenen Gedanken nachhängen, Zeit für sich selbst haben. Einsamkeit hingegen tut auf Dauer nicht gut. Oft tritt sie auf, wenn sich an den vertrauten Lebensumständen Entscheidendes ändert oder beim Verlust naher Bezugspersonen. Vor allem im Alter kann Einsamkeit zu einer niederdrückenden Grundstimmung werden. Stets lauert in der Einsamkeit die Gefahr, sich immer weiter aus der Welt und von anderen Menschen zurückzuziehen. Was kann man tun, um mit dem Alleinsein klarzukommen? Was, um möglicher Einsamkeit nicht zuletzt im Alter begegnen zu können? In verschiedenen Gesprächen geht die Autorin dem Thema Einsamkeit und Alleinsein nach.

Radiotipps für die Woche vom 1. bis 7. Juni 2015

Viva con Agua – Eine Initiative aus St. Pauli

Von Michael Enger

Dienstag, 02.06.2015, 19:15 Uhr, DLF

Sie gilt als die etwas andere Hilfsorganisation aus dem etwas anderen Milieu – die Initiative Viva con Agua, die sich für sauberes Trinkwasser und sanitäre Grundversorgung in Entwicklungsländern engagiert. Der international tätige Verein entstand im Hamburger Stadtteil St. Pauli und ist eng verbunden mit dem dortigen Fußballclub.

Im Jahr 2005 startete Benny Adrion, damals Mittelfeldspieler beim FC St. Pauli, nach einem Trainingslager auf Kuba ein erstes Wasserprojekt. Daraus ist ein internationales Netzwerk mit mittlerweile über 6.000 ehrenamtlichen Unterstützern geworden. Zahlreiche Projekte konnte man bereits finanzieren und damit mehr als 500.000 Menschen in Afrika, Lateinamerika und Asien helfen. Viva con Agua wird vor allem von jungen Leuten, Künstlern und Sportlern unterstützt. Man finanziert sich durch Spenden und kulturübergreifende Veranstaltungen.

Lage, Lage, Lage
Auf Monopoly-Straßen von 1936 durch Berlin

Von Egon Koch

Mittwoch, 03.06.2015, 00:05 Uhr, DR Kultur

Als das Monopoly-Spiel 1936 in Deutschland eingeführt wurde, gab es nur Berliner Straßennamen auf dem Spielfeld: das teuerste Grundstück war die Insel Schwanenwerder am Wannsee. Dort wohnte Propagandaminister Joseph Goebbels.

Er wollte nicht als Besitzer einer teuren Immobilie gelten und verbot das Spiel gleich wieder.

1953 kam ein neues Monopoly auf den Markt – mit Allerweltsstraßennamen. Autor Egon Koch geht noch einmal durch die alten Monopoly-Straßen und Bahnhöfe, selbst ins Gefängnis. Er entdeckt, wo das Spiel noch heute Wirklichkeit wird. Und wo in der heutigen Wirklichkeit das Spiel aufhört: bei Wohnungs- und Mietpreisen, bei Spekulation und Bankrott.

Wüstenblumen
oder Die Beschneidung von Mädchen

Von Heike Tauch

Mittwoch, 03.06.2015, 22:03 Uhr, SWR2

Nach Schätzungen der WHO leben heute auf der Welt rund 150 Millionen Frauen mit Genitalverstümmelung – in Deutschland sind es ca. 50.000. Bis zu drei Millionen Mädchen droht jedes Jahr dasselbe Schicksal. Diese vor allem in Afrika angewendete Praxis, ist durch die Migration vieler Tausender Frauen nach Europa längst auch bei uns ein Thema – oder sollte es zumindest geworden sein. Durch das ehemalige Topmodel aus Somalia, Waris Dirie, UN-Sonderbotschafterin gegen die Beschneidung weiblicher Genitalien und ihr Buch “Wüstenblume” ist die brutale Praxis erstmalig in das breitere westliche Bewusstsein gerückt. Dirie gründete eine eigene Stiftung und eröffnete zusammen mit dem Berliner Klinikum “Waldfriede” 2013 ein weltweit bislang einzigartiges Behandlungszentrum für Betroffene. Was ist erforderlich, damit diese archaische Tradition hierzulande endet und nicht in den Nischen sich ausbreitender Parallelgesellschaften fortgeführt wird?

Dark tourism
Vergnügungsreisen ins Grauen

Von Tom Schimmeck

Freitag, 05.06.2015, 20:10 Uhr, DLF

In Scharen strömen moderne Reisende in ehemalige Kerker und Konzentrationslager, urlauben am liebsten dort, wo einst Kriege tobten, wo Natur- und Atomkatastrophen Land und Leben zerstörten. Mit prickelndem Ekel inhalieren sie den Gestank indischer Slums, inspizieren mit kundigem Blick Folterzentren wie die berüchtigte Tuol-Sleng-Schule in Phnom Penh, selbst Tatorte von Serienmördern erfreuen sich wachsender Beliebtheit.

Der Schrecken ist nicht nur immer und überall, er ist zum Event geworden. Ground Zero steht nicht allein. Die Gänsehaut, hübsch konserviert, avanciert zur festen Attraktion im Reisebusiness. Schon untersuchen Forscher die große Lust am kalten Grauen, den Reiz des sogenannten dunklen Tourismus, seine Botschaften, seine Ingredienzien, seine Moral. Sucht der Reisende nur nach dem allerletzten Thrill? Oder führt der Blick auf das Elend von Mitmenschen, wie ein Wissenschaftler meint, am Ende zu einer neuen Sensibilität, einem “Aufschäumen” des Moralempfindens?

Utopia Ser Verde
In den Stadtgärten von Roberto Burle Marx

Von Carsten Probst

Samstag, 06.06.2015, 18:05 Uhr, DR Kultur

Am Tag vor seiner Pensionierung unternimmt der alte Gärtner Falon einen letzten Rundgang durch “seinen” Park, den Ibirapuera-Park in Sao Paulo. Er berichtet von der Verwandlung, die der Park durch die harte Realität der Megacity erfahren hat.

“Ibira” zählt zu den Schöpfungen des Landschaftsarchitekten Roberto Burle Marx Anfang der 1950er Jahre und ist ähnlich berühmt wie sein Flamengo-Park in Rio de Janeiro.

Auf der Suche nach der letzten Natur-Utopie des 20. Jahrhunderts, gebildet aus der bedrohten Pflanzenvielfalt des Amazonaswaldes, folgt das Feature Klängen und Stimmen und stillen wie dröhnenden Atmosphären dieser einstmals grünen Inseln im Häusermeer.

Syria FM
Begegnungen mit Radiomachern zwischen Berlin und Aleppo

Von Julia Tieke

Samstag, 06.06.2015, 13:05 Uhr, BR2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Sie heißen ‘Syrische Brisen’, ‘Radio Seele’, ‘Unser Land FM’ oder ‘Radio für alle’ – über 20 syrische Radiosender sind in den letzten vier Jahren entstanden mit Mitarbeitern in Syrien und Studios im Ausland. Angetrieben vom Wunsch nach friedlicher Veränderung, wollen die zumeist jungen Radiomacherinnen und -macher dem Klang des Krieges etwas entgegensetzen, die Stimme erheben, informieren, endlich frei sprechen.
Über das Internet, per Satellit und mit nach Syrien geschmuggelten Antennen überwinden sie im Radioraum Grenzen, verbinden Exil und Heimat.

Rot-Gold
Das schönste und kommunistischste Dorf Deutschlands

Von Peter Kessen

Sonntag, 07.06.2015, 14:05 Uhr, SWR2

Ueberau ist ein Örtchen am Rande des Odenwaldes mit 2.300 Einwohnern und zwei Besonderheiten. Zum einen wurde es 2013 als “Golddorf” im Bundeswettbewerb “Unser Dorf hat Zukunft” vom Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft ausgezeichnet. Zum anderen ist es eine der letzten Hochburgen der Deutschen Kommunistischen Partei. 33,5 Prozent der Stimmen holte die DKP bei der letzten Kommunalwahl. Ein Bundesgolddorf, wo rote Fahnen wehen? Wie kann das sein? Und wo führt das hin? Etwa in eine Zukunft, in der sozialistische Utopien als ökologische Verschönerung recyclet werden? Jedenfalls scheint der Kommunismus weder die Anlage großflächiger Streuobstwiesen, noch das Engagement in anderen Gruppierungen zu verhindern: 20 Vereine hat das 2.300-Einwohner-Örtchen – mit insgesamt mehr als 3.000 Mitgliedern.

Kampf gegen Windmühlen

Von Dorothee Meyer-Kahrweg

Sonntag, 07.06.2015, 18:05 Uhr, hr2

Die Hessische Landesregierung hat ein hohes Ziel: Bis zum Ende der Legislaturperiode will sie den Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch verdoppeln und bis 2050 soll der Stromverbrauch möglichst zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. Windkraft soll daran einen maßgeblichen Anteil haben. Das freut viele Kommunen in den Mittelgebirgen, die auf neue Einnahmequellen durch die Windräder hoffen. Doch Windkraftgegner laufen Sturm gegen die Rotoren und entdecken ihre Liebe zu Rotmilan und Schwarzstorch, die durch die Windkraftanlagen leiden könnten. Die Autorin lauscht den sich emsig drehenden Windrädern, spricht mit Freunden der Windkraft und deren Gegnern und fragt, ob Hessen die Energiewende schafft.

 

Radiotipps für die Woche vom 18. bis 24. Mai 2015

Über die Organisation einer Willkommenskultur

Von Ralph Gerstenberg

Dienstag, 19.05.2015, 19:15 Uhr, DLF

Im November 2013 wurde im Berliner Bezirk Pankow ein neues Flüchtlingsheim in Betrieb genommen. Befürchtete Proteste blieben weitestgehend aus, da das Bezirksamt unter dem Motto “Wir in Pankow – tolerant und weltoffen” eine Informationsoffensive aufgelegt hatte, mit der Anwohner von Anfang an für das Projekt gewonnen werden konnten.

Bei Ankunft der Asylbewerber waren die Lagerräume des Heimes mit Sachspenden prall gefüllt. Ein Unterstützerkreis hatte sich gebildet, der sich unter dem Slogan “Refugees welcome” mit den Flüchtlingen solidarisierte, Deutschkurse organisierte, Kinder betreute, bei Amtsgängen behilflich war. Gelegentliche Versuche, Stimmung gegen das Heim zu machen, verebbten bald.

Die Bürgerinitiative hingegen hält bis heute an. Am Beispiel des Pankower Asylbewerberheimes geht das Feature der Frage nach, wie in einem Stadtteil eine Willkommenskultur für Flüchtlinge geschaffen werden kann und wie daraus ein nachhaltiges Engagement in der Flüchtlingsbetreuung entsteht.

Ai Weiwei. Verdächtiger #1.7
Chinas Künstler und Dissident

Von Peter Moritz Pickshaus

Mittwoch, 20.05.2015, 00:05 Uhr, DR Kultur

Im Westen ist der chinesische Konzeptkünstler Ai Weiwei ein Megastar, in China wird er rund um die Uhr überwacht. Die chinesische Regierung wirft dem Künstler, Blogger, Architekten und Filmemacher Steuerhinterziehung und Pornografie vor. Bei seiner Verhaftung 2011 wird Ai Weiwei ein Sack mit der Aufschrift “Verdächtiger #1.7” über den Kopf gestülpt.

Der Westen bewundert seinen Kampf für Gedankenfreiheit und Demokratie. Für seine offene Kritik am Regime droht ihm erneut die Verhaftung.

