Radiotipps für die Woche vom 29. März bis 5. April 2015

Mittelamerikanischer Exodus
Wenn Kinder nur noch weg wollen

Von Erika Harzer

Dienstag, 31.03.2015, 19:15 Uhr, DLF

Sie kommen aus Guatemala, El Salvador und Honduras. Sie sind Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene und durchqueren alleine Mexiko. Eine mörderische Route, die sie nur mit viel Glück unversehrt hinter sich bringen können, ohne dabei in die Hände von Drogenkartellen, Entführern, Menschenhändlern oder auch der Migrationspolizei zu gelangen.

All die Gefahren halten sie nicht davon ab, sich auf den Weg zu machen. Zu Hunderten sitzen sie dicht gedrängt auf Dächern von Güterzügen und hoffen täglich aufs Neue, ihr Ziel zu erreichen. Die USA. Dort glauben sie, ein Leben leben zu können, dass ihnen mehr bietet, als der gewalttätige Alltag, den sie in ihren Heimatländern erlitten haben. Doch Präsident Obama erwägt angesichts des Ansturms Minderjähriger eine Gesetzesänderung, um diese Kinder schneller abschieben zu können. Die Heimatländer gelten nicht als Kriegsregionen und doch sind sie Ausgangspunkt des Exodus. Die Geschichte der Kinder einer vergessenen Region, die Geschichte einer humanitären Katastrophe.

Es brummt

Von Beate Mayer

Mittwoch, 01.04.2015, 00:05 Uhr, DR Kultur

Der mysteriöse Tiefton, den nur wenige Menschen hören können, ist ein Rätsel – weder Quelle noch Ursache sind bisher bekannt. Die Autorin Beate Mayer begab sich auf die Suche nach dem Brummton. Es wurde eine Reise in die Welt der tiefen Töne.

“Das Bett vibriert, das Kopfkissen brummt, das Herz rast und der Blutdruck erhöht sich. Es hört sich an, als brumme im Keller ein Kühlschrank.” So beschreibt einer von 900 Brummton-Betroffenen in Deutschland sein Leiden, das ihm seit Jahren den Schlaf raubt.

Den mysteriösen Tiefton hören nur wenige Menschen. Das ist ein Rätsel, denn weder Quelle noch Ursache des Phänomens sind bisher bekannt. Wohl aber die Wirkung, die niederfrequente Töne auf den menschlichen Organismus haben, obwohl man sie nicht bewusst wahrnimmt.

Die Autorin begab sich auf die Suche nach dem Brummton. Aus der Recherche wurde eine Reise quer durch die Republik und in die Welt der tiefen Töne, die alles andere als ungefährlich ist.

Die Stadt, der Cop, die Fehlurteile
Justizskandal in New York

Von Simone Hamm

Mittwoch, 01.04.2015, 22.03 Uhr, SWR2

In den 80er-Jahren war New York die Hauptstadt der Kriminalität. Drogenhändler beherrschten die Straße, Morde waren an der Tagesordnung. Die Polizei brauchte dringend Erfolge und Detektive Louis Scarcella lieferte sie. Er brachte Mörder gleich dutzendweise auf die Anklagebank. Die Staatsanwälte glaubten ihm gerne, dass Augenzeugen gleich mehrere Morde gesehen haben wollten, fiel ihnen nicht auf und niemand fragte, warum etliche Angeklagte auf ihrer Unschuld beharrten. Sie wurden verurteilt und erhielten langjährige Haftstrafen. New York schien wieder sicher. Nach über 20 Jahren stellt sich heraus, dass viele unschuldig im Gefängnis saßen. Über 70 Fälle werden jetzt neu aufgerollt, die ersten Häftlinge wurden inzwischen freigelassen. Wie konnte es dazu kommen? Verurteilte kommen zu Wort, Anwälte, Politiker und Bürgerrechtler, die zu erklären versuchen, wie Fehlurteile in diesem Ausmaß überhaupt möglich waren. Es zeigt sich: Louis Scarcella ist nur Teil eines sehr viel größeren Problems.

Elser

Hörspiel von Fred Breinersdorfer

Freitag, 03.04., 20.03 Uhr, SWR2 Hörspiel am Sonntag

Es fehlten 13 Minuten, die die Weltgeschichte ändern und Millionen Menschenleben hätten retten können. Doch Adolf Hitler verließ die Kundgebung im Münchner Bürgerbräukeller an diesem 8. November 1939 zu früh. Er wollte schnellstens zurück nach Berlin, konnte aber nicht fliegen, weil Nebel herrschte. Erst im Sonderzug erreichte ihn und seine Paladine die Nachricht, dass der Ort, an dem sie noch kurz zuvor des ›Marschs auf die Feldherrenhalle‹ gedacht hatten, durch eine Bombenexplosion zertrümmert worden war.

