Radiotipps für die Woche vom 3. bis 9. November 2014

“Unser Görli”
Selbstermächtigungen im öffentlichen Raum

Von Ursula Rütten

Dienstag, 04.11.2014, 19:15 Uhr, DLF

Der Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg: einzige grüne Freifläche in einem dicht besiedelten Wohngebiet, ein klar abgegrenztes urbanes Territorium für Naherholung und Freizeitgestaltung von Anwohnern und zunehmend Touristen.

Seit einiger Zeit ist er auch “Dorfplatz” für Asylbewerber aus Afrika und davon nicht klar unterscheidbarer Hotspot für zunehmend offensiven Drogenhandel. Ein Raum ungleicher Erfahrungen und Bedürfnisse, in dem sich kollektive Interessen bündeln, überkreuzen, ausschließen. Die traditionell solidarische, antirassistische, linksliberale Stimmung im multikulturellen Kiez droht zu kippen.

ARD Online-Avard

Anhören. Abstimmen. Auszeichnen. Bis zum 8. November.

Der #ARDOnlineAward für das BESTE HÖRSPIEL. Deine Entscheidung!
http://www.ard.de/home/radio/ARD_Online_Award/1178208/index.html

Am Mittwoch, 5. November eröffnet das größte Festival für Hörspielkunst im deutschsprachigen Raum – die ARD Hörspieltage. Bis zum 9. November stehen Karlsruhe, das Zentrum für Kunst und Medientechnologie und die Staatliche Hochschule für Gestaltung im Zeichen von Live-Inszenierungen, Wettbewerbsvorführungen, Jury-Diskussionen, Konzerten, Gesprächen und einer langen Hörspielnacht.

Der ARD Online Award wird vom Internet-Publikum vergeben, das über ein Online-Voting sein Lieblingsstück im Internet wählt. Das Stück mit den meisten Stimmen gewinnt. Abstimmen kann man bis zum 8.11. um 18 Uhr.

Wohin verschwinden die Grenzen?
Geschichten aus dem österreichisch-tschechischen Zwischenland

Von Antonia Kreppel

Mittwoch, 05.11.2014, 22.03 Uhr, SWR2

Das österreichische Grenzdorf Fratres und das tschechische Renaissancestädtchen Slavonice verbindet eine “Kulturbrücke” und trennt noch immer die Last der Geschichte. “Hüben und drüben” treffen sehr verschiedene Menschen aufeinander: Zugereiste, die Impulse setzen; Einheimische, die ums Überleben kämpfen; Rückkehrer, die kreative Versöhnungsarbeit leisten. Am ehemaligen Grenzübergang im Dreiländereck Böhmen, Mähren, Österreich steht ein Spruchband aus Metall: “Wohin verschwinden die Grenzen; Kam mizí hranice”? Ob Altenpflegerin oder Kunstsammler; Bauer oder Historiker; Familienforscher oder Kulturmanager; Automechaniker oder Künstler: 25 Jahre nach der Wende sind sich alle einig, dass die Grenzen nur langsam verschwinden oder sich am Ende nur verschieben.

Prix Europa 2014

Mittwoch, 05.11.2014, 0.05 Uhr, DR Kultur

Der Prix Europa zeichnet jedes Jahr die besten europäischen Medienproduktionen aus.

Das Festival findet in diesem Jahr vom 18. bis 25. Oktober in Berlin statt. In der Kategorie Hörfunk werden u.a. folgende Preise vergeben:

Bestes Radio-Feature

Beste investigative Radiosendung

Wir senden heute ein Preisträger-Feature.

Bauhaus, Buchenwald und Baudenkmäler
Die fantastische Karriere des Architekten Franz Ehrlich

Von Regina Kusch und Andreas Beckmann

Freitag, 07.11.2014, 20.10 Uhr, DLF

Er war Kommunist und Kapitalist, Genie und Hochstapler, Querdenker und Opportunist zugleich: Franz Ehrlich hat Architekturikonen wie das für seine Akustik gerühmte Funkhaus in der Berliner Nalepastraße entworfen und mit seiner Möbelserie 602 im Bauhaus-Stil einen DDR-Exportschlager konzipiert.

Er kassierte Spitzenhonorare und war doch als Formalist verfemt, da er den Zuckerbäckerstil der Stalin-Ära ebenso kritisierte wie die Plattenbausiedlungen. Seine spektakulären Pläne für den Wiederaufbau Dresdens oder die Leipziger Messe wurden von den Funktionären zurückgewiesen. Das hat ihn nicht gehindert, intensiv mit der Stasi zusammenzuarbeiten. Verfolgt und doch geschätzt war Franz Ehrlich schon in der NS-Zeit, als er im KZ Buchenwald zunächst in der illegalen Zelle der KPD mitarbeitete, aber nach dem Ende seiner Haft Villen für SS-Kommandeure gestaltete.

