Radiotipps für die Woche vom 25. April bis 1. Mai 2016

“Die Vergesslichkeit, die wir haben”
Leben mit Demenz

Von Egon Koch

Mittwoch, 27.04.2016, 22:03 Uhr, SWR2

Drei Männer, die die Diagnose Demenz erhalten haben, erzählen vom Leben mit ihrer Krankheit. Sie gehören zu den rund 1,5 Millionen Menschen, die derzeit in Deutschland an dieser Krankheit leiden. Bis 2050 wird ein Anstieg auf 3 Millionen erwartet. Wie erleben die Erkrankten sich und ihre Demenz? Wie kommen sie mit Diagnose und Stigmatisierung, Vergesslichkeit und Verunsicherung zurecht? Welche Lebensstrategien entwickeln sie? Ihre Erzählungen führen weit zurück in die jeweilige Lebensgeschichte – in Erinnerungen, aber auch an konkrete Orte. Wie jeder Mensch sein eigenes Leben hat, so auch seine eigene Demenz. Und jeder begegnet auf seine Weise der großen Herausforderung. Der eine mehr mit Humor, der andere mit Liebe zu seiner Frau, der dritte mit Präzision. Keiner von ihnen hat Angst, mit fortschreitender Krankheit sich selbst verloren zu gehen. Weisheit und Gelassenheit klingen durch, wenn einer von ihnen sagt: “Ich nehme ja an, dass ich das nicht mehr so richtig mitkriege, also von daher würde es mich auch nicht weiter stören.”

Aus dem Archiv des Auswärtigen Amtes
Die “angebliche” Indianerverfolgung in Paraguay

Von Gaby Weber

26.04.2016, 19:15 Uhr, DLF

In Paraguay putschte sich 1954 der deutschstämmige Diktator Alfredo Stroessner an die Macht. 35 Jahre lang ließ er Widersacher unterdrücken: landlose Bauern, Kommunisten und demokratische Parteien. 1972 rüttelte ein deutscher Ethnologe die Weltöffentlichkeit auf und berichtete von Menschenjagden auf die Aché-Indianer.

Weltweite Proteste von Menschenrechtsorganisationen halfen wenig, deutsche Diplomaten stellten sich auf die Seite des Stroessner-Regimes und sprachen von einem “Störfall” und “angeblicher” Indianerverfolgung. Heute steht fest, dass die Aché-Indianer systematisch verfolgt und versklavt worden sind. Nur noch wenige sind am Leben. Inzwischen hat das Auswärtige Amt seine Akten aus dem Archiv freigegeben.

Mehr als Schmerz und Kommerz
Neue Töne im Musical

Von Rainer Link

Freitag, 29.04.2016, 20:10 Uhr, DLF

Seit einem Vierteljahrhundert gehört das Musical zu den beliebtesten Kulturangeboten. Der Siegeszug der Musicalindustrie begann mit den eingängigen Melodien des britischen Komponisten Andrew Lloyd-Webber. Für Werke wie “Das Phantom der Oper” oder “Starlight Express” wurden eigene Abspielstätten errichtet und das Publikum per Bus herangefahren.

Im Grunde handelt es sich dabei um das serielle Abspielen von musischen Convenience-Produkten mit Langlebigkeitsgarantie und austauschbaren Darstellern. Aber das Musical war früher – und ist es in Randbereichen auch heute noch – etwas ganz anderes: ein unangepasstes musisches Spektakel, das sich unbotmäßig und angriffslustig den Themen der Zeit zuwendet.

Das Feature blickt hinter die Kulissen der großen Musicalbühnen zu Land und auf Kreuzfahrtschiffen, besucht die Ausbildungsstätten des Sänger-Nachwuchses und hinterfragt den Businessplan der Investoren. Es trifft die Macher von Off-Musicals, die an kleinen Bühnen mit geringen Etats die Kunstgattung Musical aus der kommerziellen Umklammerung zu befreien versuchen.