»Wir alle sind wie durch ein Wunder dem Tode entronnen«, schrieb Goebbels in sein Tagebuch. Die Vorsehung habe den »Führer« gerettet. Er stehe, so pries die Propaganda, »unter dem Schutz des Allmächtigen« und werde erst sterben, »wenn seine Mission erfüllt ist«.

Georg Elser, der Attentäter, der die heraufziehende Katastrophe des Zweiten Weltkriegs früher als viele andere erkannt und durch Tyrannenmord hatte verhindern wollen, war dem Leiter der Kripo Arthur Nebe und Gestapo-Chef Heinrich Müller in Berlin überstellt worden. Nach brutalen Verhören gestand er schließlich. Doch die Nazis glaubten nicht, dass dieser einfache Schreiner aus dem schwäbischen Königsbronn allein gehandelt haben konnte. Sie hielten ihn für ein Werkzeug des englischen Geheimdienstes. Für einen Schauprozess ließ man Elser noch jahrelang im KZ am Leben. Erst kurz vor Kriegsende wurde er auf Befehl Hitlers in Dachau ermordet.

Das Hörspiel über den Hitler-Attentäter entstand in Abstimmung zwischen den Redaktionen Fernsehfilm und Hörspiel des Südwestrundfunks. Erfolgreich zusammengearbeitet hatten sie zuletzt beim großen »Rommel«-Film des SWR. Diesmal stand die Kino-Koproduktion »Elser« am Anfang, in der Oliver Hirschbiegel Regie führt. Drehbuchautor Fred Breinersdorfer schrieb für das Hörspiel eine neue, eigenständige Version. Seine wichtigste historische Quelle waren die Gestapo-Protokolle, die, bis auf wenige Ausnahmen, allerdings nicht den Wortlaut der Verhöre wiedergeben, sondern als Zusammenfassungen der Protokollanten in der Sprache der Nazis gehalten sind. Im Unterschied zum Film wählte Breinersdorfer vor allem die Innenperspektive Elsers, um den minutiös geplanten An-schlag und seine Hintergründe zu schildern. In Rückblenden, andrängenden Erinnerungen und im inneren Monolog werden die Überzeugungen und Motive, aber auch die Zweifel des Attentäters deutlich.

Auf dem Weg nach Çankiri
Der Komponist und der Völkermord

Von Daniel Guthmann

Freitag, 03.04.2015, 20:05 Uhr, DLF

Am 24. April 1915 werden in Konstantinopel mehr als 220 Armenier festgenommen und in den folgenden Tagen ins Landesinnere nach Çankiri deportiert. Der Vorwurf lautet: Hochverrat. Zu den prominenten Gefangenen gehört einer der berühmtesten armenischen Künstler: der Komponist und Priester Komitas Vardapet.

Die Verhaftungen bilden den Auftakt zum ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts. Zwischen 1915 und 1917 bringen die Türken schätzungsweise 1,5 Millionen Armenier im Osmanischen Reich um. Obwohl Komitas zu den Überlebenden der Deportationen gehört, zerbricht er aus Verzweiflung über das Leid seiner Nation.Die letzten 20 Jahre seines Lebens verbringt er in psychiatrischen Anstalten in Konstantinopel und Paris.

Das Feature erzählt mit Hilfe von Auszügen aus unveröffentlichten Originalquellen, Krankenakten und armenischen Zeitzeugenberichten, und macht deutlich, was der Leidensweg des Komponisten für die Armenier von heute bedeutet.

Die Liebe zum Standard
Feldforschungen in der Welt der Kaninchenzüchter

Von Jörn Klare

Samstag, 04.04.2015 um 18:05 Uhr

Jörn Klare war schon in fast aller Welt und an beinahe jedem Krisenherd. Jetzt aber führen ihn seine investigativen Recherchen in eine besonders exotische Welt: das Universum der deutschen Kaninchenzüchter.

Das Wenige, das man über sie weiß, stammt aus dem Lokalteil der Zeitung. Dort, wo angeblich jeder Reporter mal angefangen hat (um möglichst schnell weg- und weiterzukommen), erschließt sich dem Autor ein vielfältiger Kosmos mit komplexen Regeln und Gebräuchen.

Allen voran: der “Standard”, der buchstäblich Kaninchen haarklein festschreibt, was ein schönes Kaninchen von einem weniger schönen unterscheidet. Die Kleintierwelt als Großmetapher. Jörn Klare hat auch versucht, mit den Kaninchen selbst zu sprechen.