Im Rahmen der Biennale in Venedig 2013 und in seiner bisher größten Werkschau im Martin-Gropius-Bau 2014 in Berlin zeigte Ai Weiwei eine Nachbildung der Gefängniszelle, in der er seine 81-tägige Haft absaß.

Der Autor hat Ai Weiwei in seiner überwachten Wohnung in Peking besucht.

Abzocke im Schatten der Freizügigkeit
Über mafiöse Geschäfte mit Leiharbeitern in der EU

Von Dominik Bretsch

Mittwoch, 20.5.2015, 22.03 Uhr, SWR2

Briefkastenfirmen in Slowenien haben sich darauf spezialisiert, Arbeiter aus Ländern wie Serbien, Bosnien oder Mazedonien nach Deutschland und in andere europäische Länder zu entsenden. Monatelang schuften sie dort auf Baustellen, ohne Geld zu bekommen. Schließlich müssen sie pleite in ihre Heimatländer zurückkehren. Die Hintermänner der Briefkastenfirmen dagegen kassieren von den deutschen Auftraggebern ab, melden Konkurs an und verschwinden von der Bildfläche. Kurz darauf gründen sie eine neue Firma und das Spiel beginnt von vorne. Möglich machen es Schlupflöcher in den EU Regelungen zur Freizügigkeit und die wirtschaftsliberale Haltung der slowenischen Regierung. Ein mafiöses System mit hohen Gewinnmargen und geringem Risiko. Tausende solcher betrügerischen Firmen existieren in Slowenien bereits. Die deutschen Auftraggeber interessiert das nicht, sie profitieren von den Dumpingangeboten. Ebenso der slowenische Staat, denn die vielen Schattenfirmen lassen die Wirtschaftsleistung des Landes gut aussehen.

Best of Mao, Hitler, Stalin
Diktatoren als empfindsame Künstler

Von Markus Metz und Georg Seeßlen

Freitag, 22.05.2015, 20:10 Uhr, DLF

Saddam Hussein schrieb Liebesromane, Muammar al-Gadafi verfasste Gedichte. Ob Hitler, Mao, Mussolini, Stalin oder Karadžić- diese Männer zählen nicht nur zu den größten Verbrechern der Menschheitsgeschichte, sie alle verstanden sich zugleich auch als Autoren.

Das Feature will indes nicht nur staunen über diese eigentümliche Mischung aus Kitsch, Naivität und Niedertracht; es ist mehr als eine Revue ihrer gruselig-komischen Werke. Vielmehr versucht es eine Beziehung herzustellen zwischen Schreiben und Tat, zwischen der Selbsterfindung durch anmaßende Kunst auf der einen und der mitleidlosen Gewalt ihrer Taten auf der anderen Seite. Für viele Tyrannen scheint die Poesie ein unverzichtbares Mittel der Selbstvergewisserung: Sie schreiben sich gewissermaßen eine Seele zu, um dann nur umso seelenloser zu handeln.

Die andere Stimme Amerikas
Das unabhängige Radionetzwerk “Pacifica”

Von Martina Groß

Samstag, 23.05.2015, 13:05 Uhr, BR2

“Hier ist KPFA. Dies ist unser erster Tag auf Sendung”: am 15. April 1949 ging in Berkeley das erste Hörer-finanzierte Programm der später landesweiten Rundfunk-Kette “Pacifica” auf Sendung. Ohne Werbung, dem friedlichen Dialog und der Meinungsfreiheit verpflichtet. Gestaltet von Sozialvisionären, Intellektuellen, Idealisten und Querdenkern. Heute sind es fünf Sender, die in über 65 Jahren immer wieder die Grenzen des Mediums Radio durchbrochen haben. Oft waren sie die ersten, die die amerikanischen Hörer über nationale und internationale politische Vorgänge informierten – und wichtige Reformen anmahnten. Pacificas Mikrophone sind bis heute die Megaphone für die Stimme des “anderen Amerika”. Inzwischen eine der letzten Bastionen amerikanischer Medienvielfalt, die immer wieder um ihr Überleben kämpfen müssen. Pacifica-Flaggschiffe wie Amy Goodman und ihre Sendung “Democracy Now!”, die im ganzen Land gehört wird ist eine der wichtigsten alternativen Stimmen im Land.
Martina Groß schreibt Radiofeatures über Politik, Kultur und Gesellschaft, häufig in den USA, manchmal vor der eigenen Haustür – in Berlin. Ihre Sendung über die KPFA Grande Dame des politischen Radios, Elsa Knight Thompson “Noch zehn Sekunden” hat 2010 den Juliane-Bartels-Medienpreis erhalten. In ihrer letzten Sendung “Wir sind wie Götter und wir könnten genauso gut werden wie sie”. (SWR/DLF 2014) erforschte sie die Geschichte der Hippies und des Cyberspace.

Abschied vom Dalai Lama
Die Zukunft des tibetische Kampfes für Unabhängigkeit

Von Peter Meier-Hüsing

Samstag, 25.05.2015, 18.05 Uhr, DR Kultur

Vor zwei Jahren hat sich der Dalai Lama von seinen politischen Funktionen verabschiedet und konzentriert sich seither auf seine Rolle als religiöses Oberhaupt der tibetischen Buddhisten. Die erste Generation Tibeter, die nach 1951 im Exil geboren und aufgewachsen ist, kennt das unabhängige Tibet nur aus Filmen, Büchern und Erzählungen.

Jetzt hat sie führende Positionen in der Exil-Community übernommen. Doch der kulturelle Graben zwischen den Exil-Tibetern und denen, die unter chinesischer Herrschaft leben müssen, wächst. Die kompromisslose Haltung der chinesischen Führung in der Tibet-Frage führt zu Verzweiflung und Radikalisierung. Vielen erscheint der gewaltlose Weg des Dalai Lama überholt. Aber was ist die Alternative?

„Vom Negev über Galiläa nach Jerusalem“
Eine Pilgerreise durch das Heilige Land

Ein Feature von Rainer Schildberger

Sonntag, 24. Mai 2015, 18:05 Uhr, hr2-kultur

Es ist das Pilgerziel schlechthin. Von dieser Landschaft geht seit Jahrhunderten ein Sog aus, der die Menschen zu den biblischen Stätten ins Heilige Land zieht.

Das ist ein Stück über Menschen, die befristet aus ihrem Alltag aussteigen, um sich auf die Spuren uralter Heilsversprechen zu begeben; in die überlieferte Welt der Zeichen, Wunder und Gleichnisse. Am See Genezareth, auf den Feldern und Hügeln der Bergpredigt, vor der Klagemauer, im Garten Gethsemane. Sie bringen Geschichten und Bilder mit, die sie seit der Kindheit aus der Bibel kennen. Endlich einmal dort stehen, wo sich alles abgespielt hat oder haben soll; die Magie der Orte erspüren, Gott erfahren.

Doch gibt es das alles überhaupt (noch) oder ist das nur ein frommer Wahn? Was hat diese Reise mit dem Leben in unserer Gegenwart zu tun? Eine Gratwanderung ist es allemal, lukrativ organisiert und genau überwacht von den christlichen Kirchen. Hier eine Art religiöses Disneyland, dort die reale Situation der Menschen im mühsam befriedeten Land. Mittendrin die Pilger mit dem eigenem, widersprüchlichem Erleben.

 

Radiotipps für die Woche vom 11. bis 17. Mai 2015

“Bakschischrepublik”
Nachklänge eines Wende-Songs der Band Herbst in Peking

Von Jürgen Balitzki

Dienstag, 12.05.2015, 19:15 Uhr, DLF

Sommer 89, die alternative Band Herbst in Peking nimmt Musik für ein Hörspiel des DDR-Rundfunks auf. Als der Abspann produziert wird, trifft sie ein Auftrittsverbot. Sänger Rex Joswig hatte bei einem Konzert in Brandenburg die Staatsmacht provoziert, indem er das Publikum zu einer Gedenkminute für die Opfer des Massakers vom Platz des Himmlischen Friedens in Peking aufrief.

Im Studio herrscht Ratlosigkeit. Was tun? Ein bauernschlauer Trick rettet die Produktion, die Band klaut das Tape mit dem Soundtrack und lässt es nach Westberlin schmuggeln. “Bakschischrepublik” wird im Frühjahr 1990 ein deutschlandweiter Hit. Neben dieser erstaunlichen Geschichte von der Geburt eines Rocksongs in stürmischen Zeiten erzählt das Feature, was die alten Kempen des DDR-Undergrounds in ihren enger gewordenen Reservaten heute treiben, zum Beispiel Prenzlauer-Berg-Dichter Bert Papenfuß in seiner Kulturspelunke Rumbalotte, wo Rex Joswig kellnert und surreale DJ-Shows zelebriert.

In China reisen und zurückkommen
Wo sind wir bitte wann?

Von Gesine Danckwart und Fabian Kühlein

Mittwoch, 13.05.2015, 00:05 Uhr, DR Kultur

Das allererste Mal in China, aus Europa kommend. Die schnelle Gewöhnung an die allerfremdesten, allergrößten Geschichtengroßlandschaften. Eine chinesische Ingenieurin, die eine deutsche Bäckerei in Anting eröffnet. Ein Bürgermeister in Oranienburg, dessen Traum eine Art Chinatown vor Ort ist.

Die Texte Gesine Danckwarts entstanden während längerer Reisen in den Jahren 2006 bis 2008 nach China – und zurück. Im Mittelpunkt standen Peking, Shanghai und insbesondere Suzhou, eine alte und turbo-neue Stadt.

Mitleidsökonomie
Was steckt hinter der Tafelbewegung?

Von Christine Werner

Mittwoch, 13.05.2015, 22.30 Uhr, SWR2 Feature

Es gibt Lebensmittel im Überfluss in Deutschland und Menschen, die kein Geld haben, sie zu bezahlen. Die Tafeln wollen für einen Ausgleich sorgen. Derzeit gibt es mehr als 900 von ihnen und sie versorgen bundesweit über 1,5 Millionen Arbeitslose, Geringverdiener, Alleinerziehende und Rentner mit Nahrungsmitteln. Aus einer kleinen Initiative, die Obdachlosen helfen wollte, ist eine der größten sozialen Bewegungen der heutigen Zeit geworden. Inzwischen hat sie auch die Lebensmittelindustrie als neues Geschäftsfeld entdeckt. Für die Konzerne ist es oft günstiger, nicht oder schwer verkäufliche Waren abzugeben, als sie zu entsorgen. Kritiker monieren, dass sozial Schwache so zu “Müllverwertern” degradiert würden. Entsteht so ein zweiter Warenweg, eine “Mitleidsökonomie”, die dafür sorgt, dass sich die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht ändern müssen?

Auf dem Schlachtfeld der Worte

Von Christian Buckard

Freitag, 15.05.2015, 20:10 Uhr, DLF

In der letzten Maiwoche des Jahres 1940 befand sich Churchills Großbritannien in einer hoffnungslosen Lage: Fast die gesamte Armee saß im Hafen von Dünkirchen in der Falle und drohte in deutsche Gefangenschaft zu geraten.

Die Geheimprotokolle des Kriegskabinetts belegen, dass der britische Außenminister Lord Halifax, heftig unterstützt von den Konservativen, damals für einen Frieden mit Nazi-Deutschland plädierte. Es schien die einzige Möglichkeit, der drohenden Invasion durch die Deutschen zu entgehen.