“Ich will ein Geständnis”
Medikamentenversuche an Kindern in der Schweiz

Von Charly Kowalczyk

Samstag, 8.11.2014, 13.05 Uhr, DLF/BR/WDR 2014
Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr

Zufällig finden sich in verschiedenen Vormundschaftsakten Patientenprotokolle der psychiatrischen Klinik Münsterlingen im Kanton Thurgau. Ehemalige Zöglinge aus Kinderheimen und Pflegefamilien müssen nun feststellen, dass in den 60er- und 70er-Jahren an ihnen Tabletten getestet wurden – Psychopharmaka. Niemand hatte es ihnen gesagt. Als Kinder hatten sie im Heim des katholischen Klosters Fischingen oder in Pflegefamilien gelebt. Geliefert wurden die Pillen vom Basler Konzern Ciba, heute Novartis. An den Folgen der Versuche leiden die Betroffenen bis heute, sagen sie, an extremem Bluthochdruck, an Panikattacken und ständigen Kopfschmerzen. Wie war es möglich, dass man an diesen Kindern experimentieren konnte? Wer ist verantwortlich, trägt Sorge für die Folgen? Und heute? Kümmern sich Pharmakonzerne um ethische Standards, wenn sie in Indien, Rumänien oder Argentinien Arzneimittel testen? Unter welchen Umständen sind solche Tests überhaupt vertretbar?

Zwei Seiten Leben. Drei Trauerredner.
Ein Totentheater

Von Michael Lissek

Samstag, 08.11.2014, DR Kultur

Das Leben ist kurz, und lang ist der Tod. Ob während des Lebens Mitteilenswertes geschehen ist, darüber entscheiden am Ende die Hinterbliebenen (und ihre Sprachfähigkeit) sowie der Trauerredner (und seine Befragungs-, Schreib- und Performancetechnik).

Michael Lissek porträtiert drei Trauerredner und -rednerinnen, begleitet sie zu Bestattungen und zu Hinterbliebenen, und er lässt sie Trauerreden auf sich selbst halten. Es wird viel gesungen, eine Menge Luft geatmet, Yoga gemacht und an keiner Stelle geweint. Aus Totentheater wird Radio.

Wir sind das Volk – Die deutsche Wiedervereinigung

Von Dorothee Meyer-Kahrweg

Sonntag, 09. 11. 2014, 18:05 Uhr, hr2

Als US-Präsident Ronald Reagan 1987 am Brandenburger Tor rief: “Mr. Gorbatschow, tear down this wall!”, hielten die meisten Deutschen dies für eine utopische Forderung. Doch nur zwei Jahre später fiel die Mauer wirklich.

Die Entwicklung dieser aufregenden zwei Jahre zeichnet dieses Feature mit einer Fülle von Tondokumenten nach. Die Sendung ruft eine Zeit in Erinnerung, in der das Volk durch eine friedliche Revolution die Diktatur der SED-Herrschaft beendete. Das Feature erschien unter dem Titel “Wir sind das Volk” auch als Hörbuch beim Verlag “Der Hörverlag – DHV” München.

Radiotipps für die Woche vom 27. Oktober bis 2. November 2014

Kongos deutsche Hoffnung
Mit Martin Kobler unterwegs auf Friedensmission im Auftrag der UNO

Von David Hecht

Dienstag, 28.10.2014, 19:15 Uhr, DLF

Die neue Mission des ehemaligen deutschen Botschafters im Irak und in Afghanistan, Martin Kobler, scheint fast aussichtslos. Wie soll er eine UNO-Friedensmission mit 20.000 Soldaten aus 50 Ländern steuern in einem Land, das sieben Mal so groß wie Deutschland ist?

Wo die Allianzen zwischen den zahllosen bewaffneten Gruppen undurchschaubar sind, die Politiker oft unberechenbar? Die größtenteils US-geführte Mission der UNO in der Demokratischen Republik Kongo trat seit 15 Jahren auf der Stelle.

Seit Herbst 2013 gibt es ein “robustes” Mandat, alle nicht staatlichen bewaffneten Gruppen zu entwaffnen. Martin Kobler kann seine neue Macht nun einsetzen, nicht nur um Frieden zu sichern, sondern um Frieden auch zu erzwingen. Der Autor hat Kobler im Kongo begleitet.