Mein Tschernobyl
Vom Versuch, die Wahrheit über den größten anzunehmenden Unfall herauszufinden

Von Helga Montag

Samstag, 30.04.2016, 13:05 Uhr, Bayern 2

  1. April 1986: In Tschernobyl explodiert der 4. Block des Atomkraftwerks. Die westliche Welt erfährt erst Tage später, dass sich in der Ukraine der Gau ereignet hat, der größte anzunehmende Unfall. Am Tag vor dem 1. Mai wird klar: Die radioaktive Wolke hat Deutschland erreicht. Es zeigt sich, dass Bayern besonders betroffen ist, denn dort hatte es zu diesem Zeitpunkt stark geregnet.
    Die sowjetische Regierung setzt zunächst wie gewohnt auf Geheimhaltung. Aber Gorbatschows Losung von “Glasnost und Perestroika” verändern den Staat, die Sowjetunion bricht auseinander, die Ukraine wird unabhängig. Jetzt können auch westliche Journalisten ungehindert recherchieren und interviewen, wen sie wollen. Sie können sich ein Bild machen von der Situation im Kraftwerk, in der abgesiedelten Zone und von der Lage in den Dörfern und Städten mit extremer radioaktiver Belastung, in denen die Menschen noch jahrelang ausharren müssen.
    Helga Montag war seit 1990 mehrmals auf Spurensuche in den verstrahlten Regionen in der Ukraine und in Weißrussland. Sie hat mit Betroffenen, Verantwortlichen und Politikern, mit Wissenschaftlern und Ärzten gesprochen. Sie hatte die Hoffnung, die Wahrheit herauszufinden über die Katastrophe und ihre Folgen.
    Als die Autorin 2011 an ihrem Feature zum 25. Jahrestag der sowjetischen Reaktorkatastrophe arbeitete, kam die Schreckensmeldung von Fukushima.
    Sowjetische Kernkraftwerke seien schlecht, westliche Reaktoren sicher. Kernkraft sei sauber und billig, so die westliche Devise auch Jahre nach Tschernobyl. Der Supergau im japanischen Fukushima hat gezeigt, dass dies eine Täuschung war.

Beirut – die komplizierteste Stadt der Welt
We’re in deep shit

Von Sammy Khamis und Florian Schairer

Samstag, 30.04.2016, 18:05 Uhr, DR Kultur

Die Autoren reisen in den Libanon und entdecken das komplizierteste Land der Welt. Dort treffen sie eine junge Sunnitin, die ihren Großvater als Faschisten beschimpft.

Sammy Khamis und Florian Schairer reisen in den Libanon. Sie treffen eine junge Sunnitin, die ihren Großvater als Faschisten beschimpft; eine Schiitin, die sich über fromme Männer aufregt, die ihr schamlos auf den Busen glotzen, einen Münchner Studenten mit libanesischen Wurzeln, der die Reporter in sein christliches Dorf zur Party mit UNO-Soldaten mitnimmt.

Sie sprechen mit dem Sänger einer Indie-Band, der eine Hymne über schwule Liebe geschrieben hat und mit einem Professor für arabische Geschichte, der ISIS für eine interessante Option hält.

Scheitern ist.
Eine Bestandsaufnahme

Von Rilo Chmielorz

Sonntag, 01.05.2016, 14:05 Uhr, SWR2

Schon mal das Gift des Scheiterns in den Adern gespürt? Wenn man unbedingt etwas erreichen will und dann komplett Schiffbruch erleidet? Klar, denn was das Scheitern betrifft, sind doch eigentlich alle Experten, die Autorin selbstredend eingeschlossen. Behauptet sie doch seit Jahrzehnten eine Scheiternde zu sein. Was keine Schande ist. Selbst der liebe Gott erlebt sich als scheiternd und das Alte Testament scheint geradezu ein Kompendium des Scheiterns zu sein. Geschichten vom Scheitern archiviert und katalogisiert das Institut zur Aneignung und Nachhaltigkeit des Scheiterns. Ein Ort der Zuflucht für alle Scheiternde. “Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better.” – Becketts Credo der Moderne. Scheitern ist. Nicht mehr und nicht weniger.

Zur Vermeidung weiterer Provokationen.
Die kurze Lebensgeschichte des Michael Gartenschläger

Sonntag, 1. Mai 2016, 18:05 Uhr, hr2

Von Roman Grafe

Die DDR verkaufte die Grenze zur BRD als Schutzwall gegen den Imperialismus. Doch nicht alle DDR-Bürger gaben sich damit zufrieden. Der 17-jährige Michael Gartenschläger hatte schon 1961 in der DDR zusammen mit Freunden gegen den Mauerbau in Berlin protestiert. Er wurde festgenommen und zu lebenslanger Haft verurteilt.

1971, nach zehn Jahren Haft, wurde er von der Bundesrepublik freigekauft. Daraufhin agierte er von Hamburg aus gegen die DDR und engagierte sich als Fluchthelfer. Da die DDR den Einsatz von Selbstschussanlagen an der innerdeutschen Grenze bestritt, baute er im März und April 1976 zwei dieser Anlagen aus und präsentierte sie im Westen.