„Es muss doch schön sein“
Paul Kuhn – vom Wunderkind zur Jazzlegende

Von Nadja Mayer

Sonntag, 5. April 2015, 18:05 Uhr, hr2

Als die Alliierten während des zweiten Weltkriegs in der Normandie landeten, saß der Sechzehnjährige mit fünf Revuegirls in einem Schnellboot Richtung Brest, während über ihren Köpfen die Bomben flogen. Er spielte nach dem Krieg in den Clubs der GIs und auf dem ersten Deutschen Jazzfestival in Frankfurt am Main. Schon bald aber versprach er: “Ich spiele alles, was Sie hören möchten” und sang mit weicher Stimme und ernster Miene vom “Mann am Klavier”. Es sollte die Hymne der Nachkriegsjahre werden. In den 1970er Jahren machte er das Tanzorchester des SFB zu einer Big Band von Weltruhm und fing noch einmal bei null an, als die Ära der Band jäh zu Ende ging.

Paul Kuhn, der mit seiner Musik immer lieber Menschen unterhalten, als Kritiker begeistern wollte, pflegte ein konsequentes Desinteresse an Einteilungen in E- und U-Musik, in Jazz und Schlager. “Es muss doch schön sein”, lautete sein Credo, mit dem er zumindest in den Feuilletons lange Zeit auf Unverständnis stieß. Erst spät kehrte er zu seinen musikalischen Wurzeln zurück und fand endlich auch als Jazzpianist gebührende Anerkennung. Das Feature zeichnet das facettenreiche Leben von Paul Kuhn nach, der 2013 im Alter von 85 Jahren gestorben ist.

 

Radiotipps für die Woche vom 22. bis 29. März 2015

Bis Zurawlów probt den Aufstand
Ein polnisches Dorf im Streit mit der Fracking-Industrie

Von Martin Sander

Dienstag, 24.03.2015, 19:15 Uhr, DLF

Kaum ein Land in Europa hat so auf Schiefergas gesetzt wie Polen in den vergangenen Jahren. Experten wollten in Ostpolen riesige Vorkommen ausgemacht haben, in Warschau feierte man die künftige Unabhängigkeit von Gazprom. Westliche Energiekonzerne spekulierten auf Gewinn und viele Menschen in der Provinz auf gut bezahlte Arbeitsplätze. Die Einwohner von Żurawlów aber waren von Beginn an zutiefst skeptisch.

Seit vor zwei Jahren Vertreter von Chevron mit allerlei Versprechen, doch ohne Genehmigung der Behörden in ihrem malerischen Dorf erschienen, herrschte Aufruhr. Man fürchtete eine Verunreinigung des Grundwassers und den Verlust von Grund und Boden. “Wir lassen uns nicht noch einmal vertreiben!”, lautete eine Parole, die auf die Zwangsumsiedlungen der Bewohner im Zweiten Weltkrieg anspielt.

Eigensinnig widerständisch verbündeten sich katholische Patrioten mit international versierten Aktivisten. Nach Monaten des Protests verschwand das Gerät vom Testfeld – nachts, spurlos, ohne Erklärung. Ein alter Bauwagen, das Winterquartier der Protestler ist stehen geblieben – nicht nur als Museum des Widerstands, sondern auch für den Fall, dass Chevron wiederkommen sollte.

„Das Verschwinden der Natalia Aschenbrenner“
Hörspielserie in sechs Folgen

Von Friedrich Ani

„Der Anruf“, Folge 1, Dienstag, 24. März 2015, 19.20 Uhr, SWR2

Wovon “Tatort”-Fans und Tourismusmanager zwischen Bad Wildbad und Freiburgträumen, das ist beim Kulturradio SWR2 demnächst Realität: eine eigene Krimi-Serie aus dem Schwarzwald! Denn zum ersten Mal muss der eigenbrötlerische Privatdetektiv Tabor Süden, für den Friedrich Ani (Deutscher Krimipreis) bereits mehrere Romane und Originalhörspielegeschrieben hat, im Südwesten eine vermisste junge Frau aufspüren. Die sechsteilige Hörspielserie „Das Verschwinden der Natalia Aschenbrenner“ führt den wortkargen Spurensucher aus München in die dunkelsten Ecken des Schwarzwalds. Zwischen dem eleganten Kurort Baden-Baden und dem abgelegenen Dorf Henkersbach gerät er immer tiefer in den Sog einer düsteren Welt. SWR2sendet die 25-minütigen Folgen jeweils dienstags, 24. März bis 28. April2015, um 19.20 Uhr. Auf der Suche nach der vermissten Maskenbildnerin Natalia Aschenbrenner tritt Tabor Süden (Klaus Spürkel) auf die Köchin Eloise Valéry, die seit Jahren alleine in einem heruntergekommenen Hotellebt. Was Süden nicht weiß: Zwei Männer sind nach Henkersbachzurückgekehrt, mit denen die Köchin Geheimnisse aus der Vergangenheit teilt. Doch während Süden längst vergangenen Verbrechen auf die Spur kommt, bleibt die verschwundene Natalia unauffindbar und der Ermittler wird selbst zum Gejagten… Die beeindruckende Radio-Stimme von Tabor Süden gehört übrigens dem Freiburger Schauspieler Klaus Spürkel (Theaterbühne “KUMEDI”,”Tatort” Stuttgart 1995–2007, “Laible und Frisch”, “Die Fallers” etc.)