Nur Churchill und die Sozialisten widersetzten sich dieser vermeintlich vernünftigen Lösung. Basierend auf den Protokollen des Kriegskabinetts und mit Unterstützung Sir Max Hastings und anderer britischer Historiker rekonstruiert das Feature jene entscheidenden Tage im Mai als eine Art Doku-Drama. Gleichzeitig entsteht in Interviews mit Churchills letzter Sekretärin sowie seiner Enkelin Celia Sandys ein intimes Porträt des britischen Kriegspremiers, der während jener Maitage seine wichtigste Schlacht schlug.

Gottlos in Texas
Eine Innenansicht des amerikanischen Atheismus

Von Ralf Büchele

Samstag, 16.05.2015, 13:05 Uhr, Bayern2

Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Atheismus ist in. Mit jedem Anschlag von Fundamentalisten, mit jeder Kriegserklärung im Namen der Religion, mit jedem Missbrauchsskandal in der Kirche fühlen sich die Atheisten bestätigt: Ohne Religion wäre die Welt besser dran – und Gott gibt es sowieso nicht. Noch nie war es so leicht, sich offen zum Unglauben zu bekennen. In Austin hat Atheismus Tradition: Schon in den 60er Jahren wurden in der texanischen Hauptstadt die “American Atheists” gegründet. Seitdem ist die liberale Stadt mitten im konservativen “Bible Belt” ein Leuchtturm des Unglaubens. Großen Anteil an dieser Strahlkraft hat “The Atheist Experience”. Jeden Sonntag läuft die Diskussionssendung auf dem offenen Fernseh-Kanal von Austin. Das Prinzip: Zwei Moderatoren diskutieren mit Anrufern über Gott und die Welt. Auch nach 17 Jahren ist die Show noch immer die einzige ihrer Art in den USA. Weil in Amerika alles irgendwie mit Religion zu tun hat, wird in der Sendung kein großes Thema ausgespart: Es geht um Evolution, Bildung, Wissenschaft, Moral, Politik, Klimawandel, Abtreibung – und natürlich immer wieder um die Existenz Gottes. Viele Anrufer sind Christen, die ihren Glauben verteidigen. Sie scheitern fast ausnahmslos und werden ungnädig abserviert. Moderator Matt Dillahunty und seine Mitstreiter haben schon so ziemlich jedes Argument gehört. Seit einigen Jahren rufen immer mehr Atheisten an – die Bewegung wächst stetig. Doch vor allem für die ländlichen Regionen der Vereinigten Staaten gilt noch immer: Menschen, die sich als Ungläubige outen, bekommen Probleme – schließlich weiß jeder, dass sie einst in der Hölle schmoren werden. Also setzen Eltern, Freunde und Kirchen alles daran, die Abtrünnigen vor diesem Schicksal zu bewahren. Wer aber nicht mehr zum Glauben zurückfindet, verliert oft sein soziales Netzwerk. Wenn Ratsuchende bei “The Atheist Experience” anrufen, werden aus den streitbaren Atheisten mitfühlende Zuhörer; viele von ihnen haben das selbst erlebt.
“Gottlos in Texas” lässt die Protagonisten von “The Atheist Experience” ebenso zu Wort kommen wie Gläubige. Wir blicken durchs Brennglas auf einen Konflikt, der uns noch lange beschäftigen wird: den zwischen Fundamentalisten und Aufklärern. Und dabei sind die Rollen keineswegs eindeutig verteilt.

Tod in der Polizeizelle – Oury Jalloh
Die widersprüchlichen Wahrheiten eines Todesfalls

Von Margot Overath

Samstag, 16.05.2015 um 18:05 Uhr, DR Kultur

  1. Januar 2005, Dessau, Sachsen-Anhalt. In einer Polizeizelle verbrennt ein an Händen und Füßen gefesselter Mensch bei lebendigem Leib. Selbst verschuldet, sagen die einen. Ermordet, sagen die anderen.

Auch der zweite Prozess vor dem Landgericht Magdeburg bringt keine endgültige Aufklärung der Brandursache. Das Urteil zu einer Geldstrafe wegen Fahrlässiger Tötung wurde am 4. September 2014 rechtskräftig, damit könnte der Fall abgeschlossen sein – doch schon seit Dezember 2013 liegen neue Hinweise vor, dass Oury Jalloh das Feuer nicht selbst hat legen können. Die Staatsanwaltschaft Dessau nimmt Ermittlungen wegen Mordes auf.

Saat des Sieges
Wie Gärtner (mal wieder) die Welt retten wollen

Von Michael Lissek

Sonntag, 17.05.2015, 14.05 Uhr, SWR2 Feature am Sonntag

“Urban Gardening”, “Guerilla Gardening”, “Community Gardening”: Die Begriffe klingen cool. Das sollen sie. Gärtnern in der Stadt ist heute kein spießiges Schrebertum mehr, sondern sozial und ökologisch bewusstes Handeln: schlau, selbstbewusst und unabhängig – und ein Zukunftskonzept, wenn unsere gegenwärtige Form der Lebensmittelproduktion nicht mehr funktioniert. Üben städtische Tomatenpflanzer für den Versorgungsernstfall? Und könnten sie in diesem Fall die Welt retten? Michael Lissek beobachtet die aufgehende Saat. Und erinnert an die Früchte vergangener gärtnerischer Utopien und Erweckungsfantasien.

Eine deutsche Chirurgin im Nothilfeeinsatz im Süd-Sudan

Von Jörn Klare

Sonntag, 17. Mai 2015, 18:05 Uhr, hr2-Kultur

Es ist Carla Böhmes zwölfter Einsatz für eine Hilfsorganisation im Ausland. Meistens geht es für die Chirurgin aus Leonberg, die sonst in einer deutschen Klinik arbeitet, nach Afrika.

Diesmal reist sie im Auftrag von Ärzte ohne Grenzen. Allein die deutsche Sektion der 1999 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten internationalen Organisation schickt jährlich an die 300 Mitarbeiter in eines der zurzeit gut 60 Einsatzländer. Böhmes Ziel ist diesmal eine kleine Klinik im Süd-Sudan. Die 63-Jährige weiß nicht genau, was sie erwartet. Sicher ist: Sie sucht nicht die Gefahr, sie will helfen. Sie ist einverstanden, dass der Autor sie in den ersten Tagen ihres Einsatzes begleitet.

 

Radiotipps für die Woche vom 26. April bis 3. Mai 2015

Arbeitssklaven in Kalabrien
Labor des Wegwerf-Menschen

Von Aureliana Sorrento

Dienstag, 28.04.2015, 19:15 Uhr, DLF

Rosarno ist eine Kleinstadt im Süden Kalabriens, deren Wirtschaft seit jeher auf dem Anbau von Zitrusfrüchten gründet. Einst ein florierendes Städtchen, hat es seit den 70er-Jahren einen stetigen Niedergang erlebt. Denn irgendwann konnten die kalabrischen Orangen der billigen Konkurrenz aus dem Ausland nicht mehr standhalten.

Um zu überleben, haben die Orangenbauern Verträge mit transnationalen Handelsketten, Saft- und Getränkeherstellern wie etwa Coca-Cola geschlossen. Doch diese globalen Akteure diktieren die Preise auf dem Weltmarkt und drücken sie immer weiter nach unten. Die Orangenanbauer Kalabriens konnten nur überleben, indem sie bis heute vom Elend der Flüchtlingsströme aus Afrika und Osteuropa profitieren.

Die Einwanderer werden als Tagelöhner auf den Straßen Rosarnos angeheuert und schuften auf den Orangenplantagen für 20 oder 25 Euro am Tag. Wenn sie überhaupt bezahlt werden, und wenn sie überhaupt Arbeit finden. Vor allem die meist illegal eingereisten Afrikaner sind dem Gutdünken der Bauern ausgeliefert. Für den Soziologen Fabio Mostaccio sind sie der Prototyp des Wegwerf-Arbeiters, den die neoliberale Globalisierung verlangt.

Kurzstrecke 37

Zusammenstellung: Ingo Kottkamp, Barbara Gerland und Marcus Gammel

Sendung am 29.04.2015, 00:05 Uhr, DR Kultur

Kurz, ungewöhnlich und nicht länger als 20 Minuten: Innovative, zeitgemäße, radiophone Hörstücke aus den Genres Feature, Hörspiel und Klangkunst können an uns geschickt werden. Wir wählen die interessantesten aus und stellen sie in dieser monatlichen Sendung vor.

Der Künstler sagt, es geht um das Thema Angst
Stimmen und Mikrointervalle aus der Psychiatrie
Von Tobias Klich

Pillenbox mit sieben Tageseinsätzen
Voice meets noise
Von müller/ziermann

The sound of white noise
Ich glaub, mein Empfänger ist kaputt
Von Davide Tidoni

Thilo Sarrazin Monolog
Sie haben es wahrscheinlich schon geahnt: Mein Name ist Thilo Sarrazin
Von Wolfram Lotz

Außerdem: Neues aus der “Wurfsendung” mit Julia Tieke

1945. Zeitenwende
Das Jahr im Radio

Collage von Wolfram Wessels

Mittwoch, 29.04.2015, 22.03 Uhr, SWR2

Ein letztes Mal wurde im Januar noch des Tages der nationalsozialistischen Machtübernahme gedacht, Hitler hält seine übliche Rede und ruft zum Entscheidungskampf. Im Februar wird Dresden bombardiert, im März werden Kinder mobilisiert, im April berichtet das Radio erstmals ausführlich über die Gräuel in den KZs, im Mai vom Selbstmord Hitlers und der Kapitulation. Im Juni und Juli beginnen die Versuche, eine desorientierte Bevölkerung zur Einsicht zu bringen, im August endet der Zweite Weltkrieg nach den Angriffen auf Hiroshima auch im Pazifik, im Oktober werden erste Schlüsse aus der Niederlage gezogen, im November beginnen die Nürnberger Prozesse und im Dezember ist das einzige Weihnachtsgeschenk der Deutschen: Frieden. Mit O-Tönen ausschließlich aus den jeweiligen Monaten folgen wir dem Lauf dieses außergewöhnlichen Jahres in 12 Collagen.

Berlins jüdische Israelis
Meschugge Mischpoke und West-Ost-Divan

Von Babette Michel

Freitag, 01.05.2015, 11:05 Uhr, DLF

Wenn Ronit Land am Denkmal “Züge ins Leben – Züge in den Tod” vor dem Bahnhof Friedrichstraße in Berlin steht, dann denkt sie an ihre Mutter. Ende August 1939 saß das zwölfjährige jüdische Mädchen Cilly Salomon hier und wartete auf den Kindertransport, mit dem ihr die Flucht aus Nazideutschland gelingen sollte.

Andere Kinder wurden von hier aus direkt ins KZ deportiert. Keine Kleinigkeit für die israelische Choreografin Ronit, jetzt hierher nach Berlin zu ziehen. Und doch wirkt Berlin neuerdings wie ein Magnet auf jüdische Israelis. Vor allem junge unangepasste Journalisten, Studenten, Musiker, Unternehmer und Designer sind zu Hunderten gekommen, um hier zu leben. In Neukölln und Moabit, Kreuzberg und Mitte starten sie Multi-Art-Projekte und unkoschere Gay-Partys, verkaufen die schmackhaftesten Berliner Brezeln und gründen gesellschaftskritische hebräische Magazine. Die Stadt überzeugt mit moderaten Mieten und Platz für Kultur, mit bewusster Geschichtsaufarbeitung und Raum für west-östliche Friedensprojekte.

Und auch, wenn antijüdische Parolen und Übergriffe als Reaktion auf den Gaza-Krieg beängstigend sind: Berlin ist ihr Zuhause. Endlich schließt sich mit ihrem Umzug nach Berlin auch für Ronit der Kreis – im familiären wie im geschichtlichen Sinn.