Vor vierzig Jahren, am 30. April 1976, startete er einen weiteren Versuch, eine Anlage an der Grenze zwischen Schleswig-Holstein und Mecklenburg auszubauen. Dabei wurde Gartenschläger von DDR-Grenzsoldaten überrascht und angeschossen. Er starb noch an der Grenze am 30. April 1976, um 23.45 Uhr. Im März 2000 und April 2003 wurden Offiziere und Soldaten der Stasi und NVA in Rostock bzw. Berlin wegen Verdacht des Totschlags freigesprochen.

Radiotipps für die Woche vom 18. bis 24. April 2016

High in Uruguay
Wie Montevideo den Drogenkrieg beenden will

Von Karl-Ludolf Hübener

Dienstag, 19.04.2016, 19.15 Uhr, DLF

Weltweites Aufsehen erregte Uruguay mit seinem radikalen Bruch in der Drogenpolitik: Das kleine Land war der weltweit erste Staat, der Cannabis vollständig legalisierte und damit Korruption, Drogengewalt, Mafiosi und Geldwäsche den Kampf ansagte. Inzwischen grünt “Gras” auf Balkonen und in Gärten, liefern Grow-Shops speziellen Dünger und Gewächshäuser.

Eine Cannabis-Messe lockte Tausende an. Von Kifferparadies war vorschnell die Rede. Doch “High in Uruguay” gilt nur für Einheimische.

Detaillierte Richtlinien regulieren den Markt für Cannabis. Kiffer haben die Wahl zwischen Eigenanbau von sechs Marihuana-Pflanzen, Cannabis-Clubs oder Apotheken, in der sie den Stoff für ihre Joints, monatlich 40 Gramm pro Person, erstehen können.

Sicherheitskräfte überwachen die tonnenschwere Gras-Produktion von staatlich lizenzierten Firmen.

Podcast aus den USA
The Wisdom of Jay Thunderbolt

Von Nick van der Kolk, Brendan Baker und Nick Williams

Mittwoch, 20.04.2016, 00:05 Uhr, DR Kultur

Eine Podcast-Kreation aus Amerika über einen durchgeknallten Typen. Ein cooler Mix aus Interview und Dancetrack.

Jay Thunderbolt’s Visitenkarte ist ein bisschen geheimnisvoll. Es steht nur eine Telefonnummer darauf und darunter: “Thunderbolt – Party Naked”. Wenn man dort anruft, lädt Thunderbolt zu einem privaten Stripclub ein, den er aus seinem Bungalow in einem Arbeiterviertel in Detroit heraus betreibt. Eine lange, verwickelte Geschichte in einem Mix aus Interview und Dancetrack.

Die Zehnte Muse
Das Gras in Shakespeares Garten

Von David Zaine Mairowitz

Freitag, 22.04.2016, 20:10 Uhr, DLF

Francis Thackerey aus Pretoria, Südafrika, ist nicht nur ein begnadeter Paläontologe, sondern außerdem Shakespeare-Enthusiast. Besonders angetan haben es ihm die Sonette des “Schwans von Avon”, obwohl: Ein bisschen verdächtig kommen sie Francis vor. Wer oder was zum Beispiel ist die zehnte Muse, die Shakespeare so inbrünstig besingt?

Francis’ Verdacht: Hasch! Shakespeare war high, als er dichtete! Für diese fixe Idee tut Francis einiges: Er lässt die in Shakespeares Garten gefundenen Pfeifenköpfe untersuchen, streitet sich mit der Fachwelt, tritt auf Cannabis-Kongressen auf.

Nur einem verweigert er sich: dem Kiffen.

Die Illegalen
Ein Feature über Deutschlands stille Sklaven

Von Jens Schellhass

Samstag, 23.04.2016, 13.05 Uhr, Bayern2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Bis zu einer Million illegale Einwanderer leben in Deutschland, vielleicht auch mehr, keiner weiß das. Es sind Menschen ohne gültige Papiere. Die meisten von ihnen kommen aus Westafrika und den Balkanstaaten. Sie sind vor Hunger und Armut geflohen, um ihre Familien in den Heimatländern zu ernähren. Oder ihre “falsche” Einstellung zu Religion oder Politik trieb sie in die Flucht. In Deutschland arbeiten “Illegale” schwarz und prekär in Umzugs- oder Putzfirmen, der Nahrungsmittelindustrie, der Gastronomie oder als Haushaltshilfen. Ihr Leben gleicht einer Schattenwelt. Angelockt vom großen Geld arbeiten sie weit unter Mindestlohn. Oft gibt es letztlich keinen Cent. Wer krank wird, fliegt raus und krankenversichert ist keiner von ihnen. Die “Illegalen” leben in ständiger Angst aufzufliegen und abgeschoben zu werden, davon profitieren viele deutsche Arbeitgeber.