Weitere Sendetermine:
„Der Fremde“, Folge 2, Dienstag, 31. März 2015, um 19.20 Uhr
„Die Lügnerin“, Folge 3, Dienstag, 7. April 2015, um 19.20 Uhr
„Das Schattenhaus“, Folge 4, Dienstag, 14. April 2015, um 19.20 Uhr
„Der Abgrund“, Folge 5, Dienstag. 21. April 2015, um 19.20 Uhr
„Südens End“, Folge 6, Dienstag, 28. April 2015, um 19.20 Uhr
Alle Folgen gibt es nach der Ausstrahlung auch zum Herunterladen aufwww.SWR2.de/hoerspiel.

Letztes Wochenende
Grenzerfahrungen einer verlorenen Generation in Franken

Von Jonas Heldt

Mittwoch, 25.03.2105, 00:05 Uhr, DR Kultur

“Gleichwertige Lebensbedingungen” – das verspricht die bayerische Staatsregierung im fernen München. Im Nordosten Bayerns, an der Grenze zu Tschechien, sieht die Realität anders aus. Marge will als frische Abiturientin nach Berlin, sie flüchtet sich von Wochenende zu Wochenende, von Rausch zu Rausch.

Ihr Begleiter Keksi tut sich mit der Arbeitssuche schwer als Skinhead und Bürgerschreck. Denn Perspektiven sind rar im Grenzgebiet. Auf der tschechischen Seite dieser Grenze mitten im neuen Europa treibt sich Roman herum, Crystal Meth ist sein Begleiter. Neben einem Motocross-Platz für die Deutschen baut er sich ein Baumhaus im Drogenwald.

Kinder am Ende des Lebens
Über Palliativmedizin und Sterbehilfe

Von Karla Krause

Mittwoch, 25.03.2015, 22.03 Uhr, SWR2

Die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe auch für Minderjährige hat nicht nur die belgische Gesellschaft aufgewühlt. Dabei sind Eltern unheilbar erkrankter Kinder immer wieder vor existentielle Entscheidungen gestellt, die ihnen auch ein Gesetzgeber nicht abnehmen kann: Denn ob ein Kind wiederbelebt, operiert, beatmet, künstlich ernährt werden soll, kann über Leben oder Tod entscheiden. Eine Abwägung, die Eltern häufig überfordert. Im Kinderhospiz Sonnenhof unterstützt ein Palliativteam von Ärzten, Pflegern und Therapeuten betroffene Familien – weit über die medizinische Betreuung hinaus. Es hilft bei Entscheidungen und bemüht sich um die Lebensqualität von todkranken Mädchen und Jungen und die liebevolle Begleitung von Sterbenden. Kann eine solche Versorgung die aktive Sterbehilfe bei Kindern überflüssig machen?

Hip-Hop und Heavy Metal
Die verborgenen Hochkulturen

Von Jörg Scheller

Freitag, 27.03.2015, 20:10 Uhr, DLF

Während sich die Sensationsmedien bevorzugt Sexismus und Gewaltverherrlichung im Gangsta-Rap oder Satanismus und rechtem Gedankengut im Heavy Metal widmen – die es fraglos auch gibt – geht es in dieser Sendung darum, das wachsende progressive und emanzipatorische Potenzial der Szenen auszuloten. So schöpfen Metal-Musiker aus dem Erbe der Klassik, die Songtexte von Rappern werden in Anthologien veröffentlicht. Virtuose Math-Core Bands wie The Dillinger Escape Plan knüpfen an die Komplexität des Jazz an.

Liebe und andere Zwischenfälle
Vom Erwachsen-Werden mit dem Down-Syndrom

Von Helmut Kopetzky

Samstag, 28.03.2015, 18:05 Uhr, DR Kultur

Kleine Kinder mit dem “Down-Syndrom” sind überwältigend in ihrer Zuneigung, Mittelpunkt jedes Kindergeburtstags. Aber wie geht es weiter in ihrem Leben? Jeder zehnte Mensch mit “Trisomie 21” erreicht heute das 70. Lebensjahr.

