Radiotipps für die Woche vom 27. Juni bis 3. Juli 2016

Freihandelsabkommen CETA
“Goldstandard” oder Etikettenschwindel?

Von Peter Kreysler

Dienstag, 28.06.2016, 18.05 Uhr, DLF

Ein ratifiziertes Freihandelsabkommen CETA sei “eine exzellente Messlatte für TTIP”, meint Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Und die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland beschreibt den Vertrag als “globalen Goldstandard für progressive Handelsabkommen”.

Doch Kritiker warnen davor, dass ausländische Unternehmen Kanada und die EU-Mitgliedstaaten in Zukunft häufiger vor Schiedsgerichten verklagen werden. Daran ändere auch der vorgesehene Investitionsgerichtshof wenig. Skeptische Völkerrechtler betonen, erst im Kleingedruckten des CETA-Vertrages seien die Gefahren zu erkennen.

EU-Standards etwa für Chemikalien und Lebensmittel würden weiter unter Druck geraten. Trotz zahlreicher Proteste von Bürgern und Parlamenten in der EU drängt EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström auf einen Abschluss des Vertrages. Damit wird CETA zu einer weiteren Nagelprobe für die europäische Demokratie.

Reihe: Neues aus der Provinz
No Land Called Home – Rückkehr in die Provinz

Von Johannes Nichelmann

Mittwoch, 25.06.2016, 18:05 Uhr, DR Kultur

Die Hauptstraße: das Rathaus, die Polizeiinspektion, zwei Bäckereien, zwei Fleischereien, zwei Brunnen, ein Lottoladen. Willkommen in der Provinz. Von Berlin nach Bayern. Der Autor wird mit zwölf Jahren in einen Landkreis verfrachtet, in dem Vollbeschäftigung herrscht und die Stammtische über gut und böse richten.

Damals haben sich die coolen Leute aus der Klasse immer am Bauwagen getroffen um dort Kirschbier zu trinken und über Fußball zu reden. Der Autor war niemals eingeladen, denn er war der Zugereiste.

Zehn Jahre später kehrt er zurück in die Provinz und will wissen, warum ihm hier die Sache mit der Integration so schwer gefallen ist. Der Pfarrer gibt zu bedenken, dass wer in der Schule morgens nicht mitbeten will wissen sollte, wie so etwas in der Klassen-gemeinschaft ankommt. Der Klassenlehrer rät zu mehr Geduld und Humor und die  Schulfreundin empfiehlt, den Nachbarn erst einmal ein Helles in die Hand zu drücken.

Das Feature erzählt von den Schwierigkeiten der Integration und von den Brüchen, die durch Deutschland gehen.

Tod eines Neugeborenen
Eine Hebamme vor Gericht

Von Eva Schindele

Mittwoch, 29.06.2016, 22:03 Uhr, SWR2

An die 2000 Geburten hatte Anna R. in ihrer 35-jährigen Berufslaufbahn außerklinisch begleitet. Zudem war sie in der Lehre tätig. Da nur noch wenige Geburtshelfer wissen, wie sie ein Kind aus Beckenendlage auf natürlichem Wege entbinden können, wandte sich ein Elternpaar Hilfe suchend an die erfahrene Geburtshelferin. Weil ihr Kind tot zur Welt kam, spricht das Dortmunder Schwurgericht die Ärztin nach einem langwierigen Prozess des Totschlags für schuldig. Anna R. habe die Mutter nur deshalb nicht in ein Krankenhaus überwiesen, weil sie ihr berufliches Renommee nicht habe beschädigen wollen. Sie habe den Tod vorsätzlich in Kauf genommen. Bis zum Schluss versuchte Anna R. ihre Unschuld zu beweisen. Der Ablauf der Hauptverhandlung und die Urteilsbegründung lassen viele Fragen offen. Auch wenn der Vorsitzende Richter betont: “Dies ist kein Hexenprozess!”, werden in dem zwei Jahre dauernden gerichtlichen Verfahren nicht nur der Tod eines Neugeborenen verhandelt, sondern auch unterschiedliche Auffassungen geburtshilflicher Praxis: die Entbindungstechnik der Mediziner und die Geburtshilfe der Hebammen.

