Radiotipps für die Woche vom 18. bis 24. Mai 2015

Über die Organisation einer Willkommenskultur

Von Ralph Gerstenberg

Dienstag, 19.05.2015, 19:15 Uhr, DLF

Im November 2013 wurde im Berliner Bezirk Pankow ein neues Flüchtlingsheim in Betrieb genommen. Befürchtete Proteste blieben weitestgehend aus, da das Bezirksamt unter dem Motto “Wir in Pankow – tolerant und weltoffen” eine Informationsoffensive aufgelegt hatte, mit der Anwohner von Anfang an für das Projekt gewonnen werden konnten.

Bei Ankunft der Asylbewerber waren die Lagerräume des Heimes mit Sachspenden prall gefüllt. Ein Unterstützerkreis hatte sich gebildet, der sich unter dem Slogan “Refugees welcome” mit den Flüchtlingen solidarisierte, Deutschkurse organisierte, Kinder betreute, bei Amtsgängen behilflich war. Gelegentliche Versuche, Stimmung gegen das Heim zu machen, verebbten bald.

Die Bürgerinitiative hingegen hält bis heute an. Am Beispiel des Pankower Asylbewerberheimes geht das Feature der Frage nach, wie in einem Stadtteil eine Willkommenskultur für Flüchtlinge geschaffen werden kann und wie daraus ein nachhaltiges Engagement in der Flüchtlingsbetreuung entsteht.

Ai Weiwei. Verdächtiger #1.7
Chinas Künstler und Dissident

Von Peter Moritz Pickshaus

Mittwoch, 20.05.2015, 00:05 Uhr, DR Kultur

Im Westen ist der chinesische Konzeptkünstler Ai Weiwei ein Megastar, in China wird er rund um die Uhr überwacht. Die chinesische Regierung wirft dem Künstler, Blogger, Architekten und Filmemacher Steuerhinterziehung und Pornografie vor. Bei seiner Verhaftung 2011 wird Ai Weiwei ein Sack mit der Aufschrift “Verdächtiger #1.7” über den Kopf gestülpt.

Der Westen bewundert seinen Kampf für Gedankenfreiheit und Demokratie. Für seine offene Kritik am Regime droht ihm erneut die Verhaftung.

Im Rahmen der Biennale in Venedig 2013 und in seiner bisher größten Werkschau im Martin-Gropius-Bau 2014 in Berlin zeigte Ai Weiwei eine Nachbildung der Gefängniszelle, in der er seine 81-tägige Haft absaß.

Der Autor hat Ai Weiwei in seiner überwachten Wohnung in Peking besucht.

Abzocke im Schatten der Freizügigkeit
Über mafiöse Geschäfte mit Leiharbeitern in der EU

Von Dominik Bretsch

Mittwoch, 20.5.2015, 22.03 Uhr, SWR2

Briefkastenfirmen in Slowenien haben sich darauf spezialisiert, Arbeiter aus Ländern wie Serbien, Bosnien oder Mazedonien nach Deutschland und in andere europäische Länder zu entsenden. Monatelang schuften sie dort auf Baustellen, ohne Geld zu bekommen. Schließlich müssen sie pleite in ihre Heimatländer zurückkehren. Die Hintermänner der Briefkastenfirmen dagegen kassieren von den deutschen Auftraggebern ab, melden Konkurs an und verschwinden von der Bildfläche. Kurz darauf gründen sie eine neue Firma und das Spiel beginnt von vorne. Möglich machen es Schlupflöcher in den EU Regelungen zur Freizügigkeit und die wirtschaftsliberale Haltung der slowenischen Regierung. Ein mafiöses System mit hohen Gewinnmargen und geringem Risiko. Tausende solcher betrügerischen Firmen existieren in Slowenien bereits. Die deutschen Auftraggeber interessiert das nicht, sie profitieren von den Dumpingangeboten. Ebenso der slowenische Staat, denn die vielen Schattenfirmen lassen die Wirtschaftsleistung des Landes gut aussehen.

Best of Mao, Hitler, Stalin
Diktatoren als empfindsame Künstler

Von Markus Metz und Georg Seeßlen

Freitag, 22.05.2015, 20:10 Uhr, DLF

Saddam Hussein schrieb Liebesromane, Muammar al-Gadafi verfasste Gedichte. Ob Hitler, Mao, Mussolini, Stalin oder Karadžić- diese Männer zählen nicht nur zu den größten Verbrechern der Menschheitsgeschichte, sie alle verstanden sich zugleich auch als Autoren.