Petra und Sven sind 27 bzw. 30 Jahre alt. Petra hat sich in Sven verliebt. Fast täglich telefonieren sie miteinander. Die beiden reden von Hochzeit. Mehrmals haben sie bereits gemeinsam die Nacht verbracht. Svens Eltern sind noch skeptisch, Petras Eltern befürworten die Verbindung. Die ungewöhnliche Liebesgeschichte spiegelt auch die Diskussion um “Normalität”, die Autonomie “Behinderter”, Fortpflanzung und genetische Risiken.

Zwischen Aragaz und Ararat
Eine Reise mit der Autorin Katerina Poladjan nach Armenien

Von Andreas Kebelmann und Robert Schmidt

Sonntag, 29.03.2015, 14.05 Uhr, SWR2

Drei Anfänge. New York 2010. Moskau 1973. Berlin 2014. So könnte der Roman von Katerina Poladjan beginnen. Der Großvater starb Anfang der 70er-Jahre kurz nach ihrer Geburt in Moskau, die Großmutter fast 30 Jahre später in New York. Über ihren Vater bekommt die Autorin einige alte Fotos, ein Tonband und einen armenischen Namen: Poladjan. Die Familiengeschichte geht zurück bis ins Jahr 1915 nach Ordu an der anatolischen Schwarzmeerküste. Die Spurensuche führt weiter – über Kontinente und Jahrhunderte. In Jerewan im Matenadaran-Institut, dem Zentralarchiv für armenische Handschriften, endet die Reise und beginnt die Geschichte.

 

Radiotipps für die Woche vom 16. bis 22. März 2015

Die Tauben vom Hauptbahnhof
Psychologie eines Sehnsuchtsortes

Von Rainer Schildberger

Freitag, 20.03.2015, 20:10 Uhr, DLF

Bettler und Obdachlose, die Hast der Berufstätigen und die Träume der Wartenden. Der Bahnhof ist Sinnbild für das Etappenhafte, das Bruchstückhafte, das Fragmentarische, die Instabilität, aber auch für die Bewegung unseres Lebens. “Die Mysterien finden am Hauptbahnhof statt”, dieser Satz von Joseph Beuys ist Ausgangspunkt und zentraler Fokus des Features.

Gemeint ist, dass Erkenntnisse über den Sinn des Lebens auf der Straße zu finden sind. Besonders am Hauptbahnhof als Nukleus und exemplarischer Ort des Geheimnisses. Der Autor geht hinein in die ergebnisoffenen Situationen, die der Bahnhof bietet. Er trifft Menschen, die einfach nur sitzen und schauen und andere, die herumfahren müssen, weil sie es Zuhause nicht aushalten. Und dann ist da noch die Taube hoch oben in der gläsernen Kuppel. Sie kennt jeden, sie sieht alles. Sie erzählt von den Banalitäten und Besonderheiten eines Sehnsuchtsortes.

Erfahrung und was daraus folgt

Von Martina Groß

Mittwoch, 18.03.2015, 00:05 Uhr, DR Kultur

Er gilt als der “Vater der Beatgeneration”, auch wenn er diese Einordnung nicht mochte. Alle kamen sie zu den legendären Freitags-Soireen in den 50er-Jahren. Als Anarchist und Bohemien schlug er eine Brücke zur Arbeiterbewegung und zum frühen Jazz Chicagos.

Als Buddhist und Übersetzer japanischer und chinesischer Dichtung brachte er die asiatische Ideenwelt den Amerikanern näher. Spirituelle Erfahrung und Religion waren für ihn nichts, an das man glaubt, sondern etwas Praktiziertes. Auch wenn Kenneth Rexroth (1905-1982) heute ein fast vergessener Dichter ist: Er stand am Anfang der vielen Formen asiatischer Spiritualität, die die Autorin auf ihrer Reise entlang der Westküste der USA gefunden hat.

Die gekaufte Stadt
Serge Dassault und das politische Business in Frankreich

Von Margit Hillmann

Mittwoch, 18.03.2015, 22.03 Uhr, SWR2

Die französische Arbeiterstadt Corbeil-Essonnes bei Paris galt lange als uneinnehmbare Hochburg der Kommunistischen Partei. – Bis Mitte der 1990er-Jahre ein konservativer Politiker das Rathaus eroberte: Flugzeugbauer Serge Dassault. Der Großindustrielle hatte versprochen, die Stadt auf Erfolgskurs zu bringen. Heute – 20 Jahre später – steht Corbeil-Essonnes für eine der dreistesten Korruptionsaffären Frankreichs: Dassault soll seine Wahlerfolge in der Stadt nach Mafia-Manier und mit Millionenbeträgen erkauft haben. Das Feature spürt die Mechanik des System Dassault auf und leuchtet die Hintergründe eines Skandals aus, dessen Ausmaße erst nach und nach ans Tageslicht kommen.