Ingredients of democracy
Der Traum von einem neuen Griechenland

Von Rainer Schildberger

Freitag, 01.07.2016, 20:10 Uhr, DLF

Sie sind Abenteurer im eigenen Land. Ohne Krankenversicherung und Aussicht auf Rente. Sie umarmen das Chaos und erfinden die Demokratie neu. Sie wissen, die Menüs der korrupten Eliten schmecken nicht länger. Sie fragen die Leute direkt: Was macht euch satt?

Und wisst ihr eigentlich, dass wir reich sind? Sie sagen: Unser Land ist fruchtbar. Jeder kann an der neuen Speisekarte mitwirken. Die Zutaten: Mut, Fantasie und vor allem Beharrlichkeit. Denn die falschen Köche regieren noch immer. Aber die können nicht mal ein Ei kochen. Sie stehen nur in der Küche, weil einer aus der Verwandtschaft das ermöglicht hat.

Wir brauchen neue Köche, die wissen, was unverdorben ist. Einen Minister für Geschmack. Und Küchen, in denen auch das Krumme, das nicht den EU-Normen entspricht, in den Topf kommt. So wird es sein. Das würde uns so schmecken, sagen die Abenteurer.

Die Alltäglichkeit des Unsichtbaren
Junge Roma in Europa

Von Elisabeth Putz

Samstag, 02.07.2016, 13:05 Uhr, BR2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Die Mehrheit der Slowaken bezeichnet Roma als integrationsunwillig. Die Mehrheit der Roma ruft ins Mikrofon, Slowaken seien Rassisten. Zwei Randpositionen einer komplexen Materie. Die Mitte wird dabei oft vergessen. Und so kommen viele Journalisten nach Lunik IX, einem der größten Ghettos Europas, um eine Safari zu machen. Sie bezahlen ein wenig Geld und Roma liefern Geschichten. Dieses Feature ist ein Versuch, hinter eine Klischeemauer zu blicken.

Stop Motion
25 Bilder die Sekunde und ein Leben
Der Animationsfilmer Heinrich Sabl

Von Barbara Leitner

Samstag, 02.07.2016, 18:05 Uhr, DR Kultur

Die Digitalisierung der Medien sei für sein Leben entscheidender als der Mauerfall, sagt Heinrich Sabl, ostdeutscher Animationsfilmer. Im Jahr 2000 begann er mit kleinem Budget an seinem Film “Memory Hotel“ zu arbeiten.

Die Puppen und Kulissen, jeder Lidschlag wird von Hand gestellt und analog fotografiert, 25 Bilder pro Sekunde. Nach sieben Jahren will er nur noch einzelne Sequenzen flüssiger gestalten. In der digitalen Produktionslogik wäre das schnell vollbracht, aber Sabl misstraut den “Pixel-Fabriken”. 2015 ist der Film fertig.

Glastonbury, Fairy Tales und die Nebel von Avalon

Von Gabi Schlag

Sonntag, 03.07.2016, 14:05 Uhr, SWR2

Wer sich dem südenglischen Städtchen Glastonbury nähert, um sich die berühmte Abtei anzuschauen, wird bald bemerken, dass er sich in einer wunderlichen Stadt befindet. Hier soll er gewesen sein, der Eingang in das sagenhafte Feenreich Avalon, das vielen aus den Avalon Roman von Marion Zimmer Bradley bekannt ist. Heute steht an ebendieser Stelle die Ruine einer Kapelle, Sinnbild dafür, dass das Christentum das Heidentum überwunden hat. Ganz in der Nähe soll er verborgen sein, der sagenumwobene Gral. Und das Grab von König Artus und seiner Guinifer befindet sich sozusagen um die Ecke. Vor allem aber soll sich hier ein Ort der Macht befinden, ein Ort an dem zwei Ley-Linien sich kreuzen. Heilige Linien, die diesen Platz zu etwas Außergewöhnlichem werden lassen und Neuheiden und Esoteriker aus der ganzen Welt anziehen. Wir begleiten die Esoterikerin Bernadette (im wahren Leben Chemikerin), die das Feen-Treffen besucht und ordnen das ganze Treiben in das hochaktuelle Phänomen des Neopaganismus, der Religion des Neuheidentums.