Osteraufstand – Irlands Kampf um die Unabhängigkeit
Die Rebellion im Hauptpostamt

Von Hannelore Hippe

Samstag, 23.04.2016, 18.05 Uhr, DR Kultur

“Nur Mut Jungs, wir gewinnen”, rief der irische Freiheitskämpfer James Connolly im brennenden Dubliner Hauptpostamt seinen Kameraden zu. Er behielt recht. Nur hat er die Unabhängigkeit Irlands von Großbritannien nicht mehr erlebt, die als Spätfolge des Osteraufstands sechs Jahre später erklärt wurde.

Vor etwa 50 Jahren interviewte ein Ire die letzten noch lebenden Teilnehmer dieses Osteraufstandes von 1916. Das bis dahin unveröffentlichte Material stand der Autorin zur Verfügung.

Der Kopf der Herde
Unterwegs mit Schäfern

Von Christiane Seiler

Sonntag, 24.04.2016, 14.05 Uhr SWR2

Noch 2000 Berufsschäfer soll es in Deutschland geben, aber es werden immer weniger. Auch der Schafbestand geht zurück. Sollten Hirten mit ihren Tieren in unserer durch moderne Agrarindustrie und Flächenverbrauch gezeichneten Landschaft keinen Platz mehr finden? Feature-Autorin Christiane Seiler hat mit drei Schäfern auf Wiesen und Deichen Schafe und Lämmer gehütet und sich vom Alltag, den Träumen und Schwierigkeiten dieser Individualisten erzählen lassen. Sie traf Knut Kucznik, der an der Wanderschäferei festhält; Klaus Seebürger, Herr über fünf Herden mit je tausend Tieren und Josephine Hermühlen, Leiterin einer kleinen Ökoschäferei in Mecklenburg.

Flucht.Bewegung
Ein Feature über das Geschäft mit dem Illegalen

Von Andy Holzer

Sonntag, 24. April 2016, 18:05 Uhr, hr2

Bis zu einer Million illegale Einwanderer leben in Deutschland, vielleicht auch mehr, keiner weiß das. Es sind Menschen ohne gültige Papiere. Die meisten von ihnen kommen aus Westafrika und den Balkanstaaten.

Sie sind vor Hunger und Armut geflohen, um ihre Familien in den Heimatländern zu ernähren. Oder ihre “falsche” Einstellung zu Religion oder Politik trieb sie in die Flucht. In Deutschland arbeiten “Illegale” schwarz und prekär in Umzugs- oder Putzfirmen, der Nahrungsmittelindustrie, der Gastronomie oder als Haushaltshilfen. Ihr Leben gleicht einer Schattenwelt. Angelockt vom großen Geld arbeiten sie weit unter Mindestlohn. Oft gibt es letztlich keinen Cent. Wer krank wird, fliegt raus und krankenversichert ist keiner von ihnen. Die “Illegalen” leben in ständiger Angst aufzufliegen und abgeschoben zu werden, davon profitieren viele deutsche Arbeitgeber.

 

Radiotipps für die Woche vom 11. bis 17. April 2016

Der Wandel geht vom Süden aus
Podemos und der Geist politischer Veränderung in Valencia

Von Joachim Palutzki

Dienstag, 12.04.2016, 19:15 Uhr, DLF

Spanien hat ein historisches Wahljahr hinter sich. Es scheint, als haben die Wählerbewegung Podemos und die regionalen alternativen Parteigruppierungen zumindest einen Teil ihrer Ziele erreicht: die Einleitung eines grundlegenden Wandels des Zweiparteiensystems und die Abkehr von der ausschließlichen Ausrichtung der Politik auf die Sparvorgaben der EU.

Wie in Madrid und Barcelona, regiert auch in Valencia seit Mai 2015 ein linksalternatives Bündnis. Die sich auf basisdemokratische Prinzipien berufene Wählerbewegung Podemos versteht sich dabei als “Motor” der Bewegung, vor allem aber als “Werkzeug” zur Durchsetzung einer Politik von unten, die aus den Bürgerversammlungen der Stadtteile und Gemeinden kommen soll.