Tropenträume zu verkaufen.
Zwei Dörfer in Kambodscha suchen ihre Zukunft

Von Barbara Kenneweg

Mittwoch, 29.10.2014, 0.05 Uhr, DR Kultur

Noch verfügt Kambodscha über riesige Urwälder und klare Küstengewässer mit enormer biologischer Vielfalt. Aber Investoren aus aller Welt teilen das unberührte Land unter sich auf:

Sie pachten Land für 99 Jahre, bauen Hotels, Kasinos, sogar ganze Städte. Andererseits versuchen diverse NGOs, Natur und gewachsene Kultur zu schützen. Das persönliche Interesse der westlichen Helfer ist dabei nicht selten die Flucht vor der übersättigten westlichen Welt.
Und die Einwohner? In einer Dschungelsiedlung, die einst die roten Khmer aus dem Boden gestampft haben, werden Wilderer zu Touristenführern und Hoteliers. Ein Fischerdorf verbündet sich mit einem britischen Taucher, der eigentlich nur die Seepferdchen retten wollte.

Die Sieger von Kundus.
Eine Bilanz der deutschen Afghanistan-Mission

Von Marc Thörner

Mittwoch, 29.10.2014, 18.05 Uhr, SWR2

„Si vis pacem, para bellum” Wenn du den Frieden willst, rüste zum Krieg!

“Wir haben Großartiges geleistet”, bilanziert Generalmajor Jörg Vollmer, Kommandeur der ISAF-Schutztruppe in Nordafghanistan. “Die afghanische Bevölkerung im Norden bewegt sich durch ihre Provinzen völlig normal.”
Und wenn nicht alle Ziele vollständig erreicht wurden, so räumt man bei der Bundeswehr ein – das sei eben Afghanistan. Schließlich können “wir” “ihnen” westliche Standards nicht einimpfen. Der Autor hat die Entwicklungen in Kundus, dem Vorzeigegebiet des deutsch geführten Regionalkommandos Nord, über viele Jahre beobachtet. Ein Rechtsstaat wurde dort nicht einmal in Ansätzen aufgebaut. Woran liegt es? Um eigene Verluste zu vermeiden und Mittel einzusparen, schloss die Bundeswehr Allianzen mit korrupten Provinzfürsten, mit Klein- und Schwerkriminellen. Sie sind die eigentlichen Gewinner des bislang größten deutschen Auslandseinsatzes.

Pfarrer
Hörstück nach dem gleichnamigen Dokumentarfilm.

Von Stefan Kolbe und Chris Wright

Samstag, 01.11.2014, 18.05 Uhr, DLF

Was passiert, wenn zwei atheistische Autoren Zugang zu einem Predigerseminar bekommen? Und das in Wittenberg, der Lutherstadt, einst Hochburg der deutschen Reformation, heute gelegen in einer der ungläubigsten Ecken Europas.

Ein Jahr lang begleiten die Autoren eine Gruppe Männer und Frauen in ihrer Ausbildung zum Pfarrer. Anfangs geht es noch um das Erlernen religiösen Handwerks. Aber im Laufe der Zeit sehen sich Protagonisten wie Filmemacher zunehmend mit den grundlegendsten menschlichen Fragen konfrontiert. Grenzen verschwimmen – zwischen Glauben und Unglauben, Trost und Verzweiflung. Es entsteht ein intimer Dialog über unsere fundamentalen Bedürfnisse nach Liebe, Geborgenheit und Sinn.

Die Liebe zum Standard.
Feldforschungen in der Welt der Kaninchenzüchter

Von Jörn Klare

Sonntag, 2.11.2014, 14.05 Uhr, SWR2

Der Journalist Jörn Klare war schon in fast aller Welt und an beinahe jedem Krisenherd. Jetzt aber führen ihn seine investigativen Recherchen in eine besonders fremde und ferne Szene: die Welt der deutschen Kaninchenzüchter. Das Wenige, was man über sie weiß, weiß man aus dem Lokalteil der Zeitung. Dort wo angeblich jeder Reporter mal angefangen hat (um möglichst schnell weg- und weiterzukommen), erschließt sich dem erfahrenen Journalisten ein vielfältiger Kosmos mit komplexen Regeln und Gebräuchen, allen voran: der “Standard”, der buchstäblich kaninchenhaarklein festschreibt, was ein schönes Kaninchen von einem weniger schönen unterscheidet, was wiederum die Grundlage für die Unterscheidung von Gewinnern und Verlierern ist. Die Kleintierwelt als Großmetapher. Natürlich hat Jörn Klare auch versucht, mit den Kaninchen selbst zu sprechen …

„Zur Vermeidung weiterer Provokationen“
Die kurze Lebensgeschichte des Michael Gartenschläger

Von Roman Grafe

Sonntag, 2. November 2014, 18:05 Uhr, hr2

Strausberg bei Berlin im August 1961: Der 17-jährige Lehrling Michael Gartenschläger protestiert mit vier Freunden gegen den Mauerbau. “Macht das Tor auf!” und “Freie Wahlen!” pinseln sie an Garagen und Einfahrten.