Jozi-Stories – Das Johannesburg der Künstler

Von Gaby Mayr und Günther Beyer

Sonntag, 3. Juli 2016, 18:05 Uhr, hr2

“Die Stadt ist meine Muse”, sagt Billie Zangewa, die aus Malawi nach Johannesburg kam und mit ihrer Textilkunst international Erfolg hat. Die Stadt mit dem Kosename Jozi inspiriert viele Künstler.

Dabei reflektieren sie oft ihre Erfahrungen in der Zeit der Apartheid. Die Fotografin Lebohang Kganye hat beim Market Photo Workshop im Johannesburger Zentrum ihre Kunst gelernt. Ihr Kollege Muntu 
Vilakazi porträtiert die Glitzerwelt der schwarzen Aufsteiger dieser Stadt. Der Schriftsteller Ivan Vladislavic, aus einer irisch-kroatischen Familie stammend, siedelt seine Geschichten unter den kleinen weißen Leuten im Johannesburger Stadtteil Troyeville an. Niq Mhlongo schreibt über Soweto, den Ort, an dem er aufgewachsen ist. Und William Kentridge? Der vielleicht bekannteste Künstler aus Jo’burg ist überzeugter Bürger der Stadt, aber selten zu Hause. Die Autoren besichtigten seine Studios – und treffen ihn schließlich in Amsterdam.

 

Radiotipps für die Woche vom 20. bis 26. Juni 2016

Die Schule von Trostenez
Über Erinnern und Vergessen in Belarus

Von Olga Kapustina

Dienstag, 21.06.2016, 19:15 Uhr, DLF

Trostenez war einer der größten Schauplätze von Massenmorden während des Zweiten Weltkriegs in Osteuropa. Lange Zeit blieb es ein weißer Fleck auf der Erinnerungskarte der Sowjetunion, später der Republik Belarus – Weißrussland.

In den 50er-Jahren war über den Leichen von Juden, die die Nazis in einem Wald neben dem Todeslager erschossen hatten, eine große Müllhalde errichtet worden.

Erst in den 70er-Jahren erforschten die Schüler von Trostenez die Geschichte des Ortes. Im Sinne der Staatsideologie pflegten sie die Erinnerung an die ermordeten “friedlichen sowjetischen Bürger” im kleinen Schulmuseum. Jüdische Opfer wurden nicht erwähnt.

Reihe: Neues aus der Provinz
Rückkehr nach Knokke
Eine Erfahrung aus dritter Hand

Von Jochen Wobser und Oliver Kobold

Mittwoch, 22.06.2016, 00:05 Uhr, DR Kultur

1984 macht der Künstler Martin Kippenberger eine Woche Urlaub im belgischen Seebad Knokke. Er schreibt auf, was er tut und erlebt (nicht viel) und übergibt seine Aufzeichnungen nach der Rückkehr der befreundeten Künstlerin Annette Grotkasten mit der Anweisung: alles in allen Details nachmachen.

Aus dem Spiel mit der Wiederholung ergibt sich eine künstlerische Versuchsanordnung. Wie verändert der zweite Blick das selbst Erlebte?

30 Jahre später unternehmen Oliver Kobold und Jochen Wobser dieselbe Reise – nun als Erfahrung aus dritter Hand.

Folterkammer Eritrea
Feature über die Finanzierung einer Diktatur

Von Bettina Rühl

Mittwoch, 22.06.2016, 22:03 Uhr, SWR 2

Sie wollen von Afrika über das Mittelmeer nach Europa, zur Not mit Fischer- oder Schlauchboot. Oft endet ihre Flucht in einer Tragödie und die meisten Opfer stammen aus Eritrea. Das Land gilt als das “Nordkorea” Afrikas. Zehntausende fliehen jährlich aus ihrer Heimat, Tausende wollen nach Deutschland, wo inzwischen eine der größten eritreischen Gemeinden Europas lebt. Schlepper führen die Menschen den gefährlichen Weg über den Sudan, die Sahara, an die 2000 km entfernte Mittelmeerküste nach Libyen. Und es werden immer mehr. Die EU will die Regierung mit Millionenbeträgen unterstützen, um den Exodus zu stoppen. Aber das Regime profitiert selbst von der Massenflucht und die eigenen Militärs betätigen sich angeblich als Schlepper und Schmuggler. Warum finanziert Europa eine Diktatur?