Hightech-Popstar und Magnetfeld-Magier
Teslanauten

Von Mithu Sanyal und Christian Ahlborn

Mittwoch, 13.04.2016, 00:05 Uhr, DR Kultur

Wechselstrom, Generatoren und Transformatoren, Oszillatoren, Spulen, drahtlose Energie und Nachrichtenübertragung. 112 Patente hat der Physiker, Ingenieur und Erfinder Nikola Tesla (1856-1943) angemeldet. Einige davon waren genial und epochal, andere eher verrückt und fantastisch.

Doch was immer Tesla plante, stets umgab ihn eine magisch-mysteriöse Aura. Er war eine Art High-Tech-Popstar des 20. Jahrhunderts, ein Strom-Schamane und Magnetfeld-Magier, dessen Leben nicht weniger bizarr war als seine Erfindungen.

Der Krieg im Fokus
Die Fotografin Herlinde Koelbl spricht mit Soldaten

Von Heike Tauch

Mittwoch, 13.04.2016, 22.03 Uhr, SWR2

Über sechs Jahre reiste die Fotografin Herlinde Koelbl in fast 30 Länder, um an militärischen Ausbildungsorten landestypische Schießziele zu dokumentieren. Aus diesen fotografischen Aufnahmen entstand ihr Kunstprojekt TARGETS. Darüber hinaus sprach Koelbl mit Soldaten und Scharfschützen. Unter Zusicherung der Anonymität erzählen sie von den moralischen Herausforderungen, von ihrer Motivation und Ausbildung, von Führung und Gehorsam, von Schuld und Fehlentscheidungen. Und immer fragt Herlinde Koelbl nach dem ersten Schuss: “Wie war es, als Sie das erste Mal auf einen Menschen zielten und abdrückten? Können Sie sich daran erinnern?” Überdies berichtet die Fotografin, was sie bewegte, sich dem Thema und damit den Menschen zu nähern, die trainieren, gut zu schießen, um den Feind zu töten.

Madgermanes
Die Dauerdemo von Maputo

Von Kai-Uwe Kohlschmidt

Freitag, 15.04.2016, 20:10 Uhr, DLF

Pedro ist der freundliche Schwarze von Müllrose, Brandenburg. Er hatte Glück: Das erste Mal durfte er als Vertragsarbeiter aus Mosambik in die DDR kommen, das zweite Mal durfte er bleiben. Kosca hatte hingegen Pech – und deshalb führt er jetzt die “Madgermanes” an. So heißen sie in Maputo: “diese Deutschen”.

Woche für Woche demonstrieren sie in der mosambikanischen Hauptstadt, seit 25 Jahren. 1991, als in Hoyerswerda die Rechten Jagd auf Schwarze machten,  kehrten die meisten der fast 20.000 in der DDR angeheuerten Mosambikaner nach Hause zurück. Und kippten ins Leere. Die Volksrepublik Mosambik war im Bürgerkrieg zerfallen. Das Geld, das sie in der DDR verdient hatten, war nicht, wie vereinbart, auf einem Konto gelandet, sondern versickert.

Seitdem stören die Madgermanes ihre Landsleute. Sie pochen auf Ansprüche, die keiner versteht. Irgendwie Deutsch.

Mein Schneck ist mir Bedürfnis
Zur ökonomischen und ethischen Relevanz unserer Tierliebe

Von Gesche Piening

Samstag, 16.04.2016, 13:05 Uhr, Bayern2, Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Unser Umgang mit Haustieren hat sich gewandelt, fundamental. Ob Katze oder Hund, Kanarienvogel, Flusskrebs oder Assel, als beste Freunde und treuste Begleiter mit einer Vielzahl menschlicher Errungenschaften und Privilegien sind unsere Haustiere längst zur ernst zu nehmenden Konsumentengruppe geworden. Und der Markt stellt ihnen eine umfangreiche Produkt- und Dienstleistungspalette bereit: Von der Wohnungseinrichtung im tierischen Möbeldesign und dem Traumurlaub im Tierhotel über Vorsorge-Möglichkeiten für schlechtere Zeiten bis hin zur letzten Ruhe auf dem Tierfriedhof. Es ist für alles gesorgt.
Die Angebote unserer Wohlstandsgesellschaft schließen die Tiere mehr und mehr mit ein und gestalten ihre Biographien ganz nach unserem Vorbild.
Unterdessen wer den Haustiere auch für die Tierhalter dank innovativer Forschung und breiter Angebotspaletten immer attraktiver. Für jedes Geld-, Zeit- und Platzbudget findet sich das passende Tier: Von den versorgungs-intensiven Haustierklassikern mit stetig steigender Lebenserwartung bis hin zu pflegeleichten und kurzlebigen Käfern – niemand muss mehr darauf verzichten, sein Fürsorge-Bedürfnis nach Belieben auszuleben. Haustiere sind hoch im Kurs.
Doch auf welchen politischen Grundannahmen basiert die ökonomisch geprägte Verhaltensweise gegenüber unseren Haustieren? Und an welchem Punkt geraten sie mit unserer Tierliebe in Widerspruch? Welche ethischen Fragen wirft unsere Tierliebe auf? “Mein Schneck ist mir Bedürfnis” begibt sich auf die Suche nach dem ökonomischen und ethischen Status Quo. Ist ein Haustier einfach nur das, was der Einzelne draus macht?