Der letzte Mensch
Wie wir überleben, wenn wir überleben

Von Thomas Palzer

Samstag, 21.03.2015, 14.00 Uhr, Bayern 2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

“Die globale Welt ist heute so beschaffen, dass es irgendwann einen großen Knall geben wird”, sagt der Philosoph Slavoj Žižek.
“Aber erst wenn wir das als unausweichliches Schicksal akzeptieren, können wir auch wirklich etwas dagegen tun.” Und wir tun etwas. Wir kümmern uns ums Überleben. In Gedanken sind wir alle längst dabei, das Ende der Zivilisation zu imaginieren und uns darauf mental vorzubereiten. Und wer etwa eine Großstadt besucht, der kann den Eindruck gewinnen, dass immer mehr Menschen den Ernstfall auch wirklich proben. Studios wie CrossFit werben damit, das härteste Workout der Welt anzubieten. Hier werden ganz gewöhnliche Stadtbewohner zu Gladiatoren, Elitesoldaten und Überlebenskämpfern ausgebildet – und auf größte physische Herausforderungen und Notfälle vorbereitet. In den USA nennt man diesen Trend Sufferfest – Leidensfest. Angesichts der zahllosen Krisen, die die Gegenwart erschüttern – neue Seuchen, Flüchtlingskrisen, Syrien, Ukraine, der IS, der neue autoritäre Kapitalismus, aber auch die üblichen Verdächtigen wie Versorgungskrisen, Überbevölkerung usw. – scheint die Angst vor dem “Einbruch des Realen” (Slavoj Žižek) zu wachsen. Wir fühlen uns vom kommenden Klimakrieg bedroht, von sich anbahnenden ökonomischen, ökologischen und politischen Krisen, von der drohenden Verdunkelung der Erde; von neuen Seuchen, vom Zusammenbruch der “Systeme” und von der übersteigerten Selbstermächtigung des Menschen. Wir lieben es, die Zukunft als Desaster zu denken.
Das Feature will die Geschichte der Gegenwart schon mal probeweise zu Ende erzählen und befragt dazu Menschen, die sich auf den Ernstfall vorbereiten.
Welche Art Zukunft liegt eigentlich vor uns – und: Können wir diese überleben? Was täten wir, wenn der Supermarkt an der Ecke nach Panikkäufen leergeräumt wäre? Und: Sind unsere sozialen Beziehungen belastbar – in einer möglichen Krise?

Drei Schwestern und ein Downsyndrom
Inszenierung von Familienbeziehungen

Von Annika Erichsen

Samstag, 21.03.2015, 18:05 Uhr, DR Kultur

Elisabeth ist arbeitslos, Christina ist Single und Theresa ist behindert. So kann man die drei Schelhas-Schwestern beschreiben. Es geht aber auch anders: Elisabeth will die Größte, Schönste, Stärkste sein, Christina fühlt sich zu kurz gekommen und Theresa steht mit beiden Beinen im Leben.

Oder: Erstgeborene, Sandwichkind und Nesthäkchen. Welche Beschreibung ist am Treffendsten? Die drei inzwischen erwachsenen jungen Frauen stehen gemeinsam auf einer Theaterbühne, um herauszufinden, wer welche Rolle im echten Leben spielt. Und wie frei sie ihren Lebensentwurf tatsächlich wählen können.

Artisten (3/)
Peggy Traber – Fallhöhe

Von Judith Fehrenbacher

Sonntag, 22.03.2105, 15.04 Uhr, SWR2

Peggy Traber ist Hochseilartistin. Eine aus der großen Artisten-Dynastie der Trabers, die seit 1799 ununterbrochen auf dem Seil unterwegs sind. Doch Peggy Traber gehört nicht zum glamourösen Familienzweig, der in Baden ansässig ist, sondern zu einer östlichen Linie, die in der DDR und der Sowjetunion Karriere machte. Eine seltene Karriere im Sozialismus: auf schmalem Draht in hoher Luft. Natürlich gehen auch ihre drei Töchter aufs Seil. Gefallen ist Peggy Traber erst Jahre nach der Wende – als sie sich in ihren Schwiegersohn in spe verliebte. Familienkrieg, Finanzprobleme. Schließlich landete sie ganz unten – im Gefängnis. Doch nun ist sie frei und will wieder rauf. Und rauf kann für sie nur bedeuten: auf’s Seil. “Das Leben ist ein Hochseilakt”, sagt sie. Und sie ist die einzige, die das sagen kann, ohne dass es eine abgedroschene Metapher ist.