Eine ziemlich weite Reise nach Europa
Wie es sich in einer Kopie lebt

Von Tim Staffel

Freitag, 24.06.2016, 20:10 Uhr, DLF

Florenz gibt es zweimal. Paris auch, sogar mit Eiffelturm. Und Hallstatt, das österreichische Städtchen im Salzkammergut, das seine pastellfarbenen Hausfassaden so pittoresk an das Ufer des Hallstätter See geschmiegt hat, dass es dafür sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe ausgerufen wurde, gibt es auch noch einmal: als chinesische Stadtkopie.

Als detailgetreuen Klon in der südchinesischen Provinz Guangdong. Der Autor Tim Staffel reist nach China und besucht dort die maßstabsgetreuen Kopien europäischer Städte. Die Grundidee des Features ist, einmal maximal weit wegzureisen, um ausgerechnet von dort aus einen neuen Blick auf die Frage zu werfen: Was eigentlich ist Europa, oder was könnte es sein?

Der Autor wird den Alltag in diesen chinesischen Stadt-Kopien einfangen, sich von Planern und Bewohnern herumführen lassen. Dabei geht es auch um die Frage, wie Kopien funktionieren, wie es sich anfühlt, in einer zu leben, welche Rolle Individualität und Originalität für die chinesische Gesellschaft spielen und nicht zuletzt: was eigentlich das latent Unheimliche an künstlich erschaffenen Welten ist.

Reihe: Neues aus der Provinz
No Land Called Home – Rückkehr in die Provinz

Von Johannes Nichelmann

Samstag, 25.06.2016, 18:05 Uhr, DR Kultur

Die Hauptstraße: das Rathaus, die Polizeiinspektion, zwei Bäckereien, zwei Fleischereien, zwei Brunnen, ein Lottoladen. Willkommen in der Provinz. Von Berlin nach Bayern. Der Autor wird mit zwölf Jahren in einen Landkreis verfrachtet, in dem Vollbeschäftigung herrscht und die Stammtische über gut und böse richten.

Damals haben sich die coolen Leute aus der Klasse immer am Bauwagen getroffen um dort Kirschbier zu trinken und über Fußball zu reden. Der Autor war niemals eingeladen, denn er war der Zugereiste.

Zehn Jahre später kehrt er zurück in die Provinz und will wissen, warum ihm hier die Sache mit der Integration so schwer gefallen ist. Der Pfarrer gibt zu bedenken, dass wer in der Schule morgens nicht mitbeten will wissen sollte, wie so etwas in der Klassengemeinschaft ankommt. Der Klassenlehrer rät zu mehr Geduld und Humor und die  Schulfreundin empfiehlt, den Nachbarn erst einmal ein Helles in die Hand zu drücken.

Das Feature erzählt von den Schwierigkeiten der Integration und von den Brüchen, die durch Deutschland gehen.

This is not a love song
Die Geschichte von Nora Forster und Ari Up

Von Lorenz Schröter

Sonntag, 26.06.2016, 14.05 Uhr, SWR2

Eine betörende, blonde, junge Deutsche inmitten der brodelnden Londoner Clubszene der 70er-Jahre. Sie ist Vertraute von Jimi Hendrix, Freundin des Gitarristen und Sex Pistols-Produzenten Chris Spedding, frühe Förderin von Punk-Musikern, darunter Joe Strummer. Der gibt ihrer Tochter Ariane Gitarren-Unterricht. Als Ari Up wird sie später zur legendären Sängerin der Punk-Reggae-Band “The Slits”.
Doch wie wurde Nora Forster, Tochter eines schwerreichen und erzkonservativen Zeitungsbesitzers aus Schwaben, zur femme fatal der Punk-Szene und warum entwickelte sie sich zur rätselumwobenen Sphinx? Lorenz Schröter begibt sich auf die Spuren dieser ungewöhnlichen Frau und trifft zwischen Stuttgart und Kingston auf ehemalige Punk-Musiker, Rechtsanwälte, obskure Schlagerstars, noch mehr berühmte Punk-Musikerinnen und zwei Rasta-Zwillinge. Deren Stief-Großvater Jonny Rotten kommt übrigens nur am Rande vor.