Ein Gutshof in Schlesien
Guten Tag auf Polnisch

Von Lisbeth Jessen

Samstag, 16.04.2016, 18:05 Uhr, DR Kultur

Park Avenue in Manhattan – wer hier lebt, hat es geschafft. Ann Elizabeth wohnt in einem ehemaligen Aparthotel im 24. Stock. Ihre Großmutter war 1936 mit zwei Söhnen aus Deutschland emigriert, und die Söhne haben sich in den USA neu erfunden.

Seit dem Zweiten Weltkrieg aber sprach keiner in der Familie mehr von dem Gut in Oberschlesien, von dem sie eigentlich stammten.

Nach dem Tod der Großmutter wird ein Koffer mit alten Familienfotos geöffnet und bringt die Familiengeheimnisse zum Vorschein. Ann wird sich ihrer jüdischen Ursprünge bewusst und reist nach Dobrodzien, das früher Guttentag hieß. Das frühere Familiengut steht jetzt zum Verkauf.

Deutsches Wintermärchen Marokko

Von Rosie Füglein

Sonntag, 17.04.2016, 14:05 Uhr, SWR2

“Bis vor kurzem ging die landläufige Meinung dahin, Kolonien seien ein überwundener Standpunkt. Erst in neuer Zeit haben sich andere Stimmen erhoben.” Es ist lange her, dass diese Sätze in einer Zeitung erschienen. Inzwischen haben sich Lutz und Evelyne, Peter, Brigitte und tausende andere an der Küste von Marokko mit ihren Wohnmobilen angesiedelt. Sie leben in einer Hochsicherheitsanlage, bewacht von modernster Elektronik und altbewährten deutschen Schäferhunden. Und sie genießen ihre Freiheit. Währenddessen versuchen junge Afrikaner vergeblich, von Marokko nach Europa zu gelangen. Ein Vor-Ort-Bericht zur gegenwärtigen Lage.

Libyen – Eine Reise in den Abgrund

Von Bettina Rühl

Sonntag, 17. April 2016, 18:05 Uhr

In Libyen verhalfen die NATO und einige arabische Staaten vor vier Jahren bewaffneten Milizen zu einem Sieg über den langjährigen Diktator Muammar al-Gaddafi. Doch was ein Systemwechsel werden sollte, führte zu permanentem Bürgerkrieg und zum Kollaps von Gesellschaft, Staat und Wirtschaft.

Das Land ist zerfallen, zwei Regierungen ringen um die Vorherrschaft. Konkurrierende Milizen, darunter der ‘Islamische Staat’, kämpfen um Einflussgebiete. Ökonomische, ethnische und ideologische Interessen sind dabei kaum unterscheidbar. Für die Bevölkerung wird das Leben immer schwieriger, Lebensmittel und Benzin werden in dem ölreichen Land immer knapper, Medikamente und medizinische Behandlungen zum Luxus. Was ein Kampf für Demokratie werden sollte, stellt sich heute für viele als Kampf ums pure Überleben dar. Wie bewältigen sie überhaupt noch ihren Alltag in einem kollabierten Staat, einer kollabierten Wirtschaft? Wen machen sie für das Chaos verantwortlich, von wem erhoffen sie sich Hilfe?

 

Radiotipps für die Woche vom 4. bis 10. April 2016

Making of Game
oder Der Klang von Schritten

Von Anna Seibt

Montag, 04.04.2016, 00:05 Uhr, DR Kultur

Ein Hörspiel, ein Blog und eine App mit 3D-Soundwelt – all dies vereint unser Hörgame Blowback. Wie das Projekt Gestalt annahm, können Sie in dieser akustischen Entstehungsgeschichte nachhören.

Deutschlandradio Kultur und die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin haben zusammen ein auditives Handygame entwickelt: Die Journalistin Julia Kourim muss sich durch ein mysteriöses Unterwasserhotel kämpfen, um den Informanten Dereo Durand zu befreien.