Orson Welles
Ein Puzzle

Von Thomas von Steinaecker

Freitag, 01.05.2015, 20:05 Uhr, DLF

“Rosebud!”: Es ist eines der großen Rätsel der Filmgeschichte, das letzte Wort des Tycoons Citizen Kane in jenem Film, der regelmäßig an erster Stelle genannt wird, wenn es um Kinoranglisten geht. Zum 100. Geburtstag begibt sich der Schriftsteller Thomas von Steinaecker wie der Reporter in Citizen Kane auf die Suche nach den Puzzlesteinchen, deren Gesamtbild das Rätsel Welles erklären könnten.

Worin liegt überhaupt das Bahnbrechende an Welles’ Hörspielen und Filmen, die heute ein bedeutungsvolles Raunen umgibt? Ist es gerade jene Masse an Filmschnipseln unrealisierter Projekte, in denen das beispiellos schöpferische Kraftwerk, aber auch die Tragik Orson Welles sichtbar wird?

Svalbard
Norwegens Joker im Run auf die Arktis

Von Harald Brandt

Samstag, 02.05.2015, 13.05 Uhr, BR2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Svalbard – “kühle Küste” wird die Inselgruppe auf norwegisch genannt. Der 1920 in Paris unterzeichnete Spitzbergenvertrag gesteht Norwegen die volle Souveränität über den gewaltigen Archipel im Polarmeer zu. Allerdings muss Norwegen allen vierzig Unterzeichnerstaaten die gleichen Rechte bei der Ausbeutung von Bodenschätzen gewährleisten, über die es selbst verfügt. Und nicht nur die vermuteten Öl- und Gasvorkommen im Norden sind begehrt. Auf Svalbard beginnt der Run auf die Arktis. Etwa 2000 Menschen leben in der Hauptsiedlung Longyearbyen, über ein Viertel sind Studenten aus aller Welt. In Barentsburg kommen noch etwa 400 russische Minenarbeiter und Wissenschaftler dazu. Norwegen verfügt zwar über die Souveränität, aber wird es den Wettlauf gewinnen?

Die Kinder des Premysl Pitter

Von Jörn Klare

Samstag, 02.05.2015, 18:05 Uhr, DR Kultur

Eine Geschichte vom Ende des Zweiten Weltkriegs. – Es sind nicht mehr viele. Die jüngsten sind knapp 80 Jahre alt. Sie leben in Jerusalem und Berlin, in einem oberbayrischen Dorf oder einer hessischen Kleinstadt. Sie erinnern sich an die Zeit, als der Krieg zu Ende ging und ihr Leben bedroht war.

Bis sie einem tschechischen Humanisten begegneten, der im Mai 1945 aus Schlössern in der Nähe von Prag Heime für zumindest zeitweise elternlose Kinder machte. Jüdische Kinder, die Auschwitz überlebt hatten, zusammen mit nichtjüdischen, deutschen Kindern, die in den neuen Internierungslagern der Sieger zu sterben drohten. Wer war dieser Mann, der alles daran setzte, diese Kinder zu retten, egal ob sie von Opfern oder Tätern stammten?

„Getragen von Euren Gebeten …“
Nachwirkungen eines Soldatentods

Von Andreas Fischer

Sonntag, 03.05.2015, 14.05 Uhr, SWR2

“Herzlichst und Heil Hitler, Euer Junge.” 100 Briefe und Postkarten hatte er an die Familie geschrieben: Onkel Günther, geboren 1921, gefallen nach sechs Tagen Kriegseinsatz 1941 in der Ukraine. Jetzt hat sein Neffe die Hinterlassenschaft: Andreas Fischer, der den Onkel kaum vom Hörensagen kannte. Denn in der Familie wurde kaum über ihn geredet. Wer war dieser ominöse Onkel? Offenbar ein glühender Nazi. Offenbar jemand, der sich und seinem Vater, der Soldat im 1. Weltkrieg war, etwas beweisen wollte. Und was noch? Je mehr sich Andreas Fischer mit den Briefen des Bruders seiner Mutter befasst, desto klarer wird ihm: Onkel Günther war und ist nicht zuletzt die Ursache eines familiären Traumas, das bis in die Gegenwart fortwirkt.

Der Teufel hat Ärger

Von Jörn Klare

Sonntag, 3. Mai 2015, 18:05 Uhr, hr2

Auf der Terrasse seines einfachen Hauses am Rand der liberianischen Hauptstadt Monrovia lässt sich Joshua Milton Blahyi im Licht der untergehenden Sonne den ohnehin schon so gut wie kahlen Kopf scheren. Neben ihm liest sein kleiner Sohn laut in der Bibel.

Später wird Blahyi in einer kleinen Kirche predigen. Sie liegt in einem Teil Monrovias, in dem ihn viele noch aus seinem anderen Leben kennen. Denn hier hat er als Gegner von Charles Taylor in einem barbarischen Bürgerkrieg gekämpft. Blahyi war ein Warlord, Herr über bis zu 7000 meist minderjährige Krieger. Er war ein Priester der schwarzen Magie, der vor seinen Kämpfen regelmäßig Kinder opferte, um deren Herz zu verspeisen. Er soll für den Tod von 20.000 Menschen verantwortlich sein. Sein Kampfname lautete “Butt-Naked”, weil er komplett nackt in die Gefechte stürmte, bis sich ein Mann in sein Hauptquartier wagte, um ihn auf den Weg Gottes zu führen. Dies ist die Geschichte einer Verwandlung.

 

Radiotipps für die Woche vom 20. bis 26. April 2014

Im Käfig
Hans Uhlmanns Aufzeichnungen während der Haft 1934/35

Von Carmela Thiele

Dienstag, 21.04.2015, 19:15 Uhr, DLF

“Vorbereitung zum Hochverrat”, lautete die Anklage, die Hans Uhlmann 1934 für eineinhalb Jahre ins Gefängnis Berlin-Tegel brachte. Der Künstler war einer von 60.000 Kommunisten, die damals festgenommen wurden. Um dem Haftalltag zu entfliehen, führte der Bildhauer ein Tagebuch, dem er seine Zukunftspläne, seine Empfindungen und Beobachtungen anvertraute.

Karge Kost und mangelnde Bewegung machten den noch jungen Mann mürbe, aber auch empfindlich für die Metamorphosen des Lichts, den Wandel der Jahreszeiten und die Kakophonie dieses Ortes, den er “Käfig” nannte. Angeregt durch seine Lektüre, zu der Autoren wie Jean Cocteau zählten, erlebte er die Gefangenschaft als surreale Szenerie. Gedanken zu einer neuen Plastik aus Metall gehen über in Erinnerungen an die grausamen Wochen der Gestapo-Haft, poetische Passagen stehen neben erstaunlich klaren Einschätzungen der politischen Lage. Getarnt als französische Studien überdauerte das Tagebuch die NS-Zeit.

Der Makel – Ein deutsch-jüdisches Familienstück

Von Andreas Müller

Mittwoch, 22.04.2015, 00:05 Uhr, DR Kultur

“1994, im Alter von 67 Jahren, offenbarte mir meine Mutter, dass mein Großvater nicht mein Großvater ist. Ein anderer Mann hätte die Großmutter mit ihrem Kind “über Nacht” verlassen. Ein weißer Fleck in der Geburtsurkunde: Vater unbekannt.

Vielleicht hätte ich es dabei belassen, wäre da nicht noch lange Zeit dieses Flüstern meiner Mutter geblieben, wenn wir darüber sprachen, und wäre da nicht das Datum seines Verschwindens: 1933, Ziel Palästina.

Im Januar 2011, nach 17-jähriger Suche, erhielt ich aus England eine E-Mail, lapidar überschrieben: “Welcome to the family!” Meine Mutter hatte eine Cousine in London und eine Halbschwester in Israel. Wie würden sie sich begegnen?”

Raubgräber

Von Günther Wessel

Mittwoch, 22.04.2015, 22.03 Uhr, SWR2

Ägypten wird geplündert. Metertief führen ungesicherte Stollen in Wüstengräber. Kinder kriechen hinein, bringen Nachschub für den internationalen Antikenmarkt. Auf sechs bis acht Milliarden Euro pro Jahr schätzen Fahnder den Umsatz aus dem Verkauf illegal erlangter Kulturgüter weltweit. Tendenz steigend. Nur mit Drogen und Waffen wird noch mehr Geld gemacht. Die Gier der Sammler, Grabräuber und Händler zerstört nicht nur die Vergangenheit von Völkern, sondern finanziert auch Terrornetzwerke wie den IS. Hehler schaffen das Raubgut ins Ausland und schließlich nach Westeuropa: nach London, Brüssel oder München. Auktionshäuser, Privatleute, Galerien oder Internethändler verkaufen die Ware mit gefälschten Zertifikaten weiter. Vor allem in Deutschland kann der Markt ungehindert florieren.

Nicht kampflos sterben!
Jüdischer Widerstand im weißrussischen Gedächtnis

Von Johannes Kirsten

Freitag, 24.04.2015, 20:10 Uhr, DLF

Im offiziellen weißrussischen Geschichtsbild nehmen die heldenhaften Partisanen im Kampf gegen die Nazibesatzung einen zentralen Platz ein. Was wenig bekannt ist: Zwei Partisanenverbände bestanden aus gläubigen Juden. Nirgendwo sonst in dieser Zeit gab es einen vergleichbaren jüdischen Widerstand.

Allein die Bielski-Brüder schleusten 1.200 Menschen aus den Gettos und formierten mit ihnen im Naliboki-Wald ein geheimes Schtetl, ein funktionierendes Gemeinwesen, von dem aus ihre Einheiten operierten. Jack Kagan und Michail Treijster wurden als Kinder von den Bielskis gerettet und schlossen sich ihren Aktionen an. Heute erzählen sie gegen den Verlust des historischen Gedächtnisses an. Unterstützung finden sie dabei von jungen Autoren, die ihrerseits als Partisanen agieren: Als P-ART-isanen der Kunst unterlaufen sie den Partisanenmythos der Regierung Lukaschenko.

„Und es brennt mein Herz tagelang“

Von Daniel Guthmann und Stepan Gantralyan

Samstag, 25.04.2015, 18.05 Uhr, DR Kultur

Die Erinnerung an Jeghische Tscharenz (1897–1937) hat für die Armenier eine besondere Bedeutung. Tscharenz wird nicht nur als Begründer der modernen armenischen Dichtung verehrt, sondern zugleich als ein Märtyrer der armenischen Nation.

In seiner Lebensgeschichte und in seinen Werken spiegelt sich das tragische Schicksal des armenischen Volkes in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Eine Geschichte, die mit dem Völkermord an den Armeniern beginnt und im stalinistischen Terror der 30er-Jahre gewaltsam endet. Bis Mitte der 50er-Jahre galt der Dichter als verfemt. Selbst seine Tochter Anahit konnte nur schwer in Erfahrung bringen, wer ihr Vater war.

Im Widerstand zu Hause sein?
Eine Erkundung zur Kritik als Lebensform

Von Angelika Brauer

Sonntag, 26.04.2015, 14.05 Uhr, SWR2

Die Dramen der Vergangenheit, die Schieflagen der Gegenwart, die Kluft zwischen Arm und Reich – jeder weiß Bescheid. Man kann sich empören, solidarisieren, als Wutbürger auf die Straße gehen und sein Nein demonstrieren. Ist dieser spontane Widerstand – anlassbezogen, zielgerichtet und so schnell, dass er verschwindet, bevor er ökonomisch vereinnahmt wird – nicht der einzige, der heute überhaupt noch zur Freiheit der Selbstbestimmung passt? Eine prinzipielle Frage. Mit Antworten von Philosophen und Künstlern.