 

Radiotipps für die Woche vom 13. bis 19. Juni 2016

“Wir sind es leid”
Die mexikanische Bürgergesellschaft wehrt sich

Von Peter B. Schumann

Dienstag, 14.06.2016, 19:15 Uhr, DLF

Mexiko ist in den vergangenen Jahren in einen Sumpf von Gewalt, Straflosigkeit und Korruption gesunken. Regierung und Parteien erweisen sich als unfähig, die Lage zu bessern. Viele Mexikaner halten sie für einen Teil des Problems. Sie sind es leid, immer wieder vertröstet und belogen zu werden, und haben begonnen, ihre Kritik und ihre Wut in großen Massendemonstrationen zu artikulieren. Eine Bürgergesellschaft hat sich – auch mithilfe der sozialen Netzwerke – zu wehren begonnen. Sie hat eigene Strukturen entwickelt und neue basisdemokratische Organisationen geschaffen. In ihrem Umfeld entstand eine Vielzahl von Medien, die ihre Aktionen und Programme verbreiten. Sie ist zurzeit die einzige politische Alternative im Krisenland Mexiko.

Happy Birthday! 500 Jahre Reinheitsgebot
Deutsche Reinheit, deutscher Durst
Ein Bierblues

Von Peter Schanz

Mittwoch, 15.06.2016, 00:05 Uhr, DR Kultur

Das Bayerische Reinheitsgebot wird 500 Jahre alt. Höchste Zeit, diesen Hopfen & Malz-Fundamentalismus zu hinterfragen: Was kommt wirklich rein ins Bier? Was fehlt ihm?

Verhindert der Abgrenzungsfuror eine Weiterentwicklung der Braukünste? Verliert das Deutsche Brauwesen aus Sturheit seine weltweite Anerkennung?
Von Flensburg bis zum Bodensee werden alte und neue Sudstätten heimgesucht, werden Brauer, Trinker und andere Spezialisten zu Wort gebeten.

Munition Gedicht

Von Helgard Haug und Thilo Guschas

Samstag, 18.06.2016, 13:05 Uhr, BR2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Die ägyptische Militärdiktatur ist zurück. Medien werden zensiert, Demonstrationen verboten. Aber die Verse sind noch auf der Straße. Poeten lesen ihre Gedichte im Internet und werden von Fernsehshows wie Popstars gefeiert. 2011 beflügelten Strophen des Hippiedichters Ahmed Fouad Negm den friedlichen Protest. Entstanden in politischer Haft in den sechziger Jahren. Eine Flaschenpost durch Jahrzehnte. Heute sitzen wieder zehntausende politische Gefangene ein, Islamisten wie Linke. Schmieden sie neue lyrische Munition, die durch Mauern geht? Über Kassiber korrespondiert das Autorenduo Helgard Haug und Thilo Guschas mit dem Dichter Omar Hazek, der einst vor Millionenpublikum die panarabische Castingshow “Prince of Poets” gewann. Eben noch saß er in Haft. Nun kommt er frei. Was beschwören aktuelle arabische Verse? Gehen sie neuen Taten voran – wie der Blitz dem Donner?

15 Mann auf des toten Mannes Kist Oder: Reif für die Schatzinsel

Von Ulrich Teutsch

Sonntag, 19.06.2016, 14:05 Uhr, SWR2

Ist das nicht Abenteuer pur – samt glücklichem Ende? Eine alte Schatzkarte beflügelt die Fantasie der Männer um den jugendlichen Helden Jim Hawkins. Kurzerhand rüsten sie ein Schiff aus, stechen in See, werden auf einer verwunschenen Insel fündig und bringen ihre reiche Beute heil nach England. Doch dann wird Jim von “grässlichsten Albträumen” heimgesucht. Denn das schöne Abenteuer blieb nicht ohne Blut und Leid, Schandtaten und Grausamkeiten. Heute werden Schatzsuchen gerne romantisiert, verklärt, überhöht. Das Glück des Schatzsuchers, heißt es, liege gar nicht darin, etwas zu finden, sondern darin, etwas gefunden zu haben, was er dann suchen kann. Die Suche selbst sei das Ziel, gebe dem Leben einen Sinn. Ist das wirklich so? Lehrt Stevensons Roman, lehrt die Realgeschichte der Schatzsuche nicht etwas ganz Anderes? Unterstützt von Jim Hawkins, Long John Silver und Captain Flint begibt sich Ulrich Teusch auf Erkundungsfahrt.