Dieser wird im untersten Stockwerk des Hotels festgehalten. Beim Durchstreifen der Stockwerke muss sich der Spieler komplett auf sein Gehör verlassen – der Handybildschirm bleibt schwarz.

Ein Jahr lang hat Anna Seibt das Team aus Künstlern und Spieleentwicklern bei Brainstormings, Sprachaufnahmen und während der Produktion begleitet. Am Ende steht ein Hörspiel und eine mobile App, deren 3D-Soundwelt ein überraschendes und intensives Hörerlebnis bietet.

Widerstand gegen Großprojekte in Frankreich
Risse im Beton

Von Ruth Jung

Dienstag, 05.04.2016, 19:15 Uhr, DLF

ZAD, eigentlich das Kürzel für “Zone d’amenagement différé'”: ausgewiesenes Baugebiet, steht auch für “Zone à défendre”: zu verteidigender Raum. Eine wachsende Gruppe von Aktivisten, Zadistes genannt, wehrt sich gegen Großprojekte, die als unnütz, überteuert und umweltschädlich erachtet werden.

Das gilt zum Beispiel für den geplanten Flughafen in Notre-Dame-des-Landes. Dort halten Aktivsten das Gelände besetzt und unterstützen die von Zwangsenteignung betroffenen Bauern. Erste Teilerfolge gaben ihnen Recht. Trotzdem soll das Protestlager 2016 geräumt und die Bauarbeiten sollen fortgesetzt werden.

Im ganzen Land wurden die polizeilichen Repressionen verstärkt. Am 26. Oktober 2014 starb bei Demonstrationen gegen ein Staudammprojekt in Sivens/Tarn ein Botanikstudent. Die Auseinandersetzungen werden härter.

Tod und Frühling (3): Die Rückkehr der Proserpina
Eine sizilianische Trilogie der genreübergreifenden radiophonen Erzählformen

Von Werner Cee

Dienstag, 05:04.2016, 23:00 Uhr SWR2 ars acustica

Der dritte Teil von Werner Cees sizilianischer Trilogie “Tod und Frühling” ist eine klangkünstlerische Pastorale. Sie kombiniert historische O-Töne sowie neue Field Recordings aus Sizilien mit dem traditionellen Sprechgesang des “Cunto” und Motiven aus der Drone- und Rockmusik. Cee versucht hier, die akustischen Landschaften Siziliens in eine künstlich-künstlerische Form der Fruchtbarkeit zu übertragen, in die die Saga von der Rückkehr Proserpinas sich spiegelt.

Die Ausstrahlung wird auf swr2.de mit einer Foto-Dokumentation Werner Cee begleitet.

Autisten in IT-Unternehmen
Der Spezialist ist Autist

Von Anja Kempe

Mittwoch, 06.04.2016, 00:05 Uhr, DR Kultur

Die besonderen Begabungen von Autisten im IT-Bereich sind begehrt wie die seltenen Erden in der Hightech-Industrie. Die IT-relevanten Märkte werden sich in den nächsten zehn Jahren verdoppeln, es fehlen also Tausende Spezialisten in den Bereichen Softwareentwicklung, Netzwerktechnologie und Datenbank-Management.

Google und Microsoft suchen daher fieberhaft nach Autisten und ihren herausragenden Fähigkeiten auf diesen Gebieten. Auch der deutsche Softwarehersteller SAP beschäftigt seit 2014 Autisten. Die Autorin Anja Kempe hat sie besucht.

Rückspiegel, Speicher und Loops
Tonspuren der Künstlerin Michaela Melián

Von Martin Zeyn

Freitag, 08.04.2016, 20:10 Uhr, DLF

Bildende Künstlerin, Hörspielautorin, Musikerin und Covergirl der legendären Zeitschrift “Mode und Verzweiflung”: All das ist oder war Michaela Melián. Ihre Zeichnungen, Installationen und Nähmaschinenbilder hat sie in Kunstvereinen, Messen und Galerien ausgestellt.

Für ihr erstes Dokumentarhörspiel “Föhrenwald” erhielt sie gleich den Hörspielpreis der Kriegsblinden. Vier Platten hat sie bisher als Solokünstlerin herausgebracht und mit der Band F.S.K. (die laut Diedrich Diederichsen für “die deutsche Intelligenz musiziert”) tourt sie seit 35 Jahren.