Die “konterrevolutionäre Terrorbande” wird festgenommen. Michael Gartenschläger wird zu lebenslänglich Zuchthaus verurteilt. Nach zehn Jahren Haft in der DDR wird er 1971 von der Bundesrepublik freigekauft. Er zieht nach Hamburg, betätigt sich als Fluchthelfer und holt 31 Menschen aus der DDR. Im Frühjahr 1976 demontiert Gartenschläger an der DDR-Grenze zwei Selbstschussapparate. Der “Spiegel” veröffentlicht die Funktionsweise der “Todesautomaten”, deren Existenz die DDR bis dahin immer geleugnet hatte.

Als sich Gartenschläger am 30. April 1976 erneut dem DDR-Grenzzaun nähert, wird er von einem Stasi-Kommando erschossen. Die Todesschützen werden nach dem Fall der Mauer freigesprochen. Eine deutsch-deutsche Tragödie, an die Roman Grafe in diesem Feature erinnert.

 

 

Radiotipps für die Woche vom 20. bis 26. Oktober 2014

Psychopharmaka “Ich will ein Geständnis”
Medikamentenversuche an Kindern in der Schweiz

Von Charly Kowalczyk

Dienstag, 21.10.2014, 19:15 Uhr, DLF

Zufällig finden sich in verschiedenen Vormundschaftsakten Patientenprotokolle der psychiatrischen Klinik Münsterlingen im Kanton Thurgau. Ehemalige Zöglinge aus Kinderheimen und Pflegefamilien müssen nun feststellen, dass in den 60er- und 70er-Jahren an ihnen Tabletten getestet wurden – Psychopharmaka.

Niemand hatte es ihnen gesagt. Als Kinder hatten sie im Heim des katholischen Klosters Fischingen oder in Pflegefamilien gelebt. Geliefert wurden die Pillen vom Basler Konzern Ciba, heute Novartis. An den Folgen der Versuche leiden die Betroffenen bis heute, sagen sie, an extremem Bluthochdruck, an Panikattacken und ständigen Kopfschmerzen.

Wie war es möglich, dass man an diesen Kindern experimentieren konnte? Wer ist verantwortlich, trägt Sorge für die Folgen? Und heute? Kümmern sich Pharmakonzerne um ethische Standards, wenn sie in Indien, Rumänien oder Argentinien Arzneimittel testen? Unter welchen Umständen sind solche Tests überhaupt vertretbar?

Stimme der Stimmlosen
Community Radios in Indonesien

Von Mandy Fox

Mittwoch, 22.10.2014, 0.05 Uhr, DR Kultur

Sie warnen vor Vulkanausbrüchen, gründen Schulen, organisieren Krankenbesuche, geben Tipps für die Ernte. Lokalradios sind in Indonesien ein unverzichtbares Kommunikationsmittel.

Schließlich verteilt sich das Land auf über 17.000 Inseln. Gesendet wird aus Hinterzimmern oder von unterwegs, die Sender sind mobil. Gehört wird zu Hause oder bei der Arbeit auf dem Feld. Warum? Weil es das einzige Medium für Bildung und Information in den oft abgelegenen Siedlungen ist. Die Lokalradios könnten die Demokratisierung des Landes vorantreiben. Der Regierung sind sie allerdings häufig ein Dorn im Auge, weil sie zu selbstständig, zu selbstbewusst agieren.

Nazi-Netzwerk NSU

Von Ralf Homann und Thies Marsen

Mittwoch, 21. Oktober 2014, 22.03 Uhr, SWR2

“Der NSU war nach dem Ergebnis der Ermittlungen […] stets eine singuläre Vereinigung aus drei Personen”, sagt der Generalbundesanwalt. Doch Strategie und Taten des Nationalsozialistischen Untergrunds waren alles andere als isoliert und einzigartig. Rechte Terrorakte gab es in der Vergangenheit in ganz Europa und den USA. Folgt man den Spuren des Terrors, stößt man immer wieder auf das nationalsozialistische Netzwerk “Blood & Honour”. Zum harten Kern zählten – laut Ermittlern – auch die späteren NSU-Terroristen Uwe Mundlos, Uwe Bönhardt und Beate Zschäpe. Doch Vernetzungen spielen bei der Aufarbeitung der NSU-Morde kaum eine Rolle. Stattdessen verfolgen die Behörden lediglich die “erweiterte Einzeltätertheorie”. Werden die terroristischen Gefahren von rechts schon wieder unterschätzt?