Der Mond ist aufgegangen
Die niemals endenden Geschichten vom Gefährten der Erde

Von Joachim Kalka

Sonntag, 19. Juni 2016, 18:05 Uhr, hr2

Anton Tschechow warnt seinen Bruder 1886 vor einer zu ausführlichen Beschreibung des Mondes in seiner Literatur. Er soll ihn auf keinen Fall groß am Himmel stehen lassen, es genügt, meint Tschechow, wenn eine Flaschenscherbe am Mühlenwehr in der Nacht aufblinkt, da hat man schon die Magie des Mondscheins.

Denn der Mond ist längst ein gefährlich abgenutztes Requisit der Landschaftsromantik geworden. Aber er darf auch nicht fehlen. Erst recht nicht in Comics. Hund Snoopy ist in Charles M. Schulz “Peanuts” noch vor der Nasa zum Mond gereist und auch Tim und Struppi sind bereits Mitte der 1950er Jahre auf diesem Planeten gelandet.

In alten Zeiten ist der Mond eine kühl-liebliche Göttin oder eine der sieben gravitätisch-schicksalhaften Figuren des großen Planetenballetts. Erst die wissenschaftlichen Fortschritte lassen evident werden, dass er leblos ist, leer, unheimlich. Von da an ist das leichenhaft Fahle, das beunruhigend Stumme des Mondes das andere große Register neben seiner schimmernden erotischen Verlockung – das Totenhafte widerspricht dem Eros. Ein Feature am Vorabend des Vollmonds.

 

Radiotipps für die Woche vom 06. bis 12. Juni 2016

Dann kam die Contra
Entführung deutscher “Aufbauhelfer” in Nicaragua

Von Erika Harzer

Dienstag, 07.06.2016, 19:15 Uhr, DLF

Eine Gruppe junger Deutscher wurde vor 30 Jahren im Mai 1986 in Nicaragua entführt und drei Wochen durch den Dschungel verschleppt. Sie wollten Häuser bauend den revolutionären Prozess in Nicaragua unterstützen, gehörten zu einer weltweiten Solidaritätsbewegung. Doch dann wurden sie selbst zum Objekt der Kriegshandlungen.

Drei zermürbende Wochen folgten. In Managua forderten deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger während einer Botschaftsbesetzung die Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl auf, vor allem den direkten Kontakt zu US-Präsident Ronald Reagan – für sie der Hauptverantwortliche des Contra-Krieges – herzustellen, um die Freilassung der acht Deutschen zu fordern.

In Bonn nahm der Krisenstab des Auswärtigen Amtes seine Arbeit auf. Einerseits waren die Brigadisten wie auch die gesamte Solidaritätsbewegung der Regierung ein Dorn im Auge. Andererseits handelte es sich um Bundesbürger, für deren Freilassung das Auswärtige Amt sich bemühen musste. Hans-Jürgen Wischnewski reiste als Vermittler nach Nicaragua.

Eine Geschichte aus den Zeiten des Kalten Krieges, prägend für die Solidaritätsbewegung. Erzählt aus der Perspektive einiger damals Entführten, von Unterstützenden der Solidaritätsbewegung, Mitarbeitern des Krisenstabs und Mitarbeitern von Hans-Jürgen Wischnewski.

Westberlin
Berlin Update

Von Bodo Morshäuser

Mittwoch, 08.06.2016, 0:05 Uhr, DR Kultur

Westberlin war Zentrum linken Protests, lockeren Lebens und subkulturellen Flairs. Die eingemauerte Halbstadt zog gescheite Existenzen und junge Künstler an, die dort zu Stars reiften.