Das Feature will indes nicht nur staunen über diese eigentümliche Mischung aus Kitsch, Naivität und Niedertracht; es ist mehr als eine Revue ihrer gruselig-komischen Werke. Vielmehr versucht es eine Beziehung herzustellen zwischen Schreiben und Tat, zwischen der Selbsterfindung durch anmaßende Kunst auf der einen und der mitleidlosen Gewalt ihrer Taten auf der anderen Seite. Für viele Tyrannen scheint die Poesie ein unverzichtbares Mittel der Selbstvergewisserung: Sie schreiben sich gewissermaßen eine Seele zu, um dann nur umso seelenloser zu handeln.

Die andere Stimme Amerikas
Das unabhängige Radionetzwerk “Pacifica”

Von Martina Groß

Samstag, 23.05.2015, 13:05 Uhr, BR2

“Hier ist KPFA. Dies ist unser erster Tag auf Sendung”: am 15. April 1949 ging in Berkeley das erste Hörer-finanzierte Programm der später landesweiten Rundfunk-Kette “Pacifica” auf Sendung. Ohne Werbung, dem friedlichen Dialog und der Meinungsfreiheit verpflichtet. Gestaltet von Sozialvisionären, Intellektuellen, Idealisten und Querdenkern. Heute sind es fünf Sender, die in über 65 Jahren immer wieder die Grenzen des Mediums Radio durchbrochen haben. Oft waren sie die ersten, die die amerikanischen Hörer über nationale und internationale politische Vorgänge informierten – und wichtige Reformen anmahnten. Pacificas Mikrophone sind bis heute die Megaphone für die Stimme des “anderen Amerika”. Inzwischen eine der letzten Bastionen amerikanischer Medienvielfalt, die immer wieder um ihr Überleben kämpfen müssen. Pacifica-Flaggschiffe wie Amy Goodman und ihre Sendung “Democracy Now!”, die im ganzen Land gehört wird ist eine der wichtigsten alternativen Stimmen im Land.
Martina Groß schreibt Radiofeatures über Politik, Kultur und Gesellschaft, häufig in den USA, manchmal vor der eigenen Haustür – in Berlin. Ihre Sendung über die KPFA Grande Dame des politischen Radios, Elsa Knight Thompson “Noch zehn Sekunden” hat 2010 den Juliane-Bartels-Medienpreis erhalten. In ihrer letzten Sendung “Wir sind wie Götter und wir könnten genauso gut werden wie sie”. (SWR/DLF 2014) erforschte sie die Geschichte der Hippies und des Cyberspace.

Abschied vom Dalai Lama
Die Zukunft des tibetische Kampfes für Unabhängigkeit

Von Peter Meier-Hüsing

Samstag, 25.05.2015, 18.05 Uhr, DR Kultur

Vor zwei Jahren hat sich der Dalai Lama von seinen politischen Funktionen verabschiedet und konzentriert sich seither auf seine Rolle als religiöses Oberhaupt der tibetischen Buddhisten. Die erste Generation Tibeter, die nach 1951 im Exil geboren und aufgewachsen ist, kennt das unabhängige Tibet nur aus Filmen, Büchern und Erzählungen.

Jetzt hat sie führende Positionen in der Exil-Community übernommen. Doch der kulturelle Graben zwischen den Exil-Tibetern und denen, die unter chinesischer Herrschaft leben müssen, wächst. Die kompromisslose Haltung der chinesischen Führung in der Tibet-Frage führt zu Verzweiflung und Radikalisierung. Vielen erscheint der gewaltlose Weg des Dalai Lama überholt. Aber was ist die Alternative?

„Vom Negev über Galiläa nach Jerusalem“
Eine Pilgerreise durch das Heilige Land

Ein Feature von Rainer Schildberger

Sonntag, 24. Mai 2015, 18:05 Uhr, hr2-kultur

Es ist das Pilgerziel schlechthin. Von dieser Landschaft geht seit Jahrhunderten ein Sog aus, der die Menschen zu den biblischen Stätten ins Heilige Land zieht.

Das ist ein Stück über Menschen, die befristet aus ihrem Alltag aussteigen, um sich auf die Spuren uralter Heilsversprechen zu begeben; in die überlieferte Welt der Zeichen, Wunder und Gleichnisse. Am See Genezareth, auf den Feldern und Hügeln der Bergpredigt, vor der Klagemauer, im Garten Gethsemane. Sie bringen Geschichten und Bilder mit, die sie seit der Kindheit aus der Bibel kennen. Endlich einmal dort stehen, wo sich alles abgespielt hat oder haben soll; die Magie der Orte erspüren, Gott erfahren.

Doch gibt es das alles überhaupt (noch) oder ist das nur ein frommer Wahn? Was hat diese Reise mit dem Leben in unserer Gegenwart zu tun? Eine Gratwanderung ist es allemal, lukrativ organisiert und genau überwacht von den christlichen Kirchen. Hier eine Art religiöses Disneyland, dort die reale Situation der Menschen im mühsam befriedeten Land. Mittendrin die Pilger mit dem eigenem, widersprüchlichem Erleben.