Rien ne va plus
Warum sich der Boulevardreporter Günter Stampf das Leben nahm

Von Rosvita Krausz

Freitag, 24.10.2014, 20:10 Uhr, DLF

Günter Stampf galt in der Medienbranche als Naturtalent. Charismatisch, hoch intelligent, gut aussehend. Mit 23 war der Österreicher, Ressortleiter der Zeitschrift “Bunte”, mit 24 Chefreporter bei “Bild”, zwei Jahre später kehrte er als stellvertretender Chefredakteur zur “Bunte” zurück – für 450.000 Mark Jahresgehalt.

Dann wechselte er zum Fernsehen. 1994 erreichte er als stellvertretender Chefredakteur von Thomas Gottschalks RTL-Late-Night-Show bis zu drei Millionen Zuschauer täglich. 2002 gründete er seine eigene Firma Stampfwerk. Sendungen wie “Das Leben der Superreichen”, “Megaman”, “Boat of Love”, “Der Amoklauf von Erfurt”, “Urteil Mord”, “Die World Awards” mit Präsident Michael Gorbatschow und “Der Kannibale von Rothenburg” hat er produziert. Dazu kam Werbung für Banken.

Günter Stampf arbeitete wie ein Besessener. “Ich gehe die Extrameile” war seine Devise. Nach oben schien es keine Grenze zu geben. Aber dann kam die Weltwirtschaftskrise. Auf seine Berater, er solle rechtzeitig auf die Flaute reagieren, hörte er nicht. Es war ihm doch bislang in seinem Leben alles geglückt. Warum war Günter Stampf, der mit geschäftlichem Stress souverän umgehen konnte, plötzlich am Ende?

miles and more
Rücktrittsdramaturgien in der Politik

Von Helgard Haug und Heike Haug

Samstag, 25.10.2014, 18.50 Uhr, DR Kultur

“Nach zehn Jahren Bundestag sind Sie für das normale Leben nicht mehr resozialisierbar”, sagte Wolfgang Bötsch (CDU) vor seinem Ausscheiden aus dem Bundeskabinett. Rücktritte sind Konstanten im politischen Geschäft.

Sie sind selten das Ergebnis inhaltlicher Überzeugungen, eher der erzwungene kathartische Akt, mit dem das politische System auf angeheizte Skandale reagiert. Die oft kläglichen Abgänge sind meist perfekt inszeniert. Welchen Mustern und Ritualen sie folgen und welchen Beitrag Medien, Öffentlichkeit und Parteifreunde dabei leisten, zeigt dieses Feature.

Das Deutsch und sein Twäng

Von Henrik von Holtum

Sonntag, 22. Oktober 2014, 14.05 Uhr, SWR 2

Kkkkkrrrrrrff – chpfchpfchpf – schschschtttt – grwmpstrl. Welchen Klang hat die deutsche Sprache? Welche Kontur und welche Kultur? Wie wird Deutsch von Nicht-Deutschen wahrgenommen? Als Gurgeln, Krächzen, Röcheln? Ist es das, was Charlie Chaplin in “Der große Diktator” persifliert hat? Oder ist das nur das böse Hitlerdeutsch als Sonderfall? Es gibt andere Sonderfälle: das Grönemeyer-Deutsch, das sich kaugummiartig dehnt und biegt, als wolle es lieber Englisch sein, das Heino-Deutsch, das aus jedem Vokal eine Gymnastikübung für den Mundraum macht. Es gibt einen speziellen Nachrichtenton und einen bestimmten Werbeton, es gibt Kampfdeutsch und Schmeicheldeutsch. Und dann auch noch die weichgelutschten Dialekte … Hat all das irgendeine Gemeinsamkeit, einen Ton – nennen wir ihn “Twäng” – der für die gesprochene deutsche Sprache typisch ist? So wie das “Twäng” der Gitarre eines Johnny Cash definitiv anders klingt als das “Twäng” eines Reinhard Mey, wenn er in die Saiten greift? Henrik von Holtum horcht dem Klang des Deutschen nach.