 

Radiotipps für die Woche vom 13. bis 19. April 2015

Venezuela – Auf dem Weg zur Diktatur?
Eindrücke aus einem gebeutelten Land

Von Peter B. Schumann

Dienstag, 14.04.2015, 19:15 Uhr, DLF

15 Jahre nach dem Amtsantritt von Hugo Chávez, zwei Jahre nach seinem Tod befindet sich Venezuela in einer tiefen Krise. Im ölreichsten Land Lateinamerikas herrscht heute ein Mangel an Benzin und Elektrizität, an Grundnahrungsmitteln und Medikamenten. Die Inflation beträgt rund 70 Prozent.

Was ist aus der einstigen “bolivarischen Revolution” geworden, die einen Sozialismus des 21. Jahrhunderts verfocht? Ist der Niedergang des Landes, gegen den seine Bürger seit Monaten protestieren, nur der Politik des Nachfolgers von Chávez, Nicolás Maduro, zuzuschreiben? Der jedenfalls versucht zunehmend, die Führungsspitze der Opposition zu kriminalisieren und greift in die Etats autonomer staatlicher Universitäten und in die Haushalte oppositioneller Stadtverwaltungen ein.

Hans Magnus Enzensberger
Das unendliche Zimmer

Von Michael Augustin und Walter Weber

Mittwoch, 15.04.2015, 00:05 Uhr, DR Kultur

Bereits als junger Autor war der 1929 in Kaufbeuren geborene und in Nürnberg aufgewachsene Hans Magnus Enzensberger polyglott unterwegs.

Gewohnt hat er an vielen Orten der Welt: in Freiburg, Stuttgart, Frankfurt am Main, Berlin und München, in Frankreich und Norwegen, Russland, den USA und in Kuba.

Enzensberger steht für die in Deutschland seltene Verbindung von Homme de Lettres, Homo Politicus und Bonvivant. Sein Rückblick kommt ohne Altersmilde aus.

„9 to 5“ – Nein Danke
Selbstbestimmt Arbeiten 2.0

Von Regina Burbach

Mittwoch, 15.04.2015, 22.03 Uhr, SWR2

Sie sind um die 30, haben Studium und Ausbildung hinter sich und sind gut gerüstet, um in der Wirtschaft an den größeren Rädern zu drehen. Sie hatten auch schon mal einen Fuß in der Tür, saßen an diversen Schreibtischen als High Potential mit Festvertrag und Urlaubsgeld. Aber die Zweifel kamen: Soll das alles gewesen sein und immer so weitergehen? Von 9.00 Uhr bis 17.00 Uhr, “9 to 5”, ein Leben lang und fremdbestimmt? – Nein, haben sie gesagt und einen anderen Weg gewählt, einen mit viel mehr Risiko, und teils zum Unverständnis ihrer Freunde und Bekannten. Sie haben Start-Ups gegründet, sind mutig ihren eigenwilligen Ideen gefolgt. Das Porträt einer neuen Generation.

Mythos Luis Trenker
Ein Mann, ein Berg

Von Katrin Hildebrand

Freitag, 17.04.2015, 20:10 Uhr, DLF

Wer den Namen Luis Trenker hört, denkt sofort an die Südtiroler Berge. Dabei war Luis Trenker in Wirklichkeit nur ein mittelmäßiger Kletterer. In den fast 98 Jahren seines Lebens arbeitete er als Architekt, Unternehmer, Dolomitenführer, Skilehrer, Soldat, Schauspieler, Filmemacher, Schriftsteller sowie als Märchenonkel für den Bayerischen Rundfunk.

Im Privaten galt er als Frauenheld und Patriarch, als Egomane mit hohem Unterhaltungswert. Als Regisseur arrangierte er sich mit den Nationalsozialisten und Mussolinis Faschisten. Bis heute hat sich das Bild eines aufrechten Strahlemanns gehalten. Wie hat er das geschafft?

Oury Jalloh
Die widersprüchlichen Wahrheiten eines Todesfalles

Von Margot Overath

Samstag, 18.04.2015, 13:05 Uhr , BR2

Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Siebter Januar 2005, Dessau, Sachsen-Anhalt. In einer Polizeizelle verbrennt ein an Händen und Füßen gefesselter Mensch bei lebendigem Leib. Selbst verschuldet, sagen die einen. Ermordet, sagen die anderen. Was geschehen ist, wird nur gedeutet. Klare Beweise liegen nicht vor. Da auch der dritte Prozess vor dem Landgericht Magdeburg keine endgültige Aufklärung zum Entstehen des Brandes bringt, knüpft die Autorin an ihre Recherche für ihr erstes Feature zum Fall Jalloh “Verbrannt in Polizeizelle Nummer fünf” an und hinterfragt die Ermittlungsergebnisse erneut.

Mit Unterstützung von Gerichtsmedizinern, Toxikologen und Kriminalbeamten geht sie Ungereimtheiten nach und bekommt Hinweise auf einen dritten Mann. Ging es am Anfang um unterlassene Hilfeleistung des Dienstgruppenleiters, ermittelt die Staatsanwaltschaft Dessau seit 2014 gegen Unbekannt wegen Mord.

Zaaatari

Von Monika Kalcsics

Samstag, 18.04.2015, 18:05 Uhr, DR Kultur

Das Flüchtlingslager Zaatari der Vereinten Nationen in Jordanien ist das zweitgrößte weltweit. Es liegt im Norden des Landes an der Grenze zu Syrien, wo seit drei Jahren Bürgerkrieg herrscht.

2012, als das Lager errichtet wurde, kamen pro Nacht 1500 Menschen an. Heute leben 100 000 Menschen auf 530 Hektar Land. Eine logistische Herausforderung für die UNO und die Hilfsorganisationen. Auch der Deutsche Kilian Kleinschmidt arbeitet hier, er wurde gerufen, als das Lager im Chaos zu versinken drohte.

“Ich glaube, dass wir sowieso politisch sind”

Geschichten von Leuten, die sich einmischen

Von Günter Rohleder

Sonntag, 19.04.2015, 14.05 Uhr, SWR2 Feature am Sonntag

Demokratie ist ein Prozess und muss täglich neu errungen werden. Sie lebt davon, dass Menschen hinsehen und aufbegehren, wenn sie auf Unzumutbares und Ungerechtes stoßen. Doch Temperament, Mut und Handlungsbereitschaft fallen sehr unterschiedlich aus. Wie ticken Menschen, die sich einmischen? Was treibt sie zum Handeln? Und wann werden Wut und Empörung gefährlich? Neun Menschen, die sich einmischen über ihre Motive und ihre Zweifel.

Ich habe sie geheiratet, weil sie mich gefragt hat
Sylvia Platz und Ted Hughes

Von Manuela Reichart

Sonntag, 19. April 2015, 18:05 Uhr, hr2

Sylvia Plath und Ted Hughes: eines der großen Dichterpaare des 20. Jahrhunderts. Als sie sich im Winter 1962 umbringt, scheint er vielen der Schuldige – und wird trotzdem zu ihrem erfolgreichen Nachlassverwalter.

Begonnen hat ihre Liebesgeschichte 1956 in Cambridge, wo sich die begabte Amerikanerin Sylvia Plath und der aufstrebende englische Lyriker Ted Hughes zum ersten Mal begegnen. Sie bewundern einander und verlieben sich, kämpfen um Anerkennung als Autoren, bekommen zwei Kinder, haben wenig Geld – und scheitern in der Ehe. Bis heute ist Sylvia Plath das Opfer in diesem Liebesdrama, Ted Hughes der Täter, der sie betrog und in den Selbstmord trieb. Ihre Ehegeschichte wurde zur Projektionsfläche, auf der viele das geschlechtsspezifische Liebesdrama erkannten. Aber sind solche Geschichten nicht immer komplizierter?

 

Radiotipps vom 6. bis 12. April 2015

Im Tale grünet Hoffnungsglück –
Osterfest und Frühlingsfeier

Von Hans-Joachim Simm

Montag, 6. April 2015, 12:05 Uhr, hr2

Ostern, das Urfest des Christentums, knüpft an die Pessachfeier und an die antiken Frühjahrsriten an. Die Sendung widmet sich – mit kulturhistorischen und literarischen Texten – der Entstehung, Entwicklung und Bedeutung des Osterfestes. Hans-Joachim Simm beschreibt die Ereignisse vom Palmsonntag über den ‚Krummen Mittwoch‘, den Gründonnerstag und Karfreitag bis zum ‚Weißen Sonntag‘, ergänzt um die mit dem Frühlingsanfang verbundenen und noch heute bekannten Sitten und Bräuche, von Flurumgängen und vom Wasserschöpfen bis zu Lichterprozession und Osterfeuer.

Lady Day – Das Leben der Billie Holiday

Von Grace Yoon und Alfred Koch

Dienstag, 07.04.2015, 19:15 Uhr, DLF

Billie Holiday ist die Stimme des Jazz und vielleicht auch die Stimme des 20. Jahrhunderts. Ihr Leben war so intensiv wie ihre Musik, eine außergewöhnlich talentierte Frau, die ein Leben auf dem Drahtseil führte, stets vom Unrecht der Rassentrennung, von falschen Freunden und den Auswirkungen ihrer Drogensucht bedroht.

1939 sang sie erstmals den Song “Strange Fruit”, ein Aufschrei gegen die Lynchjustiz an Schwarzen. In dem Film “New Orleans” (1946) durfte sie nur die Rolle spielen, die Hollywood damals für Schwarze vorsah: das Dienstmädchen. Billie Holiday starb mit nur 44 Jahren. Ihre Autobiografie wurde in viele Sprachen übersetzt.

Diana Ross spielte Lady Day in dem Film “Lady sings the Blues” und immer wieder tauchen Samples ihres Gesangs in modernen Re-Mixes, Techno- und Rap-Produktionen auf.

Check – shoot – goal
Innenansicht eines Eishockeyclubs

Von Ulrich Land

Mittwoch, 08.04.2015, 00:05 Uhr, DR Kultur

Eishockey ist nach Fußball der beliebteste und lauteste Mannschaftssport. Eine Allianz aus Eleganz und Aggression. Für das Porträt der Kölner Haie wurde die komplette Mannschaft mit Mikrofonen verkabelt; sechs Mikrofone hingen von der Decke, und zusätzlich wurden zahlreiche Einzelaktionen sowie das Publikum separat aufgenommen.

Moritz Müller, Star-Verteidiger der vor über 40 Jahren gegründeten Kölner Haie, kommentiert von der Bande aus. Welchen Teamspirit bringen die Spieler mit? Welche Bedeutung haben die Schneidezähne für einen Hai? Und wie geht die Mannschaft mit der Rolle des ewigen Vizemeisters um?

Svalbard
Norwegens Joker im Run auf die Arktis

Von Harald Brandt

Mitttwoch, 08.04.2015, 22.03 Uhr, SWR2

Svalbard – “kühle Küste” wird die Inselgruppe auf norwegisch genannt. Der 1920 in Paris unterzeichnete Spitzbergenvertrag gesteht Norwegen die volle Souveränität über den gewaltigen Archipel im Polarmeer zu. Allerdings muss Norwegen allen 40 Unterzeichnerstaaten die gleichen Rechte bei der Ausbeutung von Bodenschätzen gewährleisten, über die es selbst verfügt. Und nicht nur die vermuteten Öl- und Gasvorkommen im Norden sind begehrt: Auf Svalbard beginnt der Run auf die Arktis. Etwa 2000 Menschen leben in der Hauptsiedlung Longyearbyen, über ein Viertel sind Studenten aus aller Welt. In Barentsburg kommen noch etwa 400 russische Minenarbeiter und Wissenschaftler dazu. Norwegen verfügt zwar über die Souveränität, aber wird es den Wettlauf gewinnen?