Weder schwarz noch weiß:
Asiatische Einwanderer in den USA

Von Jane Tversted und Martin Zähringer

Sonntag, 22. März 2015, 18:05 Uhr, hr2-kultur

Amerika ist seit seiner Entdeckung durch Europäer eine Zone der Einwanderung, und die transatlantische Verbindung ist Grundlage unseres Amerikabildes. Fast unbekannt ist dagegen die pazifische Seite der Einwanderung nach Amerika.

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts erreichen Millionen Menschen den Kontinent über den Pazifik, und heute beträgt ihr Anteil in Städten wie Los Angeles, San Francisco, San Jose oder Seattle bis zu 30 Prozent der Bevölkerung. Ihre Lage wird zuweilen mit dem Begriff der “Model Minority” beschrieben, einer “besseren” Minderheit, die den American Way of Life durch Anpassung und Leistungsbereitschaft schafft.

Aber ist das die ganze Wahrheit? Seit den 1960er Jahren kämpfen die Asian Americans um gesellschaftliche Anerkennung und politische Mitbestimmung. Heute ist in San Francisco der Bürgermeister asiatischer Herkunft, fünf von elf der gesetzgebenden und vom Volk gewählten Verwaltungsräte / Supervisors ebenfalls. Jane Tversted und Martin Zähringer gehen den Spuren der Asian Americans in der Bay Area nach, es entsteht der Lagebericht einer etwas anderen Migration.

 

Radiotipps für die Woche vom 8. bis 14. März 2015

Abgehängt
Wie die Krise in das Leben der Franzosen eingreift

Von Ruth Jung

Dienstag, 10.03.2015, 19:15 Uhr, DLF

Jeder vierte Franzose unter 25 Jahren ist arbeitslos. Rund fünf Millionen gelten als arm. Und die Armut breitet sich immer mehr aus. In Paris führt ein Obdachloser Interessierte an die Stätten des zunehmenden sozialen Elends. 2013 verteilten die “Resto du coeur” mehr als 130 Millionen kostenlose Mahlzeiten.

Aus der Initiative des Komikers Coluche von 1985 ist ein karitatives Großunternehmen geworden. Armut hat heute ein anderes Gesicht als vor 30 Jahren: Nullwachstum, prekäre Arbeitsverhältnisse, Arbeitslosigkeit, Depression, Ausgrenzung. Von dieser tiefgreifenden sozialen und politischen Krise profitiert die extreme Rechte, die 2014 zwölf Rathäuser erobern konnte.

Bei der Europawahl erhielt der Front National ein Viertel der abgegebenen Stimmen. Umfragen lassen befürchten, dass dessen Spitzenkandidatin Marine Le Pen bei den nächsten Präsidentschaftswahlen vorn liegen könnte. Derweil streiten sich die regierenden Sozialdemokraten über mögliche Wege aus der Krise.

Textverarbeitung
Über das Büchermachen in digitalen Zeiten

Von Joachim Büthe

Freitag, 13.03.2015, 20:10 Uhr, DLF

Über das Verschwinden des Buches sind schon viele Bücher geschrieben worden. Es verschwindet aber nicht, sondern es wird sogar schöner, auch durch den Druck der digitalen Konkurrenz. Verloren hat es sein Monopol und das kann ein Anlass sein, seine Qualitäten neu zu bestimmen und auch die Positionen von Verlegern, Gestaltern und Lesern.

Kann es neue Verlagsformen geben, die weniger hierarchisch gegliedert sind als bisher? Welche Rollen werden Gestalter spielen, nicht nur im Medium des Buches, sondern auch in den digitalen Publikationen? Ist es für die Aufnahmefähigkeit des Lesers gleichgültig, in welchem Medium er liest? Und müssen die rivalisierenden Medien wirklich Gegner sein? Sie werden noch lange nebeneinander und miteinander auskommen müssen. Warum nicht einen Vorteil daraus machen?

Unterwegs im alpinen Europa
Wörterberge

Von Alessandro Bosetti

Mittwoch, 11.03.2015, 00:05 Uhr, DR Kultur

Sein Interesse an Sprache hat den Soundkünstler Alessandro Bosetti in das “Little Europe” der Alpen geführt. Dieses Gebirgsmassiv in der Mitte Europas ist vielsprachig, überschreitet nationale Grenzen, beherbergt Regionen mit starker Eigenidentität, die um politische Autonomie kämpfen. Gleichzeitig prägen Migration und Wanderarbeiter das Bild.