 

Radiotipps für die Woche vom 13. bis 19. Oktober 2014

Psychiatrie im Äthiopien
PSY oder die Angst vor dem bösen Blick

Von Oliver Ramme

Dienstag, 14. Oktober 2014, 19.15 Uhr, DLF

80 Millionen Einwohner hat Äthiopien – und 34 Psychiater. Zwei von ihnen arbeiten in dem Provinzstädtchen Jimma in einer kleinen Psychiatrie. Hier vegetieren die Menschen mit dem “bösen Blick”.

Sie tragen Schlafanzüge mit dem Kürzel PSY und schlurfen durch die dunklen Gänge der kleinen Klinik oder durch den Garten. Sie stehen unter der Aufsicht der Ärzte und bekommen nur die Medikamente, die eben vorrätig sind. Geht es den Patienten in Jimma besser als ihren Leidensgenossen auf dem Land? Psychosen wie Schizophrenie, Paranoia oder Suchterkrankungen treten in Äthiopien ähnlich häufig auf wie im Rest der Welt.

Doch das Verhältnis der Gesellschaft zu diesen Krankheiten ist meistens ein anderes als im Westen: Die Betroffenen gelten als besessen. “Die Verwandten glauben, dass psychische Erkrankungen ansteckend sind und schließen die Kranken einfach weg”, sagt der Psychiater Dr. Negash. Patienten in Jimma erzählen von langen Leidensgeschichten, Ärzte und Pfleger von ihren Arbeitsbedingungen.

Riot Girls
Ausflüge in die Kampfzone

Von Sabine Bernardi und Annette Blaschke

Mittwoch, 15. Oktober 2014, 22.30 Uhr, SWR2

Sie sind die, vor denen du dich in der Bahn hinter dem Sitz versteckst. Die mit der größten Klappe, dem dicksten Lidstrich. Kratzen, beißen, Haare ziepen war gestern. Die neuen urbanen Krawallmädchen prügeln und treten, bis sich die Knasttüren hinter ihnen schließen. Die Zahl der jugendlichen Gewalttäterinnen in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren mehr als verdoppelt. Jede fünfte Körperverletzung bei Jugendlichen geht laut Kriminalstatistik bereits auf das Konto eines Mädchens. Wer Glück hat, landet per Gerichtsbeschluss irgendwann im Anti-Aggressions-Training und lernt dort, dass frau sich auch anders ausdrücken kann. Wer Pech hat, macht weiter bis zur Strafmündigkeit.

Austerität tötet
Wer das Sparen erfand und wem es heute nützt

Von Sebastian Dörfler und Julia Fritzsche

Samstag, 18.10.2014, 13:05 Uhr, Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr, Bayern 2

Die Selbstmordrate in Griechenland hat sich in den vergangenen drei Jahren verdoppelt. Die HIV-Infektionsrate ist binnen eines halben Jahres um 52 Prozent gestiegen. Und die EU warnt vor Infektionskrankheiten wie dem wieder aufgetauchten West-Nil-Virus, an dem in der Krise 62 Menschen gestorben sind. Der Grund: ein “Sparpaket”, das die Troika aus Europäischer Zentralbank, EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds Griechenland vorgeschrieben hat, und das unter anderem den griechischen Gesundheitsetat fast halbierte. Das Sparen in der Krise hat einen Namen: Austerität. Doch was steckt hinter diesem Wort, das derzeit das Schicksal der EU bestimmt? Ist das politisch verordnete Sparen bittere Medizin oder Todesspritze für die betroffenen Länder? Wie kam der Sparkurs in die Welt? Und wem nützt der ausgeglichene Haushalt? Das Feature wirft einen Blick zurück. Auf die Weltwirtschaftskrise 1929, auf die US-Präsident Roosevelt statt mit “Sparen” mit einem “New Deal” reagierte. Auf die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, in der nicht Sparen, sondern das Gegenteil: deficit spending, Mainstreampolitik war. Und auf den Beginn des Neoliberalismus, der hohe Staatsausgaben auf einmal zum Übel schlechthin erklärte. Nicht mehr der Staat, sondern die Privatwirtschaft gilt seit den 80er Jahren als Impulsgeber des Wachstums. Das Feature blickt aber vor allem auf die aktuelle Krise, die zeigt: der Glaube an stetiges Wachstum ist längst erschüttert. Dennoch hält die europäische Krisenpolitik an dem Dogma der “Austerität” fest.