Die übrige Jugend trieb Politik und Party auf die Spitze. Zum Schluss regierte eine nahezu alternative Parallelgesellschaft unter Rot-Grün. Der Fall der Mauer schloss das Spielfeld und eröffnete in Berlin-Mitte sofort ein neues. Heute ist Berlin für junge Zugereiste eine Partyzone mit Uni-Anschluss.

Die Draufgängerin
Preisträger Hördokumentation des 3. dikKa Festivals

Mittwoch, 08.06.2016, 22:03 Uhr, SWR2

In diesem Jahr wurde beim Dokumentarfestival DokKa “Die Draufgängerin” von Egon Koch als beste Hördokumentation ausgezeichnet. Eine Produktion des SWR, die wir aus diesem Anlass heute noch einmal senden. Der Autor schildert darin das Erwachsenwerden seiner Tochter. In der Begründung der Jury heißt es: “Aus langjährig aufgezeichneten Interviews mit seiner Tochter, aus Fragen und Antworten, wobei die Tochter erst gegen Ende selbst zur Fragenden wird … entwickelt Egon Koch ein Hörstück, das sich der Form eines imaginären Gesprächs bei einem langsamen Spaziergang annähert. Das gelingt auch deshalb, weil die junge Frau souverän mit ihren eigenen Ausdrucksmöglichkeiten umgeht.”

Das nächste große Ding
Kunstbetrachtungen aus der Zukunft

Von Annegret Arnold

Freitag, 10.06.2016, 20:10 Uhr, DLF

Kunstkritiker beschreiben normalerweise Bilder, Bücher, Songs oder Theaterinterventionen, die ihnen das Programm vorgegeben hat. Mehr oder weniger gelungene Werke, die von den Rezensenten nur in Ausnahmefällen mit echter Euphorie oder gar als innovativ oder neuartig empfohlen werden. Wie aber müsste Kunst beschaffen sein, die es so vorher noch nicht gegeben hat?

Kunst, die auch dem kritischsten Kritiker den Boden unter den Füßen wegzieht, weil keines seiner sonstigen Analyseinstrumente mehr greift? In diesem Feature sprechen Kulturkritiker von künstlerischen Ereignissen, die sie nachhaltig beeindruckt haben. Wo sie stattgefunden haben und wer sie initiiert hat, bleibt vorerst offen.

Die Autorin besucht nur die verlassenen Orte und abgelegten Werkzeuge, sichtet das Material, trifft auf Augen- und Ohrenzeugen. Sie ergründet die Mechanismen ästhetischer Entwicklungen, befragt Historiker und Zukunftsforscher, und lässt den Hörer teilhaben an Kunstereignissen, die es so vorher noch nicht gegeben hat.

Rocco Granata singt nicht mehr
Vom Erinnern und Vergessen

Von Joseph Berlinger

Samstag, 11.06.2016, 13:05 Uhr, Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr, BR2

Rocco Granata – sein Welthit “Marina” hat ihn einst zum Schlagerstar gemacht. Jetzt geht er auf die 80 zu und will nicht mehr auf die Bühne. Er will auch keine Interviews mehr geben. Er hat seine Autobiographie geschrieben, und es gibt einen Kinofilm über die Geschichte seiner Jugend. “Das muss genügen”, sagt Rocco Granatas Managerin und Ehefrau Rosie. Warum soll er sich darüber hinaus für die Öffentlichkeit an seine Vergangenheit erinnern? Alte Anekdoten, aufwärmen, die er schon hundertmal erzählt hat? Warum soll er immer wieder Auskunft geben? Irgendeinem Reporter, den er nicht kennt. Und der ihn nicht kennt. Rocco Granata hat keine Lust mehr auf diese Interview-Spielchen. Auf das immer gleiche Ritual. Auf die immer gleichen braven oder manchmal bemüht frechen Fragen. Und er hat auch keine Lust mehr auf seine immer gleichen gewollt originellen Antworten.
Frau Hauser – sie hat Rocco Granatas Welthit “Marina” im Radio oft mitgesungen – als sie das noch konnte. Jetzt ist sie weit über 80 und dement. Sie erkennt ihren Sohn nicht mehr, wenn er sie sonntags besucht. Sie lebt in einer Seniorenresidenz im Bayerischen Wald. Dort dirigiert jeden zweiten Samstagnachmittag Alexander Metz den Demenzchor. Frau Hauser ist dabei. Aber seit kurzem singt sie nicht mehr. Sie klatscht nur noch mit. Weil Frau Hauser eine tiefe und raue Stimme hat, nennt sie der Dirigent Rocco Granata.
Der “echte” Rocco Granata w i l l sich nicht mehr erinnern, die “falsche” Rocco Granata k a n n sich nicht mehr erinnern. Aber durch die Musik, durch die alten Schlager sind die beiden verbunden. Wenn Frau Hauser die ersten Takte von Rocco Granatas “Marina” hört, beginnt sie sogar wieder mitzusingen. Wenn auch nur die Titelzeile.