Viva Fluxus
Mein Leben mit Vostell

Von Rilo Chmielorz

Freitag, 10.04.2015, 20:10 Uhr, DLF

40 Jahre lang war Mercedes Guardado de Vostell die Frau an der Seite von Wolf Vostell, des wohl bekanntesten Fluxus-Künstlers, der diese Bewegung Anfang der 60er-Jahre mitbegründet hat. Fluxus wollte die Grenze zwischen Kunst und Leben aufheben. Alles sollte fließen: KUNST=LEBEN=KUNST.

Das Publikum wurde zum Protagonisten der Happenings. Man wohnte im Atelier, und auch im Privaten wurden die Grenzen fließend. Als sich Mercedes und Wolf 1958 in Guadalupe kennenlernten, war Wolf ein unbekannter Maler und Mercedes eine junge Lehrerin, die gerade zu unterrichten begonnen hatte. Hals über Kopf folgte sie ihm nach Köln.

Noch heute spricht Mercedes von ihm als “Vostell” und nennt ihn weder beim Vornamen noch “meinen Mann”. Sie war Muse, Mutter, Modell, engste Mitarbeiterin, Museumsgründerin, Familienunternehmerin. Obwohl inzwischen schon 81 Jahre alt, ist sie immer noch die künstlerische Direktorin des Museo Vostell Malpartida und hält das bewegte Erbe lebendig. Viva Mercedes! Viva Fluxus!

Mein ungerechtes Land
Warum in Deutschland immer noch die soziale Herkunft zählt

Samstag, 11.04.2015, 13:05 bis 14:00 Uhr, Bayern 2

Von Marco Maurer

Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Ein junger Mann hat den Traum Sportreporter zu werden. Dagegen stehen eine Hauptschulempfehlung, der Mann vom Arbeitsamt und manchmal auch das eigene Milieu. Dennoch ist er, Sohn einer Friseurin und eines Kaminkehrers, entgegen der Prognose seiner Lehrer Journalist geworden. Sein eigener Marsch durch die Bildungsinstitutionen war der Ausgangspunkt, sich in einer drei Jahre langen Recherche einmal gründlich die deutsche Bildungswirklichkeit anzuschauen: Von 100 Akademiker-Kindern schaffen 71 den Sprung auf die Universität, von 100 Nichtakademiker-Kindern sind es nur 24. Diese Zahlen sind das Ergebnis einer sozialen Auslese.
Im Gespräch mit Politikern wie Ole von Beust, sozialen Aufsteigern wie Rüdiger Grube, Chef der Deutschen Bahn, und Experten, etwa dem Eliteforscher Michael Hartmann, geht der Autor des Features der Bildungsungerechtigkeit auf den Grund. Er will wissen, warum es in Deutschland gute Bildung immer noch nicht für alle gibt, Kinder aus bildungsfernen Milieus systematisch benachteiligt, ihre Talente und Begabungen nicht gefördert werden und so ein ganzes Land seine Zukunft verspielt.

Fremdes Land
Mein Exil Zuhause

Von Ruth Fruchtman

Samstag, 11.04.2015, 18:05 Uhr, DR Kultur

Wer sagt, dass Zuhause nur ein bequemer Ort sei? Wer behauptet, dass man dort bleiben muss, wo man geboren wurde? Im selben Land, in derselben Stadt, gar in derselben Straße und derselben Wohnung? Heimatlosigkeit muss kein Nachteil sein. Das Land, die Kultur und die Sprache zu wechseln, kann eine andere Sicht auf die Welt, auf andere Menschen ermöglichen – und vor allem auf sich selbst.
Leila Ibn Hasar, deutsch-arabischer Herkunft, Maciej Luszynski aus Polen, Ines Meyer-Kormes, jüdische Ostberlinerin und die ebenfalls jüdische, in London geborene Autorin Ruth Fruchtman erzählen von der Suche nach Heimat und der Konstruktion eines Zuhauses.

„Ich schrieb das schnell auf“
Rolf Dieter Brinkmann und die Suche nach dem Unmittelbaren

Von Norbert Hummelt

Sonntag, 12.04.2015, 14.05 Uhr, SWR2

Vielleicht sei es ihm “manchmal gelungen, Gedichte einfach genug zu machen, wie Songs, wie eine Tür aufzumachen, aus der Sprache und den Festlegungen raus”, schrieb Rolf Dieter Brinkmann zu seinem letzten Gedichtband Westwärts 1 & 2, der im Mai 1975 posthum erschien. Kurz zuvor war der gerade 35-jährige Dichter in London von einem Bus überfahren worden. Der Versuch, unmittelbar an die Dinge, an den Augenblick, an das Leben heranzukommen, zeichnete sein Schreiben von Beginn an aus. Dazu entwickelte er die Snap Shots, ganz kurze Gedichte, die sich fotografisch an den Moment heften. Kommen wir heute, 40 Jahre nach Brinkmanns Tod, noch an die erloschenen Augenblicke heran? Was empfinden wir, wenn wir seine Stimme hören wie in seiner letzten Aufnahme, die kurz vor seinem Tod in Cambridge aufgezeichnet wurde? Finden wir in seinen Gedichten noch eigene Erfahrungen oder sind sie schon weit abgerückt?

 

Radiotipps für die Woche vom 29. März bis 5. April 2015

Mittelamerikanischer Exodus
Wenn Kinder nur noch weg wollen

Von Erika Harzer

Dienstag, 31.03.2015, 19:15 Uhr, DLF

Sie kommen aus Guatemala, El Salvador und Honduras. Sie sind Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene und durchqueren alleine Mexiko. Eine mörderische Route, die sie nur mit viel Glück unversehrt hinter sich bringen können, ohne dabei in die Hände von Drogenkartellen, Entführern, Menschenhändlern oder auch der Migrationspolizei zu gelangen.

All die Gefahren halten sie nicht davon ab, sich auf den Weg zu machen. Zu Hunderten sitzen sie dicht gedrängt auf Dächern von Güterzügen und hoffen täglich aufs Neue, ihr Ziel zu erreichen. Die USA. Dort glauben sie, ein Leben leben zu können, dass ihnen mehr bietet, als der gewalttätige Alltag, den sie in ihren Heimatländern erlitten haben. Doch Präsident Obama erwägt angesichts des Ansturms Minderjähriger eine Gesetzesänderung, um diese Kinder schneller abschieben zu können. Die Heimatländer gelten nicht als Kriegsregionen und doch sind sie Ausgangspunkt des Exodus. Die Geschichte der Kinder einer vergessenen Region, die Geschichte einer humanitären Katastrophe.

Es brummt

Von Beate Mayer

Mittwoch, 01.04.2015, 00:05 Uhr, DR Kultur

Der mysteriöse Tiefton, den nur wenige Menschen hören können, ist ein Rätsel – weder Quelle noch Ursache sind bisher bekannt. Die Autorin Beate Mayer begab sich auf die Suche nach dem Brummton. Es wurde eine Reise in die Welt der tiefen Töne.

“Das Bett vibriert, das Kopfkissen brummt, das Herz rast und der Blutdruck erhöht sich. Es hört sich an, als brumme im Keller ein Kühlschrank.” So beschreibt einer von 900 Brummton-Betroffenen in Deutschland sein Leiden, das ihm seit Jahren den Schlaf raubt.

Den mysteriösen Tiefton hören nur wenige Menschen. Das ist ein Rätsel, denn weder Quelle noch Ursache des Phänomens sind bisher bekannt. Wohl aber die Wirkung, die niederfrequente Töne auf den menschlichen Organismus haben, obwohl man sie nicht bewusst wahrnimmt.

Die Autorin begab sich auf die Suche nach dem Brummton. Aus der Recherche wurde eine Reise quer durch die Republik und in die Welt der tiefen Töne, die alles andere als ungefährlich ist.

Die Stadt, der Cop, die Fehlurteile
Justizskandal in New York

Von Simone Hamm

Mittwoch, 01.04.2015, 22.03 Uhr, SWR2

In den 80er-Jahren war New York die Hauptstadt der Kriminalität. Drogenhändler beherrschten die Straße, Morde waren an der Tagesordnung. Die Polizei brauchte dringend Erfolge und Detektive Louis Scarcella lieferte sie. Er brachte Mörder gleich dutzendweise auf die Anklagebank. Die Staatsanwälte glaubten ihm gerne, dass Augenzeugen gleich mehrere Morde gesehen haben wollten, fiel ihnen nicht auf und niemand fragte, warum etliche Angeklagte auf ihrer Unschuld beharrten. Sie wurden verurteilt und erhielten langjährige Haftstrafen. New York schien wieder sicher. Nach über 20 Jahren stellt sich heraus, dass viele unschuldig im Gefängnis saßen. Über 70 Fälle werden jetzt neu aufgerollt, die ersten Häftlinge wurden inzwischen freigelassen. Wie konnte es dazu kommen? Verurteilte kommen zu Wort, Anwälte, Politiker und Bürgerrechtler, die zu erklären versuchen, wie Fehlurteile in diesem Ausmaß überhaupt möglich waren. Es zeigt sich: Louis Scarcella ist nur Teil eines sehr viel größeren Problems.

Elser

Hörspiel von Fred Breinersdorfer

Freitag, 03.04., 20.03 Uhr, SWR2 Hörspiel am Sonntag

Es fehlten 13 Minuten, die die Weltgeschichte ändern und Millionen Menschenleben hätten retten können. Doch Adolf Hitler verließ die Kundgebung im Münchner Bürgerbräukeller an diesem 8. November 1939 zu früh. Er wollte schnellstens zurück nach Berlin, konnte aber nicht fliegen, weil Nebel herrschte. Erst im Sonderzug erreichte ihn und seine Paladine die Nachricht, dass der Ort, an dem sie noch kurz zuvor des ›Marschs auf die Feldherrenhalle‹ gedacht hatten, durch eine Bombenexplosion zertrümmert worden war.

»Wir alle sind wie durch ein Wunder dem Tode entronnen«, schrieb Goebbels in sein Tagebuch. Die Vorsehung habe den »Führer« gerettet. Er stehe, so pries die Propaganda, »unter dem Schutz des Allmächtigen« und werde erst sterben, »wenn seine Mission erfüllt ist«.

Georg Elser, der Attentäter, der die heraufziehende Katastrophe des Zweiten Weltkriegs früher als viele andere erkannt und durch Tyrannenmord hatte verhindern wollen, war dem Leiter der Kripo Arthur Nebe und Gestapo-Chef Heinrich Müller in Berlin überstellt worden. Nach brutalen Verhören gestand er schließlich. Doch die Nazis glaubten nicht, dass dieser einfache Schreiner aus dem schwäbischen Königsbronn allein gehandelt haben konnte. Sie hielten ihn für ein Werkzeug des englischen Geheimdienstes. Für einen Schauprozess ließ man Elser noch jahrelang im KZ am Leben. Erst kurz vor Kriegsende wurde er auf Befehl Hitlers in Dachau ermordet.