Eine Geschichte vom Rummelplatz

Von Jenny Marrenbach

Samstag, 18. Oktober 2014, 18.05 Uhr, DR Kultur

Ein Gigant unter den Kirmeskarussellen, 50 Tonnen Stahl, zusammengeschraubt aus tausenden Teilen. Fünf Stufen bis zu der schweren drehbaren Platte, über der dann sechzehn Gondeln herumschleudern. Das Fahrgeschäft “Break Dance” steht für die Suche nach einem Moment von Freiheit und Rausch.

Und ist gleichzeitig Dreh- und Angelpunkt im Leben einer Gruppe von Schaustellern, die um die Chefin Jaqueline Hainlein leben und arbeiten. Jeder für sich und alle zusammen versuchen sie, das Leben vor und hinter den Kulissen miteinander zu vereinbaren. Ein Feature über sichere Häfen in rotierenden Gondeln, über Sehnsucht, Einsamkeit, Glück und Freundschaft. Eine Geschichte vom Rummelplatz.

Verlorene Denker

Sonntag, 19. Oktober 2014, 18:05 Uhr, hr2

Nachdem die Nationalsozialisten 1933 die Macht ergriffen hatten, mussten weit mehr als 100 Wissenschaftler die Frankfurter Universität verlassen – aus politischen Gründen, oder weil sie Juden waren. Einige konnten ihre Karrieren im Exil fortsetzen, für andere brach die wissenschaftliche Laufbahn jäh ab. Auch die Erinnerung an viele von Ihnen ist bis heute verlorengegangen. Studenten des historischen Seminars der Goethe-Universität sind den Lebenswegen einiger dieser Professoren nachgegangen. Die Recherchen haben Verborgenes wieder zu Tage gefördert: Dokumente und andere Fundstücke, mit denen sich die Biografien der “Verlorenen Denker”, von Frankfurter Professoren der Physik, der Chemie, der Mathematik, der Kunst und der Psychologie wieder nacherzählen lassen. Ein Projekt von hr2-kultur in Kooperation mit der Goethe-Universität anlässlich ihrer Gründung vor 100 Jahren.

 

Radiotipps für die Woche vom 6. bis 12. Oktober 2014

Dadaab
Anatomie eienr Lagergesellschaft in Kenia

Von Bettina Rühl

Dienstag, 07.10.2104, 19.15 Uhr, DLF

In den Flüchtlingslagern von Dadaab, nahe der kenianisch-somalischen Grenze, leben rund 350.000 Menschen. Sie sind vor dem Bürgerkrieg im benachbarten Somalia geflohen, einige schon vor mehr als 20 Jahren.

Weil sich Islamisten aus Somalia unter die Flüchtlinge mischen, sind in den Augen der kenianischen Regierung alle Bewohner potenziell gefährlich. Morde und Vergewaltigungen gehören zum Lageralltag, Fahrten zu den fünf Camps, aus denen der Komplex Dadaab besteht, finden nur mit bewaffneten Eskorten statt, die Flüchtlinge sind praktisch interniert und auf eine spärliche Grundversorgung durch das UN-Flüchtlingshilfswerk angewiesen. Obwohl alle mit etwa gleich leeren Händen hierhergekommen sind, hat sich im Lager eine soziale Differenzierung entwickelt.

Es gibt Erfolgsgeschichten wie die des 47-jährigen Bashir Ahmed Bihi, der zu einem erfolgreichen Geschäftsmann wurde, eine Sekundarschule aufbaute und Wahlen zur Lagervertretung einführte. Andere resignieren schon im Kindesalter und ziehen sich mit ihrer Angst vor Gewalt und dem ständig drohenden Tod in sich zurück.

Schicksal Lampedusa in Tel Aviv

Von Christian Buckard

Freitag, 10. Oktober 2014, 20.10 Uhr, DLF

Israel ist der einzige westliche Staat, der direkt an Afrika grenzt. Seit 2006 haben sich zehntausende Afrikaner, vor allem aus Darfur und Eritrea, auf den Weg in den Sinai gemacht, um von dort die Grenze nach Israel zu überqueren.

Viele von ihnen wurden während der Flucht in die grausamen Folterlager des Sinai entführt, andere durch Schüsse ägyptischer Soldaten verletzt. Wer die Reise überlebte, strandete im Süden Tel Avivs, wo die ärmliche Bevölkerung gegen die Flüchtlinge rebelliert und die Politiker mit Abschiebung drohen. Jetzt ist auch die Grenze abgeriegelt, die Gesetze gegen die illegalen “Eindringlinge” wurden verschärft. Ihr Schicksal bleibt ungewiss.