Nach Hause gehen
Eine Heimatsuche

Von Jörn Klare

Samstag, 11.06.2016, 18:05 Uhr, DR Kultur

Als der Autor plant, eine Wohnung in Berlin zu kaufen, fällt ihm auf, dass er sich in der Stadt, in der er seit fast 30 Jahren lebt, gar nicht wirklich heimisch fühlt. Die Immobilien-Idee wird abgesagt, die Frage nach der Heimat aber bleibt.

Mit ihr und einem Aufnahmegerät im Gepäck macht er sich auf die Wanderung in das Städtchen, in dem er geboren und aufgewachsen ist. Nach gut 600 Kilometern voller Begegnungen trifft er auf einen alten Freund, der Lokalpolitiker geworden ist.

Rückkehr nach Knokke
Eine Erfahrung aus dritter Hand

Sonntag, 12.06.2016, 14:05 Uhr, SWR2

Von Jochen Wobser und Oliver Kobold

1984 macht der Künstler Martin Kippenberger eine Woche Urlaub im belgischen Seebad Knokke. Er schreibt auf, was er tut und erlebt (nicht viel) und übergibt seine Aufzeichnungen nach der Rückkehr der befreundeten Künstlerin Annette Grotkasten mit der Anweisung: alles in allen Details nachmachen. Aus dem Spiel mit der Wiederholung ergibt sich eine künstlerische Versuchsanordnung. Wie verändert der zweite Blick das selbst Erlebte? 30 Jahre später unternehmen Oliver Kobold und Jochen Wobser dieselbe Reise – nun als Erfahrung aus dritter Hand. Die Spurensuche führt auch zurück zu den ästhetischen Fragestellungen und Verwerfungen der 80er-Jahre, als sich die Künstlerin Annette Grotkasten zu ihrem eigenen Erstaunen in der Jugendzeitschrift “Bravo” wiederfand – als gefeierte Lead-Sängerin der NDW-Band “Bärchen und die Milchbubis”.

Die Entstehung des “Siddhartha” von Hermann Hesse

Von Heinz Sommer

Sonntag, 12. Juni 2016, 18:05 Uhr

Hermann Hesses große Erzählung “Siddhartha. Eine indische Dichtung” ist nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern ein Kultbuch geworden.

Der Hessische Rundfunk (hr2-kultur) hat das Werk über den jungen Sohn eines Brahmanen, der sich auf die Suche nach Erkenntnis begibt, nun erstmals als Hörspiel umgesetzt. hr2-kultur sendet es am 12., 19. und 26. Juni jeweils um 14.05 Uhr. In diesem Feature zum Hörspiel erzählt Heinz Sommer, der auch für die Hörspielbearbeitung verantwortlich ist, von der Entstehungsgeschichte der Erzählung.

Hermann Hesse schrieb “Siddhartha” in fast drei Jahren. Allein zwischen dem ersten und dem zweiten Teil lag eine Pause von fast eineinhalb Jahren, in denen sich Hesse noch einmal intensiv mit dem fernöstlichen Denken auseinandersetzte. In seiner Feature-Collage dokumentiert Heinz Sommer mit Texten von Hesse selbst und von seinen Zeitgenossen, wie die Idee für “Siddhartha” entstand und schließlich 1922 zu einem Buch wurde.