Das Hörspiel über den Hitler-Attentäter entstand in Abstimmung zwischen den Redaktionen Fernsehfilm und Hörspiel des Südwestrundfunks. Erfolgreich zusammengearbeitet hatten sie zuletzt beim großen »Rommel«-Film des SWR. Diesmal stand die Kino-Koproduktion »Elser« am Anfang, in der Oliver Hirschbiegel Regie führt. Drehbuchautor Fred Breinersdorfer schrieb für das Hörspiel eine neue, eigenständige Version. Seine wichtigste historische Quelle waren die Gestapo-Protokolle, die, bis auf wenige Ausnahmen, allerdings nicht den Wortlaut der Verhöre wiedergeben, sondern als Zusammenfassungen der Protokollanten in der Sprache der Nazis gehalten sind. Im Unterschied zum Film wählte Breinersdorfer vor allem die Innenperspektive Elsers, um den minutiös geplanten An-schlag und seine Hintergründe zu schildern. In Rückblenden, andrängenden Erinnerungen und im inneren Monolog werden die Überzeugungen und Motive, aber auch die Zweifel des Attentäters deutlich.

Auf dem Weg nach Çankiri
Der Komponist und der Völkermord

Von Daniel Guthmann

Freitag, 03.04.2015, 20:05 Uhr, DLF

Am 24. April 1915 werden in Konstantinopel mehr als 220 Armenier festgenommen und in den folgenden Tagen ins Landesinnere nach Çankiri deportiert. Der Vorwurf lautet: Hochverrat. Zu den prominenten Gefangenen gehört einer der berühmtesten armenischen Künstler: der Komponist und Priester Komitas Vardapet.

Die Verhaftungen bilden den Auftakt zum ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts. Zwischen 1915 und 1917 bringen die Türken schätzungsweise 1,5 Millionen Armenier im Osmanischen Reich um. Obwohl Komitas zu den Überlebenden der Deportationen gehört, zerbricht er aus Verzweiflung über das Leid seiner Nation.Die letzten 20 Jahre seines Lebens verbringt er in psychiatrischen Anstalten in Konstantinopel und Paris.

Das Feature erzählt mit Hilfe von Auszügen aus unveröffentlichten Originalquellen, Krankenakten und armenischen Zeitzeugenberichten, und macht deutlich, was der Leidensweg des Komponisten für die Armenier von heute bedeutet.

Die Liebe zum Standard
Feldforschungen in der Welt der Kaninchenzüchter

Von Jörn Klare

Samstag, 04.04.2015 um 18:05 Uhr

Jörn Klare war schon in fast aller Welt und an beinahe jedem Krisenherd. Jetzt aber führen ihn seine investigativen Recherchen in eine besonders exotische Welt: das Universum der deutschen Kaninchenzüchter.

Das Wenige, das man über sie weiß, stammt aus dem Lokalteil der Zeitung. Dort, wo angeblich jeder Reporter mal angefangen hat (um möglichst schnell weg- und weiterzukommen), erschließt sich dem Autor ein vielfältiger Kosmos mit komplexen Regeln und Gebräuchen.

Allen voran: der “Standard”, der buchstäblich Kaninchen haarklein festschreibt, was ein schönes Kaninchen von einem weniger schönen unterscheidet. Die Kleintierwelt als Großmetapher. Jörn Klare hat auch versucht, mit den Kaninchen selbst zu sprechen.

„Es muss doch schön sein“
Paul Kuhn – vom Wunderkind zur Jazzlegende

Von Nadja Mayer

Sonntag, 5. April 2015, 18:05 Uhr, hr2

Als die Alliierten während des zweiten Weltkriegs in der Normandie landeten, saß der Sechzehnjährige mit fünf Revuegirls in einem Schnellboot Richtung Brest, während über ihren Köpfen die Bomben flogen. Er spielte nach dem Krieg in den Clubs der GIs und auf dem ersten Deutschen Jazzfestival in Frankfurt am Main. Schon bald aber versprach er: “Ich spiele alles, was Sie hören möchten” und sang mit weicher Stimme und ernster Miene vom “Mann am Klavier”. Es sollte die Hymne der Nachkriegsjahre werden. In den 1970er Jahren machte er das Tanzorchester des SFB zu einer Big Band von Weltruhm und fing noch einmal bei null an, als die Ära der Band jäh zu Ende ging.

Paul Kuhn, der mit seiner Musik immer lieber Menschen unterhalten, als Kritiker begeistern wollte, pflegte ein konsequentes Desinteresse an Einteilungen in E- und U-Musik, in Jazz und Schlager. “Es muss doch schön sein”, lautete sein Credo, mit dem er zumindest in den Feuilletons lange Zeit auf Unverständnis stieß. Erst spät kehrte er zu seinen musikalischen Wurzeln zurück und fand endlich auch als Jazzpianist gebührende Anerkennung. Das Feature zeichnet das facettenreiche Leben von Paul Kuhn nach, der 2013 im Alter von 85 Jahren gestorben ist.

 

Radiotipps für die Woche vom 22. bis 29. März 2015

Bis Zurawlów probt den Aufstand
Ein polnisches Dorf im Streit mit der Fracking-Industrie

Von Martin Sander

Dienstag, 24.03.2015, 19:15 Uhr, DLF

Kaum ein Land in Europa hat so auf Schiefergas gesetzt wie Polen in den vergangenen Jahren. Experten wollten in Ostpolen riesige Vorkommen ausgemacht haben, in Warschau feierte man die künftige Unabhängigkeit von Gazprom. Westliche Energiekonzerne spekulierten auf Gewinn und viele Menschen in der Provinz auf gut bezahlte Arbeitsplätze. Die Einwohner von Żurawlów aber waren von Beginn an zutiefst skeptisch.

Seit vor zwei Jahren Vertreter von Chevron mit allerlei Versprechen, doch ohne Genehmigung der Behörden in ihrem malerischen Dorf erschienen, herrschte Aufruhr. Man fürchtete eine Verunreinigung des Grundwassers und den Verlust von Grund und Boden. “Wir lassen uns nicht noch einmal vertreiben!”, lautete eine Parole, die auf die Zwangsumsiedlungen der Bewohner im Zweiten Weltkrieg anspielt.

Eigensinnig widerständisch verbündeten sich katholische Patrioten mit international versierten Aktivisten. Nach Monaten des Protests verschwand das Gerät vom Testfeld – nachts, spurlos, ohne Erklärung. Ein alter Bauwagen, das Winterquartier der Protestler ist stehen geblieben – nicht nur als Museum des Widerstands, sondern auch für den Fall, dass Chevron wiederkommen sollte.

„Das Verschwinden der Natalia Aschenbrenner“
Hörspielserie in sechs Folgen

Von Friedrich Ani

„Der Anruf“, Folge 1, Dienstag, 24. März 2015, 19.20 Uhr, SWR2

Wovon “Tatort”-Fans und Tourismusmanager zwischen Bad Wildbad und Freiburgträumen, das ist beim Kulturradio SWR2 demnächst Realität: eine eigene Krimi-Serie aus dem Schwarzwald! Denn zum ersten Mal muss der eigenbrötlerische Privatdetektiv Tabor Süden, für den Friedrich Ani (Deutscher Krimipreis) bereits mehrere Romane und Originalhörspielegeschrieben hat, im Südwesten eine vermisste junge Frau aufspüren. Die sechsteilige Hörspielserie „Das Verschwinden der Natalia Aschenbrenner“ führt den wortkargen Spurensucher aus München in die dunkelsten Ecken des Schwarzwalds. Zwischen dem eleganten Kurort Baden-Baden und dem abgelegenen Dorf Henkersbach gerät er immer tiefer in den Sog einer düsteren Welt. SWR2sendet die 25-minütigen Folgen jeweils dienstags, 24. März bis 28. April2015, um 19.20 Uhr. Auf der Suche nach der vermissten Maskenbildnerin Natalia Aschenbrenner tritt Tabor Süden (Klaus Spürkel) auf die Köchin Eloise Valéry, die seit Jahren alleine in einem heruntergekommenen Hotellebt. Was Süden nicht weiß: Zwei Männer sind nach Henkersbachzurückgekehrt, mit denen die Köchin Geheimnisse aus der Vergangenheit teilt. Doch während Süden längst vergangenen Verbrechen auf die Spur kommt, bleibt die verschwundene Natalia unauffindbar und der Ermittler wird selbst zum Gejagten… Die beeindruckende Radio-Stimme von Tabor Süden gehört übrigens dem Freiburger Schauspieler Klaus Spürkel (Theaterbühne “KUMEDI”,”Tatort” Stuttgart 1995–2007, “Laible und Frisch”, “Die Fallers” etc.)

Weitere Sendetermine:
„Der Fremde“, Folge 2, Dienstag, 31. März 2015, um 19.20 Uhr
„Die Lügnerin“, Folge 3, Dienstag, 7. April 2015, um 19.20 Uhr
„Das Schattenhaus“, Folge 4, Dienstag, 14. April 2015, um 19.20 Uhr
„Der Abgrund“, Folge 5, Dienstag. 21. April 2015, um 19.20 Uhr
„Südens End“, Folge 6, Dienstag, 28. April 2015, um 19.20 Uhr
Alle Folgen gibt es nach der Ausstrahlung auch zum Herunterladen aufwww.SWR2.de/hoerspiel.

Letztes Wochenende
Grenzerfahrungen einer verlorenen Generation in Franken

Von Jonas Heldt

Mittwoch, 25.03.2105, 00:05 Uhr, DR Kultur

“Gleichwertige Lebensbedingungen” – das verspricht die bayerische Staatsregierung im fernen München. Im Nordosten Bayerns, an der Grenze zu Tschechien, sieht die Realität anders aus. Marge will als frische Abiturientin nach Berlin, sie flüchtet sich von Wochenende zu Wochenende, von Rausch zu Rausch.

Ihr Begleiter Keksi tut sich mit der Arbeitssuche schwer als Skinhead und Bürgerschreck. Denn Perspektiven sind rar im Grenzgebiet. Auf der tschechischen Seite dieser Grenze mitten im neuen Europa treibt sich Roman herum, Crystal Meth ist sein Begleiter. Neben einem Motocross-Platz für die Deutschen baut er sich ein Baumhaus im Drogenwald.

Kinder am Ende des Lebens
Über Palliativmedizin und Sterbehilfe

Von Karla Krause

Mittwoch, 25.03.2015, 22.03 Uhr, SWR2

Die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe auch für Minderjährige hat nicht nur die belgische Gesellschaft aufgewühlt. Dabei sind Eltern unheilbar erkrankter Kinder immer wieder vor existentielle Entscheidungen gestellt, die ihnen auch ein Gesetzgeber nicht abnehmen kann: Denn ob ein Kind wiederbelebt, operiert, beatmet, künstlich ernährt werden soll, kann über Leben oder Tod entscheiden. Eine Abwägung, die Eltern häufig überfordert. Im Kinderhospiz Sonnenhof unterstützt ein Palliativteam von Ärzten, Pflegern und Therapeuten betroffene Familien – weit über die medizinische Betreuung hinaus. Es hilft bei Entscheidungen und bemüht sich um die Lebensqualität von todkranken Mädchen und Jungen und die liebevolle Begleitung von Sterbenden. Kann eine solche Versorgung die aktive Sterbehilfe bei Kindern überflüssig machen?