Das Hacker-Syndrom

Von Johannes Nichelmann

Samstag, 11. Oktober 2014, 13.05 Uhr, Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr, Bayern2

Während der Konflikte des arabischen Frühlings saß Stephan Urbach wochenlang vor seinem Computer in Berlin. Von dort aus unterstützte er per Mausklick die Opposition in Ägypten und Syrien, lud Videos von Demonstrationen ins Netz. Als Teil einer Hackergruppe lieferte er die digitale Infrastruktur, mit der Demonstranten in Krisengebieten Informationen im Netz veröffentlichen können – oft 20 Stunden am Tag, denn das entgegengebrachte Vertrauen verpflichtet. Doch dann wird Urbach selbst zum Opfer seines digitalen Kampfes für Informationsfreiheit. Zu krass sind die Bilder auf seinem Desktop, die Berichte von Freunden, die er noch nie persönlich getroffen hat. Ausgebrannt und depressiv will er sich mit Anfang 30 das Leben nehmen. Statt der Welt zu helfen, braucht er selbst Hilfe und stellt fest, dass er nicht der Einzige ist.

Friederike Mayröcker

Von Carmen Tartarotti und Ferdinand Ludwig

Samstag, 11. Oktober 2014, 18.05 Uhr, DR Kultur

Die medienscheue Grande Dame der österreichischen Literatur, Friederike Mayröcker, hat der Filmemacherin Carmen Tartarotti über einen langen Zeitraum hinweg den Zugang zu ihrem Dichtergehäuse und die Aufnahme von Tonbandgesprächen gewährt.

In dem dabei zutage geförderten Monolog spricht die Schriftstellerin in freier Assoziation: über ihre Kindheit, die ungeliebte Berufstätigkeit als Englischlehrerin, die Beziehung zu den Eltern, vor allem zur Mutter, über Ernst Jandl, über Kunst und Musik. Das Feature lebt von der monoton-melodiösen Stimme Mayröckers, von ihren Sentenzen, Paradoxien, Reflexionen und scheinbar unspektakulären Beobachtungen.

Pathologien der Freiheit
Der Neoliberalismus, das Internet und wir

Von Roman Herzog

Sonntag, 11. Oktober 2014, 14.05 Uhr, SWR2

Seit den Enthüllungen Edward Snowdens wird allenthalben für die Freiheit des Internets gestritten. Aber was ist das für eine Freiheit, und wie ist das Internet zu dem geworden, was es heute ist? “Pathologien der Freiheit” zeichnet den kritischen Netzdiskurs nach von den 1980er-Jahren bis heute und zeigt, wie im zweiten Anlauf aus der Asche der Dot-Com-Krise und der Twin Towers das neoliberale Internet entsteht, in dem heute Staaten, Geheimdienste und Unternehmen eine lückenlose Kalkulation und Kontrolle der Individuen und Bevölkerung anstreben. Michel Foucault hatte schon in den 1970er-Jahren mit seinen Analysen des Neoliberalismus gezeigt, welche Kontrollgesellschaft sich abzeichnet und wie wir selbst durch unser aktives Mitwirken dem System zum Erfolg verhelfen, indem wir uns als selbstoptimierte Subjekte schaffen. Genau damit geben wir den Unternehmen und Geheimdiensten erst die Möglichkeit, uns in einer Freiheitsfalle gefangen zu halten.

Verlorene Denker

Sonntag, 19. Oktober 2014, 18:05 Uhr, hr2-kultur

Die Universität residiert heute an einem der Tatorte des Nationalsozialismus: dem IG-Farben-Gebäude.

Nachdem die Nationalsozialisten 1933 die Macht ergriffen hatten, mussten weit mehr als 100 Wissenschaftler die Frankfurter Universität verlassen – aus politischen Gründen, oder weil sie Juden waren.

Einige konnten ihre Karrieren im Exil fortsetzen, für andere brach die wissenschaftliche Laufbahn jäh ab. Auch die Erinnerung an viele von Ihnen ist bis heute verlorengegangen. Studenten des historischen Seminars der Goethe-Universität sind den Lebenswegen einiger dieser Professoren nachgegangen. Die Recherchen haben Verborgenes wieder zu Tage gefördert: Dokumente und andere Fundstücke, mit denen sich die Biografien der “Verlorenen Denker”, von Frankfurter Professoren der Physik, der Chemie, der Mathematik, der Kunst und der Psychologie wieder nacherzählen lassen. Ein Projekt von hr2-kultur in Kooperation mit der Goethe-Universität anlässlich ihrer Gründung vor 100 Jahren.