Melián gehört zu einer Generation von Frauen, die noch auf einen männlich dominierten Kunstmarkt traf. Daher auch das Arbeitsinstrument, das viele ihre Bilder unverkennbar macht: die Nähmaschine. Ein Sinnbild für weibliche, untergeordnete Tätigkeit wird bei Melián zur Signatur ihrer künstlerischen Handschrift: Sie zeichnet mit Nadel und Faden.

Bi-Normal
Grenzbereiche des Bipolaren

Von Christian Lerch und Irina Balzer

Samstag, 09.04.2016, 13:05 Uhr, Bayern2, Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Vor fünf Jahren bekam Justine die Diagnose “Bipolare Störung”. Betroffene pendeln zwischen depressiven und manischen Phasen, denen von außen häufig mit Unverständnis und Abwehr begegnet wird. Bipolarität zählt zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen in Deutschland.
Die Folgen von Justines Diagnose waren Medikamente, Nebenwirkungen und berufliche Ausgrenzung. Ständig beobachtete sie ihr Verhalten, ob ihre Stimmungen und ihr Verhalten zu extrem waren. Nach einer Zwangseinweisung und mehreren psychiatrischen Untersuchungen wurde Justines Diagnose widerrufen. Immer mehr Experten warnen vor der Pathologisierung von psychischen Abweichungen. Doch viele Betroffene finden in der Diagnose endlich eine Erklärung für ihr Leiden. Wie Olivia, 49 Jahre alt: “Vor der Diagnose fühlte ich mich wie der Zweig einer dünnen Birke. Durch die Medikamente wurde ich zu einem Baumstamm.”

Das Uwe-Johnson-Puzzle
Von Mecklenburger Versuchen, eines Dichters habhaft zu werden

Von Alexa Hennings

Samstag, 09.04.2016, 18:05 Uhr, DR Kultur

Ein Tonstudio, 365 Bürger aus Mecklenburg-Vorpommern lesen Uwe Johnsons Jahrestage. Manche tun sich schwer mit seiner Sprache. Und mancher Mecklenburger tut sich schwer mit Uwe Johnson selbst – er ging im Unfrieden, manche vergessen ihm das noch immer nicht.

Gleichzeitig werben mehrere Kleinstädte damit, Vorbild für “Jerichow” zu sein, den Ort, in dem Uwe Johnsons Romanfigur Gesine Cresspahl lebte. Bis auch sie die mecklenburgische Heimat verließ.

DADA á gogo
Eine Wiedergeburtsanzeige

Von Maidon Bader

Sonntag, 10.04.2016, 14:05 Uhr, SWR2

Im April 1916 wird im Cabaret Voltaire in der Züricher Spiegelgasse der Dadaismus ausgerufen. Und zwar so laut, dass Nachbar Wladimir Iljitsch Lenin die Polizei ruft. Jedenfalls behauptet das die Legende. Eine von zahllosen DADA-Legenden. Wahr ist, dass DADA die Kunst aufmischte, überlief und unterwanderte, jede Menge Tabus nachhaltig brach, um dann wieder zu verschwinden. Scheinbar. Denn als im Jahr 2002 das Haus des Cabaret Voltaire verkauft werden soll, kommt DADA in beinah wiedergängerischer Manier zurück. Und nun, zum Hundertsten der Bewegung?
Maidon Bader hat die Wiedergänger getroffen: Paul Dorn alias St. Pauli alias Dornimauge, der das “Dadamt Zörich” leitet. Die Londoner Künstlerin Alice McCabe, die wegen DADA fünf Jahre in Zürich gelebt hat. Und den tschechisch-schweizerischen Künstler Mark Divo, der zwischenzeitlich als “König des DADA” galt – nun aber nur abwinkt. Lebt DADA? Oder sind es nur letzte Zuckungen? Oder sind die Zuckungen umgekehrt Zeichen einer Wiedergeburt?

Lamento!
Ein Ausflug ins Tal des Jammerns

Sonntag, 10.04.2016, 18:05 Uhr

Von Bettina Mittelstraß

Was ist dran am Jammern, Mäkeln und Maulen? Ist es eine bewährte Methode zur psychischen Entlastung oder einfach nur das Geheule bedauernswerter Jammerlappen?

Ist das klägliche Jammern eine gleichermaßen menschliche und tierische Kommunikationsform mit bestimmten akustischen Merkmalen? Warum wird aus Kummer, Verzweiflung und Ärger gejammert? Oder hat das Jammern einfach Methode? Wer neigt eigentlich zum Jammern und wer perfektioniert es und wie? Eine neugierige Reise durch Jammertäler und andere Jämmerlichkeiten.