Bosetti ging dorthin, wo auf überschaubarem Raum Walserisch, Frankoprovenzalisch, Ladino, Cimbro, Slowenisch und viele andere Sprachen gesprochen werden. Er besuchte Bergbauern auf der Alm und verfolgte in den Tälern hitzige Dorfdebatten über den richtigen Kurs Europas.

Wenn Kinder nur noch weg wollen
Der mittelamerikanische Exodus

Von Erika Harzer

Samstag, 14.03.2015 13:05 Uhr, BR2
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Sie kommen aus Guatemala, El Salvador und Honduras. Sie sind Kinder oder Jugendliche und durchqueren alleine Mexiko. Eine mörderische Route, die sie nur mit viel Glück unversehrt hinter sich bringen können, ohne dabei in die Hände von Drogenkartellen, Entführern, Menschenhändlern oder auch der Migrationspolizei zu gelangen. All die Gefahren halten sie nicht davon ab, sich auf den Weg zu machen. Zu Hunderten sitzen sie dicht gedrängt auf Dächern von Güterzügen und hoffen täglich aufs Neue, ihr Ziel zu erreichen. Die USA. Dort glauben sie, ein Leben führen zu können, das ihnen mehr bietet, als der gewalttätige Alltag, den sie in ihren Heimatländern erlitten haben. Doch Präsident Obama erwägt angesichts des Ansturms Minderjähriger eine Gesetzesänderung, um diese Kinder schneller abschieben zu können. Die Heimatländer gelten nicht als Kriegsregionen und doch sind sie Ausgangspunkt des Exodus. Die Geschichte der Kinder einer vergessenen Region, die Geschichte einer humanitären Katastrophe.

Stecker raus – Menschen ohne Strom

Von Dieter Jandt

Samstag, 14.03.2015, 18:05 Uhr, DR Kultur

Jährlich sind bundesweit mehr als 300 000 Haushalte von Stromsperrungen betroffen, Tendenz steigend. Auch der vermehrte “Stromklau” ist ein Indiz dafür, dass vielen Menschen Energie zu teuer geworden ist. Verbraucherverbände fordern ein Grundrecht auf Strom.

Die Realität aber sieht düster aus. Manche Menschen bleiben über Monate ohne Strom und verbringen den Abend bei Kerzenlicht. Sozial schwache Familien können sich keine energiesparenden Geräte leisten, nicht einmal Sparlampen. Was wäre zu tun, damit Strom für alle bezahlbar ist?
Ein Ausflug zu Menschen, die ohne Strom leben müssen.

Artisten (2/3)
Milo Barus – Der stärkste Mann der Welt

Von Martin Becker und Tabea Soergel

Sonntag, 14.03.2015, 14.05 Uhr, SWR2

Er wuchtete vollbesetzte Straßenbahnen aus den Schienen und rang mit bloßer Muskelkraft Stiere nieder. 1906 wurde er im Sudetenland geboren, 1930 wurde ihm in Paris der Titel “Stärkster Mann der Welt” zugesprochen. Ebenso wie in London, Kalkutta, Kairo, Buenos Aires und New York. Schließlich aber landete er im thüringischen Stadtroda in der DDR. Immerhin: Für die ein oder andere Fernsehshow ging er immer noch vor die Kamera, um einen Hufnagel mit der Faust ins Holz zu schlagen und mit den Zähnen wieder herausziehen. Wie passt ein solitärer Kraftprotz in einen Staat der vereinten solidarischen Kräfte? Und wie passt er in die Gegenwart? Emil Bahr alias Milo Barus starb 1977. Heute wird im Eisenberger Mühltal ein Kraftsportwettkampf namens “Milo Barus Cup” veranstaltet.

(Teil 3, Sonntag, 22. März, 14.05 Uhr)

Billig – um jeden Preis!
Der Lebensmitteleinzelhandel: Einblicke in ein krankes System

Von Egon Koch

Sonntag, 15. März 2015, 18:05 Uhr, hr2

Beim Wettkampf um Marktanteile und die Gunst des Kunden spielt im Lebensmitteleinzelhandel der Preis die zentrale Rolle. Der deutsche Markt ist gesättigt. Marktanteile können nur noch durch die Verdrängung von Mitbewerbern gewonnen werden.

Die fünf führenden Supermarkt- und Discounterkonzerne Edeka, Rewe, Aldi, die Schwarzgruppe (Lidl und Kaufland) und Metro teilen den Markt unter sich auf. Featureautor Egon Koch spürt einem kranken System nach, das auf Kosten der Produzenten den Preis immer mehr drückt.