Hip-Hop und Heavy Metal
Die verborgenen Hochkulturen

Von Jörg Scheller

Freitag, 27.03.2015, 20:10 Uhr, DLF

Während sich die Sensationsmedien bevorzugt Sexismus und Gewaltverherrlichung im Gangsta-Rap oder Satanismus und rechtem Gedankengut im Heavy Metal widmen – die es fraglos auch gibt – geht es in dieser Sendung darum, das wachsende progressive und emanzipatorische Potenzial der Szenen auszuloten. So schöpfen Metal-Musiker aus dem Erbe der Klassik, die Songtexte von Rappern werden in Anthologien veröffentlicht. Virtuose Math-Core Bands wie The Dillinger Escape Plan knüpfen an die Komplexität des Jazz an.

Liebe und andere Zwischenfälle
Vom Erwachsen-Werden mit dem Down-Syndrom

Von Helmut Kopetzky

Samstag, 28.03.2015, 18:05 Uhr, DR Kultur

Kleine Kinder mit dem “Down-Syndrom” sind überwältigend in ihrer Zuneigung, Mittelpunkt jedes Kindergeburtstags. Aber wie geht es weiter in ihrem Leben? Jeder zehnte Mensch mit “Trisomie 21” erreicht heute das 70. Lebensjahr.

Petra und Sven sind 27 bzw. 30 Jahre alt. Petra hat sich in Sven verliebt. Fast täglich telefonieren sie miteinander. Die beiden reden von Hochzeit. Mehrmals haben sie bereits gemeinsam die Nacht verbracht. Svens Eltern sind noch skeptisch, Petras Eltern befürworten die Verbindung. Die ungewöhnliche Liebesgeschichte spiegelt auch die Diskussion um “Normalität”, die Autonomie “Behinderter”, Fortpflanzung und genetische Risiken.

Zwischen Aragaz und Ararat
Eine Reise mit der Autorin Katerina Poladjan nach Armenien

Von Andreas Kebelmann und Robert Schmidt

Sonntag, 29.03.2015, 14.05 Uhr, SWR2

Drei Anfänge. New York 2010. Moskau 1973. Berlin 2014. So könnte der Roman von Katerina Poladjan beginnen. Der Großvater starb Anfang der 70er-Jahre kurz nach ihrer Geburt in Moskau, die Großmutter fast 30 Jahre später in New York. Über ihren Vater bekommt die Autorin einige alte Fotos, ein Tonband und einen armenischen Namen: Poladjan. Die Familiengeschichte geht zurück bis ins Jahr 1915 nach Ordu an der anatolischen Schwarzmeerküste. Die Spurensuche führt weiter – über Kontinente und Jahrhunderte. In Jerewan im Matenadaran-Institut, dem Zentralarchiv für armenische Handschriften, endet die Reise und beginnt die Geschichte.

 

Radiotipps für die Woche vom 16. bis 22. März 2015

Die Tauben vom Hauptbahnhof
Psychologie eines Sehnsuchtsortes

Von Rainer Schildberger

Freitag, 20.03.2015, 20:10 Uhr, DLF

Bettler und Obdachlose, die Hast der Berufstätigen und die Träume der Wartenden. Der Bahnhof ist Sinnbild für das Etappenhafte, das Bruchstückhafte, das Fragmentarische, die Instabilität, aber auch für die Bewegung unseres Lebens. “Die Mysterien finden am Hauptbahnhof statt”, dieser Satz von Joseph Beuys ist Ausgangspunkt und zentraler Fokus des Features.

Gemeint ist, dass Erkenntnisse über den Sinn des Lebens auf der Straße zu finden sind. Besonders am Hauptbahnhof als Nukleus und exemplarischer Ort des Geheimnisses. Der Autor geht hinein in die ergebnisoffenen Situationen, die der Bahnhof bietet. Er trifft Menschen, die einfach nur sitzen und schauen und andere, die herumfahren müssen, weil sie es Zuhause nicht aushalten. Und dann ist da noch die Taube hoch oben in der gläsernen Kuppel. Sie kennt jeden, sie sieht alles. Sie erzählt von den Banalitäten und Besonderheiten eines Sehnsuchtsortes.

Erfahrung und was daraus folgt

Von Martina Groß

Mittwoch, 18.03.2015, 00:05 Uhr, DR Kultur

Er gilt als der “Vater der Beatgeneration”, auch wenn er diese Einordnung nicht mochte. Alle kamen sie zu den legendären Freitags-Soireen in den 50er-Jahren. Als Anarchist und Bohemien schlug er eine Brücke zur Arbeiterbewegung und zum frühen Jazz Chicagos.

Als Buddhist und Übersetzer japanischer und chinesischer Dichtung brachte er die asiatische Ideenwelt den Amerikanern näher. Spirituelle Erfahrung und Religion waren für ihn nichts, an das man glaubt, sondern etwas Praktiziertes. Auch wenn Kenneth Rexroth (1905-1982) heute ein fast vergessener Dichter ist: Er stand am Anfang der vielen Formen asiatischer Spiritualität, die die Autorin auf ihrer Reise entlang der Westküste der USA gefunden hat.

Die gekaufte Stadt
Serge Dassault und das politische Business in Frankreich

Von Margit Hillmann

Mittwoch, 18.03.2015, 22.03 Uhr, SWR2

Die französische Arbeiterstadt Corbeil-Essonnes bei Paris galt lange als uneinnehmbare Hochburg der Kommunistischen Partei. – Bis Mitte der 1990er-Jahre ein konservativer Politiker das Rathaus eroberte: Flugzeugbauer Serge Dassault. Der Großindustrielle hatte versprochen, die Stadt auf Erfolgskurs zu bringen. Heute – 20 Jahre später – steht Corbeil-Essonnes für eine der dreistesten Korruptionsaffären Frankreichs: Dassault soll seine Wahlerfolge in der Stadt nach Mafia-Manier und mit Millionenbeträgen erkauft haben. Das Feature spürt die Mechanik des System Dassault auf und leuchtet die Hintergründe eines Skandals aus, dessen Ausmaße erst nach und nach ans Tageslicht kommen.

Der letzte Mensch
Wie wir überleben, wenn wir überleben

Von Thomas Palzer

Samstag, 21.03.2015, 14.00 Uhr, Bayern 2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

“Die globale Welt ist heute so beschaffen, dass es irgendwann einen großen Knall geben wird”, sagt der Philosoph Slavoj Žižek.
“Aber erst wenn wir das als unausweichliches Schicksal akzeptieren, können wir auch wirklich etwas dagegen tun.” Und wir tun etwas. Wir kümmern uns ums Überleben. In Gedanken sind wir alle längst dabei, das Ende der Zivilisation zu imaginieren und uns darauf mental vorzubereiten. Und wer etwa eine Großstadt besucht, der kann den Eindruck gewinnen, dass immer mehr Menschen den Ernstfall auch wirklich proben. Studios wie CrossFit werben damit, das härteste Workout der Welt anzubieten. Hier werden ganz gewöhnliche Stadtbewohner zu Gladiatoren, Elitesoldaten und Überlebenskämpfern ausgebildet – und auf größte physische Herausforderungen und Notfälle vorbereitet. In den USA nennt man diesen Trend Sufferfest – Leidensfest. Angesichts der zahllosen Krisen, die die Gegenwart erschüttern – neue Seuchen, Flüchtlingskrisen, Syrien, Ukraine, der IS, der neue autoritäre Kapitalismus, aber auch die üblichen Verdächtigen wie Versorgungskrisen, Überbevölkerung usw. – scheint die Angst vor dem “Einbruch des Realen” (Slavoj Žižek) zu wachsen. Wir fühlen uns vom kommenden Klimakrieg bedroht, von sich anbahnenden ökonomischen, ökologischen und politischen Krisen, von der drohenden Verdunkelung der Erde; von neuen Seuchen, vom Zusammenbruch der “Systeme” und von der übersteigerten Selbstermächtigung des Menschen. Wir lieben es, die Zukunft als Desaster zu denken.
Das Feature will die Geschichte der Gegenwart schon mal probeweise zu Ende erzählen und befragt dazu Menschen, die sich auf den Ernstfall vorbereiten.
Welche Art Zukunft liegt eigentlich vor uns – und: Können wir diese überleben? Was täten wir, wenn der Supermarkt an der Ecke nach Panikkäufen leergeräumt wäre? Und: Sind unsere sozialen Beziehungen belastbar – in einer möglichen Krise?

Drei Schwestern und ein Downsyndrom
Inszenierung von Familienbeziehungen

Von Annika Erichsen

Samstag, 21.03.2015, 18:05 Uhr, DR Kultur

Elisabeth ist arbeitslos, Christina ist Single und Theresa ist behindert. So kann man die drei Schelhas-Schwestern beschreiben. Es geht aber auch anders: Elisabeth will die Größte, Schönste, Stärkste sein, Christina fühlt sich zu kurz gekommen und Theresa steht mit beiden Beinen im Leben.

Oder: Erstgeborene, Sandwichkind und Nesthäkchen. Welche Beschreibung ist am Treffendsten? Die drei inzwischen erwachsenen jungen Frauen stehen gemeinsam auf einer Theaterbühne, um herauszufinden, wer welche Rolle im echten Leben spielt. Und wie frei sie ihren Lebensentwurf tatsächlich wählen können.

Artisten (3/)
Peggy Traber – Fallhöhe

Von Judith Fehrenbacher

Sonntag, 22.03.2105, 15.04 Uhr, SWR2

Peggy Traber ist Hochseilartistin. Eine aus der großen Artisten-Dynastie der Trabers, die seit 1799 ununterbrochen auf dem Seil unterwegs sind. Doch Peggy Traber gehört nicht zum glamourösen Familienzweig, der in Baden ansässig ist, sondern zu einer östlichen Linie, die in der DDR und der Sowjetunion Karriere machte. Eine seltene Karriere im Sozialismus: auf schmalem Draht in hoher Luft. Natürlich gehen auch ihre drei Töchter aufs Seil. Gefallen ist Peggy Traber erst Jahre nach der Wende – als sie sich in ihren Schwiegersohn in spe verliebte. Familienkrieg, Finanzprobleme. Schließlich landete sie ganz unten – im Gefängnis. Doch nun ist sie frei und will wieder rauf. Und rauf kann für sie nur bedeuten: auf’s Seil. “Das Leben ist ein Hochseilakt”, sagt sie. Und sie ist die einzige, die das sagen kann, ohne dass es eine abgedroschene Metapher ist.

Weder schwarz noch weiß:
Asiatische Einwanderer in den USA

Von Jane Tversted und Martin Zähringer

Sonntag, 22. März 2015, 18:05 Uhr, hr2-kultur

Amerika ist seit seiner Entdeckung durch Europäer eine Zone der Einwanderung, und die transatlantische Verbindung ist Grundlage unseres Amerikabildes. Fast unbekannt ist dagegen die pazifische Seite der Einwanderung nach Amerika.

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts erreichen Millionen Menschen den Kontinent über den Pazifik, und heute beträgt ihr Anteil in Städten wie Los Angeles, San Francisco, San Jose oder Seattle bis zu 30 Prozent der Bevölkerung. Ihre Lage wird zuweilen mit dem Begriff der “Model Minority” beschrieben, einer “besseren” Minderheit, die den American Way of Life durch Anpassung und Leistungsbereitschaft schafft.

Aber ist das die ganze Wahrheit? Seit den 1960er Jahren kämpfen die Asian Americans um gesellschaftliche Anerkennung und politische Mitbestimmung. Heute ist in San Francisco der Bürgermeister asiatischer Herkunft, fünf von elf der gesetzgebenden und vom Volk gewählten Verwaltungsräte / Supervisors ebenfalls. Jane Tversted und Martin Zähringer gehen den Spuren der Asian Americans in der Bay Area nach, es entsteht der Lagebericht einer etwas anderen Migration.